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Die Farbe der Regale

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15.03.2006
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Die Farbe der Regale

Auf der Suche nach Liebe kam ich auch zu den Regalen der Supermärkte und Warenhäuser. Meine fragenden Blicke wurden nicht beachtet. Stattdessen bemühten sich eifrige Verkäuferinnen darum, die Waren nachzufüllen und mit Preisen auszuzeichnen. Unschlüssig zog ich von Geschäft zu Geschäft und strich in jedem von ihnen suchend an den Regalen entlang. Immer wieder staunte ich über die Fülle der Angebote – nur Liebe fand ich nicht.

Wohin ich auch kam – überall schienen die Menschen so beschäftigt zu sein, dass ich es zunächst nicht wagte, sie zu stören. Aber nach der langen Zeit des erfolglosen Suchens fragte ich schließlich doch in einem der Supermärkte, ob ich hier Liebe finden würde. Zunächst sah man mich verständnislos an, schickte mich von einem Mitarbeiter zum nächsten oder wich meiner Frage aus, in dem man mir von den neusten Werbeaktionen erzählte. Irgendwann traf ich dann aber auf eine Verkäuferin, die mir hinter vorgehaltener Hand zuraunte, man wisse, dass es hier recht lieblos aussähe. Mit Bedauern erzählte sie mir, dass alle Versuche dies zu ändern, fehlgeschlagen wären – sie wäre sich sicher, dass man andere, geschmackvollere Farben für die Regale hätte wählen sollen. Ich verstand nicht und fragte noch einmal nach. Da berichtete sie mir von Schulungen zum Marketing, Verkaufstraining und zur Förderung der Kundenfreundlichkeit, um dann erneut auf die Regale zu sprechen zu kommen. Sie fragte mich, welche Farben ich denn bevorzugen würde.

Als ich behutsam andeutete, dass mir derartige Äußerlichkeiten nicht so wichtig wären, wurde ihre Stimme plötzlich scharf und abweisend. Sie fragte mich mit zornigem Unterton, ob ich etwa die Erwartung hätte, dass man meinetwegen sämtliche Kisten, Kartons und all die anderen Verpackungen öffnen oder sogar beseitigen würde, nur damit diese Äußerlichkeiten meinen Betrachtungen nicht mehr im Wege ständen. Mich erschrak diese Reaktion von ihr, und ich verstand immer noch nicht. Ich wollte sie irgendwie beruhigen, aber mir fiel nichts Passendes ein. Daher versuchte ich erneut zu erklären, dass meine Suche doch nur der Liebe galt. Wort- und gestenreich erzählte ich ihr, dass ich gar nichts kaufen wolle, denn man hätte mir schon vor langer Zeit den Hinweis gegeben, dass Liebe ein Geschenk sei.

Das hätte ich nicht sagen sollen. Die Verkäuferin holte den Marktleiter und einige ihrer Kolleginnen. Auch andere Kunden des Supermarktes waren auf mich aufmerksam geworden und kamen hinzu. Nun war ich umringt von Menschen deren misstrauische Blicke mich regelrecht zu durchbohren schienen. Die Leute fragten mich, warum ich denn dort wäre, wenn ich nichts kaufen wolle. Wieder erzählte ich von meiner Suche. Aber sie hörten mir nicht zu, sondern beschuldigten mich, dass ich hier wäre, um etwas zu erbetteln oder gar zu stehlen. Sie sagten, nur der Tod wäre umsonst, und dass ich mich schämen solle, weil ich etwas haben wollte ohne dafür zu bezahlen. Außerdem würden Dinge, die nichts kosten, keinen Wert haben. Dann sagten sie noch, ich solle aufpassen mit dem, was ich künftig tue, man würde mich im Auge behalten.

Danach durfte ich meinen Weg durch den Supermarkt fortsetzen. Akribisch durchsuchte ich jedes Regal, jede Kühltruhe, jede Auslage. Aber ich fand nicht das, was ich suchte. Stattdessen bemerkte ich Warenhausdetektive, die mir folgten, und hörte, wie man hinter meinem Rücken tuschelte. Eltern holten eiligst ihre Kinder zu sich, wenn ich mich diesen näherte. Und auch die Verkäuferinnen beobachteten mich argwöhnisch. Noch einmal versuchte ich, mein Anliegen vorzubringen, und fügte hinzu, dass ich auch niemandem etwas wegnehmen wolle. Doch egal wen ich auch fragte – jeder baute eine Mauer des Schweigens und des Desinteresses vor mir auf oder verwies mich auf die Ecke mit den Sonderangeboten. Selbst als ich – der Verzweiflung nahe – die Frau an der Wursttheke anflehte, mir zu glauben, dass ich wirklich ausschließlich auf der Suche nach Liebe und nichts anderem sei, fragte sie mich nur noch: Im Stück oder in Scheiben?

Nun stehe ich mit überfülltem Warenkorb in der Schlange vor der Kasse. Warte, und wundere mich über die geschmacklosen Farben der Regale.

 

Um geliebt zu werden, müsste man lieben können, doch gerade das erweist sich als ein Problem, wenn andere Menschen z.B. zu großen Nasen haben, schreiend durch die Gegend eilen oder auch schief grinsen, denn diese Details, kommt man spontan zu der Überzeugung, stehen nun mal zwischen einem und anderen. Das lese ich mit etwas gutem Willen in die Geschichte. Aber sie bleibt ja recht vage.

Ein Kaufhaus ist nicht steril, wollte ich noch behaupten, aber da fällt mir ein, das steril in Bezug auf Räume auch heißen kann: gefühlskalt, rein funktional-relational, Räume, die man nur betritt, weil man da eben etwas machen muss. Sterile Kaufhäuser, schon der Begriff sagt aus, dass dein Protagonist da nicht finden wird, was er sucht. So tötest du im Voraus den Keim einer Spannung ab.

Was mich zum Beispiel irritiert hat an den ersten beiden Sätzen:

Auf der Suche nach Liebe kam ich auch zu den überfüllten Regalen steriler Supermärkte und Warenhäuser. Meine fragenden Blicke wagte niemand zu erwidern.
Auf der naiven Suche nach Liebe, wie sie hier so banal dargestellt wird, nimmt man eher eine unterwürfige, kaum selbstbewusste Haltung ein, oder? Die Unterstellung, dass andere nicht wagen würden, den Blick zu erwidern, widerspricht dem. Schon hier kann man hineinlesen, dass der Prot ein ziemliches Problem mit seinem Ego hat, was ja schon mal zumindest ein Aspekt der Arroganz ist. Dennoch habe ich das Gefühl, dass alle Interpretationsversuche hier verfrüht sind, denn alles in allem ist der Text unausgegoren. der Autor scheint uneins mit sich über die Frage, ob der Prot explizit und bewusst "nach Liebe sucht" = dann würde er sich anders verhalten (finde ich), oder eben unterbewusst, dann dürfte er aber nicht daran denken bzw. danach fragen. Finde ich.


Viele Grüße,
-- floritiv

 

Wow - vielen Dank Euch beiden für Eure Rückmeldungen. Ich bin echt beeindruckt, muss das alles aber noch etwas sacken lassen. Es sind ja nicht nur ein paar Satzzeichen oder Formulierungen, die Ihr ansprecht. Eure, für mich durchaus nachvollziehbaren, Kritikpunkte erfordern quasi eine Komplettsanierung des gesamten Textes. Damit hatte ich nicht gerechnet, und ich weiß im Moment noch nicht, wann ich die Zeit und Ruhe dafür aufbringen kann. Andererseits haben mich gerade auch Deine Anmerkungen, liebe Nora, in meinem eigenen Text mehr sehen lassen (auch an Entwicklungspotential :D), als ich es bisher gesehen habe. Da juckt es mir schon in den Fingern und rotiert es in der Kreativabteilung meines Hirns.

Also, vielen Dank und liebe Grüße

Andreas

 

So, ich bin jetzt noch mal gründlich über den Text gegangen. Nochmals vielen Dank für die Rückmeldungen.

Liebe Grüße

Andreas

 

Hallo,

dein Text hat eine klare Struktur und einen Kern, er hält sich an die Regeln einer Parabel und man merkt auch, dass der Text was zu sagen hast. Sprachlich sauber gearbeitet ist er auch.
Der Text hat aber auch typische Probleme einer Parabel: Es ist wenig zum Erleben oder zum Zungenschnalzen darin, er ist ein bisschen lasch. Er hat auch wenig sprachliche Reize, wie ich finde.
Und die Geschichte funktioniert auch so, dass die Welt sich für den Protagonisten verhält, dass er in seinen Ansichten bestätigt wird. Also es ist sehr linear.
Er sucht nach „Liebe“ und die Leute mißverstehen ihn. Im Prinzip ist die Botschaft dann: In einer effizienten Konsumwelt ist für Liebe kein Platz.
Das ist so ziemlich die Botschaft jedes Weihnachtsfilms, mit Verlaub.

Gerade für eine Parabel ist es schön und wichtig, wenn der Leser auch was zu sehen bekommt. Wenn die Figuren zu mehr als nur zu funkionsträgern werden. Und wenn irgendwas in der Parabel sich gegen den Ablauf und die Aussage der Parabel wendet – das ist auch sehr schön.

Der Text hier - ich kann da gar nicht so richtig kritisieren, was hier nicht gut ist, sondern ich hab einfach das Gefühl: Es fehlen sprachliche und inhaltliche Reize in dem Text. Es ist zu lasch.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

zunächst entschuldige bitte, dass ich mich erst so spät melde.

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja, mag sein, dass der Text zu lasch ist. Dank der Rückmeldungen hier im Forum hat er aber im Vergleich zu seiner Ausgangsfassung deutlich gewonnen. Ich betrachte ihn für mich auch eher als ein Experiment. Nun, es ist nicht total in die Hose gegangen, ist aber auch kein Knaller geworden. Viel dran arbeiten werde ich wohl eher nicht mehr - außer ich habe noch den Geistesblitz ;).

Liebe Grüße

Andreas

 

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