Die Frau, der Geist und ihr Mörder
Es fing ganz leise an und war erst nicht mehr als ein kalter Windstoß, der wie ein zarter Hauch schüchtern durch ein Fenster glitt. Dort war es dunkel. Schwarze Wände blickten traurig in eine kleine Kammer. An der Nordseite stand eine Tür auf und führte hinaus auf den Flur.
Der Flur. Wie der Raum war auch er leer und verlassen und ließ eine traurige Vorahnung immer mehr Gestalt annehmen. Schwarze Möbel ragten wie angsteinflößende Erscheinungen aus der Dunkelheit. Der Luftzug strich geisterhaft über ihre Konturen und ließ die Reste eines Fenstervorhangs erbeben.
Wie die Möbel war auch der Vorhang schwarz und wirkte fehl am Platz. In der Stille krochen lange Schatten über den kalten Fußboden. Ihr Schöpfer war der silberne Mond, der neugierig durch die viereckigen Öffnungen starrte die einst Fenster waren.
Ein knarrendes Geräusch verscheuchte die Stille. An anderer Stelle hätte es kaum Aufmerksamkeit erregt, doch hier in dem verlassenen Haus, wo verrottetes Mobiliar den einzigen Zeugen darstellte erschien es schrecklich laut.
Jemand stapfte mit klatschenden Füßen durch einsame Räume. Ganz ohne Hast und mit der Ruhe eines Menschen, der alles verloren hatte und wehmütig an vergangene Zeiten dachte, marschierte die Gestalt durch jedes Zimmer.
Weiße Finger berührten geschwärzte Wände. Der unheimliche Besucher kletterte über eine zerfallene Tür hinweg und schaute sich dahinter um. Das Feuer hatte alles zerstört. Ein Bett ragte zur Hälfte aus der Dunkelheit. Das Metallgestell war an einigen Stellen geschmolzen und spitze Drähte lugten aus der verkrusteten Masse, die einst eine teure Matratze war.
Die Hitze hatte alles gnadenlos verzehrt und nur Plastik-, Holz- oder Metallskelette zurückgelassen. Man konnte Reste eines Fernsehers und eines Wandschrankes erkennen. Die Gestalt drehte sich um und fand eine Kommode, die den Brand bemerkenswert gut überstanden hatte.
Wieder berührten sanfte Finger das verkohlte Holz und strichen über einen Handgroßen Ballen aus geschmolzenem Aluminium. Kleine, scharfe Splitter ragten aus dem ehemaligen Handspiegel, aber der nächtliche Besucher verletzte sich nicht.
Er blieb noch eine Kurze Pause bei der Kommode stehen, dann schaute er auf, kletterte wieder über die Tür und setzte den Weg ungerührt fort.
Patsch, patsch. Die nackten Füße marschierten eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock. Hier wurde es gefährlich, denn das Feuer hatte tragende Wände stark beschädigt und alles konnte in dem Moment eines Augenblicks einstürzen.
Doch der Gestalt kümmerte es nicht. Teilnahmslos schritt sie weiter. Sie stapfte über Schutt und Asche, wanderte durch einen weiteren Korridor und blieb plötzlich vor einer Tür stehen.
Die Tür hing nur noch mit einer Scharniere in der Angel, so dass sich der unheimliche Besucher bücken musste um nicht mit den Kopf an ihr zu stoßen, als er das Zimmer dahinter betrat.
Ein Kinderzimmer.
Zum ersten Mal blieb die Gestalt wie erstarrt stehen. Ihre weißen Finger wanderten zu ihrem Gesicht, kamen jedoch kurz davor zum Stillstand. Die nächste Bewegung ließ die Arme wieder an die Seiten gleiten und starr dort baumeln.
Ein verkohltes Schaukelpferd lag auf dem Fußboden. Wie ein Schatten schlich der Besucher zu ihm und stellte das umgefallenen Spielzeug wieder auf. Dann tippte er auf den Po des Pferdes und brachte es zum Schaukeln.
Und so kam es, dass sich zu der Stille ein leises Knirschen gesellte. Das Fenster in diesem Raum war angelaufen, aber intakt. Teile eines Kinderbetts standen davor. Als die Gestalt es erblickte, ging sie zu ihm.
Erwartungsvoll schaute sie hinunter, fand aber nur Asche und verkohltes Holz. Dort wo eigentlich duftende Kissen und ein schlafendes Kind sein sollten.
Der unheimliche Besucher stellte fest, dass seine Hände das Geländer des Bettes fest gepackt hatten. Es waren zierliche Hände, die Hände einer Frau.
Bekleidet war sie nur mit einem Pyjama. Die schwarzen Haare trug sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Was war in dem Haus geschehen?
Die junge Frau, sie musste Mitte zwanzig sein, schaute sich ängstlich um. „Und was mache ich hier?“ fragte sie sich.
Unweigerlich versuchte sie sich zu erinnern. An Namen oder Personen. Sie musste schnell feststellen, dass ein großer Teil ihrer Gedanken hinter dichten Nebeln verborgen lag. Schließlich konzentrierte sie sich nur noch auf ihren eigenen Namen, aber so sehr sie es auch versuchte er fiel ihr nicht ein.
Niedergeschlagen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den dunklen Raum. Jemand hatte einen Teddybär achtlos fallen lassen. Es widerstrebte ihr ihn aufzuheben, aber schließlich machte sie sich die Mühe.
Der arme Kerl hatte nur noch ein Auge und eines der Beine war nur noch mit wenigen Fäden am Rumpf befestigt. Es konnte jeden Moment abfallen. Das Plüschfell war stark verschmutzt und an einer Stelle zu einem Klumpen verschmort.
„Kannst du mir sagen, was passiert ist?“ fragte die Frau den Bär.
Sie erhielt keine Antwort und so machte sie sich auf den Weg dem Rest des Hauses einen Besuch abzustatten. Das Plüschtier nahm sie mit und drückte es ganz fest an den eigenen Körper.
Irgendwie spendete der kleine Teddy Trost und den konnte sie jetzt gut gebrauchen.
Nur wenige Sekunden später betrat sie einen weiteren zerstörten Raum. Sie war schon einmal dort gewesen, erkannte sie. „Das Schlafzimmer.“
Ein ekelhafter Gestank hing in der Luft und ließ sie würgen. Sie drückte den Spielzeugteddy noch fester. „Was ist hier geschehen?“
Der Großteil des Raumes wurde von einem großen Doppelbettgestell eingenommen. An den Wänden gab es weiße Flecken, wo einmal Bilder gehangen hatten. Die Fenster dieses Raumes waren mit Pappe abgeklebt, so dass der Gestank nicht nach draußen entwichen war.
Die Frau schloss gequält die Augen. Dort in der Dunkelheit fand sie Trost.
Etwas schreckliches war hier geschehen, dass spürte sie deutlich. „Du musst hier raus“, entschied sie sich schließlich.
Raus, schnell raus.
Das Klatschen ihrer nackten Füße erfüllte das leere Gebäude und erweckte es zu einem unheimlichen Leben. Sie bildete sich ein, das Lachen eines spielenden Kleinkindes aus dem Kinderzimmer zu hören und rannte nur noch schneller.
Unten angekommen musste sie erst die Orientierung wiederfinden. Es gelang ihr nur mühsam, aber letztendlich fand sie die Haustür und stürzte ins Freie.
Dort wurde sie von einer kalten Herbstnacht empfangen.
„Was ist passiert? Was ist mit mir geschehen?“
Minuten vergingen wie Stunden, als die Frau wieder aufblickte. Die Unwissenheit machte ihr große Angst. Das Herz raste wie verrückt und schien zu zerspringen. Sie wusste instinktiv, dass es wichtig war herauszufinden was geschehen war.
Zu ihren Füßen lag Teddy. Sie hatte ihn fallen gelassen, stellte sie fest. Von draußen sah die zerfallene Ruine noch schrecklicher aus und sie musste sich ehrlich darüber wundern, dass sie es je betreten hatte.
„Ich bin doch sonst nicht so verrückt“, überlegte sie. „Aber wie bin ich denn sonst? Wer bin ich?“
Zierliche Finger, eine schlanke Gestalt – vielleicht eine Hausfrau? Aber was hatte sie mit diesem speziellen Haus zu tun?
Der Garten war abgesperrt. Überall hingen Rot-weiße-Absperrbänder und auf einem kleinen Schild stand mit dicken Buchstaben: „Nicht betreten, Einsturzgefahr!“. Dahinter schlängelte sich eine breite Straße, gesäumt von hohen Kastanien durch ein Wohngebiet mit Vorstadt-Charme.
Unter den Bäumen lagen braune, gelbe und rote Blätter verstreut. Der Anblick war schön, beinahe vertraut und bildete dennoch einen starken Kontrast zu der heruntergekommenen Ruine.
Die junge Frau mit der hellen Haut und dem Rabenschwarzen Haar hielt es nicht länger aus und lief davon. Einfach so und ohne erkennbares Ziel.
Sie lief die ganze Nacht lang und versuchte sich selbst zu finden.
Es gelang ihr nicht und als der Morgen graute war sie lediglich sehr erschöpft. Die Erschöpfung half ihr dabei, nicht über das Erlebte nachdenken zu müssen und das war gut so. Denn jetzt befand sie sich in einem Ortsteil den sie nicht kannte. Ob es an ihrem Gedächtnisschwund lag oder ob sie tatsächlich noch nie hier gewesen war wusste sie nicht.
Aus einer inneren Laune heraus suchte sie Zuflucht bei einer Kirche. Sie hatte das schöne Gebäude mit dem hohen Turm schon aus der Ferne gesehen und verspürte nun das fordernde Gefühl unbedingt zu beten.
Rosarote Sonnenstrahlen tauchten sowohl Kirche als auch den anliegenden Friedhof in einen andächtigen Schein. Sie war allein zwischen den vielen Grabsteinen. Sicherlich war es noch viel zu früh, sinnierte sie. Immerhin wusste sie ja auch nicht welcher Tag heute war, es konnte Wochenende sein.
„Wochenende! Das wäre schön“, sagte sie. Dann gäbe es Gottesdienst und sie wollte doch so gerne beten.
Als sie zwischen die Bäume schlenderte und das feuchte Gras unter den Füßen kitzelte, erinnerte sie sich, das sie nie richtig an Gott geglaubt hatte. Plötzlich erschien es ihr unsagbar falsch, nun, in der Zeit der Not in die Kirche zu gehen und auf ein Wunder zu hoffen.
Auf ein Wunder, das niemals eintreten würde.
Außerdem fragte sie sich, was die Leute wohl zu einer Frau sagen würden, die nur in einem Pyjama gekleidet war. Imaginäre Stimmen echoten durch ihren Kopf: „Seht euch die Verrückte an. Die ist doch nicht ganz bei Trost!“
Lethargie erfüllte ihr Bewusstsein und plötzlich war es ihr egal. „Na und? Was solls? Schlimmer konnte es kaum werden.“ Mit steifen Schritten marschierte sie zum östlichen Kirchenschiff wo eine breite Tür den Eingang ins Bollwerk bildete.
Das Gebäude war nicht sehr groß, jedenfalls nicht so gewaltig wie die Monumentalbauten in den Hauptstädten, trotzdem war die blasse Frau mit den dunklen Augen ergriffen als sie sich umblickte. Da gab es eine Unzahl von schweren Eichenholzbänken die einen breiten Gang säumten, eine hohe Galerie von der man
von oben aus hinabschauen konnte und eine Orgel mit großen Pfeifen.
Da war der Altar, das Andachtspodest und ein – wieder erstarrte die Frau – ein Taufbecken. Plötzlich und so unnachgiebig wie verdrängte Erinnerungen ertönten erneut die Schreie eines erschreckten Säuglings. Das Kind weinte bitterlich und musste vor Anstrengung schwer atmen.
Nach kurzer Zeit verwandelte sich das Atmen in ein erschöpftes Schluchzen und man konnte sich lebhaft vorstellen, wie klares Wasser die Wandahnelle eines kleinen Kopfes benetzte. Aber da war niemand.
Die erschrockene Frau schüttelte widerwillig den Kopf um die Schreie zu verscheuchen. Sie war ganz allein und direkt vor ihr stand das marmorne Taufbecken. Weißgraue Adern zogen sich durch massiven Stein und bildeten ein anmutiges Muster.
In dem Becken glitzerte die unbewegte Oberfläche von kristallenem Wasser. Die Frau seufzte, kniff die Augen zu und beugte sich darüber. Ganz langsam erschien dort ein Spiegelbild, ihr Spiegelbild. Ihr Herz begann zu rasen und sie erinnerte sich, dass sie gar nicht wusste wie sie aussah und in welchem Zustand sie sich befand.
Zarte Wangenknochen umspielten ein gutmütiges Gesicht. Die schwarzen Haare waren sorgfältig aus der Stirn gekämmt. Da war keine Spur von Makeup und doch waren Augenbrauen und Wimpern tiefschwarz. Dunkle, traurige Augen öffneten sich und unerwartet breiteten sich kleine Wellen in dem Becken aus.
Eine weiter dicke Träne perlte in das Wasser und zerstörte das Spiegelbild. „Was ist geschehen?“
Die Frau erhob sich und streifte unsicher weiter durch das Gebäude. Schließlich erreichte sie einen Aufbahrungsraum. Erst hatte sie ihn gar nicht als solchen erkannt, aber nachdem sie in der Dunkelheit die Konturen von zwei reglosen Körpern ausmachte, war es klar.
Es stank nicht, wunderte sie sich. Stattdessen hing der dicke Geruch von Ätherischen Ölen in der Luft. Es roch süßlich. Ihre nackten Füße klatschten auf den kalten Fliesen als sie die Kammer näher erkundete.
„Was mache ich hier?“ fragte ihre innere Stimme. „Hast du keine Angst? Hier liegen Tote.“
Die junge Frau wanderte weiter, ein innerer Zwang drängte sie dazu. Zum Glück waren die Leichen unter schweren Decken verborgen, so dass sie ihren Anblick nicht ertragen musste. Allerdings drehte sich ihr Magen auch so mit langsamer, aber sicherer Gewissheit um.
Trotzdem, sie hatte etwas im hinteren Teil des Raumes entdeckt, dass ihre Neugier geweckt hatte und sie wollte herausfinden was es war. Seit sie die Ruine des verbrannten Hauses verlassen hatte, plagte sie ein ungutes Gefühl. „Geh nicht weiter“, warnte die innere Stimme eindringlich.
„Was du finden wirst wird dir nicht gefallen.“
Platsch, Platsch, sie ging weiter. Sie glaubte nicht mehr daran, dass es Zufall war, dass sie ausgerechnet zu dieser Kirche gekommen war. Auch konnte sie sich nicht mehr an ihre nächtliche Wanderung hierher erinnern.
Es war, als wäre sie plötzlich hier aufgetaucht. Auf einem kleinen Tisch lag eine winzige Gestalt. Zu klein für einen ausgewachsenen Menschen und so gar zu klein für ein Kind.
Wieder ertönten die Schreie eines Säuglings in ihrem Kopf und die junge Frau war plötzlich unfähig sich zu bewegen. „Nein“, flüsterte sie, als ihre Stimme brach.
Nein.
Die Stille tröstete. Das schwarze Tuch auf dem kleinen Körper fühlte sich rau an. Ihr Herz wurde ganz schwer und ein dicker Klos hing in ihrem Hals. – Nein –
Was war geschehen? Hinter verschlossenen Augen sah sie ein Feuer und hörte Schreie. Eine Frau rief: „Hol unser Baby!“
Sie kannte diese Stimme sehr gut. Es war ihre eigene. „Aber das kann nicht sein. Uns geht es gut. –Uns- geht es gut. Uns...“
Ein gemeiner Krampf verknotete ihren Magen. Sie wollte heulen, sie wollte sich übergeben, aber stattdessen verschwand der Krampf einfach und sie drehte sich reglos um. „Und was nun?“ fragte sie sich.
Das Licht ging an. Es war keine himmlische Erleuchtung, leider, aber jemand hatte das Zimmer betreten.
Ein alter Mann stand in der Tür. Gott? Die Frau schallte sich für den törichten Gedanken. Der Mann war niemand anderes als der Pfarrer. Um seinen Hals trug er ein altmodisches Kruzifix und sein schwarzes Hemd hatte den bezeichnenden weißen Kragen.
„Was machen sie hier?“ wollte der Mann wissen.
Die Frau bekam keinen Ton heraus.
Der zotige Priester verengte die Augen und starrte sie an, als stünde er einem Geist gegenüber. „Ich kenne dich“, stellte er fest. Der wütende Ausdruck verschwand aus dem alten Gesicht und hinterließ Unglauben. „Aber das geht nicht. Wie hast du überlebt?“
„Also doch“, schluckte die Frau. „Ich habe in der verbrannte Ruine am Rand der Stadt gewohnt.“
„Richtig“, stotterte der Priester.
„Wie ist mein Name?“
„Anna.“
„Und mein Kind?“
„Hanna.“
Die geröteten Augen der Frau begannen wieder zu schimmern. „Dann hatte ich eine Tochter?“ versuchte sie
zu lächeln, aber der Versuch scheiterte.
Der Priester winkte ihr mit einer Handbewegung zu aus dem Raum zu verschwinden und ihm zu folgen. „Es tut mir leid. Der Rauch hat alle im Haus umgebracht. Alle außer dir starben in jener Nacht.“
Anna folgte ihm aus dem kalten Zimmer und spazierte mit ihm Seite an Seite durch das östliche Kirchenschiff. „Was ist geschehen?“
„Niemand weiß das“, entgegnete der Pfarrer schnell.
Ein bisschen zu schnell für Anna´s Geschmack und da sie nach dieser Nacht keine Lust spürte sich an der Nase herumführen zu lassen wurde sie laut. „Es muss etwas geben! Kein Haus der Welt brennt Grundlos ab!“
„Ich kann es dir nicht sagen“, antwortete der alte Mann mit ehrlichem Bedauern. „In deinem Zustand, könnte dich die Wahrheit aus der Bahn werfen.“
Hinter den dunklen Augen der jungen Frau explodierte ein Feuer. „Ich kann gut selbst entscheiden, was ich hören darf und was nicht!“
Sie gingen in ein gemütliches Büro und sie durfte es sich in einem Schaukelstuhl gemütlich machen. „In Ordnung, aber verspreche mir, dass du ruhig bleibst, ganz egal wie hart die Wahrheit auch ist. –Versprich es mir.“
Anna nickte. Sie war sich selbst gar nicht sicher, ob sie wirklich alles hören wollte. Aber ihr Mann und ihr Kind waren gestorben, sie musste es wissen.
Der Priester begann zu erzählen. Er kannte bemerkenswert viele Details und seine Stimme führte sie zu jenem Schicksalshaften Tag zurück.
Das Feuer! Es war ohne Vorwarnung ausgebrochen. Und als der beißende Rauch und die Schreie der kleinen Hanna sie geweckt hatte, war es bereits zu spät gewesen.
In ihren Erinnerungen reiste Anna in jene Nacht zurück. Sie erwachte mit einem schmerzhaften Ruck. Stirn und Hände waren schweißnass. Ohnmächtig vor Angst schlug sie die Bettdecke zurück und sprang auf. Der Boden war heiß und unter der Tür quoll schwarzer Rauch in das Zimmer.
Die Schreie ihrer kleinen Tochter wurden lauter. Es waren keine Worte, dazu war sie zu jung, aber der Tonfall lies eindeutig erkennen, dass es fast zu spät war. - Fast...
Und wieder streckte die verzweifelte Mutter die Hand nach der Türklinke aus und wollte zu ihrem Kind stürmen. Gefangen in einem bösen Albtraum aus dem es kein Entrinnen gab. Es sollte jedoch nicht soweit kommen, denn gerade, als sie den Gedanken gefasst hatte, spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter.
Jemand hielt sie zurück. Anna drehte sich um und blickte ihrem Mann direkt ins Gesicht.
Die junge Frau in dem Schaukelstuhl stieß einen erschrockenen Seufzer aus: „Oh Gott!“ Sie hatte ganz vergessen wie sehr sie diesen Mann geliebt hatte.
Dunkle Augen lagen in einem braungebrannten Gesicht. Dünne Lippen versuchten aufmunternd zu Lächeln und versagten. Ihr Gatte ließ sie schnell los, als hätte er bemerkt, dass er sie viel zu grob zurückgehalten hatte. „Das stehen wir gemeinsam durch. Bleibe dicht hinter mir!“
Und ein weiteres mal jagten sie gemeinsam los, heute wie damals. Die Schlafzimmertür öffnete sich ohne Schwierigkeiten und enthüllte dicken, atemraubenden Qualm. Noch immer zerschnitten Schreie die heiße Luft, allerdings wurden sie bereits leiser.
Es war nicht einfach das Zimmer der kleinen Hanna zu finden, denn es war buchstäblich nicht möglich die Hand vor den Augen zu sehen.
In einem Moment spürte Anna noch den sicheren Griff ihres Gatten, spürte wie seine Finger die ihren umschlangen, als ihre Berührung plötzlich auseinander glitt. – Und dann war er weg.
„Aber wir müssen zusammen bleiben...“
Sie wusste bereits, dass sie sich nie wieder sehen würden, aber die Frau die alleingelassen in dem dunklen Flur stand, ahnte davon noch nichts. Flackerndes Feuer erhellte die Dunkelheit. Es war heiß und jeder Atemzug eine Tortur.
Dann ertönte eine Reihe von Geräuschen. Etwas war umgekippt und irgendwo zersplitterte gerade ein Fenster. Ein unerwarteter Luftzug drängte Flammen und Rauch für eine hoffnungsvolle Sekunde zurück, und Anna erblickte das unfassbare.
Über das Treppengeländer konnte sie nach unten schauen und eine Schattenhafte Gestalt erkennen. Sie war ungefähr so groß wie ihr Mann und Anna redete sich ein, dass er es geschafft hatte. Er hatte ihre Tochter gerettet, ihre Hanna.
Bevor der Mann jedoch aus der offenen Haustür stürmte, wendete er sich ein letztes Mal, als hätte er ihren Blick gespürt herum. Und Anna schrak in ihrem Schaukelstuhl zurück: Die Schattenhafte Gestalt an der Tür war nicht ihr Mann gewesen.
Die Erzählung des Priesters endete ähnlich. Die Polizei hatte keine Hinweise auf Brandstiftung gefunden, aber es gab auch keine Hinweise auf ein natürliches Feuer. Es machte beinahe den Eindruck, als wären die Flammen aus dem Nichts aufgetaucht.
„Außerdem,“ hustete der Pfarrer. „Außerdem fand man drei Tote in dem Haus.“
Anna war immer noch zu bestürzt um zu verstehen was das bedeuten sollte. Es ging sogar soweit, dass sie nicht mehr wusste was sie denken, geschweige denn fühlen sollte. Ihr war klar, dass es durchaus gerechtfertigt war in so einer Situation zu weinen, sich die Seele aus dem Leib zu schreien.
Jedoch fühlte sie sich einfach nur leer, unfähig auch nur eine Träne zu weinen. Ohne Zweifel war etwas schreckliches geschehen und geschah noch. Sie blickte stumm an sich herab und stellte fest, dass sie außer ihrem Lieblingspyjama nichts weiter trug.
Da gab es keine Schuhe, keine Jacke.
„Drei Tote?“
„Drei Tote.“
Um wen handelte es sich bei dem dritten Toten? Eine böse Vorahnung wurde langsam immer mehr zur Gewissheit. „Wie konnte ich aus dem Haus entkommen?“
Der Priester antwortete nicht, sondern starrte nur in einen entlegenen Teil des Büros.
Anna setzte die Puzzleteile allerdings auch ohne seine Hilfe zusammen. Stück für Stück. Sicherlich hatte sie eine Rauchvergiftung erlitten, sicherlich hatte sie Verbrennungen erdulden müssen, aber sie erinnerte sich nicht daran in ein Krankenhaus eingeliefert worden zu sein.
Sie erinnerte sich an keine Ärzte. Keine typische Krankenhausbekleidung. Keine Schuhe, keine Jacke.
Ohne das sie sich versah, befand sie sich auf dem Weg zum Aufbahrungsraum. Die Antworten lagen dort unter dicken Leinentüchern verborgen und sie riefen nach ihr, sie riefen: „Anna.“
Der Pfarrer hatte sich nicht die Mühe gemacht ebenfalls zu dem Aufbahrungsraum zu stürzen. Stattdessen war er in ruhiger Gewissheit sitzen geblieben, dass er Anna gleich wiedersehen würde. Es gab keine Zweifel, sie würde zurückkehren.
Trotzdem erschrak er auf das Heftigste, als die Gestalt der jungen Mutter einige Minuten später blass wie die Toten selbst und mit einem kleinen Teddybären in der linken Hand in der Tür erschien. Er hatte keinen Ton gehört. Weder das charakteristische Platschen der nackten Füße, noch ein trauriges Schluchzen.
Anna marschierte stumm an ihm vorbei und ließ sich erschöpft in den weichen Schaukelstuhl zurückfallen. Es dauerte weitere endlose Minuten bis die junge Frau ihre Gefühle soweit im Griff hatte, dass sie mit dunklen Augen aufblicken konnte.
„Das ist unmöglich“, zitterte sie.
Der Priester wischte sich mit einem weißen Tuch dicke Schweißperlen aus der Stirn und vergrub die Hände danach tief unter den Achselhöhlen. Er benötigte ebenfalls einen kleinen Moment bis er endlich sprechen konnte. „Es ist möglich, aber ich hätte es mir wohl selbst nie erträumen lassen.“
„Und was nun?“
Der untersetzte Mann mit dem graumelierten Haar schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, vielleicht beten?“
„Und was soll das bringen?“ lachte die junge Frau freudlos.
Der Pfarrer versuchte nun gar nicht mehr das Gespräch in eine der gewohnten Richtungen zu drängen, sondern sah ein, dass er hier in eine besondere Situation hineingeschlittert war. „Ich nehme an, du bist wegen des Mannes hier, der während des Feuers in deinem Haus war.“
Anna nickte.
„Er muss der Schlüssel zu allem sein. Kanntest du ihn?“
Nachdenklich verengte die junge Frau ihre Augen zu dünnen Schlitzen, dabei schmiegte sie ihren Körper unbewusst an den kleinen Teddy. Sie hatte diesen Mann schon gesehen, aber ihr wollte partout nicht einfallen wo. Außerdem hatte sie in der Nacht nicht viel mehr als Schemen gesehen.
Es war unmöglich jetzt noch eine klare Antwort zu finden.
„Er kam mir so vertraut vor.“
Der Priester seufzte und sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er mit dieser Erwiderung nicht zufrieden war, trotzdem lächelte er. „Das ist doch schon was.“
Unerwartet hellte sich sein Gesicht jedoch auf. „Ich weiß was wir tun können“, freute er sich. „Vielleicht erhältst du deine Antworten doch noch durch ein Gebet.“
Die letzte Wanderung, sie ist die Schwerste. Anna versteckte sich auf einem schmalen Sims im oberen Teil der Kapelle. Ungesehen verharrte sie dort und beobachtete still und heimlich jeden Mann, jede Frau und jedes Kind die einen Fuß in die rustikale Halle setzten.
Heute fand der Abschied statt. Die junge Frau schluckte schwer. Hinter schweren Blumenkränzen und dicken Kerzen entdeckte sie drei Särge. „Drei.“
Wir vermissen Dich. – In Trauer nehmen wir Abschied. – Letzte Grüße an drei wundervolle Menschen. – Viel zu früh... Anna zwang sich die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Es war nicht einfach die Kontrolle zu behalten, aber schließlich gelang es ihr mit zitternden Händen sich zurückzusetzen.
Mehr und mehr Menschen füllten die alte Kapelle. Aber auch wenn sie zahlreich waren, so blieb die
Stille doch wie ein erhabener und Trostspendender Mantel über dem Gebäude ruhen. Die Särge waren verschlossen. Zu schlimm wäre der Anblick der durch das Feuer zerstörten Leichen. Das junge Familienglück war grausam und abrupt beendet worden.
Zwei Kirchenangestellte in langen, schwarzen Gewändern schlossen die große Eichentür im Westen und plötzlich hielt jeder den Atem an. Ein Orgelspiel setzte ein. Es war schrecklich laut, so dass Anna reflexartig die Hände vor die Ohren hielt.
Nahe des Sims endeten die Orgelpfeifen direkt vor ihr. Neugierig schaute sie wieder hinab und ließ ihren Blick wandern. Zu jedem Gesicht, das sie erblickte erschien ein Name in ihren Erinnerungen. Schließlich stockte sie und murmelte wie ein kleines Kind: „Mutter, Vater.“
Die laute Musik übertönte ihr Schluchzen und für einen Moment war sie dankbar für die tröstende Melodie. Ihr Blick wanderte weiter und fand ihre Schwiegereltern. Und sie weinten, sie weinten über den Verlust ihres Sohnes.
Anna konnte nicht mehr weinen, aber auch ihre Augen waren gerötet und glänzten traurig. Hinter verschlossenen Lidern schaute sie zu Bildern aus der Vergangenheit. Ein weißes Hochzeitskleid, ein glitzernder Ring, sie erinnerte sich wie sehr das Herz gerast hatte. Sie erinnerte sich an die wundervollen Momente zärtlicher Umarmungen und Küsse.
Hätte jemand die Frau in den Schatten gesehen, so wäre er von der unglaublichen Last der Trauer schier erschlagen worden. Aber ebenso plötzlich lächelte sie wieder, als sie an die Geburt ihrer kleinen Tochter dachte. „Hanna.“
Unten hatte der Priester mit seiner Andacht begonnen. „... und wir fragen uns, warum lässt Gott so etwas zu? Warum nimmt er geliebte Menschen aus unserer Mitte?...“
Warum? Warum? Warum? Anna wiederholte die Worte wieder und wieder. Keine Schuhe, keine Jacke. Warum war sie hier? Warum war sie nicht tot, dann hätte alle Trauer und Angst ein Ende?
Ein Raunen ging durch die Menge. Die junge Frau mit dem bleichem Gesicht und dem rabenschwarzen Haar war aufgestanden. Noch verdeckten Schatten und Dachbalken ihr Antlitz, aber ein Geräusch erfüllte die Kapelle und beendete das Gebet des Priesters.
Der Pfarrer ließ resignierend den Kopf hängen. Er kannte das Geräusch und wusste, dass er jetzt nichts mehr tun konnte.
Patsch – Patsch. Jemand marschierte die schmale Treppe hinunter. Die Trauernden starrten mit zu Schlitzen verengten Augen in die Dunkelheit. Patsch – Patsch.
Mehrere hingezogene Sekundenlang tat sich nichts, doch dann lichtete sich die Dunkelheit für einen Moment und eine junge Frau in einem hellblauen Pyjama war zu sehen. Allerdings war sie ebenso schnell in einen anderen Schatten wieder verschwunden.
Die Lichter der Kerzen erloschen wie von Geisterhand und wieder ging ein Raunen durch die Anwesenden. „Hast du sie gesehen?“ – „Ist sie das?“ – „Was geht hier vor?“ wollte jemand wissen.
Im Dämmerlicht schritt Anna erneut vor dem Gebetsaltar und setzte sich den Blicken der aufgebrachten Verwandten aus. Ob ihnen klar war, was gerade geschah, fragte sie sich? Wussten sie, was sie schmerzhaft am eigenem Leib erfahren hatte?
Erneut betrat sie den Aufbahrungsraum. Die Tür hatte sich leise und gut geschmiert geöffnet. Ein muffiger Geruch erschwerte das Atmen. Das Zimmer war nur spärlich beleuchtet und unangenehm kalt. Die Fliesen waren glatt und mit einer desinfizierenden Lösung gewischt worden.
Aus der Dunkelheit ragten mehrere Tische. Drei davon waren belegt. Selbst in ihren Erinnerungen hatte sie keine Kraft mehr zu ihrem Kind zu gehen, sondern blieb einfach vor den beiden erwachsenen Toten stehen. Weiße Finger berührten das schwere Leinentuch.
Ganz vorsichtig hob sie es an und zog es Stück für Stück von dem Körper. Das Herz pochte ihr bis in den Hals und ließ sie würgen. Dort lag ihr Gatte. Das Feuer war schonend mit ihm umgegangen und so konnte sie ihn auf den ersten Blick identifizieren.
Sie berührte mit sanften Fingern seine kalte Hand und erinnerte sich wie sie seine zärtliche Berührung in der Nacht verloren hatte und seitdem vermisste. Jetzt weinte sie, stellte sie fest. Aber das war es nicht, warum sie zurückgekehrt war, oder?
Neben ihrem Mann lag eine zweite Gestalt. Anna konnte die verzehrende Neugier nicht länger ertragen und riss das zweite Tuch von dem leblosen Körper. Bilder schossen ihr durch den Kopf. Dicker Rauch hing in ihren Lungen.
Sie war zum Treppengeländer getaumelt, erinnert sie sich. Ihr Pyjama hatte Feuer gefangen und sie hatte sich die Seele aus dem Leib geschrieben, bis sie nur noch Husten konnte. Eine Gestalt an der Haustür wurde durch ihre Schreie aufmerksam und schaute zu ihr hinauf.
Jetzt erkannte sie ihn! Im selben Moment brach das Geländer unter ihrem Gewicht zusammen, das Feuer hatte das Holz zu sehr beschädigt, und ließ sie in die Tiefe taumeln. Sie schlug mit einem dumpfen Prall auf. Heißes Blut rann über ihre Stirn und tropfte auf den Fußboden.
Mit letzter Kraft nahm sie sich zusammen und blickte ein letztes Mal auf. Dort sah sie den Mann, der nicht
hätte dort sein dürfen. Einem inneren Instinkt befolgend prägte sie sich sein Gesicht fest ein und starb.
Sie hatte das Unglück gar nicht überlebt, sondern war mit ihrem Mann und ihrem Kind gestorben. Es lag ein gewisser Trost in diesem Gedanken. Anna trat aus den Schatten heraus und stellte sich den Blicken der Anwesenden.
Sie musste merkwürdig deplaziert aussehen, schoss es ihr durch den Kopf. Schließlich trug sie nur einen Pyjama und einen alten Teddy in der Hand. Ihre Eltern starrten mit weitaufgerissenen Augen zu ihr. Unfähig auch nur ein Wort zu sagen, blieben sie dort verharren.
Anna streckte den Arm aus, als wollte sie sie berühren. „Mutter, weine nicht um mich, mir geht es gut. Vater,... ich vermisse euch so sehr.“
In der Menge tauchte ein Gesicht auf. Die junge Frau erstarrte und zog den Arm zurück. In den dunklen, traurigen Augen explodierte ein Feuer.
Der Mann, dessen Anwesenheit in der Unglücksnacht nicht zu erklären gewesen war, trat auf den Gang. Er war der Bruder ihres Gatten gewesen. Alle Verwandten waren jetzt aufgestanden und bildeten eine Menschentraube um ihn.
Anna stapfte auf ihn zu. Das der Mörder ihrer Familie der Bruder ihres Mannes war, machte alles nur undurchsichtiger. Als sie direkt vor ihm stand, so nah, dass sich ihre Nasen beinahe berührten und er ihrem Blick nicht ausweichen konnte, schrie sie ihn an. „Warum, Mark? Warum hast du das getan?!“
Mark fiel auf die Knie und weinte wie ein kleines Kind. „Es war ein Unfall“, beteuerte er. „Ein schrecklicher Unfall!“
„Was war geschehen? Warum hast du uns getötet!?“
„Nein! Das ist alles nicht wirklich. Ich träume!“
„Wir waren so glücklich gewesen, Mark. Alles war so schön – warum hast du uns getötet?!“
Der Mann kreischte vor innerem Schmerz: „Ein Unfall!“
„Warum hast du uns getötet!“
Als der Mörder nicht antwortete wurde es still in der Kapelle. Wieder hielt jeder den Atem an. Anna drehte sich um, den Teddy fest an die Brust gedrückt und ging. „Ich muss jetzt gehen“, flüsterte sie gebrochen und verschwand.
Klaus, Anna´s Vater trat hervor. Er war ein Bär von einen Mann. Zweiundfünfzig Jahre alt, war er kein Gegner mit dem man sich anlegen wollte. Zitternd beugte er sich über den verzweifelten Mörder und zog ihn hoch.
„Du hast meine Kleine auf dem Gewissen“, zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen.
Mark seufzte. „Ich wollte ihnen nur eins auswischen.“
Der traurige Vater ließ den Mann wieder los. „Das“, hauchte er, „das ist dir gelungen.“
Jeder in dem Raum wendete dem entlarvten Mörder demonstrativ den Rücken zu. Und auch wenn kaum noch einer zuhörte oder Mitleid mit für den Mann empfand, so hörte der nicht damit auf Rechtfertigungen wie Gebete zu rezitieren und langsam in den Wahnsinn hinabzugleiten.
„Mein Bruder hatte immer alles“, heulte Mark. „Ein Haus, ein Auto, eine Familie. Er war so arrogant. Und ich hatte nichts. Es sollte nur eine Lehre sein, ich wollte ihm zeigen wie es ist nichts zu haben. Aber ich wollte ihn nicht töten ... – das habe ich nicht gewollt ...“
Heute auf dem Tag genau liegt das Ereignis zwanzig Jahre zurück. Mark hatte alles gestanden und war in eine geschlossene Anstalt überwiesen worden. Mit jedem Jahr wurde sein Zustand schlimmer und er sollte sich nie wieder erholen.
Die Gespräche mit ihm, jagten den Ärzten Angst ein. Wahrscheinlich war die tägliche Dosis beruhigender Medikamente einfach zu hoch, die grausame Bluttat von einst viel zu schwer, aber manchmal berichtete er noch von ihr.
Dann erzählte er über die traurige Frau mit dem Teddybären, die mit ihm in der Zelle saß und ihn unentwegt aus traurigen Augen beobachtete. Allerdings konnten die Ärzte und Pfleger dieses Hirngespinst nie sehen.
Aber manchmal, wenn er schweißgebadet in der Nacht aufwachte, weil er ihren vorwurfsvollen Blick nicht länger ertragen konnte, dann glaubten sie ihm.
Und eines Abends hörten sie es dann. Es kam aus seiner Kammer. Es waren die Schreie eines kleinen Kindes. Als die Pfleger am nächsten Morgen zu ihm kamen, war der Mann gestorben. Aber der Spuk hörte nie auf. Andere Patienten, die nach Mark auf dieses Zimmer kam, sollten noch ebenfalls von der Frau mit den traurigen Augen berichten...
Beendet am 04.02.02