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Die Geschichte meines Lebens
Die Geschichte meines Lebens
Als ich ein kleiner Junge gewesen bin, war alles noch schön, und ich hatte eine wundervolle Kindheit. Doch als ich auf das Gymnasium wechselte, wurde alles anders. Mein Vater hatte angefangen mich zu schlagen, weil ich keine guten Noten mehr schrieb. Als Folge davon geriet ich auf die schiefe Bahn. zuerst lernte ich falsche Freunde kennen, dann nahm ich Drogen, und so ging es immer weiter, bis ich irgendwann im Krankenhaus aufwachte.
Ich kam in die Jugendpsychiatrie, wo mir wirklich gut geholfen wurde. Doch als ich nach einem Jahr nach Hause kam, sah es so aus als würde alles wieder von vorne beginnen. Erst schlug mich mein Vater und dann kam wieder der Alkohol, den ich aus Wut auf meinen Vater trank. Ich wollte das nicht, NEIN, ich wollte ein normales Leben führen. Also nahm ich meine Sachen und verschwand.
Ich lebte eine Zeitlang auf der Straße und von dieser Zeit möchte ich euch erzählen.
Ich beginne mit dem ersten Tag auf der Straße. Es war ein warmer Sommertag und ich besaß nur sehr wenig Geld. Also versuchte ich es zum ersten Mal mit Betteln. Es wollte nicht so recht funktionieren. Nach drei Stunden still herumsitzen gab ich es auf. Ich nahm meine Sachen und fing an, mir einen Schlafplatz zu suchen. Es dauerte nicht lange bis ich diesen gefunden hatte .
Dort breitete ich meinen Schlafsack aus und legte mich hin, denn es war schon ziemlich spät. Das Einzige was ich hörte, war das Knurren meines Magens, denn ich hatte seit einem Tag nichts mehr gegessen. Schlafen konnte ich auch nicht wirklich, denn es war ungewohnt so im Freien zu schlafen. Du hast Angst, dass irgendjemand kommt und dir deine Sachen klaut. Sie sind das Einzige was du noch hast!
Mitten in der Nacht wurde ich von lauten Stimmen geweckt. Als ich meine Augen öffnete, standen zwei Polizisten vor mir, die mir sagten, ich solle meine Sachen nehmen und verschwinden .
Das tat ich dann auch, weil ich keinen Ärger haben wollte. Also stand ich ungefähr um drei Uhr morgens mitten in der Innenstadt und durfte mir einen neuen Schlafplatz suchen!
So lief ich also nachts durch die hell erleuchteten Straßen der Stadt. Nach zwei Stunden vergeblicher Suche beschloss ich in einem der vielen Hausflure zu schlafen. Ich testete an vielen Haustüren, ob sie offen waren. Aber erst die Haustür Nr. 121 ließ mich hinein. Ich betrat den Flur und ließ mich gleich neben der Tür nieder. Ich war so k.o., dass ich gleich einschlief und erst am späten Vormittag des nächsten Tages wieder aufwachte. Als ich die Augen öffnete, strahlte etwas Sonne durch die mit Graffiti besprühten Scheiben der Haustür. Ich ging hinaus an die frische Luft, einige Meter die Straße entlang, ließ mich auf dem Bordstein nieder und fing an ein wenig nachzudenken.
Dabei wurde mir klar: Das Gefühl des Alleinseins bringt mich noch um. Ich habe niemanden, dem ich meine Sorgen und Ängste anvertrauen kann, niemanden, der mir zuhört und mich versteht. Jetzt bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich darüber nachdenke, ob das alles richtig ist. Ob es die richtige Endscheidung war abzuhauen und auf der Straße zu leben. Denn es ist nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, die Leute geben mir jeden Tag etwas Geld und ich kann mir dann etwas zu Essen kaufen. Und irgendwann wenn ich müde bin, lege ich mich irgendwo hin und schlafe Aber so einfach ist das nicht. Denn im Park darf man nicht schlafen und auf der Straße, zwischen dem ganzen stinkenden Müll, will man nicht schlafen.
Aber damit muss ich jetzt lernen zu leben.
Nach einiger Zeit, die ich auf dem Bordstein der verkehrsberuhigten Straße verbrachte, stand ich auf und ging runter zum Weser Ufer, denn es war ein wunderschöner Tag mit viel Sonnenschein. Ich ließ mich auf einer Bank nieder, die in der Sonne stand. Als ich tief einatmete, roch ich den süßen Duft von Kuchen und anderem Gebäck. Und sofort verspürte ich wieder die Leere in meinem Magen, die ich die letzten paar Stunden verdrängte . Ich brauchte jetzt dringend etwas zu Essen. Also faste ich den Entschluss zum Bäcker zu gehen und ihn zu fragen, ob er noch etwas Ware vom Vortag übrig hatte, die er sonst wegschmeißen würde. Ich machte mich auf den Weg zu ihm und fragte, ob er etwas zu Essen für mich hätte. Der Bäcker guckte mich mit großen Augen an und fragte, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe! Ich war etwas perplex, weil ich so eine Antwort nicht erwartet hatte. Aber eine Frage, die ich mir stellte war: „Warum bekommt man nicht einmal das, was sowieso nach Ladenschluss im Müll landet?“ Für mich unverständlich!!!
Aber das war mir jetzt auch egal. Ich werde schon irgendwie an etwas zu Essen kommen. Da meine Beine extrem schmerzten, setzte ich mich auf das von der Sonne gewärmte Gras. Ich holte mein Tagebuch aus meinem Rucksack heraus und blätterte ein wenig
darin. Viele lustige Texte und Zeichnungen stachen mir ins Auge. Doch ein Text war anders als alle anderen. Nach diesem Text endeten die schönen Seiten abrupt.
Ich las mir den Text leise vor : “Ein Stich und alles ist vorbei. Die Zerstörung der Trümmer geht endlos weiter, mit kurzem Baustopp zum Atmen und Hoffnung schöpfen.
Die Augen brennen bei jedem Augenaufschlag und die Hoffnung wirft mit Messern auf dich. Das Frohsein wird zum Geschenk. Vergessen und Verdrängen haben dein Hauptaugenmerk. Und wenn es dir einmal gelingt zu genießen und es sich gut anfühlt, ist es wie der erste Sonnenstrahl nach langem Regen!“
Und innerhalb von Sekunden war dieser Schmerz wieder da. Ich versuchte diese Gedanken zu unterdrücken, aber es ging nicht! Ich fing zu weinen an, sprang auf und rannte um mein Leben die Straßen der Stadt rauf und runter. Ich rannte aus der Stadt, hinaus auf eines der schönen gelben Rapsfelder. Ich brach zusammen. Ich konnte nicht mehr. Ich lag wie leblos am Boden und die Erinnerungen an die Vergangenheit holten mich ein. Ich dachte mir: “Was bringt das alles noch? Wozu bist du noch da?“ Ich stand auf und nahm meinen Rucksack. Da das Feld gegenüber eines schönen Waldes stand, ging ich ohne viel nachzudenken in den sehr dunkel aussehenden Wald hinein.
Ich lief immer weiter und es wurde dunkler und kälter. Man sah nur noch kleine Stücke des Himmels durch die dichten Baumkronen. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Ich lief nur noch geradeaus, immer tiefer in den Wald hinein, bis ich mich ziemlich erschöpft auf den Boden setzte. Ich nahm meinen Rucksack und schaute, was ich alles mit mir herumschleppte. Ich wollte etwas finden, was mir alles leichter macht. Ich fand ein rot-schwarz-kariertes Halstuch und ein unbenutztes Taschenmesser. Mehr hatte ich nicht bei mir, denn mein Tagebuch habe ich in der ganzen Wut auf mein Leben am Weser Ufer liegen gelassen. Aber diese unbeschreibliche Wut war immer noch nicht verschwunden. Ich wusste nicht, was das alles noch bringen sollte.
Ich hatte eh´ niemanden mehr, der sich für mich interessiert oder dem ich etwas bedeute. Ich nahm das noch unbenutzte Taschenmesser und klappte die wunderschöne silberne Klinge aus, die sehr scharf ist. Das merkte ich, als ich mir mit ihr das erste Mal über den Arm strich. Nach dem dritten Mal drückte ich immer fester zu. Ich spürte, wie mir der erste Tropfen des warmen Blutes den Arm entlang lief. Das Blut strömte jetzt unaufhaltsam aus der Wunde. Ich starrte in den hellblauen, mit weißen Federwolken durchzogenen Himmel. Es fühlte sich schön an. Alles war so ruhig. Ich atmete immer gleichmäßiger und schloss meine Augen. Vor mir liefen wie in einem Film die schönsten Augenblicke meines Lebens ab. Mit dem letzten Atemzug hörte ich das Lachen von meinem vierten Geburtstag. Das war bevor mein Leben aus den Fugen geriet und ich meinen Kampf mit der Vergangenheit verloren hatte.