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Die Fabrik

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22.03.2001
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Die Fabrik

[Falls es wen interessiert: Ich lese schon länger hier mit und habe vor längerem einmal etwas im "alten" System veröffentlicht. Also nochmal hallo allerseits! ;-) ]

Die Fabrik
(c) 2002 Markus Urban

Es wird viel erzählt über das alte Fabriksgebäude am Stadtrand. Vor langer Zeit wurden dort optische Geräte hergestellt, später elektronische Bauteile. Doch seit einigen Jahren ist es sehr still um das große alte Gebäude geworden. Angeblich gehört es jetzt irgendeinem Großkonzern, der es als Lager benutzt. Die zuständigen Behörden könnten einem das wohl auch sicher bestätigen wenn man sich die Mühe machen würde sich überall durchzufragen.

Aber ist das wirklich die ganze Wahrheit? Schon seit mehreren Monaten wollen immer mehr Leute aus den umliegenden Einfamilien- und Kleingartenhäusern seltsame Vorgänge in dem alten Werk beobachten haben, auch von auffälligen, merkwürdigen Geräuschen ist öfters die Rede. Diese Berichte haben sich mittlerweile schon durch den ganzen Bezirk verbreitet, sogar in der lokalen Presse war einmal ein Artikel darüber zu lesen. Da es aber sonst keine Anhaltspunkte gibt daß hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte, schenken die meisten Leute diesen Berichten nicht allzuviel Glauben. Ja, viele werten diese auch nur als Hirngespinste von stadtbekannten Spinnern, denen immer noch kein besseres Gesprächsthema eingefallen ist.

Dennoch befängt viele Vorübergehende beim Anblich des großen, mehr als hundert Jahre alten Gebäudes auf einem kleinen Hügel mitten in einer etwas abgelegenen Wohngegend ein mulmiges Gefühl. Es soll tatsächlich manchmal zu beobachten sein wie Leute, die des nächtens noch dort vorbeikommen dann doch einen Bogen um diese Gegend machen. Eigentlich ist es kein Wunder, denn selbst bei bestem Bilderbuchwetter wirken die Straßen um das Fabriksgebäude irgendwie trostlos wenn nicht sogar etwas bedrohlich.

Auch Peter war irgendwie nicht ganz wohl bei dem Gedanken, ausgerechnet hier und zu dieser Zeit einen Anrainer zu interviewen, der angeblich fast täglich, besonders am späteren Abend, unerklärliche Geräusche aus dem alten Haus zu hören glaubt. Er war Journalist, und sein Chef hatte sich diese Sache hier eingebildet, weil er wieder einmal eine gute Schlagzeile suchte. Er wußte, daß die ganze Sache schon längst als die Berichte von ein paar Spinnern abgehakt worden war. Er fand es sogar abstoßend, die alte Geschichte wieder aufzuwärmen, und die Bevölkerung unnötig zu verunsichern, nur weil ein billiges Revolverblatt eine Titelzeile brauchte. Andererseits konnte er es sich nicht leisten, nein zu sagen und seinen Chef zu verärgern.

Es war etwa 22 Uhr, und ein leichter Wind wehte durch die Sommernacht, als Peter an der dem angebebenen Adresse angelangt war. Eine höchst ungewöhnliche Zeit, aber schließlich war das der vereinbarte Termin. Peter wunderte sich etwas, das in keinem der Häuser in der ganzen Straße das Licht brannte, auch nicht im Haus seines Gesprächspartners. Selbst die Straßenbeleuchtung schien zum Großteil ausgefallen zu sein, so daß fast nur das Licht des Mondes die Szenerie erhellte.

Peter ging über einen kurzen Gehweg zu dem Haus und läutete an. Nichts. Er wartete etwas, läutete noch zweimal an - nichts. Er konnte doch nicht unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen, unmöglich. Peter probierte, ob sich die Tür vielleicht öffnen ließe, und tatsächlich, sie war offen. "Hallo?", rief er halblaut in das dunkle Haus. Keine Antwort. Er ging hinein und schloß die Tür.

Im Haus war eine ziemlich schlimme Unordnung. "Hallo? Ist da jemand? Ähm... wir haben für heute einen Termin vereinbart, wissen Sie noch?", rief er in die Stille, doch seine Frage verhallte ungehört. Plötzlich entdeckte er zwischen all den Papierstapeln einen kleinen Zettel, auf den etwas gekritzelt war. Peter suchte nach einem Lichtschalter, um das Papier besser lesen zu können. Er entdeckte tatsächlich eine Stehlampe und wollte sie einschalten. Sie strahlte einen matten, fahlen Lichtschein aus. Auf dem Zettel stand... "Nein, das gibt es nicht!", dachte sich Peter und betrachtete nocheinmal das kleine Stück Papier. Aber es stimmte. Er war in zittriger Schrift, aber dennoch deutlich "Hil" zu lesen. Das Wort endete in der Mitte, als ob jemand in einer Panikreaktion schnell noch etwas aufschreiben wollte und dabei plötzlich unterbrochen worden wäre.

Auf einmal bemerkte Peter einen seltsamen Lichtschein, der durch das Fenster in das Haus fiel. Er lief zum Fenster, konnte aber wegen der Bäume nicht viel sehen. Peter ging wieder auf die Straße und sah - daß der Lichtschein aus einem kleinen Fenster des Fabriksgebäudes zu kommen schien.

Plötzlich schien für einen kurzen Moment die Erde zu beben. Gleichzeitig durchschnitt ein aufheulendes, schleifendes Geräusch die Stille der Nacht, als ob irdendeine große Maschine gestartet werden würde. Es kam eindeutig aus der Fabrik.

Peter hatte bei seiner Arbeit zwar schon einiges erlebt, aber das hier machte ihm nun doch ziemliche Angst. Trotzdem konnte er jetzt nicht einfach so gehen, und nach einigen kurzen Momenten war seine Neugier bereits genauso stark wie sein Angstgefühl. Er sah sich noch einmal kurz um, schloß vorsichtig die Tür hinter sich und blieb für einen Moment draußen auf der Straße stehen. Das Geräusch war jetzt etwas leiser geworden und hatte sich in eine monotone, dumpfe Tonfolge gewandelt. Obwohl sich seine Nervosität noch kaum gelegt hatte war Peter entschlossen, hier und jetzt einen möglichst genauen Blick auf das Fabriksgebäude zu werfen. Sich noch einmal in alle Richtungen umsehend begab er sich auf die andere Straßenseite, wo er bei genauer Betrachtung ein Schlupfloch im das Gelände umgebenden Zaun erkennen konnte. Überhaupt war der Zaun in keinem guten Zustand, eine Stelle vielleicht zehn Meter weiter sah so aus wie wenn man hier recht leicht hinüberklettern konnte. Es paßte jedenfalls zum allgemeinen, schon recht heruntergekommenen Eindruck. Vielleicht hatten sich vor einiger Zeit ja Kinder ausgerechnet das Gebüsch dahinter als Abenteuerspielplatz ausgesucht. Womöglich war die Öffnung hier aber auch absichtlich in den Zaun geschnitten worden, um als geheimer Hintereingang zu dienen, wer wußte das schon? Das Loch war für einen Erwachsenen jedenfalls gerade groß genug, und Peter drückte jetzt ohne lange zu überlegen den Zaun noch etwas weg und kroch dann durch die Büsche, um dann auf dem schon etwas schäbigen Asphalt des Fabriksgeländes zu stehen. Er blickte sich hektisch um und ging auf das große Tor zu, das er in einigen Metern Entfernung sehen konnte.

Während er kurz überlegte, erschrak Peter plötzlich. Der Lichtschein aus dem kleinen Fenster, den er kurz zuvor noch gesehen hatte, war nach einem kurzen Flackern plötzlich verlöscht. Auch das ständige dumpfe Geräusch änderte noch einmal seine Tonhöhe bis es Sekunden später ganz verstummte. Vielleicht hatte ihn ja schon jemand beobachtet? Plötzlich kam wieder panische Angst in Peter auf - allein machte er hier keinen Schritt weiter!

Schnell kroch er wieder durch den Zaun und ging schnellen Schrittes zur Hauptstraße von der er gekommen war. Er hatte Glück, gerade die Scheinwerfer eines nächtlichen Linienbusses zu erblicken der ihn wenig später zur Zeitungsredaktion brachte. Normalerweise war Hans, sein Vorgesetzter, der sich diese Sache eingebildet hatte, um diese Zeit nicht da, doch heute wartete er schon gespannt auf die Rückkehr von Peter

Er sagte kein Wort, als er das Büro betrat, und die beiden Männer sahen sich schweigend an. Doch sein Chef wußte, was gemeint war. Sie nahmen, die ganze Zeit kein Wort redend, den Dienstwagen und fuhren gemeinsam zur Fabrik.

Peter und der Chefredakteur standen nun gemeinsam vor dem großen Fabrikstor. Es war einige Meter hoch und doch schon recht rostig. An manchen Stellen waren noch Reste von roter Farbe zu sehen. Im fahlen Mondlicht konnte man nur grobe Umrisse sehen. Das Tor fügte sich perfekt in die abgrundtief häßliche, unverputzte Betonfassade des alten Gebäudes ein.

Sie hätten natürlich auch die Polizei holen können, aber beide wußten was diese wohl sagen würde. "Da sind schon wieder solche Spinner in der Leitung!" Sie hatten ja nicht einmal konkrete Beweise. Nein, diesem Mysterium wollten nur sie allein hier und jetzt aufklären, um der Sache hoffentlich bald ein entgültiges Ende zu setzen.

Beide blickten sich für einige Augenblicke an, doch dann faßte Peter den Entschluß, das Tor zu öffnen. Er glaubte zunächst, daß es abgesperrt sei, doch dann sah er, daß sich das große Schiebetor langsam, aber doch bewegte. Nach einem kurzen Moment des Zögerns packte auch Hans den Griff an, und nach heftigen Bemühungen konnten beide das Tor etwa einen halben Meter weit aufschieben. Das genügte. Entschlossen ging Peter seitwärts in das Innere der Fabrik, und auch sein Chef folgte ihm diesmal ohne Zögern.

Irgendwo am Ende des breiten Ganges, in dem sie jetzt standen, war ein matter Lichtschein zu erkennen. Er reichte gerade aus, um die Wände erahnen zu können.

Sie gingen vorsichtig den langen Korridor entlang, immer dem Lichtschein entgegen. Plötzlich fuhr Peter ein kalter Schauer über den Rücken. Er war auf irgendetwas getreten.

In diesem Augenblick ertönte kurz ein lautes Summen, das kurz darauf in ein halblautes Brummen überging. Auf einmal schalteten sich zahlreiche Leuchtstoffröhren, die im Gang montiert waren ein. Jetzt sah Peter auch, in was er getreten war - es war eine halb vermoderte Hand! Doch er sollte keine Zeit haben, sich darüber zu schrecken, denn Schritte waren zu hören, die immer näher kamen. "Schnell, wir müssen...", stammelten beide einige Worte zueinander. Instinktiv versuchten sie, einige der Türen in dem Gang zu öffen. Beide probierten eine nach der anderen, während die Schritte immer näher kamen. "Schnell!", rief Peter, als er eine offene Tür gefunden hatte.

Er riß die Tür weit auf, Hans folgte ihm, und beide verkrochen sich irgendwo in der dunklen Kammer, nachdem Peter mit zittriger Hand die Tür vorsichtig wieder geschlossen hatte. Gerade rechtzeitig, denn nur wenige Momente später ging irgendjemand - nein, es mußten mehrere sein - an der Tür vorbei.

Peter und der Chefredakteur brauchten eine halbe Minute, wenn nicht länger, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen, während sich die Schritte langsam entfernten und schließlich verstummten. Nur das Brummen füllte immer noch die Luft. Licht schien durch die winzige Oberlichte in den Raum. Sie sahen sich um. Die Kammer war komplett mit Regalen verstellt, an den Wänden und in der Mitte. Darauf standen seltsame Geräte. Manche waren sehr verstaubt, manche schienen erst vor kurzem benutzt worden zu sein. Daneben waren einige fein säuberlich beschriftete Gläser, gefüllt mit farbigen Flüssigkeiten. Daneben auch einige Glasröhrchen, die zwar verschlossen waren, aber leer zu sein schienen. Peter durchstöberte den Raum weiter - und stieß auf eine Klappe, vielleicht einen Meter hoch. Kurzerhand probierte er, ob sie sich öffnen ließ - was auch wirklich der Fall war. Es tat sich ein waagrechter Schacht auf, der gerade groß genug war, um durch ihn zu kriechen.

Nach ein paar Metern gelangten sie in einen anderen, größeren Raum. Als Peter aus der Öffnung hinausgekrochen kam wurde es, wohl durch einen Bewegungsmelder ausgelöst, anstelle eines matten Lichtscheins plötzlich taghell.

Es sah aus wie eine Art Versuchslabor. Als er aufgestanden war, erstarrte er plötzlich, und Hans wußte schon bald, warum.
In den Regalen standen zahllose Gläser, in denen in Flüssigkeiten eingelegte Hände, Augen, Ohren, Geschlechtsteile und sonstige menschliche Körperteile zu sehen waren. Auf der anderen Seite des Raumes waren einige Männer und Frauen in Gefrierschränken zu sehen. Peter wußte im Moment überhaupt nicht wie er diese Eindrücke verarbeiten sollte, wo waren sie da nur hineingeraten? In einigen der Schränke war kaum etwas zu erkennen, andere Gesichter kamen ihnen dafür sogar irgendwie bekannt vor. Andere sahen überhaupt seltsam aus, waren das überhaupt Menschen?

Beide wechselten nicht viele Worte, sondern mußten sich erst einmal fassen. Wer um alles in der Welt sollte das tun, und wozu? Ja, es gab genug das Peter schon gesehen hatte, aber das war nun wirklich zu viel, jetzt hatte die Polizei wohl wirklich einen Grund sich darum zu kümmern, das war keine Arbeit für einen Journalisten mehr. Auch Hans wollte nach dem ersten Schreckmoment nur noch hier raus. Doch die Abdeckung des Ganges aus dem sie gekommen waren ließ sich nicht mehr öffnen, und auch die beiden Türen waren verschlossen. Auch das Handy zeigte hier keinen verfügbaren Empfang an, um vielleicht Hilfe holen zu können.

Plötzlich änderte sich das Licht irgendwie. Ja, es wurde zu einem hellen Lichtkegel der von einem Punkt an der Decke ausging. Beide hatten plötzlich das Gefühl wie wenn sie sich nicht mehr bewegen konnten und langsam in die Höhe gehoben werden. Als auch noch ein immer lauter werdendes Summen dazukam und das Licht langsam seine Farbe änderte, verloren sie schließlich das Bewußtsein.

Peter und Hans fanden sich in einer von grellem Neonlicht erhellten Halle auf dem Boden liegend wieder. Wie lange waren sie nur bewußtlos gewesen? Am anderen Ende des Saals sahen sie - einige etwa drei Meter große, tentakelige Geschöpfe, eines neben dem anderen liegend. Instinktiv rutschten beide bei diesem Anblick ein paar Meter zurück.

Doch schon einige Sekunden später stand zumindest Peter auf und wagte ein paar vorsichtige Schritte in Richtung der Geschöpfe. Sie hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Menschen, obwohl sie unglaublich verunstaltet waren und viele seltsame Gliedmaßen hatten. Sie schienen sich nicht zu bewegen. Waren sie alle tot? Jedenfalls wußte Peter - daß sie nicht von dieser Welt sein konnten.

Inzwischen hatte sich auch der Chefredakteur aufgerafft und betrachtete mit ungläubigem Blick die Gestalten. Was waren das nur für Wesen?

Auf einmal tönte ein kurzes, lautes Knacksen durch den Raum. Eine Lautsprecheranlage schaltete sich ein.

"Herzlich willkommen in unserer bescheidenen Hütte, meine Herren. Ich hoffe, Sie konnten sich einen Überblick über unsere vielfältige Produktpalette verschaffen. Leider wissen Sie schon zuviel. Sie haben uns mit Ihrem unangemeldeten Besuch jedoch einen Gefallen erwiesen und werden die Ehre haben, an einem unserer Versuche teilzunehnen - das heißt, ihre einzelnen Organe. In wenigen Minuten wird der Raum mit einen starken Nervengift geflutet werden. Ich wünsche Ihnen noch viel Vergnügen in unserem Werk!"

Beide standen fassungslos da. Für Ärger und Empörung war aber jetzt wirklich keine Zeit, jetzt hieß es nach Fluchtmöglichkeiten suchen.

Peter stand da und blickte sich nach seiner Kamera um, die er zuvor umgehängt hatte. "Fotos! Wir müssen Fotos davon machen, sonst glaubt uns das nie niemand, wenn wir jemals hier lebend herauskommen sollten! Aber wo ist meine Kamera nur hingekommen?". "Peter! Hier geht es ums nackte Überleben, und Sie reden von Fotos! Jetzt ist wirklich nicht die richtige Zeit für Geschäftliches", erwiderte Hans und suchte unermüdlich nach Öffnungen in der Wand weiter. Plötzlich glaubte er, etwas entdeckt zu haben - war aber sichtlich enttäuscht, als er sah, daß es nur ein Wandschrank war. Ein Bildschirm, unbeschriebenes Papier, Büromaterial... Doch halt, was war das? Zwischen all der Unordnung lag eine etwas verstaubte Videocasette mit der Aufschrift "Versuch 39". Er nahm sie an sich und zeigte sie Peter. "Hier, das ist besser als die heißesten Fotos". Peter war beeindruckt.

Er stand in der Mitte des Raumes und blickte nach oben. Hans wunderte sich, was Peter da oben so interessant fand, und sah ebenfalls an die gleiche Stelle. "Das ist es! Warum haben wir das nicht gleich erkannt?", meinten beide, als sie die Verglasung an der Decke sahen. Es mußte wohl schon wieder Vormittag sein, da scheinbar helles Tageslicht durch dieses Fenster drang.

Hektisch sahen sich die beiden im Raum um. Wieder blieben ihre Blicke nach kurzer Zeit an der selben Stelle hängen. Aber das war es! Sie brauchten nur den Holzschrank dort drüben in die Raummitte zu schieben und schon... Wieder sagten beide kein Wort zueinander, wußten aber sofort, was gemeint war. Mit vereinten Kräften drückten und zogen sie den Schrank in die Raummitte.

Auf halben Weg zwischen Wand und Glasscheibe krächzte plötzlich wieder der Lautsprecher: "Werte Herren, ich möchte ihnen mitteilen, daß sie noch genau eine Minute zu Ihrer freien Verfügung haben". Dann hackte die Durchsage ab, und Hans und Peter schoben nur noch fieberhafter das schwere Möbelstück zu seinem Bestimmungsort. Es folgte noch etwa eine höchst angespannte halbe Minute, bis der Kasten unter dem Dachfenster stand. Sofort kletterte Peter vorsichtig, aber mit höchster Eile hinauf. Er versuchte, das Fenster aufzudrücken, aber es ließ sich nicht öffnen.

Mit einem Mal erwachten in Peter ungeahnte Kräfte. In einem Anfall von Angst und Wut trat er, sich zwischen Kastenoberkante und Decke klammernd, gegen die Glasscheibe, die bis auf den Rand in tausend Stücke zerbrach. Rasch stemmte er sich durch das Loch hinaus. Grelles Sonnenlicht blendete seine Augen. Er stand auf dem Dach. Doch er spürte einen höllischen Schmerz, im selben Moment, als er die lange Schnittwunde auf seinem Bein entdeckte.

Wo war nur Hans? Jede Sekunde mußte es soweit sein, und er war nicht da. Peter machte einen Blick durch das Loch in der Glasscheibe. Hans war zögernd auf den wackeligen Holzschrank geklettert, hatte eine Hand auf den dicken Rand der zerbrochenen Glasscheibe gelegt - als plötzlich das Möbelstück unter ihm wegkippte und dumpf auf den Boden aufschlug. In diesem Moment hatte er seine zweite Hand auf die Glasscheibe gelegt, die mit einem verdächtigen Knirschen reagierte. Ebenfalls in diesem Moment hatte Peter seine Hände gefaßt und versuchte unter größten Anstrengungen, ihn hochzuziehen. Schließlich gelang es ihm, ihn halb über die Kante zu ziehen, ein paar Abschürfungen blieben auch Hans nicht erspart. Mit letzen Kräften wältze er sich selbst auf das Dach. Genau, als im Raum ein lautes Zischen einsetzte. Keine Sekunde zu früh. Beide sahen, wie in Sekundenschnelle undurchdringlich scheinender Nebel aus dem Loch stieg, gleich darauf aber wieder in den Raum zurücksank.

Da war doch eine Feuerleiter am anderen Ende des Daches! Mit eiligen Schritten, eine kleine Blutspur nachziehend, hetzten sie auf sie zu. Sie führte einige Stockwerke nach unten bis fast zum Boden, in einem kleinen Gebüsch endend, nicht weit vom Zaun entfernt.

Auf halbem Weg war aus dem Inneren der Fabrik auf einmal eine Alarmsirene und unverständliche, lautsprecherverstärkte Wortfetzen zu hören. Als beide am Ende der Feuerleiter angekommen waren und mit einem kurzen Sprung den Erdboden erreichten, sahen sie, daß irgendjemand aus dem Gebäude kam - und er war bewaffnet! Peter und Hans liefen in Richtung Zaun, schlüpften durch irgendeines der zahlreichen Löcher - da fiel ein Schuß. Nein, es war kein Schuß, es war ein seltsamer heißer Strahl. Das Geräusch hörte sich zwar zunächst wie ein Schuß an, wurde aber dann zu einem unheimlichen, lauten Fauchen.

Sie hatten Glück, daß sie nur wenige Meter vom Auto entfernt waren, mit dem sie gekommen waren und es wunderte sie im ersten Moment daß es überhaupt noch da war. Hastig kramte Peter nach dem Schlüssel, den er zum Glück nicht verloren hatte. Beide stiegen ein und warfen die Türen zu. Peter startete den Motor und raste mit quietschenden Reifen davon. In diesem Moment durchschlug noch einer dieser Strahlen die hintere Scheibe. Beide erschraken, Peter konnte gerade noch einem parkenden Fahrzeug ausweichen, aber sonst war nichts passiert. Das
schien auch schon der letzte dieser Schüsse gewesen zu sein, eine seltsame Stille machte sich breit.

Alle standen mit offenem Mund in der Redaktion, als Hans und Peter bei der Tür hineinkamen. "Und?", fragte jemand vorsichtig? "Wir haben genug gesehen, und Beweise haben wir auch. Diesmal sind sie dran!", sagte Peter und stellte das Video auf einen Tisch. "Wie seht ihr zwei denn aus?", fragten ein paar andere in Anbetracht der zerschnittenen und blutigen Kleidung der beiden. "Das kann warten, ist nicht so schlimm. Wir müssen umbedingt sofort schauen, was da drauf ist!"

Wenig später wurde die Kassette im Nebenraum begutachtet. Alle blickten gespannt auf den Bildschirm. Was in den nächsten Momenten zu sehen war, ließ viele entsetzt zurückschrecken. Experimente - Menschen wie seltsame Geschöpfe lagen schreiend in einer Art Säure - halb aufgelöst, die Kamera fuhr darauf zu. Auf der anderen Seite des Raumes stand eine Maschine, die ein monotones, laut stampfendes Geräusch von sich gab. Es folgten noch weitere, noch viel schrecklichere Szenen, minutenlang. Eine andere Kameraeinstellung. Es war eindeutig einer der Räume zu sehen, in dem auch Hans und Peter waren. Und eine Datumseinblendung - vor einigen Wochen. Noch eine Szene. Die Anwesenden konnten oft vor Entsetzen und Erstaunen immer noch keine Worte fassen. Eines der Geschöpfe stand angekettet an der Wand eines dunklen, hohen Raumes. Sekundenlange Stille. Plötzlich zerfetzte ein heller Strahl das Wesen. Auf dem Boden lagen einige zuckende innere Organe, eingebettet in Schleim. Es folgte die selbe Szene nocheinmal - mit einem angeketteten Menschen. In dem Augenblick, in dem der Strahl den Mann traf und Blut zu spritzen begann, war die Aufnahme zu Ende, nur noch Flimmern.

Die Angestellten der Redaktion sahen nur fassungslos in den Raum. Wie war es nur möglich, daß so etwas unbemerkt passiert? Manche hatten sichtliche Mühe, den aufkommenden Brechreiz zurückzuhalten.

"Das gibt eine Story, die sich gewaschen hat! Peter, Sie rufen die Polizei!"

"Schon wieder diese Zeitungsfritzen. Ich dachte, wir hätten das Thema abgehakt. Hören Sie, Sie blockieren den Notruf!"

"Das ist ein Notfall! Ich war in der Fabrik und habe alles selbst gesehen. Und wir haben auch Beweise! Filmmaterial!"

"Wenn das so ist, dann kommen Sie am besten gleich damit vorbei, dann können wir darüber reden."

"Darüber reden. Darüber reden. Holen Sie lieber Verstärkung und stürmen Sie die Fabrik! Hach, ich bringe ihnen das Video, und dann glauben Sie mir!"

Peter knallte den Telefonhörer nieder und verließ nach einem kurzen "muß dringend weg" mit dem Video in der Tasche die Redaktion. "Moment!", rief Hans und folgte ihm. Das Polizeikommisariat war nicht weit entfernt, also gingen sie zu Fuß. "Und was sagen die von der Polizei?" - "Das Übliche!", unterhielten sie sich auf dem Weg dorthin.

Wenig später betraten sie das Gebäude. "Wer ist hier zuständig?"

"Nicht so schnell! Worum geht es überhaupt? Eine Anzeige? Verlustmeldung..."

"Mord und Totschlag! Es geht um die Fabrik!"

"Die Spinner schon wieder!", rief daraufhin jemand im Hintergrund. Es folgte ein kurzer Wortwechsel, dann sagte der Beamte: "Gehen Sie auf Zimmer 109, vielleicht hat die Kollegin dort gerade Zeit."

"Danke!"

Beide schritten den Gang entlang zu besagtem Zimmer, klopften
höflich an und wurden hereingebeten.

"Die Herren von der Presse. Na, was habe Sie denn diesmal vorzubringen?"

"Sehen Sie sich das hier an, dann wissen Sie es!", sagte Peter und gab der Polizistin die Videokassette, die diese zögernd nahm. Als sie diese im hinter ihr stehenden Videogerät abspielte, änderte sich ihre Meinung schlagartig.

"Die ganzen Berichte - monatelang - alles wahr...? Das... das wäre jedenfalls der erste brauchbare Beweis."

"Wir konnten gerade noch entkommen. Die... die wollten uns umbringen!", stand Peter auf und erhob die Stimme, um sich gleich darauf wieder zu setzen. Nach einigen Augenblicken faßte er sich und die Frau ging wortlos aus dem Raum.

Einige Minuten vergingen. Die beiden wollten schon aufstehen und sehen, was los ist. Doch in diesem Moment ging die Tür auf. Die Polizeibeamtin machte einen entschlossenen Gesichtseindruck und forderte die zwei zum Mitkommen auf. Sie gingen in den Innenhof, und nahmen in einem Polizeiauto Platz, das wenig später mit Blaulicht aus dem Hof fuhr, gefolgt von einer Flotte von Streifenwagen und Kleinbussen.

Nur wenige Minuten später hielt alles vor dem offiziellen Haupteingang. Die Polizistin und jemand der hier offenbar der Einsatzleiter war gingen, begleitet von einer bewaffneten Einheit, zur Sprechanlage beim Tor. "Hier ist die Polizei! Öffnen Sie sofort, oder wir müssen..."

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und eine freundliche Stimme sagte: "Oh, die Polizei? Was verschafft mir die Ehre ihrs Besuches?
Treten Sie doch ein!" Dieser Aufforderung folgte das Heer von Polizisten, allerdings mit jetzt gesenkten Waffen.

Am anderen Ende des hellen, mit Teppichboden versehenen Ganges, kam ihnen schon ein Mann entgegen. "Ich bin hier der Chef! Willkommen in meiner bescheidenen Hütte..."

"Das ist er!", brüllte Peter. "Das hat er letztens auch gesagt!"

"Nehmet ihn fest!", rief der Einsatzleiter, und ein Kommando rückte zum Firmenchef vor. Ein Polizist zückte ein Paar Handschellen und sagte: "Sie sind vorläufig festgenommen wegen Verdacht des versuchten Mordes, des..."

"Aber das ist doch alles völlig absurd!", unterbrach der Chef. "Wir sind hier nur ein Zwischenstützpunkt unserer Muttergesellschaft, weiter nichts! Wie kommen Sie überhaupt zu solchen Behauptungen?"

"Weil wir es gesehen haben!", rief Peter in den Raum.

"Was haben Sie denn bitte gesehen?"

"Alles! Die Gläser mit den Körperteilen, Leichenteile - und einige Meter große Wesen mit 10 Gliedmaßen, Ihre widerlichen Experimente..."

In diesem Moment kam gerade ein Angestellter vorbei, der zwangsläufig alles mitgehört hatte. "Haben Sie bei uns jemals solche Dinge gesehen?", fragte ihn der Chef.

"Aber Chef, ich bitte Sie...", erwiderte er mit einem Lächeln.

"Aber wir haben es gesehen. Er wollte uns umbringen, das...", brüllten Peter und Hans gleichzeitig. Da unterbrach sie der Chef.

"Machen wir doch einen kleinen Rundgang, und Sie zeigen mir, was Sie gesehen haben!"

"Momentan steht Aussage gegen Aussage. Bis jetzt ist hier nichts verdächtiges zu erkennen", meinte der Einsatzleiter.

Die Polizei, die Zeitungsleute, der Chef und der Angestellte von vorhin setzten sich in Bewegung. Sie gingen durch eine Tür, hinein in einen Gang, der zwar nicht mehr so sauber, aber keineswegs irgendwie verdächtig war.

Sie gingen um eine Ecke in einen weiteren Gang. Plötzlich durchfuhr Peter ein kalter Schauer. Das war doch genau der Gang, durch den sie beide hineingekommen waren. Oder sah er nur so aus? Nein, er mußte es sein. Der Gang endete an einer großen Metallschiebetür. Hans erkundigte sich sofort neugierig beim Chef, wohin diese Tür denn führe. Als er "ins Freie, wieso?" als Antwort bekam, war er sich sicher. Er drehte sich um und betrachtete die kleinen Türen im der Wand genauer. Nach einigem Überlegen zeige er mit dem Finger auf eine der Türen.

"Aufbrechen!", forderte er einen der Polizisten auf. Dieser blickte etwas verlegen. "Also wirklich! Die Tür ist doch sicher...", meinte der Chef, ging zu dieser Tür - und öffnete sie. Neugierig stürmeten die Zeitungsleute zur Tür. Ja, es war der Raum. Genau der Raum, in den sie vor den Schritten geflüchtet waren. Aber er war so - anders. Auf den Regalen waren nur einige verschlossene Kartons, von den Gläsern mit den Flüssigkeiten keine Spur. Sie blickten sich genauer um - auch die Klappe war scheinbar verschwunden. Peter klopfte die Mauer an der betreffenden Stelle ab - keine Spur von einem Hohlraum oder einem metallischen Klang. Es war ganz normales Mauerwerk.

"Was ist in den Kartons?", fragte Peter den Firmenchef. "Toaster, Kaffeemaschinen, Rasierer, Haartrockner, alle möglichen Elektrogeräte. Alles Kundenreklamationen, die noch überprüft werden müssen", antwortete der Chef gelassen. Er gab auch gleich seinem Angestellten, der am Eingang des Raums stand, ein Zeichen und flüstere ihm dann etwas zu. Daraufhin öffnete er einige der Kartons, forderte die Zeitungsleute und die Polizei auf, einen Blick hineinzuwerfen - und tatsächlich, es waren wirklich nur ganz normale Haushaltsgeräte.

"Sie spielen ein Spiel mit uns! Wo haben Sie das ganze Zeug versteckt?", ging Peter auf den Chef los.

"Ich habe lange genug ihre Fragen beantwortet. Wenn Sie nicht bald irgendwelche Beweise für Ihre Unterstellungen vorbringen können, muß ich Sie leider bitten, dieses Grundstück zu verlassen!", antworte der Firmenchef mit etwas erhobener Stimme.

"Na schön! Dann gehen wir noch auf's Dach! Dort werden Sie das zerbrochene Glas sehen, an dem ich mir mein Bein...", sprach Hans und zeigte dabei auf sein Bein - an dem aber, auch bei näherer Betrachtung, nichts besonderer zu sehen war. Auch Peter bemerkte dasselbe Phänomen bei sich.

"Gut! Ich weiß zwar nicht, was hier genau gespielt wird, aber dieses Videoband wird Sie für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter bringen", sagte Peter mit erhobener Stimme und zog das Video aus seiner Tasche. Der Chef machte schon einen etwas genervten Eindruck, schlug aber bereitwillig vor, das Video doch in seinem Büro anzusehen.

Wieder dort angekommen, öffnete der Angestellte von vorhin einen Wandschrank, in dem sich ein Bildschirm und ein Videogerät verbargen. Peter gab dem Angestellten die Kassette, und alle starrten gespannt auf den Bildschirm. Einige Sekunden Flimmern, doch dann - irgendein Musikvideo. Der Chef gab seinem Angestellten ein Zeichen, dieser stoppte daraufhin das Band.

"Meine Herren, ich habe lange genug Zeit für Ihre Hirngespinste gehabt. Verlassen Sie jetzt bitte sofort dieses Grundstück!"

"Aber wir können es bezeugen! Das war da nicht drauf!" Auch die Polizeibeamtin, die das Band gesehen hatte, konnte sich da nur anschließen.

Ein Gemurmel ging durch die anwesenden Polizisten. "Es ist zwar höchst rätselhaft, was mit der Videoaufzeichnung passiert ist, aber wir haben leider momentan keinerlei Beweise! Nur wieder ein weiterer Akt. Gehen wir!", meinte der Einsatzleiter der Polizei. Die Beamtin bat um die Kassette und meinte, daß diese noch genau überprüft werden würde, worauf sie ihr der Chef lächelnd in die Hand drückte.

"Wir haben die ganze Redaktion als Zeugen! Wir bringen Sie vor Gericht!", rief Peter dem Chef nach, als er nur langsam hinter den Polizisten her in Richtung Ausgang ging.

Inzwischen war es schon Abend geworden. Die Polizei war so freundlich, die beiden Zeitungsleute bei ihren Wohnungen abzusetzen.

Irgendwie geriet die Sache in den nächsten Tagen und Wochen wieder langsam in Vergesssenheit. Jene Polizeibeamtin die das vermeintliche Beweisvideo gesehen hatte spulte es noch mehrere Male durch und ließ es auch von den technischen Fachleuten übereprüfen, aber das Ergebnis war immer gleich - eine kurze aus dem Fernsehen aufgenommene Szene, dann nur noch Bildrauschen. Man entschloß sich seitens der Polizei dann auch noch ein paar Leute in Zivil zu verschiedenen Zeiten ganz unauffällig um das Gelände gehen zu lassen und stellte noch ein paar Ermittlungen an, doch auch das brachte kein verwertbares Ergebnis. Auch Peter verdrängte das ganze immer mehr. Jetzt erschienen ihm die ganzen schrecklichen Szenen auf einmal so unwirklich, vielleicht war es ja doch nur Einbildung oder er und die wenigen die es gesehen hatten wurden irgendwie manipuliert.

Es war am späten Nachmittag, als bei Peter das Telefon läutete.

"Claudia Brandt, Sie wissen schon, von der Polizei. Tja also ich habe mir gedacht daß wir uns heute vielleicht zum Abendessen treffen und alles noch einmal besprechen könnten."

"Ist das dienstlich oder privat?" Peter überlegte ein paar Momente, ob er jetzt vielleicht keine so gute Antwort war.

"Nun ja, ihr Kollege Hans hat jedenfalls schon zugesagt. Also dann, heute um 8 beim Vorstadt-Wirt, haben Sie Zeit?"

Peter bejahte kurz entschlossen, immerhin hatte er sonst nichts besseres vor und es würde ja vielleicht ein netter Abend werden.

Gegen 20 Uhr betrat Peter die Treppe, die zur Freiluft-Terrasse des Lokals führte. Er war vor längerem schon einmal hier gewesen und er sollte Recht behalten - man konnte von hier aus genau zum Fabriksgebäude hinübersehen, das vielleicht einen halben Kilometer Luftlinie entfernt war. Er blickte sich kurz um und sah auch schon Hans zusammen mit Claudia an einem Tisch sitzen. Er begrüßte beide, schüttelte ihnen die Hand und nahm Platz. Nachdem jemand ihre Getränkebestellung aufgenommen hatte, kamen sie nach leicht verkrampftem Anschweigen langsam ins Gespräch.

"Ich weiß ja nicht wie Sie drüber denken, aber wir müssen wohl die Möglichkeit in Betracht ziehen... nun ja...", sagte Claudia.

"Wie, nun ja?", unterbrach sie Peter.

"...daß sich das ganze nicht mit herkömmlichen Methoden aufklären läßt oder..."

"...die ganze Fabrik nicht von dieser Welt ist?", ergänzte er dann ganz gelassen.

Wieder schwiegen sich alle an.

"Das haben Sie aber jetzt gesagt! Jedenfalls, es könnte..."

Ein mächtiges, dumpfes Grollen unterbrach Claudia mitten im Satz. Was war das nur, etwa ein Erdbeben? Die drei sahen instinktiv zum Fabriksgebäude hinüber.

Die aus den Fenstern dringende Beleuchtung schien zu flackern und ja, es sah so aus wie wenn das ganze Gebäude in Bewegung war, wie wenn es sich aus dem Untergrund losrütteln wollte. Sekunden später ging von der Fabrik aus ein heller Strahl in den Himmel, der die in der Abenddämmerung daliegende Umgebung etwas erhellte. Plötzlich löste sich das Gebäude fein säuberlich vom Boden, um sich dann Meter für Meter zur erheben und schließlich immer schneller in Richtung Himmel hinter den Wolken zu verschwinden.

"Entschuldigung, haben sie das jetzt auch gesehen?", fragte Peter jemand am Nebentisch, es war das erste das ihm einfiel.

"Was gesehen?"

"Na dort drüben..."

"Ja, was soll dort sein?"

"Ist schon gut, vergessen Sie's."

Peter sah sich um. Auch alle anderen hier machten nicht gerade einen erstaunten Eindruck. Er drehte sich wieder zu den anderen hinüber, die sehr wohl noch erstaunt dort hin sahen, wo das Fabriksgebäude einmal stand.

"Gut, also wir könnten eine Story veröffentlichen daß sich eine womöglich außerirdische Macht im alten Fabriksgebäude eingenistet, dort geheime Waffentests und dergleichen durchgeführt und alles womöglich mit holografischen Projektionen oder was auch immer für Außenstehende getarnt hat - oder wir lassen es."

"Ich denke... schreiben Sie doch ihren Artikel und ich werde ihn veröffentlichen... aber es wird letztlich wahrscheinlich keinen Unterschied machen was Sie da genau schreiben", sagte Hans ruhig und gelassen.

Claudia wirkte momentan etwas verwirrt, doch Peter wußte, was er wohl gemeint hatte. Am nächsten Tag schrieb er seinen Artikel. Er wurde noch in der Abendausgabe veröffentlicht, und am Nachhauseweg kaufte er noch eine Zeitung.

"Extrablatt! Explosion in der alten Fabrik! - Aus noch ungeklärter Ursache ereignete sich letzte Nacht in der am Stadtrand gelegenen Fabrik eine verheerende Gasexplosion. Das Gebäude wurde völlig zerstört, über mögliche Tote und Verletzte liegen bis jetzt keine Angaben vor. Lesen Sie mehr dazu auf den Seiten 10 und 11."

ENDE

 

Hallo madmaxx,

ich fand Deine Geschichte insgesamt nicht schlecht, aber wirklich gefesselt hat sie mich nicht. Ich denke, dass Du mit einer Überarbeitung noch einiges draus machen könntest.

Den Schluss fand ich nicht so gelungen. Wenn ein komplettes Fabrikgebäude "in die Lüfte entschwebt", müssten das doch mehr Leute mitbekommen haben, oder? Ich stell mir das als ziemliches Spektakel vor. Vielleicht kannst Du da noch ein bisschen was ändern.

Vom Entfliehen aus der Fabrik zur Ankunft in der Redaktion war für mich ein relativer harter Bruch. Vielleicht könnte hier ein neues Kapitel beginnen.

Über einige kleine Flüchtigkeitsfehlerchen bzw. Formulierungen bin ich beim Lesen gestolpert. Ich führ einfach mal ein paar auf, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Vielleicht sind Dir einige Anregungen dazu eine kleine Hilfe.

"Fabriksgebäude" >> Fabrikgebäude (evtl. ist "Fabriksgebäude" bei Euch in Österreich aber üblich)

"Er war Journalist, und sein Chef hatte sich diese ganze Sache hier eingebildet..." >> "diese ganze Sache" ist für mich etwas schwammig

"Peter ging wieder auf die Straße und sah - daß der Lichtschein..." >> anstelle des "-" würde ich ein Komma setzen. Du benutzt den Bindestrich relativ oft als "Gedankenpause", für mich passt's aber nicht immer.

"...ohne lange zu überlegen den Zaun noch etwas weg und kroch dann durch die Büsche, um dann auf dem..." >> Wortwiederholung

"...daß sich das große Schiebetor langsam, aber doch bewegte." >> "aber doch" würde ich weglassen, "langsam" reicht.

"Doch er sollte keine Zeit haben, sich darüber zu schrecken, denn..." >> "zu erschrecken" oder evtl. umformulieren

" 'Schnell, wir müssen...', stammelten beide einige Worte zueinander." >> Formulierung gefällt mir nicht so gut. Vielleicht einfach nur: "Beide redeten durcheinander." oder so ähnlich. Die beiden sagen öfters etwas gleichzeitig, was in der Häufigkeit doch etwas unrealistisch ist.

"Licht schien durch die winzige Oberlichte in den Raum." >> "...die winzigen Oberlichter..."

"Peter wußte im Moment überhaupt nicht, wie er diese Eindrücke verarbeiten sollte, wo waren sie da nur hingeraten?" >> "...sollte. Wo waren sie da..." fände ich besser.

"tantakelige Gechöpfe, eines neben dem anderen liegend." >> "liegend" gefällt mir, wie auch z.B. "die anwesenden Polizisten" stilistisch nicht so gut.

"...Fotos davon machen, sonst glaubt uns das nie niemand..." >> einmal "nie" streichen

"...erwiderte Hans und suchte unermüdlich nach Öffnungen in der Wand weiter." >> "weiter" würde ich vorziehen: "und suchte unermüdlich weiter nach Öffnungen..."

" 'Hier, das ist besser als die heißesten Fotos'. Peter war beeindruckt." >> "...heißesten Fotos.' Peter war..." In solchen Fällen steht der Punkt vor den Anführungszeichen.

"...als Hans und Peter bei der Tür hineinkamen." >> Dialekt, oder?

Ein paarmal fehlt auch noch ein Komma, z.B. vor "daß". Wenn Du den Text nochmal liest, fällt Dir das bestimmt selbst auf.

Wie gesagt, das sollten nur ein paar Tipps/Anregungen sein. Viel Spaß beim Überarbeiten.

Gruß

Christian

 

Hallo chriss,

danke für deine Kritik, die paar unnötigen Fehler die ich noch übersehen habe werde ich dann irgendwann editieren.

Ursprünglich hatte die Geschichte auch Kapitel die dadurch entstanden sind daß es als eine Geschichte zum Weiterschreiben gedacht war, Kettenroman oder wie immer man das nennt. Das ist jetzt schon ziemlich lange her, damals wars nur mäßig erfolgreich weil ich dann eigentlich nur abwechselnd mit jemand anderem geschrieben habe und es sich schließlich ganz verlaufen habe. Unlängst habe ich mich dann aufgerafft von den 2 Teilen die nicht von mir waren meine eigene Version zu schreibe und das ganze zu überarbeiten.

Das Ende habe ich schon länger so im Kopf gehabt, daß es nur wenige wahrnehmen konnten liegt am gleichen Grund wegen dem auch die Polizei bei der Durchsuchung nichts verdächtiges finden konnte ;-) Ich hatte dafür auch noch eine "ein paar Studenten feiern eine Freiluft-Party und sehen es"-Szene im Kopf, die ist mir aber dann unnötig erschienen. Wäre vielleicht auch vorstellbar daß auf dem Video dann doch etwas drauf gewesen wäre.

 

Hallo madmaxx,

der Grund dafür, dass die Polizei nichts findet UND fast niemand die davonfliegende Fabrik sieht, liegt wohl an der Verschleierung durch die "außerirdische Macht". Aber wieso sehen (und hören) es dann EINIGE Leute ("Auserwählte"?), also die Reporter und die eine Polizistin? Das war mir nicht klar.

Gruß

Christian

 

Hi madmaxx!
Auch Dir erstmal ein herzliches (Wieder-)Willkommen auf kg.de!

Deine Geschichte gefiel mir ehrlich gesagt nicht besonders gut. Der Plot ist ziemlich obskur, oft wurde der Lesefluss durch sehr holprige Formulierungen gestört.

Zum Einen fiel mir auf, dass Du Deine Sätze oft nach dem Schema "Sie machten jenes nicht, da/denn/sondern/weil..." aufbaust.

Beide wechselten nicht viele Worte, sondern mußten sich erst einmal fassen.
Doch er sollte keine Zeit haben, sich darüber zu schrecken, denn Schritte waren zu hören
Diese oft wiederkehrende Wiederholung der Formulierung wirkte auf mich auf die Dauer ermüdend und spannungstötend.

Auch passiert bei Dir ziemlich viel "plötzlich" und "auf einmal". Auch hier hätte ich mir eine abwechslungsreichere Gestaltung der Handlung gewünscht.

Auf weitere Holperstellen möchte ich erstmal nicht weiter eingehen, da der Plot und die Figuren selbst für mich erstmal wichtiger ist. Sprachliche Feinheiten sind zwar auch wichtig, aber sind im Moment nebensächlich.

Umso bedeutsamer sind erstmal Deine beiden Hauptdarsteller: Peter und Hans. Die Zwei wirken auf mich ziemlich unrealistisch, angefangen bei ihrem Verhalten bis hin zu den Dialogen. Mal ganz ehrlich: Würdest Du Dich in solch einer Situation auf so eine Art und Weise verhalten?
Teilweise hast Du wirklich gute Ansätze drin ihre Gedanken und Gefühle näher zu beschreiben. Aber das müsste unbedingt weiter ausgebaut werden, denn nur so kannst Du den Leser wirklich gruseln oder schockieren. Und nur wenn die Protagonisten von Panik zerfressen sind und Du uns das spüren lässt, kann die Geschichte funktionieren.

Auch der Plot ist ziemlich unausgegoren. Allein die Idee ist schon wirklich sehr sonderbar, aber nicht gleichzeitig schlecht. Aber gerade bei so einer Grundlage ist es wichtig, dass die Umsetzung ernstaft und gewissenhaft passiert, denn sonst wirkt die Geschichte schnell so wie auf mich - einfach sehr, sehr merkwürdig und komplett unglaubwürdig.

Teilweise kam es mir so vor, als ob Du einfach schreibst, zwar mit dem Ende in Sicht und darauf hinarbeitend, aber ohne auf die einzelnen Szenen besonders zu achten.
Ein Tip von mir: Nehm Dir jeden Absatz noch einmal vor. Überleg worum es dort gehen soll, was Du uns in den einzelnen Passagen erzählen möchtest. Was sollen uns die Dialoge der Personen mittteilen, was ist in der Handlung wichtig?
Versuch diese Punkte erstmal prägnanter rüberzubringen, ohne viel HickHack in Nebensätzen.
Dann überleg wo Du Spannung reinbringen kannst und wodurch. Meinst Du wirklich der Leser ist von einem zerplatzenden Tentakelmonster geschockt, wenn es so klang- und sanglos auftaucht und wieder verschwindet? Und auch die mit Gliedmaßen gefüllten Gläser schockieren nicht wirklich, wenn die Peter und Hans sich davon auch nicht großartig beeindrucken lassen.
Mit dem summenden Licht hast Du schon ein paar gute Pnkte reingebracht, finde mehr davon und variiere, also bau nicht nur allein auf das Licht auf.

Les Dir doch einmal Geschichten durch, die Dir persönlich gut gefallen. Warum magst Du sie? Warum kommt es Dir so vor, als ob die Figuren Bekannte von Dir wären und wieso gruselt es Dich?
Achte einfach mal darauf und ziehe Vergleiche zu Deiner Geschichte. Wo kannst Du solche Elemte, die Dir gefallen, einbauen?

Meiner Meinung nach musst Du Dich wirklich noch einmal an die Geschichte setzen. Wäre doch schade um die Zeit und um Dein Potential, wenn Du nicht Alles voll ausnutzt.

Ugh

 

Ja, auch dir danke für die ehrliche und aussagekräfte Kritik. Das Hauptproblem ist vielleicht daß ich schon vor ziemlich langer Zeit vorhandene einzelne Kapitel als Ausgangsmaterial hatte und dann die Lücken erst jetzt geschlossen habe. Somit mischen sich dann jetzt vielleicht besser gelungene Formulierungen mit nicht ganz so guten älteren.

Ich interessiere mich zwar wirklich für Horror, aber es gab leider schon immer ein paar Anzeichen daß ich den vielleicht nicht ganz so gut schreiben kann. Gut, wirklich alles übearbeiten und nicht nur einige Stellen die mir momentan nicht so gut gefallen haben wäre sicher eine gute Idee wenn ich momentan in nächster Zeit motiviert bin. Und ich bin sicher nicht beleidigt und sage ihr seht mich nie wieder so wie manche vielleicht ;-)

 

Hehe, gut, dass Du etwas mit meiner Kritik anfangen kannst und nicht abhauen willst. :)

es gab leider schon immer ein paar Anzeichen daß ich den vielleicht nicht ganz so gut schreiben kann.
Keiner wird als Bestseller-Autor geboren, das Geheimnis ist wie bei vielem Anderen auch: Üben, üben, üben. Und dazu gehört nicht nur das Schreiben von neuen Storys, sondern auch das Überarbeiten von alten. ;)

Ugh

 

Ja, aber z.B. nicht ganz so todernstes oder Sachtexte (hier wohl kaum) könnten mir eben vielleicht doch mehr liegen... gut wir werden sehen ;-)

 

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