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Die Geliebte
„Alles.“
Der Verkäufer nickte bedächtig und musterte mich mit Blicken, die ich nicht deuten konnte.
„Es ist ein neues Modell. Und es verkauft sich klasse. Mit der kannste bumsen, soviel wie du kannst.“ Er blies sich die Backen auf.
Für den bin ich jemand, der es nötig hat.
Womit er recht hatte.
„Mit der machste keinen Fehler. Hab selber so eine zu Hause. Darf bloss meine Alte nichts von mitkriegen, wenn sie kommt. Dann schnell den Schalter umgelegt und ab in die Besenkammer.“ Er lachte röhrend, als hätte er den Witz seines Lebens gemacht.
„Gut.“ sagte ich und ging zum Androidenregal. Die Dame befand sich noch in der Initialisierungsphase, sie lag bewegungslos da wie eine Schaufensterpuppe. Sie hatte halblanges, braunes Haar, eine etwas spitze Nase, blaue Augen, einen schlanken Körper. Sie sah ansprechend aus, aber nicht umwerfend. Einen Tick zu unauffällig, aber das konnte sich noch als Vorteil erweisen. Von Zeit zu Zeit glitt ein leichtes Zucken über ihre Haut, ein Zeichen dafür, dass sie bald erwachen würde.
Eine halbe Stunde später verliessen wir das Geschäft. Wortlos liefen wir durch die belebte Fussgängerzone. Von Zeit zu Zeit warf ich ihr einen nervösen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sie trug Jeans und ein farbiges T-Shirt, weisse Turnschuhe. Mühelos passte sie sich dem Tempo meiner Schritte an. Ihr Blick war nach vorn gerichtet, die im Profil fast eckige Nase wirkte spröde.
Sie zeigte keinerlei Interesse an mir.
„Verena.“ sagte ich.
Neben dem Recht, sie zu entjungfern hatte ich auch das Recht erworben, sie zu benennen.Nun hatte ich ihr den Namen Verena gegeben.
„Ich höre.“
Ihre ersten Worte waren nicht zart genug. Geradezu seltsam waren sie.
„Wir gehen jetzt zu mir nach Hause.“
„Das dachte ich mir.“
Wir hatten noch drei Kilometer bis zu meiner Wohnung und ich hätte ein Taxi nehmen können. Aber ich wollte laufen. Verena machte es nichts aus. Sie war still, kühl, adrett. Ich ergriff ihre Hand.
Sie liess es nicht zu.
„Nein.“ sagte sie.
Warum nicht? Gut, ich war immer der Meinung gewesen, dass man Androiden ordentlich behandeln sollte. Das ist eine Frage der Kultur und der Persönlichkeit. Aber musste ich mir das bieten lassen? Sie wirkte auf mich, als könne sie mich jeden Moment verlassen.
Flirten kann ich nicht. Smalltalk kann ich auch nicht.
Wir überquerten gerade den Kaimanplatz mit seinen Stadttauben, Springbrunnen und der Oper in der Mitte. Ich deutete auf das Gebäude und sagte: „Das Opernhaus.“
Sie war unvermittelt stehengeblieben.
„Das Opernhaus.“ wiederholte sie, starrte sekundenlang hin und scannte das Gebiet.
So begann unsere Konversation damit, dass ich die Dinge benannte, die wir passierten und sie meine Worte manchmal wiederholte.
„Das ist das Wessel-Kaufhaus.“ - „Das Wessel-Kaufhaus.“
„Dort ist meine Zahnarztpraxis.“ – „Deine Zahnarztpraxis.“
„Da ist ein Meditationszentrum.“ – „Ein Meditationszentrum.“
Oft blieb sie dabei ruckartig stehen und schaute konzentriert auf den bezeichneten Ort. Manchmal begnügte sie sich aber auch mit einem flüchtigen Blick oder sie reagierte überhaupt nicht auf meine Worte. Ich versuchte herauszufinden, wie dieser Android programmiert war, ertappte mich aber immer wieder dabei, dass ich nach dem Sinn ihres Verhaltens suchte.
Ich hätte gern eine Unterhaltung mit ihr angefangen, sah aber keine Möglichkeit. Was hätte ich sagen sollen? „Wie fühlst du dich?“ „Wie findest du das Wetter?“ „Was hast du gestern gemacht?“ Die Worte blieben mir im Hals stecken, ich kriegte sie nicht heraus. Dabei sah man ihr nicht einmal an, was sie war. Sie bewegte sich natürlich, geradezu mit Anmut. Sie nervte nicht und sie hatte – nun ja – eine beruhigende Wirkung.
Als wir bei mir zu Hause ankamen, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Im dusteren Treppenhaus berührte ich kurz ihre Schulter. Sie tat, als würde sie es nicht bemerken. Ich näherte mich ihrem Gesicht, ein Dufthauch umwehte mich unvermittelt. Sie roch betörend.
„Hier wohnst du also.“
„Ja.“
Ich liess die Tür sich öffnen, wir traten ein. Meine Wohnung war grosszügig und geschmackvoll. Technischer Schnickschnack fehlte, bis auf die etwas massige Ledercouch waren alle Möbel aus hellem Holz. An den Wänden hingen grosse, farbenfrohe Bilder, die einen (wie ich fand) lebendigen Kontrast zu der nüchternen und sparsamen Einrichtung des Salons bildeten. An das Wohnzimmer grenzte die Küche und ein Korridor, der zu den weiteren Räumen führte: dem Schlafzimmer, einem Studierzimmer mit vielen Büchern, einem Meditationsraum (in dem ich auch Musik hörte). Toilette und Bad gab es natürlich auch.
Verena war nahe der Eingangsür stehengeblieben und schaute sich alles an. Ich beobachtete sie dabei mit einiger Befriedigung. Gefällt es dir? hätte ich fragen wollen, schwieg aber.
„Ein Klavier!“ rief sie mit glockenheller Stimme. Sie lief, ja sie sprang zu dem am Fenster stehenden Instrument und strich versonnen über die Tasten.
„Ich liebe Pianos!“
Ich kam auf sie zu, grinste.
„Seit wann denn?“
„Ach du!“ Sie boxte mir an die Schulter. „Was weisst du schon?“
Dann legte sie ihre Hände auf die Tastatur und spielte eine Melodie, die ich nicht kannte. Die Musik war zart, perlend, verspielt, sie berührte mich.
„Du bist ja eine Künstlerin.“
„Auch das.“
„Verena. Ich weiss, wir sind ein etwas seltsames Paar, aber wir wollen das Beste daraus machen. Ich freue mich dass du bei mir ist.“
Sie entgegnete nichts, blickte nicht mal auf. Regungslos stand sie vor mir, den Kopf leicht nach unten geneigt.
Ich freue mich auch. hätte sie ruhig sagen können.
„Setzen wir uns.“
Ich liess mich auf der Couch nieder, sie trottete mir hinterher und setzte sich auch. Jetzt wirkte sie wieder stumpf. Ich beobachtete, wie sie atmete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Sie hatte eher kleine, doch feste Brüste, die ihr T-Shirt auf das Schönste spannen liessen.
Nun rückte ich zu ihr rüber und legte ihr den Arm über die Schulter. Sie zuckte leicht, verharrte ansonsten steif. Ich roch wieder ihr Parfüm. So umnebelt, schloss ich meine Augen und träumte sie mir zurecht. Ich wandte ihr mein Gesicht zu und küsste ihre Wange. Die Haut war weich, ich küsste ein zweites Mal und tastete mich zu ihrem Mund vor.
Sie stiess mich von sich.
„Ich bin keine Nutte.“ zischte sie.
Ich war erschrocken aufgesprungen, beschämt und sauer. Dann eben nicht. Das war ja wie mit einer Frau. Ich würde sie zurückbringen. Sie umtauschen. Ich ärgerte mich über diese Fehlinvestition. Ich hörte schon diesen prolligen Verkäufer sprechen. Hat’s nich geklappt? Vielleicht lach’s ja auch an dir. Probiers noch mal für ein paar Tage, dann kannste se immer noch zurückgeben.
Noch immer zornig, ging ich in die Küche. Wenigstens brauchte ich etwas zu trinken. Ich öffnete einen Rotwein, einen dunklen, schweren mit viel Tannin und Alkohol, nahm mir ein Glas und ging zu der Couch zurück, wo Verena in der mir schon bekannten reglosen Pose dasass.
Ich schenkte mir ein und das Glucksen des Weines war das einzige Geräusch in einer ansonsten vollkommenen Stille. Plötzlich besann ich mich anders, ging noch einmal in die Küche und holte ein zweites Glas. Wenn schon, denn schon.
Ich schenkte ihr ein und stellte den Wein vor ihre Nase.
„Trink!“ befahl ich.
Sie folgte. Gehorsam führte sie das Glas an ihren Mund, nippte daran und liess ein paar der wertvollen Tropfen in ihrem Schlauchsystem verschwinden.
„Das Klavier.“ meinte sie dann so arglos, als hätte gar keine Verstimmung gegeben. „Spielst du?“
„Ja, natürlich. In der Hauptsache benötige ich es aber für meine Arbeit. Ich bin Kulturwissenschaftler. Spezialist für Cybermusik.“
„Oh!“
„Ich bin Privatdozent an der hiesigen Universität.“ fügte ich nicht ohne Stolz hinzu.
„Interessant. Haben wir denn musikalisches Talent?“
„Unbedingt. Die Musik ist bekanntlich der Mathematik verwandt, so gibt es vielleicht keine andere Kunst, in der die KI sich so rasch vom Menschen emanzipieren konnte. Noch vor fünfzig Jahren war es allerdings so, dass alle wesentlichen Impulse von den Programmierern kamen, von Menschen also.“
„Und heute?“
Ich kam ins Erzählen. In der Tat interessierte ich mich schon seit meiner Kindheit für die Kompositionen der Robots. Der esoterische Aspekt dieser Kunst faszinierte mich. Die Musik schien autark, abweisend und für unsere Ohren seltsam. Doch in diesen atonalen Lautteppichen verbarg sich Einiges, die algorithmische Arbeitsweise der unbelebten Schöpfer vermochte es, komplexe Strukturen in die Werke zu brennen. Seit einigen Jahrzehnten hatten die Menschen die Deutungshoheit über die Cybermusik verloren. Die Robots organsierten selbst Wettbewerbe und stellten ihre eigene Jurys, die oft zu anderen Ergebnisen kam als die noch geduldeten menschlichen Juroren. Die Maschinen sendeten sich auch gezielt gegenseitig ihre Kreationen zu, was über die Jahre hin zu einem vielschichtigen, kulturellem Netzwerk führte, das den Menschen nicht mehr unbedingt zugänglich war. Leitete eine Maschine ein empfangenes Opus einem Dritten weiter, so kam das einer Empfehlung gleich, was eine Aufwertung des Werkes mit sich brachte.
Verena hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Sie dankte meinen interessanten Ausführungen nicht nur mit Nachfragen und glucksendem Lachen als Zeichen ihres Amüsements, sondern auch, indem sie immer näher zu mir heranrückte.
Schon nach Minuten begann sie, sich an meine Schultern anzuschmiegen und schliesslich lag sie mit ihrem Kopf auf meinem Schoss, schautemir direkt ins Gesicht und ich kraulte zärtlich ihr Haar, ohne meinen Vortrag auch nur eine Sekunde zu unterbrechen.
„Du kannst gut erzählen.“ sagte sie, als ich geendet hatte. „Jetzt bin ich müde.“
„Ich auch.“
Es stimmte zwar nicht, aber eine gewisse Schwere war schon in mir. Den Wein hatte ich alle gekriegt. Sie hatte sich langsam erhoben und rekelte sich.
Ich stand auch auf.
Jetzt wurde es interessant. Ich hatte sie weich gekriegt.
„Ich gehe mich duschen.“ meinte ich.
„Ich nicht. Ist nicht so gut für meine Schaltkreise.“
Wieder dieses Lächeln.
„Aber dicht bist du doch?“
„Selbstverständlich.“ hauchte sie.
Ich duschte gründlich. Als ich Minuten später, nur mit einem Handtuch bekleidet, ins Schlafzimmer marschierte, sah ich sie zum ersten Mal nackt.
Sie sah nicht perfekt aus. Ihre Arme waren mager, an den Oberschenkeln hatte sie eine leichte Cellulitis. Um ihre Scham hatte sie einen dichten Busch aus schwarzem Haar, was eher nicht so mein Ding war. Aber wie sie so dastand, schutzlos und nackt und doch ohne Furcht, schon hingegeben und vollkommen frei, das war, als wollte sie mir sagen: So bin ich nun.
Sie empfing mich voller Gastlichkeit. Ihre Vulva war geräumig und anschmiegsam, feucht genug und warm. Nicht, dass sie sich grossartig gebärdete. Sie begnügte sich mit kleinen, entgegenkommenden Bewegungen und streichelte sanft meinen Rücken. Ich presste ihren Leib an mich, knetete begierig ihren Hintern und ergoss mich bald in sie.
Es war sehr gut. Ich stösselte noch weiter bis zur Erschlaffung, kauerte mich dann über sie und liebkoste ihren Körper, der jetzt von einem Schweissfilm überzogen war. Der Akt hatte nur ein paar Minuten gedauert, war aber kräftig gewesen. Ich keuchte, auch Verena atmete rasch.
Ich kuschelte mich an sie, sie strich über meine Haare.
„Warte erst, bis ich dich besser kennengelernt habe.“ flüsterte sie mir ins Ohr.
Befriedigt rollte ich mich zur Seite. Ganze Arbeit hatten sie geleistet, die Herren Konstrukteure.