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- 31.10.2003
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Die Gedanken sind frei
Ich denke, was ich will
und was mich beglücket,
doch alles in der Still’
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!
- Hoffmann von Fallersleben -
Seine faltige Hand zitterte leicht, als er den Pinsel auf den Hocker neben das Glas mit dem Wasser platzierte.
Er trat einen Schritt zurück, legte fachmännisch die Finger ans Kinn, ohne zu registrieren, dass er sich dabei Farbe in die Bartstoppeln schmierte.
Sein flacher Atem war das einzige Geräusch, das den Raum erfüllte.
Arthur machte einen weiteren Schritt nach hinten, stellte fest, dass der Fokus des Bildes ins Unscharfe abdriftete und trat wieder in seine Ausgangsposition zurück. Eine sich schnell ausbreitende Wärme entstand in seinen Schultern, zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. Er war mächtig stolz. Und das war noch weit untertrieben.
Francine hatte ihn immer wieder angetrieben, dieses "olle Bild doch mal endlich fertig zu pinseln".
"Erstens", hatte er daraufhin immer leicht erbost gesagt, "handelt es sich hierbei nicht um ein olles Bild. Und zweitens ..."
"Jaja", unterbrach sie ihn dann jedes Mal und imitierte dabei in verblüffender Weise seine Stimmlage. "Ein Bild wird nicht gepinselt, sondern gemalt."
Er schnaufte dabei immer, presste seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, bei dessen Anblick Francine zunächst breit grinsen musste, dann gluckste, um Sekunden später einem hemmungslosen Lachanfall zu erliegen.
Arthur stieß die Luft aus. Ja, in all den Jahrzehnten ihrer Ehe hatte sie es durch diese erfrischende Geste immer wieder geschafft, seinen Ärger wie Staub hinfortzupusten.
Das Läuten des Telefons im Nebenraum riss ihn aus seinen Erinnerungen. Es war ein schepperndes Geräusch, das seinen Ohren wehtat, aber Sven, sein Sohn, hatte beim letzten Weihnachtsfest - als er und seine Familie ihm dieses grandiose Telefon mit den überdimensional großen Tasten extra für alte Menschen geschenkt hatten - gesagt, dass er es satt habe, dass sein alter Vater aufgrund seines eingeschränkten Hörvermögens fast nie ans Telefon ginge, wenn er ihn anrief. Er mache sich dann immer die größten Sorgen, dass Arthur irgendwo mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne oder sonst wo läge.
Gut, Francines Tod vor zwei Jahren hatte ihn hart getroffen, und wahrhaftig hatte er mehrmals mit dem Gedanken gespielt, ihr einfach zu folgen. Aber inzwischen hatte er es akzeptiert. Die Wege des Herrn sind unergründlich, und deshalb hatte er es akzeptiert.
"Wenn du Angst um mich hast, dann hättest du nicht so weit wegziehen sollen", sagte Arthur stattdessen immer. Er verstand einfach nicht, was Kinder dazu bewegte, ihre Heimatstadt zu verlassen. Schließlich war das hier kein winziges Kaff, und Jobs gab es trotz Wirtschaftskrise irgendwo immer.
Wie dem auch sei, Sven war nun einmal weggezogen; aber dafür war Arthur jetzt stolzer Besitzer dieses eindrucksvollen Telefons mit den extral großen Tasten und dem scheppernden Klingelton. Er würde auch das akzeptieren.
Noch immer betrachtete er das Bild, sog den Geruch der Farben in seine Lungen und lauschte dem Telefongeräusch hinter seinem Rücken. Nach fünfzehn Mal schellen verstummte es.
"Verdammt!", wird Sven am anderen Ende brüllen. "Er geht schon wieder nicht ran."
Seine Frau wird sagen: "Beruhige dich, Schahatz", (sie sagte immer Schahatz - auf gruseliger Weise langgezogen, so dass es Arthur jedes Mal einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ), "dein Vater sitzt vielleicht auf dem Klo. Versuche es einfach gleich nochmal."
Gleichnochmal hieß bei seinem Sohn genau sieben Sekunden später.
Und tatsächlich, Arthur presste die Lippen zu diesem dünnen Strich zusammen, wünschte sich das erheiternde Lachen von Francine herbei, und schloss die Augen, als das Klingeln erneut ertönte. Zwölf Mal.
Nach einer Weile stellte Arthur fest, dass es draußen bereits dämmerte. Ein orangener Schein erstrahlte über der Bucht und ließ das Meer wie eine glitzernde Eisplatte aussehen, die sich weit hinter dem Strand bis hin zum Horizont erstreckte. Er konnte wahrlich nicht begreifen, wie jemand diesen Ort gegen eine stinkende Großstadt eintauschen konnte.
Jetzt trat die tiefstehende Sonne hinter der Bucht hervor; es würde nur einen kurzen Augenblick dauern, bis sie gänzlich im Meer verschwunden war, aber genau dieser Augenblick war es wert, das Leben - das Leben an genau diesem Ort - als lebenswert zu bezeichnen. Dies war der ideale Ort für die Erschaffung seiner Kunstwerke. Lange genug hatte er sich ihrer entzogen; dieser Faszination des Schaffens, des Neukreierens. Nach Francines Tod wollte er nichts Neues mehr erschaffen. Genug Kunstwerke. So viele in all den Jahrzehnten.
Ein Lichtstrahl fiel durch das große Atelierfenster und tauchte die Staffelei in einen warmen Spot, der extra für dieses Gemälde kreiert zu sein schien.
Die Zeichnung spiegelte ein beinahe exaktes Ebenbild des Blickes aus dem Fenster wider. Arthur betrachtete die Bucht auf dem Gemälde; eine kleine Welt, in schillernden Farben von ihm geschaffen. Er legte den Kopf schief und genoss die Berührung der realen Sonnenstrahlen auf dem gemalten Meer. Weiße Schaumkronen tanzten in einer wirren Einheit und doch irgendwie geordnet. Auch auf dem Gemälde verschwand die Sonne am Horizont, leuchtete im realen Abendlicht in intensivem Rot. Ein Holzboot schwamm inmitten der Schaumkronen; das einzige Element, was in diesem Augenblick die Abbildung von der Realität unterschied.
Arthur schloss die Augen und lauschte dem Gesang der Möwen.
Als seine Beine zu schmerzen begannen, öffnete er die Lider und blickte in eine Dunkelheit, die ihn für einen Augenblick erschreckte. Ihm war, als hätte er lediglich einige Sekunden hier vor der Staffelei gestanden. Er meinte sogar, noch die Strahlen der untergehenden Sonne auf seiner Haut zu spüren, doch als er mit der Hand über seine Arme fuhr, da fühlte er, dass die Haut unter seinen Fingern eiskalt war. Auch die Schmerzen in seinen Beinen ließen ihn erkennen, dass seit dem Sonnenuntergang einige Zeit vergangen sein musste. Seine alten Knochen waren die beste Uhr.
Das Gemälde stand als schwarze Silhouette vor dem Fenster. Arthur lauschte. Die Möwen waren verstummt. Manchmal konnte er von hier oben das Rauschen des Meeres hören, doch jetzt kroch die Stille wie schleichender Nebel durch den Raum.
Für einen Moment wünschte er sich, das scheppernde Klingeln des Telefons würde diese Stille durchbrechen. Diesen Nebel vertreiben; ihn hinfortpusten, so wie Francines Lachen immer seine schlechte Laune hinfortgepustet hatte.
Doch wahrscheinlich hatte sein ach so fürsorglicher Sohn schon vor Stunden aufgegeben. Hatte sich eingeredet, dass sein alter Vater lediglich in seinem Bett anstatt mit aufgeschnittenen Adern in der Badewanne lag. Wahrscheinlich schlummerte sein Sohn inzwischen friedlich neben seiner Frau, an der er sich zuvor in einem kurzen, schnellen Akt befriedigt hatte.
Reiß dich zusammen, Arthur! Du bist kein kleiner Junge mehr.
Ein Knirschen der Holzdielen, knipste für einen winzigen Augenblick seinen Verstand aus. Er wollte panisch schreien. Wollte um sich schlagen wie ein Ertrinkender. Doch glücklicherweise beschränkte sich der geistige Aussetzer nur auf den Bruchteil einer Sekunde, so dass Arthurs Urteilsfähigkeit schnell wieder die Oberhand gewann.
Seine Hände zitterten. Lediglich vor Kälte, redete er sich ein, schallt sich augenblicklich einen dummen Narren und wandte sich um, um das Licht anzumachen. Dann verharrte er. Lauschte, wagte nicht einmal zu atmen.
Er hatte etwas gehört, dessen war er sich sicher; irgendwas hatte die Holzdielen zum Quietschen gebracht.
Gerade wollte er wieder zum Lichtschalter gehen - lediglich knappe fünf Meter; er kannte die Abmessungen seiner Wohnung zur Genüge - als er ein weiteres Geräusch vernahm. Ein schnelles, streichendes Geräusch. Ganz kurz nur. Dann wieder Stille.
Arthur hörte seinen Herzschlag direkt in seinen Ohren, so als hätte er den Kopf auf ein dickes Kissen gelegt. Der verzweifelte Versuch zu schlucken zeigte ihm, dass sich die einzige Flüssigkeit seines Körpers in seiner Blase zu befinden schien.
Irgendjemand war hier im Raum! Irgendjemand, außer einem zitternden, alten Sack, der sich gerade fast vor Panik in die Hose pinkelte.
"Ist da jemand?"
Die Staffelei stand einige Meter entfernt, den Hocker mit seinen Pinseln und Farben konnte er nicht ausmachen. Er meinte, draußen eine Möwe schreien zu hören, dann das Schlagen von Wellen gegen nasse Felsen. War es vielleicht das gewesen, was seinen alten Verstand getäuscht hatte?
Ja, es müssen die Wellen gewesen sein. Und wenn er sich jetzt nicht langsam auf den Weg Richtung Lichtschalter und danach Richtung Toilette machte, dann würde er hier gleich wie ein inkontinenter Penner in seinem Atelier stehen. Vollgepisst vor einer Staffelei mit feuchtem Bild und ebensolchen Hosen.
Es dauerte lange, bis er sich auf dem Klo entleert hatte. Irgendwann hatte er festgestellt, dass eine chronisch geschwollene Prostata das Pissen arg erschwerte; aber irgendwann hatte er auch das akzeptiert. Man musste im Alter einiges akzeptieren. Auch solche Tatsachen, dass der eigene Sohn der Meinung war, dass grundsätzlich alle alten Menschen an Hör- und Sehschwierigkeiten litten. Aber solange er ihm am nächsten Weihnachtsfest nicht ein Paket mit Windeln für Erwachsene überreichte, solange war alles in Ordnung. Und Arthur hatte festgestellt, dass es sich durchaus von Vorteil erweisen konnte, wenn das Umfeld der Meinung war, man könne schlecht hören.
Als der vorerst letzte Strahl seine Harnröhre verlassen hatte, ließ er seinen Schwanz in der Hose verschwinden, vergaß das Abspülen - was ihm beim nächsten Toilettengang auffallen würde - und ging zurück in den Wohnraum.
Sein Blick fiel auf die offene Tür zum jetzt hell erleuchteten Atelier.
Nachdem er dort vorhin mit zitternden Händen den Lichtschalter betätigt hatte, war er, ohne sich noch einmal umzusehen, sofort zur Toilette gerannt. Denn hätte er irgendetwas in dem Zimmer gesehen, was dort nicht hingehörte, dann hätte auch die geschwollenste Prostata nichts mehr retten können.
Mittlerweile war auch der Teil seines Hirns, der für das logische Denken verantwortlich war, wieder soweit hergestellt, dass er über seine panische Überreaktion von vorhin nur milde lächeln konnte. Vielleicht waren das auch lediglich Nebenwirkungen, hervorgerufen durch fortschreitende Alterungsprozesse.
Er durchquerte den Wohnraum, und als er den Couchtisch passierte, an dem er sich schon hundertmal das Schienbein angestoßen hatte, da spürte er die eiskalte Hand in seinem Nacken, die seine Haut in einen harten, steifen Eisklumpen verwandelte. Er blieb nicht stehen, verlangsamte aber seine Schritte.
Es war tatsächlich jemand in dem Raum gewesen!
Mit leicht geöffneten Lippen betrat er das Atelier. Die drei jeweils einhundert Watt starken Deckenstrahler tauchten den Raum in gleißendes Licht. Normalerweise hatte Arthur den Dimmer so eingestellt, dass die Lampen eher eine diffuse Helligkeit verbreiteten; und er meinte sich auch daran zu erinnern, dieses nicht verändert zu haben. Lieber arbeitete er, wenn es denn die äußeren Lichtverhältnisse nicht mehr zuließen, bei gedimmten Licht. Die Farben seiner Gemälde wirkten durch ihre eigene Intensität, ohne die Hilfe von Scheinwerfern auf höchster Stufe.
Er kniff die Lider ein wenig zusammen, blickte auf die Staffelei und auf das Bild, dessen Farben jetzt durch die enorme Lichtsättigung eher blass wirkten.
Blass, bis auf den dicken Pinselstrich, der sich von der linken oberen Ecke, hin über die Schaumkronen des Meeres, über das Heck des Ruderbootes, bis hinunter zur rechten unteren Ecke zog, in der er ganz zum Schluss immer seine Signatur setzte.
Arthur schluckte.
Eine gefährliche Mischung aus Enttäuschung und Wut entstand hinter seinem Kehlkopf, wanderte langsam hinunter zu seinen Lenden. Jemand hatte sein Bild geschändet! Der Pinselstrich schien ihn zu verhöhnen, was seine aufkeimende Wut nicht gerade minderte. Wo war Francines Lachen? Gerade jetzt hätte er es gut brauchen können.
Ein leises Knurren von rechts ließ seinen Kopf so schnell herumfahren, dass es in seinem Nacken gefährlich knackte. Das Knurren verstummte und statt dessen nahm ein Hecheln seinen Platz ein.
Arthur starrte in die dunklen Pupillen eines Hundes, der in der dem Fenster entgegengesetzten Ecke mit heraushängender Zunge hockte. Als Arthur ihn ansah, legte er den Kopf schief.
"Paul?" Arthurs Stimme war mehr ein Krächzen.
Der Golden Retriever winselte in die Helligkeit hinein.
Arthur trat langsam einen Schritt zurück. Es konnte nicht Svens Golden Retriever sein, der ihn aus der Ecke heraus anhechelte. Paul war seit mindestens dreißig Jahren tot. Wie kommst du alter Mann also überhaupt auf diese abstruse Idee?
Ein schmorender Gestank drang in Arthurs Nase, und als er den Blick zur Decke richtete, da explodierte einer der Scheinwerfer mit lautem Knall. Glassplitter platzten herab wie ein Hagelschauer. Als Arthur schützend den Arm vor das Gesicht presste, hörte er den Hund aufheulen.
Eine weitere Explosion unterbrach das Jaulen. Arthur sprang zurück, stolperte über seine eigenen Füße und stürzte auf den Holzboden. Die dritte Explosion war die in seinem Hintern, als er das Gefühl hatte, sein Steißbein würde bersten wie ein spröder Fels.
Arthur wimmerte, als der Schmerz langsam nachließ. Er spürte das raue Holz des Bodens an seiner Wange, und als er die Augen öffnete, war der Raum um einiges dunkler, als noch eine Minute zuvor. Das erste, was er sah, war sein blutender Arm. Glassplitter hatten sich in die Haut gebohrt, kleinen Diamanten gleich, die aus uraltem Gestein glänzten.
Arthur hob den Kopf und erblickte den Golden Retriever - Svens Golden Retriever. Svens toten Golden Retriever.
Er merkte nicht, wie ein Speichelfaden langsam aus seinem Mundwinkel floss und auf den mit Glassplittern gespickten Unterarm tropfte.
In der Ecke saß immer noch der Hund. Und in diesem Moment war sich Arthur sicher, dass es sich um den toten Hund seines Sohnes handelte. Die Glassplitter des geborstenen Strahlers hatten den Kopf des Tieres perforiert. Das halbe Gesicht war verschwunden, und Arthur sah den Schädelknochen zwischen herabhängenden Hautfetzen. Ein relativ großer Splitter steckte in Pauls linkem Auge und jedesmal, wenn er es bewegte, fiel ein gebrochener Lichtstrahl durch den Raum auf das Gemälde.
Der Hund hechelte.
"Du bist nicht echt", keuchte Arthur.
Paul sah herüber, der Splitter im Auge zuckte und ein leises Knurren entsprang seiner Kehle.
"Knurr mich nicht an, du Drecksviech!"
Das Knurren verstummte.
"Du kannst nicht echt sein, das wissen wir beide." Arthur keuchte, während sein Hintern brennende Wellen in seine Beine sendete.
Paul bellte und spuckte blutige Zähne in Arthurs Richtung.
"Ich habe dir schon einmal die Fresse eingeschlagen!", kreischte er. "Also verschwinde von hier, bevor ich es wieder tu. Verschwinde!"
Paul bleckte das zahnlose Maul; die schwarzfaule Zunge fiel im selben Moment heraus, als der dritte Scheinwerfer explodierte.
*
"Du bist kerngesund, Arth."
Arthur knöpfte das Hemd zu. "Es hat was mit meinem Kopf zu tun."
"Es ist kein Tumor und auch nichts Ähnliches. Leichte Verkalkungen in der Halsschlagader. Aber das ist irrelevant."
"Irrelevant?" Als Arthur den letzten Hemdknopf schloss, stellte er fest, dass er einen vergessen hatte. Er fing von vorne an. "Peter, ich habe Halluzinationen."
Der Arzt hockte sich auf die Kante seines Schreibtisches und rieb sich die Schulter. "Jeder sieht mal etwas, was nicht da ist. Du glaubst gar nicht, wie oft schon eine halbnackte Zwanzigjährige bei mir auf dem Bett gelegen hat." Er lachte.
"Das ist etwas anderes. In meinem Atelier saß ein toter Hund. Und er hat geblutet. Es hat Stunden gedauert, bis ich den Scheiß von den Dielen wegbekommen habe. Und ein bisschen sieht man die Flecken immer noch."
"Arth, du bist frustriert, weil du dein Bild versaut hast."
Arthur ließ den Kopf hängen. "Ich ... ich kann mich nicht erinnern, das getan zu haben." Er stockte. "Und ..."
Peter sah ihn an. "Und?"
"Ich ... ich habe dir noch nicht alles gezeigt." Arthur stand auf und öffnete seine Hose.
"Ho ho. Ich sprach von Frauen, mein Lieber. Von zwanzigjährigen Frauen."
"Lass den Quatsch." Er zog die Hose herunter und Peter blickte auf ein großes Pflaster am Oberschenkel.
"Du hast dich verletzt?"
"Es ist eine tiefe Schnittwunde."
Peter trat heran. "Eine Scherbe der explodierten Scheinwerfer?" Vorsichtig zog er das Pflaster ab.
"Es waren definitiv nicht die Lampen", keuchte Arthur. "Einen Tag danach hatte ich den Schnitt noch nicht."
"Wie meinst du das? Oh man, das sieht übel aus. Scheiße, Arth, das geht ja runter bis zum Knochen. Damit hättest du viel früher zu mir kommen müssen. Ich muss das nähen."
"Näh es von mir aus."
"Was sagtest du, wann es passiert ist?"
Peter ging zu einem Schrank und holte eine Spritze heraus.
"Ich wollte am nächsten Tag diesen Pinselstrich von dem Gemälde entfernen. Eigentlich wäre es mir egal, aber gerade dieses Bild, Peter. Es erinnert mich sehr an Francine."
"Jetzt wird es etwas piksen."
"Sie machte sich immer lustig darüber, obwohl ich glaube, dass sie es sehr gut fand." Arthur zog hörbar die Luft ein, als Peter mit der Nadel durch die Haut stach. "Nach ihrem Tod habe ich lange nicht daran gemalt. Verstehst du? Gerade dieses Bild. Der verdammte Strich hat mich geärgert."
"Halt bitte still, Arth. Verdammt, hier ist schon eine vereiterte Stelle."
"Ich versuchte also diesen Strich wieder zu entfernen. Oh, Scheiße ... Peter!"
"Entschuldige, aber ich sagte ja, du hättest viel früher kommen müssen. Du hast also versucht, diesen Strich wieder zu entfernen ..."
"Ja. Und ich habe es geschafft. Es hat lange gedauert, aber ich habe es geschafft."
"Das erklärt aber noch nicht diesen Schnitt. Mensch, Arth, du hättest eine Ader treffen können."
"Ich habe es betrachtet. Es war fast wie vorher. Ein paar Farben ausbessern und es wäre wie neu gewesen."
"Wie ist der Schnitt entstanden, Arth?"
"Ich ... ich weiß es nicht. Ich kann mich dran erinnern, dass ich das Bild betrachtete. Und plötzlich war es Nacht. Ich dachte zunächst, ich hätte mir in die Hose gemacht. Verstehst du? Alles fühlte sich feucht an. Und als ich das Licht anmachte, da sah ich das ganze Blut. Scheiße, Peter, ich dachte, da wäre ein Schwein in meinem Atelier abgeschlachtet worden."
"Das kann ich mir gut vorstellen. Womit hast du dir den Schnitt beigefügt?"
"Womit?" Die Frage war lauter als von Arthur beabsichtigt. "Peter, du verstehst mich nicht. Ich war es nicht!"
Peter schnaufte und legte die Nadel beiseite. "Dieser Schnitt ist verdammt sauber. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist er mit einem Skalpell ausgeführt worden." Er zögerte. "Sei mir bitte nicht böse, Arth, aber besitzt du ein Skalpell?"
"Nein! Ich besitze kein Skalpell. Seit Sven die abstruse Vorstellung hegt, ich würde mir in jeder freien Minute die Pulsadern aufschneiden, besitze ich sowas nicht mehr. Selbst die Rasierklingen haben sie gegen einen dieser neumodischen Elektrorasierer ausgetauscht. Sieh mich doch an. Was glaubst du denn, warum ich so rumlaufe?" Er rieb sich über die grauen Bartstoppeln. "Und mit Sicherheit lasse ich so etwas nicht freiwillig an mir durchführen. Geschweige denn, dass ich es selbst tue. Ich habe mich fast vollgekotzt, als ich es nur gesehen habe."
Peter stand auf. "Du kannst dich wieder anziehen, Arth. Vielleicht sollte ich dich an einen Spezialisten überweisen."
*
Arthur stand im Türrahmen und starrte auf die Staffelei mit dem Gemälde.
Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich gepresst. Ein Schweißtropfen kitzelte von seiner Schläfe über die Wange und verschwand in der Unendlichkeit der Bartstoppeln. Die frisch genähte Wunde schmerzte, doch das war jetzt einerlei. Morgen hatte er den Termin beim Seelendoktor. Peter hatte alles in Bewegung gesetzt, hatte am Telefon von immenser Dringlichkeit gesprochen.
Und wenn Arthur jetzt auf das blickte, was er dort in seinem Atelier sah, dann konnte er diesem nur zustimmen.
Irgendjemand war in seiner Abwesenheit hier in der Wohnung gewesen. Irgendjemand hatte sich an seinem Werk zu schaffen gemacht. An Francines ollem Bild.
Er ging einen Schritt vor, hoffte auf eine Sinnestäuschung. Auf irgendeinen Aussetzer seines logischen Denkvermögens. Schließlich sollte der Termin beim Psychiater nicht umsonst sein.
Durch das große Atelierfenster sah er den Feuerball am Ende der Bucht, der ihn zu verhöhnen schien. Er schien die gesamte groteske Situation zu verhöhnen.
Langsam ging er auf das Gemälde zu, streckte die zitternde Hand aus und berührte die schlaff herabhängende untere Ecke. Wie ein welker Hautfetzen hing sie herab und gab den Blick auf die darunterliegende Staffelei frei. Auch das übrige Gemälde war von langen Schnitten übersät. Schnitte, die bis tief in das Holz gingen - bis hinunter zum Knochen.
Über das Ruderboot hatte jemand ein großes Strichmännchen mit einem Penis, der länger als die Beine waren, gekritzelt. Der Kopf des Männchens war schwarz bis auf die Augen, die aus zwei grellroten Punkten bestanden.
Diesmal war es keine Wut, die in seinem Innern entstand. Diesmal war es eine Art Verzweiflung ob der Situation, die er nicht erklären konnte. Rein theoretisch konnte niemand hier eingedrungen sein. Das Türschloss war nicht beschädigt und nur Arthur besaß einen Schlüssel. Naja, Sven auch noch, aber der wohnte gute fünfhundert Kilometer von hier entfernt.
Jemand flüsterte hinter seinem Rücken, und Arthur wirbelte herum. Er spürte einen Riss in der frischen Wunde.
Da war der Türrahmen und dahinter das in Dämmerlicht getauchte Wohnzimmer.
"Wer ist da?", brüllte er. "Was willst du von mir?"
Wieder dieses Flüstern. Wieder hinter seinem Rücken.
Noch einmal riss Arthur den Kopf herum. Vor ihm stand die Staffelei. Er starrte auf das Strichmännchen, durch dessen Mitte sich jetzt ein langer Schnitt zog.
"Oh, scheiße ..." Langsam wich er zurück. "Wer immer Sie sind, ich werde jetzt die Polizei rufen. Ich empfehle Ihnen, lieber zu verschwinden."
Arthur wusste, dass diese Drohung der größte Blödsinn war, der ihm je eingefallen war, aber es gelang ihm kein logischer Gedankengang mehr. Er musste raus hier. Scheiß auf das Bild.
Er versuchte, ruhig zu atmen, doch rasselte seine Lunge dermaßen laut, dass man es bis hinunter zum Strand hören musste. Arthur ging in Richtung der Wohnzimmertür, als das leise Tapsen einsetzte. Tak - tak - tak ... tak - tak - tak ...
Er schnappte nach Luft, sog sie wie ein Ertrinkender in kurzen, knappen Zügen in die Lungen. Tak - tak - tak.
Irgendetwas tapste durch das Wohnzimmer. Irgendetwas tapste genau auf das Atelier zu.
Kein Ausweg! Das gewaltige Fenster hinter seinem Rücken war nicht zu öffnen. Also definitiv kein Ausweg. Tak - tak - tak.
Wenig später stand der Geräuschverursacher im Türrahmen, und für einen kurzen Augenblick hatte Arthur das Gefühl, sein Herz hätte aufgehört zu schlagen.
Im Türrahmen stand Paul, der Golden Retriever seines Sohnes. Er fletschte die Zähne, die nicht mehr da waren, und ein faustgroßes Loch klaffte an der linken Schädeldecke, aus dem schwarze Hirnmasse hervorquoll.
Ein hysterisches Lachen platze aus Arthur hervor. Er hob die Hand und zeigte auf den Hund. "Du bist tot." Wieder lachte er laut auf. "Du alter Scheißköter bist tot." Lachen.
Paul legte den Kopf schief und leckte sich mit der verfaulten Zunge über das Zahnfleisch. Er jaulte.
Arthur ging einen Schritt vor. Paul wich zurück, knurrte.
"Soll ich dir noch einmal deinen Schädel zertrümmern?", zischte er. "Ja? Willst du das? Soll ich den Baseballschläger holen?" Er machte noch einen Schritt auf den jetzt winselnden Hund zu. "Los, sag schon: Soll ich dir noch einmal deinen verdammten Schädel einschlagen?"
"Das wirst du nicht tun, alter Mann."
Arthur wirbelte herum. "Wer ... wer seid ihr?"
Neben der Staffelei standen Kinder. Es waren so viele, dass Arthur deren Anzahl nicht sofort überblicken konnte. Er spürte, wie ein Zittern in seinen Waden entstand und sich langsam nach oben vorarbeitete. "W... wer ... seid ihr?"
Eines der Kinder trat vor. Es war ein kleiner Junge, vielleicht sechs Jahre alt, schätzte Arthur. In seiner Hand hielt er einen Pinsel, von dem dunkle Farbe auf die Holzdielen tropfte.
Der Junge sah ihn an, und Arthur verspürte ein heißes Brennen in seinem Gesicht. "W... wer ..."
Der Junge unterbrach ihn mit gebrochener Stimme. "Du weißt, wer wir sind, alter Mann."
Ein weiterer Junge trat aus der Menge hervor, ebenfalls mit einem Pinsel in der kleinen Hand. Er ging an dem ersten vorbei und stellte sich vor die Staffelei. Mit flinken Fingern malte er eine Figur auf eine Stelle des Leinens, die noch nicht zerstört worden war, ohne dabei den Pinsel in Farbe zu tunken.
Arthur wollte etwas sagen, doch es ging nicht. Ein weiteres Strichmännchen war entstanden, ebenfalls mit langem Penis und roten Augen. Diesmal ragte der Penis steil nach oben.
Der Junge, der die Figur gemalt hatte, dreht den Kopf und blickte Arthur an. In den Augen spiegelte sich eine Mischung aus Traurigkeit und Wut wider.
"Ich kenne euch wirklich nicht." Arthur erschreckte sich selbst über den hallenden Klang seiner Stimme. Und noch etwas jagte ihm eine Heidenangst ein: Irgendetwas entwickelte sich in seinem Innern; irgendetwas war da, was schon so lange verborgen war. Was verborgen bleiben sollte. Sein Atem verwandelte sich in ein keuchendes Husten.
Jetzt klang die Stimme des ersten Jungen bedrohlich: "Du hast es verdrängt." Hatte er überhaupt gesprochen? Arthur hatte keine Mundbewegung erkennen können.
"Du kennst uns, alter Mann!" Eine andere Stimme. Irgendwo aus der Menge. "Ja, denk mal ein bisschen nach." Noch eine. Hallend, wie in einem Kirchenportal.
Arthur wimmerte. "Nein!", kreischte er so laut, dass seine Stimme brach. "Ich ... ich kenne euch nicht. Ich will euch nicht kennen!" Das Verborgene in ihm wurde größer - dunkler -, wollte hervorbrechen und die schützende Oberfläche wie mit einem Skalpell durchstoßen.
Der Junge an der Staffelei holte mit dem Pinsel aus, sagte ganz leise "du wirst dich erinnern" und malte einen dicken Strich über die von ihm skizzierte Figur.
Arthur spürte ein heißes Brennen in seinen Augen, presste die Hände darauf und rieb sie, wie ein Kind, das versuchte, sich Tränen wegzuwischen. Als er die Hände wieder herunternahm, sah er die Ölfarbe, die auf ihnen glänzte.
Jetzt grinste der Kleine an der Staffelei, zeigte den Pinsel und kritzelte kurz darauf wieder über die Figur.
Arthur starrte auf seine Arme, die mit jedem Pinselstrich des Jungen neue Farbstriche erhielten. Er schrie, wich zurück und wischte sich hektisch über die Arme, als wollte er ein lästiges Insekt entfernen. "Ihr seid nicht echt!", kreischte er dabei. "Ihr seid nicht echt!"
"Deine Gedanken verraten dich, alter Mann", brüllte der erste Junge.
Von draußen war das Geräusch der Wellen wieder zu hören. Sie schlugen gegen den Fels und beinahe hörte es sich an wie ... Arthur stutzte. Ja, es hörte sich an wie das Schlagen mit der flachen Hand auf nackte Haut. Er kannte dieses Geräusch - Hitze stieg in ihm auf - hatte es einmal geliebt. Genossen.
"Nein!", brüllte er. "Ich habe es nicht getan! Niemals!"
Der Junge trat einen Schritt vor. Arthur sah etwas Glänzendes in der kleinen Hand. Als ein letzter Lichtstrahl der untergehenden Sonne darauf traf, erkannte er, dass es sich um ein Skalpell handelte.
Er hielt die Spitze vor seine Lippen, sah Arthur aus tiefschwarzen Augen heraus an und flüsterte: "Nimm deine Maske ab, alter Mann. Zeig dir selbst dein wahres Ich."
Die anderen Kinder stimmten eine Melodie an. Es war ein altes Kinderlied, aber Arthur wusste nicht, um welches es sich handelte. Sie haben es früher immer gesungen! Draußen auf der Straße. Immer, wenn er sie heimlich beobachtet hatte. Es war das Lied der Kinder.
"Deine Gedanken verraten dich!" Der Junge stand ganz dicht neben Arthur. Ein fauliger Gestank stieg empor.
Arthur schrie, schlug nach der kleinen Gestalt - hinter seinem Rücken hörte er wieder Pauls Knurren - doch sein Schlag ging ins Leere. Der Junge war verschwunden. Ebenso die anderen Gestalten.
Es dauerte keine Minute und die Sonne war hinter dem Meer hinabgetaucht. Der letzte Strahl, der das Atelier in ein schwelendes Licht getaucht hatte, zog sich zurück wie eine Muräne in ihre nasse, dunkle Höhle. Als würde jemand das Licht dimmen, durchfuhr es Arthur. Dann war es Nacht.
Die Wellen schlugen gegen die Felsen - gegen die nackte Haut. Arthur bewegte sich nicht.
Alles war nicht echt. Wenn er gleich das Licht anmachte, dann wäre alles beim Alten. Er würde sein Gemälde betrachten, würde hier und da eine kleine Korrektur vornehmen und der Stolz über das Geschaffte würde seine Brust anschwellen lassen.
Tak - tak - tak ...
Der Hund streifte sein Bein, als er an Arthur vorbeitapste. Arthur schrie.
"Weißt du jetzt, wer wir sind?", flüsterte eine Stimme.
Arthur konnte ihre Umrisse vor dem Fenster sehen. Sie waren wieder da. Alle waren sie zurückgekommen. Patschende Schritte gingen an ihm vorbei, hin zum Lichtschalter. Etwas surrte. Es war der Dimmer. Der surrt immer auf der kleinsten Stufe, dachte Arthur.
Und jetzt konnte er sie wieder sehen. Unzählige nackte Körper drängten sich am Fenster. Einige hatten schwarze Hautstellen und großflächige Wunden, anderen fehlten Gliedmaßen oder Geschlechtsteile - sauber entfernt. Fast alle hatten faustgroße Löcher an der Schädeldecke. Faustgroße Löcher. Bei der korrekten und sauber durchgeführten Anwendung eines Baseballschlägers, entstanden diese. Sehr effektive, faustgroße Löcher.
"Du konntest gut mit chirurgischen Instrumenten umgehen, alter Mann", sagte der Junge ohne zu sprechen.
"Nicht nur mit chirurgischen", sagte ein anderer und trat aus der Menge hervor. Er zog einen metallischen Baseballschläger hinter sich her, der auf den Dielen eine blutige Spur hinterließ.
Die übrigen stimmten den Choral wieder an, ganz leise nur, so dass er sich mit dem Gesang der Wellen vereinte.
Der Junge mit dem Skalpell stand vor der Staffelei und blickte herüber. Mitleidig. "Zeig dein wahres Ich", flüsterte er und führte das Skalpell in Richtung des Strichmännchens.
"Es waren doch nur meine Gedanken." Arthur flüsterte so leise, dass er nicht einmal wusste, ob er überhaupt gesprochen hatte. "Nur ... meine ... Fantasien."
Der Junge sprach, ohne den Mund zu öffnen: "Du hast sie ausgelebt, alter Mann. Jede deiner Fantasien hast du ausgelebt. Selbst den Hund deines Sohnes hast du erschlagen, als er ihm zur Hilfe kommen wollte."
Wie zur Bestätigung winselte Paul.
In diesem Augenblick brach die Erinnerung in einer gewaltigen Explosion hervor. Arthur schrie. "Es war Kunst, die ich schaffen wollte! Kunstwerke! Mein ganzes Leben lang habe ich Kunstwerke erschaffen!" Noch einmal versuchte er dagegen anzukämpfen, wie ein Ertrinkender, dessen Kräfte verbraucht waren.
Der Junge lächelte nicht. "Verleugne es nicht mehr, alter Mann. Zeig endlich dein wahres Ich." Er blickte auf die Staffelei, auf die Figur mit den vielen Pinselstrichen.
Das Skalpell durchtrennte sanft den Scheitel des Strichmännchens.
Etwas Warmes entstand auf Arthurs Stirn und quoll einer zarten Welle gleich über seinen Nasenrücken. Der nächste Schnitt erfolgte rechtwinklig zum Ersten, zog eine filigrane Spur durch die linke Gesichtshälfte des Strichmännchens.
Arthur spürte, wie sich die Haut vor seinem Ohr bis hinunter zum Kinn sanft teilte. Die faltige Gesichtshaut verlor ihren letzten Halt und verlieh seinem Gesicht ein beinahe geschmolzenes Aussehen.
Zwei weitere Schnitte folgten, immer rechtwinklig zum Vorangegangenem. Immer schnell. Immer präzise.
Arthurs Blase entleerte sich, während er unbewusst versuchte, die Oberschenkel fest zusammenzupressen. Er wollte etwas sagen, doch fühlten sich seine Lippen an, als seien sie betäubt. Viel zu tief, schoss es ihm durch den Kopf. Sie hängen viel zu tief.
"Lass uns hinter deine Maske sehen", flüsterte der Junge. "Zeig der Welt dein wahres Ich." Langsam führte er seinen kleinen Finger hinter das Gesicht des Strichmännchens.
Arthur erkannte eine Träne, die aus dem Augenwinkel des Jungen trat. Dann war da nur noch blanker Hass als er die Hand, gefolgt von einem Ratsch, hinunterriss.
"Weg mit der Maske!" Der Chor verband sich mit dem feuchten Geräusch, als etwas auf den Boden schlug.
Im selben Moment war der Gesang der Kinder verschwunden, und nur noch die kreischenden Schreie des alten Mannes erfüllten das Atelier.