Die Falsche
Die Falsche
Frido Krömmelbein, der Frauen hasste, hatte eines schönen Tages einen Spaziergang in den Wald unternommen, als ihm, er hatte den Aussichtspunkt fast erreicht, eine Joggerin begegnete. Frido wurde weiß, Frido erglühte, dann kehrte allmählich seine gewöhnliche Gesichtsfarbe, eine Art von feucht glänzendem Grau, zurück, wobei seine Augen, die zum Schielen neigten, einen stechenden Ausdruck gewannen, und sein Mund sich auf eine schiefe Weise verzog, eine Weise, die seine langen, ebenfalls in feuchtem Grau glänzenden Zähne teilweise freilegte. Frido Krömmelbein hatte einen großen, länglichen, an ein Nagetier, eine Ratte erinnernden Kopf, aus dessen Stirn die Haare, vor allem in den Ecken, weit zurücktraten, Haare, die er mit einem kleinen schwarzen Kamm, dessen Zacken besonders eng standen, zurückkämmte, so, dass es zog, ein wenig schmerzte, welches selbe ihm aber eine eigenartige Genugtuung bereitete. Er schnob, durch die Nase, kurz, worauf er ein ebenso kurzes, abgehacktes Räuspern vernehmen ließ. Er hatte einen Plan gefasst. Und während die Anspannung, die dies ihn gekostet, und die sich jeder Faser seines Wesens mitgeteilt hatte, langsam nachließ, arbeitete es in seiner Faust dennoch fort, einer Faust, zu der sich seine dürren, aber langen Finger krampfig, zitternd, zuckend zusammenzogen...
Dämmerung, Frido wartet. Er hatte eine Eule aufgeschreckt, die Eule hatte ihn mit großen, bösen Augen angesehen, er hatte geflucht, in ihre Richtung. Dann warten, er rauchte, warten. Aaarrr, machte er. Dann griff er in die Innentasche seines Mantels, und zog ein Fläschchen hervor, Schnaps. Er trank, verschluckte sich fast, wischte sich den Mund ab, und schob das Fläschchen zurück. Er lauschte, wobei er die Augen verdrehte, steil nach oben, das heißt: seitlich nach oben, in einem regelrechten 45 Grad-Winkel, hätte er nicht geschielt. Da! Taptaptaptap... Es war wie Musik in seinen Ohren, dieses Taptap. Eine Art von Knistern, Rascheln mischte sich rein; das war der Trainingsanzug, das Polyester. Da! Er sprang. Und war mit dem Strick so schnell bei der Hand, dass nur ein heiseres Röcheln blieb, das, weil er kräftig zuzog, schnell verstummte. Es machte ihm sogar Spaß, ab und an noch ein wenig locker zu lassen. Aber da war sie schon zu erschöpft, um zu schreien. Jetzt ist Schluuuß..., mumelte Krömmelbein, wobei das Schluuuß wie ein Würgen aus seiner Kehle drang, und nicht zuletzt der letzten, anhaltenden, sein Gesicht grässlich verzerrenden Anspannung geschuldet war, die dieser Schluss ihm abverlangte.
Mondschein, Friede, Befriedigung. Du hast deine Ruhe, sagte Frido, und seine Stimme knarrte gespenstisch, und ich auch. Er hatte sie verbuddelt, unweit des Weges, und dabei geschwitzt. Von der Toten war ein Geruch ausgegangen, der sich mit seinem Schweißgeruch zu einem merkwürdigen Arom verband, vermischte. Frido war bewegt, beinahe glücklich. Welche Ruhe, welch tiefer Friede, und wie schön, hell und groß und voll, stand dort droben der Mond! Er ging nach Hause. Er war frei.
Und wie frei fühlte er sich den nächsten Tag, wie freudig begrüßte der ihn! Frido fütterte seine Tiere, was er nicht immer tat. Er besaß eine ganze Reihe, aber er fütterte sie nicht immer. Heute aber sollten sie fressen, allesamt, klein und groß, fressen, fressen. Glücklich sah er ihnen dabei zu, und fraß dann selbst, mampfte, stopfte, trank einen Schnaps. Ich will mich bewegen, dachte er. Und ihm stand das ja frei. Der Weg, der Wald, der Weg in den Wald. Es stand ihm frei, alles stand ihm frei, alles...
Er rannte, fluchte, schrie. Er grub, mit den Händen, zitternd, schwitzend, auch im Gesicht, hechelnd... Es kann, stieß er jaulend hervor, es kann... Fiel dann zurück, knieend, den Oberkörper weit zurückbiegend, die Fäuste geballt. Was war geschehen? Er war einer Joggerin begegnet. Und sie war es, sie! Er hatte die falsche getötet. Und dabei war er sich doch so sicher gewesen! Er wand sich im Schmerz, bestreute sein Haupt mit Erde. Es war die falsche gewesen, die falsche!
Frido Krömmelbein kam in die Klapse, die geschlossene, wo er sich erstaunlich schnell beruhigte. In späteren Jahren überraschte er gar die Pflegerinnen dadurch, dass er ihnen kleine Blumensträußchen band, etwas magere zwar, da der Anstaltspark nicht viel hergab, aber gut gemeinte. Sogar den Kater, den man ihm zubilligte, quälte er nicht mehr, indem er ihn beim Schwanz packte und ihn, zwischen den Gitterstäben hindurch, zum Fenster hinaus hielt. Sein Gesicht wurde ruhig mit den Jahren, und seine Haare ergrauten schnell. Nur das Zucken seines Mundwinkels, des linken, das manchmal in einen regelrechten Krampf ausartete, dem er dadurch zu steuern versuchte, dass er sich kräftig mit der flachen Hand auf die Backe schlug – nur dies ließ erkennen, dass er sich noch immer nicht verzeihen konnte, dass es die falsche gewesen war.