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Die Feuerkugel
Die Sonne brannte auf meinen Rücken. Sie war erbarmungslos. Den Rücken musste ich schon den ganzen Tag krumm machen.
Es zog und zerrte fast an jeder Stelle meines Körpers. Früher liebte ich sie, heute hasste ich sie.
Drei Stunden war der Moment nun schon alt, in welchem ich mir ein dick belegtes Brot in den Mund schob und für eine halbe Stunde die Augen schloss. Es war ein kurzes Ruhen, das dem Körper kaum Linderung verschafft hatte.
Schweiß rann jetzt in Strömen über meinen ganzen Körper. Die Innenflächen meiner Hände scheuerten sich wund.
Staub setzte sich in meiner Lunge fest und machte mir das Atmen schwer.
Noch immer brannte die Sonne während im nahen Grünstreifen die Grillen zirpten.
Die Baustelle war an diesem Tag der reinste Röstgrill. Ich hatte die Schnauze voll, warf die verhasste Schaufel zur Seite und ging ins Gebäude. Zuerst wollte ich mir lediglich eine neue Flasche Wasser holen, doch dann kam alles anders…
„Halt! Wohin?“
Dem Schichtführer war mein sonderbarer, entnervter Blick aufgefallen und er stellte sich breitbeinig in die Tür des Pausenraumes, in dem meine Sachen lagen. Seine dicken Backen blies er bedrohlich auf.
Er trug einen markanten Schnauzbart und hatte blaue Augen. An seiner Brust waren noch ein paar Krümel von irgendeinem Essen zu sehen und er war sogar noch am Kauen.
Während seine Arbeiter draußen in der Sonne kaputt gingen, war er selber der Faulste von allen. Geringschätzig mustere er mich von oben bis unten und wollte mich wieder zur Arbeit antreiben.
„Pause hattest du heut schon. Raus mit dir!“
Wut loderte in mir auf. Ich hasste diesen Sklaventreiber.
„Ich wollte nur schnell was trinken.“
„Trinken kannst du zu Hause. Los, raus jetzt!“
Im Hintergrund sah ich die Sekretärin des Oberbosses, der gerade auswärts war,
mit offener Bluse. Sie trug ihr langes, blondes Haar offen und hatte unglaublich lange Beine.
Ich verstand, wischte mir den Schweiß von der Stirn und drehte wieder um, bereit mich erneut in die heiße Hölle der Arbeit zu werfen.
Doch auf der ersten Stufe der kleinen Treppe, die hinausführte blieb ich wie von fremder Hand gesteuert stehen.
Ich war wie paralysiert. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen aus dem Gehirn. So konnte es nicht weitergehen. Was war das für ein Leben? Wo war ich gelandet? Was war aus meinen Träumen geworden? Wie konnte ich mich von einer solchen Witzfigur derart behandeln lassen?
Von hinten schrie der Chef: „ Ja was ist denn jetzt? Scher dich an die Arbeit aber schnell!“
Ich ging zurück zum Pausenraum. Der Chef war erstaunt und sah mich ungläubig an.
„Machen sie keine Dummheiten. Sie haben ja bald Feierabend.“
Er hatte auf einen Schlag aufgehört mich zu duzen. Die Arroganz seiner Augen wich der Furcht. Spannung lag in der Luft.
Seine plötzliche Höflichkeit drang nicht mehr in mein Bewusstsein. Ich drängte mich an ihm vorbei, stieß ihn dabei gegen den Kaffeeautomaten.
Die Sekretärin verkrümelte sich verschämt. Hinten im Eck lag mein Rucksack.
Ich nahm das Handy heraus, warf es auf den Boden und trat mit meinen Sicherheitsschuhen kräftig darauf herum.
Das Knacken des brechenden Handys vermische sich mit dem Rattern der angegangenen Kaffeemaschine.
Ich ging an meinen Spind, holte meinen Geldbeutel heraus und nahm ein Streichholz. Das Streichholz.
Da schoss mir ein wahnsinniger Gedanke durch den angegriffenen Schädel. Das Feuer.
Das Feuer in mir sollte dieser alte Sklaventreiber jetzt zu spüren kriegen. Die letzten Bänder meines Nervenkostüms waren gerissen.
Also nahm ich erneut den Rucksack in die Hand, ein wenig Zeitungspapier vom Tisch, flackerte es an und verwandelte den Rucksack in eine leuchtende Feuerkugel. Mein Herz pochte und meine Hände fühlten sich an wie unter Strom.
Der Alte riss die Augen weit auf und flüchtete.
Ich rannte ihm mit meiner Feuerkugel hinterher, doch sie glitt mir nach wenigen Metern aus der Hand. Bald darauf stand der ganze Pausenraum in Flammen.
Nur mit meiner Geldbörse und den Autoschlüsseln verließ ich das Baugelände und später auch das Land.
Die Feuerwehr kam mir noch entgegen. Doch ich war wie in Trance. Das alte Leben hatte ich ein für alle Mal satt.
Die Freiheit sollte wieder Einzug in mein Herz halten und ich brach zu einer großen Reise auf, in ein neues Land mit einer neuen Kultur, zu einem Ort, an dem mich niemand kannte, an dem es keine Baustellen und keinen krankhaften Stress gab.