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Die Geschichte vom Kissi
Eine (fast) wahre Geschichte
„Wir gehen auf den Flohmarkt!“, verkündete Mama freudestrahlend.
„Au ja!“, rief Susanne.
„Au ja!, rief Anika.
„Au ja!“, rief auch der Papa.
Denn sie alle gingen gerne auf den Flohmarkt.
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Auf dem Flohmarkt gibt es – natürlich -, wie jedes Kind weiß, keine Flöhe.
Dafür aber ganz viele tolle Sachen für Mamas und Papas und natürlich auch Spielsachen für Kinder so weit das Auge reicht.
Und wenn Susanne, Anika, Mama und Papa auf den Flohmarkt gehen, darf sich jeder genau eine Sache aussuchen, die er gerne hätte.
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Papa sammelt Bierkrüge. Deshalb schaut er immer wieder mal, wenn er auf dem Flohmarkt ist, nach einem neuen Bierkrug. Man munkelt ja, dass es auf dem Flohmarkt die schönsten Bierkrüge weit und breit geben soll.
Und da hatte er auch schon einen gefunden. Der Bierkrug war ganz verschnörkelt und der kam von ganz weit her, sagte der Papa. „Und der passt bestimmt ganz wunderbar in meine Sammlung von mindestens unendlich vielen Bierkrügen.“
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Mama kaufte sich eine neue Handtasche. Sie brauchte nämlich unbedingt eine neue. Die alte war schon ganz kaputt und hatte Löcher. „Seht nur.“, sagte sie und steckte ihre Hand in ihre alte Handtasche. Und schwupp, guckte ihr Finger an der Unterseite ihrer Tasche wieder heraus. Das sah aus wie ein kleiner Regenwurm, der aus der Erde heraus guckt, nur eben andersrum.
Und das sah so lustig aus, dass Susanne und Anika ganz laut
lachten und Susanne sagte sogar: „Wenn ich groß bin, will ich auch eine Handtasche mit so lustigen Löchern haben.“
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Anika wünschte sich einen neuen Puppenwagen. Ihr alter Puppenwagen war, genau wie Mamas Handtasche, nämlich auch schon ganz kaputt. Also bekam Anika einen neuen Puppenwagen. Und stolz fuhr sie damit über den Flohmarkt.
Mama sagte noch: „Und sei schön vorsichtig hier, Anika. Damit du ja niemandem über die Füße fährst.“
Und das war sie dann auch....vorsichtig. Sie fuhr nämlich kaum jemandem über die Füße.
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Nur Susanne konnte sich überhaupt nicht entscheiden was sie haben wollte. Es gab einfach so viele tolle Sachen auf dem Flohmarkt. Es gab Bälle und Puppen und auch Puppenhäuser, Straßenkreide, Springseile. Es gab einfach alles, und noch viel, viel mehr.
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Da sah Susanne auf einem Tisch ein kleines Stofftier. Nein, eigentlich war es gar kein Stofftier. Es hatte zwar Ohren und Augen, aber es sah so aus wie ein Kissen. Aber für ein Kissen war es nicht groß genug, um des nachts darauf zu schlafen. Dafür war es viel zu klein. Und gelb war es. Gelber sogar noch als das gelbste Postauto das man je gesehen hat. Und so ein Stoffkissentier hatte Susanne auch noch nie gesehen. Und Mama und Papa und auch Anika, wenn man ehrlich sein soll, auch noch nie.
Das wollte Susanne haben. Das und gar nichts anderes!
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Kissi – so hatte Susanne ihr Stoffkissentier nämlich getauft – schlief jede Nacht mit in Susannes Bett. Und schon bald konnte Susanne gar nicht mehr einschlafen, wenn Kissi nicht in ihren Armen lag.
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Anika zog ihre Schwester oft wegen Kissi auf.
„Dein Kissi ist doof!“, sagte Anika immerzu. Aber vermutlich war Anika nur neidisch, weil ihr neuer Puppenwagen schon längst wieder kaputt war und Susannes Kissi immer noch jede Nacht mit in Susannes Bett schlief.
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Die Jahre vergingen...
Und Susanne und natürlich auch Kissi wurden älter. Aber egal wie alt Susanne auch wurde und egal wie groß sie auch war: Jede Nacht hatte sich Susanne zum Einschlafen an Kissi gekuschelt.
Doch irgendwann kam die Zeit daher. Und die Zeit hat einen riesigen Zahn. Und wenn der Zeit langweilig ist, dann schleicht sie sich des nachts in Kinderzimmer und nagt an den Spielsachen der Kinder.
Und der Zeit ist oft langweilig. Wieso sonst gehen immer so viele Spielsachen kaputt?
Also: Wenn eure Eltern irgendwann einmal wieder behaupten, ihr hättet eure Spielsachen kaputt gemacht, dann sagt ihnen ganz einfach: „Nein, das war ich nicht. Das war die Zeit mit seinem großen Zahn.“
Susanne warf ihr Kissi natürlich nicht weg. Auch wenn es schon so viele Löcher hatte. Schließlich konnte Kissi ja auch gar nichts dafür, dass es so ramponiert war.
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Aber Kissi schlief nun nicht mehr jede Nacht in Susannes Bett. Denn Susanne hatte Angst, dass Kissi noch mehr kaputt gehen könnte.
Deshalb legte sie Kissi in den Schrank, zwischen all ihren Socken und Strumpfhosen. Na, da hatte es Kissi auf jeden Fall schön warm und gemütlich.
Und so verbrachte Kissi eine ganz lange Zeit im Schrank. Und Kissi träumte jede Nacht davon, wie es früher immer in Susannes Bett schlief.
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Aber ob ihr es glaubt oder nicht: Kissi war nicht so traurig, wie man vielleicht meinen könnte. Denn schließlich hatte Susanne Kissi nicht weggeworfen, so wie andere Kinder es vielleicht getan
hätten, wenn ihr Stoffkissentier so viele Löcher gehabt hätte.
Nein, es war nicht traurig. Schließlich war Kissi ja immer in Susannes Nähe, und es konnte hören, wenn Susanne ins Bett ging. Dann wünschte es Susanne immer eine gute Nacht und Susanne wünschte Kissi natürlich auch eine gute Nacht.
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Eines Tages lernte Susanne Markus kennen, und sie verliebten sich sofort ineinander.
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Markus hatte auch mal ein Stofftier gehabt, das er jede Nacht zum Kuscheln mit ins Bett genommen hatte. Aber sein Stofftier hatte er schon lange nicht mehr. Dabei war es aber überhaupt nicht seine Schuld. Er hatte sein Stofftier, das übrigens ein Stofffuchs war, nicht weggeworfen. Das hätte er nie gekonnt. Genauso wenig wie Susanne Kissi jemals wegwerfen könnte.
Markus Mama war nämlich irgendwann der Meinung gewesen,dass Markus jetzt zu alt für ein Stofftier sei und hatte Fuxi, so hieß er nämlich, einfach weggeworfen. Oder vielleicht verkaufte sie Fuxi auch auf dem Flohmarkt? Wer weiß? Auf jeden Fall hatte Markus Fuxi nie wieder gesehen.
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Markus hatte viel geweint und es hatte lange gedauert, bis er wieder richtig einschlafen konnte, so ganz ohne Fuxi.
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Als Markus mal bei Susanne zu Besuch war, sah er in einer Schublade Kissi liegen. Susanne hatte nämlich vergessen, die Schublade zuzumachen.
Markus nahm Kissi aus der Schublade raus und wurde ganz traurig, als er all die Löcher sah, die die Zeit mit ihrem riesigen Zahn Kissi in den Stoff genagt hatte.
Armes Kissi!, dachte er.
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Da hatte Markus wieder an Fuxi gedacht und wie schön es wäre, wenn er Fuxi auch noch hätte.
Und plötzlich kam Markus eine Idee.
Er nahm Kissi heimlich mit nach hause. Aber keine Angst. Susanne bekommt ihr Kissi schon zurück. Ganz bestimmt.
Aber vorher hatte er noch einiges zu tun!
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Markus werkelte und werkelte bei sich zu hause. Und ab und zu hörten die Leute unten auf der Straße ein „Au!“ von ihm und sie fragten sich, was Markus wohl da oben tat.
Ihr habt es natürlich schon längst erraten, nicht wahr?
Und wenn nicht, dann lest schnell weiter...
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Als Markus wieder bei Susanne war, legte er Kissi heimlich in die Schublade zurück.
Und als Susanne dann ein Paar neue Socken aus der Schublade nehmen wollte, lag dort Kissi. Und da wo vorher die ganzen Löcher gewesen waren, prangte jetzt ein großer gelber Flicken. Alle Löcher waren weg!
Und dabei hatte Susanne sich schon gewundert, wieso Markus an fast jedem Finger ein Pflaster hatte, und da wusste sie, dass Markus den Flicken auf Kissi genäht hatte. Und dabei hatte er sich wohl öfters in den Finger gepiekst. Und das stimmte auch. Denn schließlich hatte Markus noch nie zuvor in seinem Leben genäht.
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Susanne war so glücklich darüber, dass Kissi keine Löcher mehr hatte, und dass sie Kissi von nun an wieder jede Nacht mit ins Bett nehmen konnte.
Und Markus war glücklich, weil Susanne glücklich war.
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Und das war die Geschichte vom Kissi.
Und soll ich euch was sagen? Kissi geht es immer noch richtig gut. Und die Zeit hat es nie wieder gewagt, an Kissi rumzunagen. Markus hatte nämlich mal ein ernstes Wörtchen mit der Zeit geredet.
Ach ja, und wenn ihr irgendwann einmal einen Stofffuchs auf einem Flohmarkt findet, fragt es mal, ob es vielleicht Fuxi heißt. Es könnte ja sein, dass es Markus Fuxi einmal war. Wenn ja, dann grüßt es schön von mir.
ENDE