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Die Geliebte

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27.09.2009
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Die Geliebte

„Alles.“
Der Verkäufer nickte bedächtig und musterte mich mit Blicken, die ich nicht deuten konnte.
„Es ist ein neues Modell. Und es verkauft sich klasse. Mit der kannste bumsen, soviel wie du kannst.“ Er blies sich die Backen auf.

Für den bin ich jemand, der es nötig hat.
Womit er recht hatte.

„Mit der machste keinen Fehler. Hab selber so eine zu Hause. Darf bloss meine Alte nichts von mitkriegen, wenn sie kommt. Dann schnell den Schalter umgelegt und ab in die Besenkammer.“ Er lachte röhrend, als hätte er den Witz seines Lebens gemacht.
„Gut.“ sagte ich und ging zum Androidenregal. Die Dame befand sich noch in der Initialisierungsphase, sie lag bewegungslos da wie eine Schaufensterpuppe. Sie hatte halblanges, braunes Haar, eine etwas spitze Nase, blaue Augen, einen schlanken Körper. Sie sah ansprechend aus, aber nicht umwerfend. Einen Tick zu unauffällig, aber das konnte sich noch als Vorteil erweisen. Von Zeit zu Zeit glitt ein leichtes Zucken über ihre Haut, ein Zeichen dafür, dass sie bald erwachen würde.

Eine halbe Stunde später verliessen wir das Geschäft. Wortlos liefen wir durch die belebte Fussgängerzone. Von Zeit zu Zeit warf ich ihr einen nervösen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sie trug Jeans und ein farbiges T-Shirt, weisse Turnschuhe. Mühelos passte sie sich dem Tempo meiner Schritte an. Ihr Blick war nach vorn gerichtet, die im Profil fast eckige Nase wirkte spröde.

Sie zeigte keinerlei Interesse an mir.
„Verena.“ sagte ich.
Neben dem Recht, sie zu entjungfern hatte ich auch das Recht erworben, sie zu benennen.Nun hatte ich ihr den Namen Verena gegeben.
„Ich höre.“
Ihre ersten Worte waren nicht zart genug. Geradezu seltsam waren sie.
„Wir gehen jetzt zu mir nach Hause.“
„Das dachte ich mir.“

Wir hatten noch drei Kilometer bis zu meiner Wohnung und ich hätte ein Taxi nehmen können. Aber ich wollte laufen. Verena machte es nichts aus. Sie war still, kühl, adrett. Ich ergriff ihre Hand.
Sie liess es nicht zu.
„Nein.“ sagte sie.
Warum nicht? Gut, ich war immer der Meinung gewesen, dass man Androiden ordentlich behandeln sollte. Das ist eine Frage der Kultur und der Persönlichkeit. Aber musste ich mir das bieten lassen? Sie wirkte auf mich, als könne sie mich jeden Moment verlassen.

Flirten kann ich nicht. Smalltalk kann ich auch nicht.

Wir überquerten gerade den Kaimanplatz mit seinen Stadttauben, Springbrunnen und der Oper in der Mitte. Ich deutete auf das Gebäude und sagte: „Das Opernhaus.“
Sie war unvermittelt stehengeblieben.
„Das Opernhaus.“ wiederholte sie, starrte sekundenlang hin und scannte das Gebiet.
So begann unsere Konversation damit, dass ich die Dinge benannte, die wir passierten und sie meine Worte manchmal wiederholte.
„Das ist das Wessel-Kaufhaus.“ - „Das Wessel-Kaufhaus.“
„Dort ist meine Zahnarztpraxis.“ – „Deine Zahnarztpraxis.“
„Da ist ein Meditationszentrum.“ – „Ein Meditationszentrum.“
Oft blieb sie dabei ruckartig stehen und schaute konzentriert auf den bezeichneten Ort. Manchmal begnügte sie sich aber auch mit einem flüchtigen Blick oder sie reagierte überhaupt nicht auf meine Worte. Ich versuchte herauszufinden, wie dieser Android programmiert war, ertappte mich aber immer wieder dabei, dass ich nach dem Sinn ihres Verhaltens suchte.

Ich hätte gern eine Unterhaltung mit ihr angefangen, sah aber keine Möglichkeit. Was hätte ich sagen sollen? „Wie fühlst du dich?“ „Wie findest du das Wetter?“ „Was hast du gestern gemacht?“ Die Worte blieben mir im Hals stecken, ich kriegte sie nicht heraus. Dabei sah man ihr nicht einmal an, was sie war. Sie bewegte sich natürlich, geradezu mit Anmut. Sie nervte nicht und sie hatte – nun ja – eine beruhigende Wirkung.

Als wir bei mir zu Hause ankamen, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Im dusteren Treppenhaus berührte ich kurz ihre Schulter. Sie tat, als würde sie es nicht bemerken. Ich näherte mich ihrem Gesicht, ein Dufthauch umwehte mich unvermittelt. Sie roch betörend.
„Hier wohnst du also.“
„Ja.“
Ich liess die Tür sich öffnen, wir traten ein. Meine Wohnung war grosszügig und geschmackvoll. Technischer Schnickschnack fehlte, bis auf die etwas massige Ledercouch waren alle Möbel aus hellem Holz. An den Wänden hingen grosse, farbenfrohe Bilder, die einen (wie ich fand) lebendigen Kontrast zu der nüchternen und sparsamen Einrichtung des Salons bildeten. An das Wohnzimmer grenzte die Küche und ein Korridor, der zu den weiteren Räumen führte: dem Schlafzimmer, einem Studierzimmer mit vielen Büchern, einem Meditationsraum (in dem ich auch Musik hörte). Toilette und Bad gab es natürlich auch.

Verena war nahe der Eingangsür stehengeblieben und schaute sich alles an. Ich beobachtete sie dabei mit einiger Befriedigung. Gefällt es dir? hätte ich fragen wollen, schwieg aber.
„Ein Klavier!“ rief sie mit glockenheller Stimme. Sie lief, ja sie sprang zu dem am Fenster stehenden Instrument und strich versonnen über die Tasten.
„Ich liebe Pianos!“
Ich kam auf sie zu, grinste.
„Seit wann denn?“
„Ach du!“ Sie boxte mir an die Schulter. „Was weisst du schon?“
Dann legte sie ihre Hände auf die Tastatur und spielte eine Melodie, die ich nicht kannte. Die Musik war zart, perlend, verspielt, sie berührte mich.
„Du bist ja eine Künstlerin.“
„Auch das.“
„Verena. Ich weiss, wir sind ein etwas seltsames Paar, aber wir wollen das Beste daraus machen. Ich freue mich dass du bei mir ist.“
Sie entgegnete nichts, blickte nicht mal auf. Regungslos stand sie vor mir, den Kopf leicht nach unten geneigt.
Ich freue mich auch. hätte sie ruhig sagen können.

„Setzen wir uns.“
Ich liess mich auf der Couch nieder, sie trottete mir hinterher und setzte sich auch. Jetzt wirkte sie wieder stumpf. Ich beobachtete, wie sie atmete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Sie hatte eher kleine, doch feste Brüste, die ihr T-Shirt auf das Schönste spannen liessen.
Nun rückte ich zu ihr rüber und legte ihr den Arm über die Schulter. Sie zuckte leicht, verharrte ansonsten steif. Ich roch wieder ihr Parfüm. So umnebelt, schloss ich meine Augen und träumte sie mir zurecht. Ich wandte ihr mein Gesicht zu und küsste ihre Wange. Die Haut war weich, ich küsste ein zweites Mal und tastete mich zu ihrem Mund vor.
Sie stiess mich von sich.
„Ich bin keine Nutte.“ zischte sie.
Ich war erschrocken aufgesprungen, beschämt und sauer. Dann eben nicht. Das war ja wie mit einer Frau. Ich würde sie zurückbringen. Sie umtauschen. Ich ärgerte mich über diese Fehlinvestition. Ich hörte schon diesen prolligen Verkäufer sprechen. Hat’s nich geklappt? Vielleicht lach’s ja auch an dir. Probiers noch mal für ein paar Tage, dann kannste se immer noch zurückgeben.

Noch immer zornig, ging ich in die Küche. Wenigstens brauchte ich etwas zu trinken. Ich öffnete einen Rotwein, einen dunklen, schweren mit viel Tannin und Alkohol, nahm mir ein Glas und ging zu der Couch zurück, wo Verena in der mir schon bekannten reglosen Pose dasass.
Ich schenkte mir ein und das Glucksen des Weines war das einzige Geräusch in einer ansonsten vollkommenen Stille. Plötzlich besann ich mich anders, ging noch einmal in die Küche und holte ein zweites Glas. Wenn schon, denn schon.
Ich schenkte ihr ein und stellte den Wein vor ihre Nase.
„Trink!“ befahl ich.

Sie folgte. Gehorsam führte sie das Glas an ihren Mund, nippte daran und liess ein paar der wertvollen Tropfen in ihrem Schlauchsystem verschwinden.
„Das Klavier.“ meinte sie dann so arglos, als hätte gar keine Verstimmung gegeben. „Spielst du?“
„Ja, natürlich. In der Hauptsache benötige ich es aber für meine Arbeit. Ich bin Kulturwissenschaftler. Spezialist für Cybermusik.“
„Oh!“
„Ich bin Privatdozent an der hiesigen Universität.“ fügte ich nicht ohne Stolz hinzu.
„Interessant. Haben wir denn musikalisches Talent?“
„Unbedingt. Die Musik ist bekanntlich der Mathematik verwandt, so gibt es vielleicht keine andere Kunst, in der die KI sich so rasch vom Menschen emanzipieren konnte. Noch vor fünfzig Jahren war es allerdings so, dass alle wesentlichen Impulse von den Programmierern kamen, von Menschen also.“
„Und heute?“

Ich kam ins Erzählen. In der Tat interessierte ich mich schon seit meiner Kindheit für die Kompositionen der Robots. Der esoterische Aspekt dieser Kunst faszinierte mich. Die Musik schien autark, abweisend und für unsere Ohren seltsam. Doch in diesen atonalen Lautteppichen verbarg sich Einiges, die algorithmische Arbeitsweise der unbelebten Schöpfer vermochte es, komplexe Strukturen in die Werke zu brennen. Seit einigen Jahrzehnten hatten die Menschen die Deutungshoheit über die Cybermusik verloren. Die Robots organsierten selbst Wettbewerbe und stellten ihre eigene Jurys, die oft zu anderen Ergebnisen kam als die noch geduldeten menschlichen Juroren. Die Maschinen sendeten sich auch gezielt gegenseitig ihre Kreationen zu, was über die Jahre hin zu einem vielschichtigen, kulturellem Netzwerk führte, das den Menschen nicht mehr unbedingt zugänglich war. Leitete eine Maschine ein empfangenes Opus einem Dritten weiter, so kam das einer Empfehlung gleich, was eine Aufwertung des Werkes mit sich brachte.
Verena hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Sie dankte meinen interessanten Ausführungen nicht nur mit Nachfragen und glucksendem Lachen als Zeichen ihres Amüsements, sondern auch, indem sie immer näher zu mir heranrückte.

Schon nach Minuten begann sie, sich an meine Schultern anzuschmiegen und schliesslich lag sie mit ihrem Kopf auf meinem Schoss, schautemir direkt ins Gesicht und ich kraulte zärtlich ihr Haar, ohne meinen Vortrag auch nur eine Sekunde zu unterbrechen.
„Du kannst gut erzählen.“ sagte sie, als ich geendet hatte. „Jetzt bin ich müde.“
„Ich auch.“
Es stimmte zwar nicht, aber eine gewisse Schwere war schon in mir. Den Wein hatte ich alle gekriegt. Sie hatte sich langsam erhoben und rekelte sich.
Ich stand auch auf.
Jetzt wurde es interessant. Ich hatte sie weich gekriegt.
„Ich gehe mich duschen.“ meinte ich.
„Ich nicht. Ist nicht so gut für meine Schaltkreise.“
Wieder dieses Lächeln.
„Aber dicht bist du doch?“
„Selbstverständlich.“ hauchte sie.

Ich duschte gründlich. Als ich Minuten später, nur mit einem Handtuch bekleidet, ins Schlafzimmer marschierte, sah ich sie zum ersten Mal nackt.
Sie sah nicht perfekt aus. Ihre Arme waren mager, an den Oberschenkeln hatte sie eine leichte Cellulitis. Um ihre Scham hatte sie einen dichten Busch aus schwarzem Haar, was eher nicht so mein Ding war. Aber wie sie so dastand, schutzlos und nackt und doch ohne Furcht, schon hingegeben und vollkommen frei, das war, als wollte sie mir sagen: So bin ich nun.

Sie empfing mich voller Gastlichkeit. Ihre Vulva war geräumig und anschmiegsam, feucht genug und warm. Nicht, dass sie sich grossartig gebärdete. Sie begnügte sich mit kleinen, entgegenkommenden Bewegungen und streichelte sanft meinen Rücken. Ich presste ihren Leib an mich, knetete begierig ihren Hintern und ergoss mich bald in sie.
Es war sehr gut. Ich stösselte noch weiter bis zur Erschlaffung, kauerte mich dann über sie und liebkoste ihren Körper, der jetzt von einem Schweissfilm überzogen war. Der Akt hatte nur ein paar Minuten gedauert, war aber kräftig gewesen. Ich keuchte, auch Verena atmete rasch.
Ich kuschelte mich an sie, sie strich über meine Haare.
„Warte erst, bis ich dich besser kennengelernt habe.“ flüsterte sie mir ins Ohr.
Befriedigt rollte ich mich zur Seite. Ganze Arbeit hatten sie geleistet, die Herren Konstrukteure.

 

Hallo SteffenHerrmann!

Deine Idee ist überaus interessant, mit vielen Aspekten einer humorvollen Umsetzung oder gesellschaftskritischen Erwägung.

Ingesamt weiß der Plot jedoch nicht zu überzeugen. Das Verena den verklempten Typen nicht ranlässt kann ich gut nachvollziehen, aber nur weil der Dozent an der Privat Uni ist, darf er doch, will mir nicht so richtig in den Kopf.

Auch sprachlich bin ich nicht überzeugt. Einige Beispiele:

Er blies sich die Backen auf.

Da ergibt sich bei mir ein Bild. Der Verkäufer trat aus seiner Haut und blies sich selbst die Backen auf.

„Verena.“ sagte ich.

Da ist auffällig. Nach Verena braucht es bei dieser Satzstellung keinen Punkt sondern ein Komma. "Verena", sagte ich.

Bei der Schilderung des Liebesaktes musste ich gut schmunzeln:

Der Akt hatte nur ein paar Minuten gedauert, war aber kräftig gewesen.

Immerhin.

Kurz: Gute Idee, nicht so gute Umsetzung.

Gruß

Adem

 

Hallo SteffenHermann

Eigentlich hat mir die Geschichte schon gefallen. Vor allem, da viele interessante Ansätze drin waren, die sogar ins Philosophische hineingehen.
Sprachlich hat mich wenig gestört. Schwierig fand ich den Anfang und das Du konsequent auf das „ß“ verzichtet hast, was leider nicht immer richtig war.
Ansonsten kommt die Story recht unaufgeregt daher. Was jedoch nicht schlecht war. Im Gegenteil, die Geschichte nahm mich als Leser mit und ich wollte wissen wie es endet. Am Ende haben mir dann aber doch ein paar Details gefehlt. Details, die ich mich gewünscht hätte, um die eine oder andere Frage zu klären, und Details, die dem Geschehen mehr Leben eingehaucht hätten. Insgesamt war es mir dann doch ein wenig zu steril.
Soviel zum Gesamteindruck.

Nun zu den Einzelheiten:
Das „ß“. Ein paar Beispiele, wo es mir aufgefallen ist:

Darf bloß meine Alte nichts von mitkriegen, …
Eine halbe Stunde später verließen wir das Geschäft.
Wortlos liefen wir durch die belebte Fußgängerzone.
Sie trug Jeans und ein farbiges T-Shirt, weiße Turnschuhe.

Zum Anfang:

„Alles.“
Der Verkäufer nickte bedächtig und musterte mich mit Blicken, die ich nicht deuten konnte.
„Es ist ein neues Modell. Und es verkauft sich klasse. Mit der kannste bumsen, soviel wie du kannst.“ Er blies sich die Backen auf.

Erstmal habe ich das „Alles“ nicht verstanden. Welche Bedeutung versteckt sich dahinter? „Alles“ in eine Tüte? „Alles“ auf eine Rechnung? Ja, ich nehme „Alles“ mit? Ja, ich kaufe „Alles“?
Abgesehen, davon finde ich, dass „Alles“ schlecht gewählt ist für den entscheidenden ersten Satz. Da hätte mir folgender Satz besser gefallen:
„Es ist ein neues Modell, mit der kannste bumsen, soviel wie du willst.“
Diese zwei Sätze (aus denen ich jetzt einen gestrickt habe) sind eigentlich die einzigen, die mir aus dem ganzen Abschnitt gefallen haben. Den Rest würde ich löschen und neu formulieren.

Dann hier eine Ungereimtheit:

Hab selber so eine zu Hause. Darf bloss meine Alte nichts von mitkriegen, wenn sie kommt

An der Stelle dachte ich, dass der Androide soviel Bewusstsein besitzt wie eine Gummipuppe, am Ende der Geschichte wird jedoch deutlich, dass das Maschinenmädchen kaum weniger eigenständig ist, als ein richtiger Mensch. Die Aussage des Verkäufers muss also falsch sein. Zumindest klingt sie im Nachhinein unglaubwürdig. Leider wird die Diskrepanz offen gelassen.

Von Zeit zu Zeit glitt ein leichtes Zucken über ihre Haut, ein Zeichen dafür, dass sie bald erwachen würde.

Das hier hat mir wiederum sehr gefallen.

Neben dem Recht, sie zu entjungfern hatte ich auch das Recht erworben, sie zu benennen.Nun hatte ich ihr den Namen Verena gegeben.

Das ist ein sehr spannender Ansatz. Man besitzt keinen Androiden, sondern erwirbt sich nur die Rechte an ihm. Rechte, wie sie ein Fürst vielleicht im Mittelalter gehabt hat: Stichwort: „Primae Noctis – die erste Nacht“

Leider bleibt mir die Geschichte ein bisschen zu vage, was er den nun genau erworben hat, oder ob mit den Rechten auch Pflichten verbunden sind. Jedenfalls ist es ja so, dass er sie nicht sofort begatten kann, sondern sie erst kennenlernen muss. Das Du hier Raum für Interpretationen freilässt fand ich ok, aber ein paar Hinweise mehr hätte ich mir doch gewünscht. So kann ich mir vorstellen, dass sich das Sträuben des Androiden Teil des sexuellen Vorspiels ist. Es könnte aber auch sein, dass sie einfach nur defekt ist. Oder das jede KI gewisse „Menschenrechte“ besitzt und der Kauf eher den Erwerb einer Beziehung darstellt: Sprich, sie wird bei dir wohnen, aber ob sie mir Dir ins Bett geht, liegt an Deinem Einfühlungsvermögen.

Wir überquerten gerade den Kaimanplatz mit seinen Stadttauben, Springbrunnen und der Oper in der Mitte. Ich deutete auf das Gebäude und sagte: „Das Opernhaus.“
Sie war unvermittelt stehengeblieben.
„Das Opernhaus.“ wiederholte sie, starrte sekundenlang hin und scannte das Gebiet.
So begann unsere Konversation damit, dass ich die Dinge benannte, die wir passierten und sie meine Worte manchmal wiederholte.
„Das ist das Wessel-Kaufhaus.“ - „Das Wessel-Kaufhaus.“
„Dort ist meine Zahnarztpraxis.“ – „Deine Zahnarztpraxis.“
„Da ist ein Meditationszentrum.“ – „Ein Meditationszentrum.“
Oft blieb sie dabei ruckartig stehen und schaute konzentriert auf den bezeichneten Ort. Manchmal begnügte sie sich aber auch mit einem flüchtigen Blick oder sie reagierte überhaupt nicht auf meine Worte. Ich versuchte herauszufinden, wie dieser Android programmiert war, ertappte mich aber immer wieder dabei, dass ich nach dem Sinn ihres Verhaltens suchte.

Den Teil fand ich schlecht. Die Idee, dem Leser einen Einblick in die Zukunft zu gewähren, in dem Du von dem gemeinsamen Heimweg und den damit verbundenen Sehenswürdigkeiten erzählst, ist gut. Allerdings erwarte ich mir dann mehr, als dieses: „dort ist meine Zahnarztpraxis“, oder „hier ist das Opernhaus“.
An der Stelle braucht es lebendige Bilder. Vielleicht menschliche Straßenkünstler die eine Show für Androiden machen? Oder ein Familienstreit auf offener Straße - eine Ehefrau und eine Androiden-Geliebte, die sich um ein Kind streiten?
Egal was es ist, hier musst Du Deine Welt lebendig werden lassen.

Danach flacht die Geschichte etwas ab.
Man erfährt etwas über seine Wohnung und über seine Unbeholfenheit. Spannend wird es noch mal, wenn Du von der eigenständigen Robotmusik erzählst, weil die Idee dahinter interessant ist. Leider wird die Geschichte dadurch nicht wirklich belebt.
Was mir fehlt ist, dass ich spätestens an dem Punkt nicht weiß, wo die Geschichte hin will. Ist der Höhepunkt wirklich damit erreicht, dass er am Ende doch noch zum Schuss kommt? Wenn ja, dann sollte die Androidin subtiler agieren. Ihr Sträuben sollte dann dem Zweck dienen, die Vorfreude zu steigern, oder den männlichen Eroberungsinstinkt zu befriedigen. Dann passt aber die Episode mit der KI-Musik nicht rein. Wieso interessiert sie sich dafür, wenn es nur um Sex geht? Wenn sie schon Small Talk reden will, dann wieder nur als Mittel um die Lust zu steigern.
Sollte der Focus der Geschichte jedoch nicht mit dem sexuellen Höhepunkt zusammenfallen, dann ist das Ende schlecht gewählt. Dann sollten die philosophischen Aspekte verdeutlicht werden.
So, oder so finde ich, fehlt es der Geschichte an Klarheit und Esprit.

Soweit meine bescheidene Meinung. Ich hoffe ich war jetzt nicht zu hart mit meinen Aussagen.

Viele Grüße

Mothman

 

Guten Abend miteinander,

die Aufnahme der Geschichte erscheint mit eher freundlich, vielen Dank. Das Meiste der angebrachten Kritik kann ich annehmen, insbesondere die Anmerkungen von Mothmann sind sehr genau.
Ein paar der Fragen will ich doch zu beantworten versuchen.
Das leidige Es-Zett: Es handelt sich hier weder um eine sprachliche Nachlässigkeit noch um einen Manierismus, das Zeichen fehlt einfach auf meiner Tastatur.
Schwerer wiegt der Einwand bezüglich des ersten Satzes. Vor dem "Alles." (des Verkäufers) könnte eine Frage des Types: "Was kann sie?", "Was macht sie?", "Was kann man mit ihr machen?" gestellt worden sein, was zu dem Charackter des Käufers passen würde.
Insgesamt geht es vor allem um das Thema der Simulation des Menschlichen und wie sich diese auf den Menschen zurückwirft. Heute kommt es vor allem vor, dass wir Menschen wie Dinge behandeln, sei es auch unwillkürlich. Ich wollte einmal das Umgekehrte ansehen. In chaotischer Weise, als Reflex der eigenen unausgegorenen Gefühlswelt, oft durch die Präsenz der Maschine verführt, begegnet er ihr immer wieder wie einem Mitmenschen. Die Sexualität spielt schon eine Rolle, sie ist nicht zentral, doch auch nicht marginal. Kann sich neben dem Koitus und der Onanie eine dritte Grundform der Sexualität etablieren - und was würde das kulturgeschichtlich bedeuten?
Der namenlose Protagonist lässt sich ja insbesondere in seiner erotischen Benebelung zu der Illussion verführen, dass eine persönliche Beziehung zu der Androidin möglich sei. Man kann die Hölle dahinter ahnen: den zweiten Tag, den dritten, das zweite Jahr. Das bildet wieder die Brücke zu dem eher zynischen Verkäufer. Irgendwann wird sie sich als das zeigen, was sie ist: eine High-Tech-Puppe. Doch vermutlich wird nicht viel später die nächste Robotergeneration auf den Markt kommen.

Ich hoffe, ihr verzeiht die Schwächen der Erzählung, ich habe zumindest versucht, einen deskriptiven Stil durchzuhalten.

 

Hallo Monty!

Ja, seltsam, Androiden sind meistens weiblich, genauso wie die Blechroboter fast durchweg männlich sind. Woran liegt es? - vielleicht weil es so wenige weibliche SF-Schreiber gibt (warum?).

Deiner Kritik muss ich leider zustimmen, wenn ich auch den Lösungsansätzen nicht folgen kann. Der Verkäufer ist in seiner Vulgarität nicht wirklich glaubwürdig - sollte er als überzeichnete oder satirische Figur auftreten, hätte die ganze Geschichte einen anderen Stil haben müssen. Doch würde er smart sein, hätte der Protagonaist einen anderen Charakter haben müssen, weil sonst der Kontrast zwischen den beiden verschwinden würde. Das schlägst Du ja auch vor, doch ich kann ihm nicht gut eine Abgründigkeit verleihen, weil sich in ihm ja gerade die Toleranz der Gesellschaft spiegelt.

Der mittlere Teil der Geschichte ist schwach, OK, das hat auch schon Mothmann festgestellt.

Für mich ging es in der Hauptsache um die Grenzen der Simulation. Der Ich-Erzähler weiss durchweg, dass er es mit einer blossen Maschine zu tun hat, aber immer wieder vergisst er es, sei es punktuell durch aufblitzende Verärgerung oder durch erotische Umnebelung.

Viele Grüsse

Steffen

 

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