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Ich weiß, dass das keine klassische Fabel ist, weil die Tiere darin nicht sprechen und die typischen Eigenschaften tragen. Das löst sich durchaus noch auf.
Die Fabel vom weissen Ysegrin
Die Kälte der hinabgefallenen Schneeflocke auf meiner Nasenspitze, längst im Schmelzen begriffen, lässt mich aus einem dumpfen Albtraum erwachen, mit dem Augenschlag längst vertrieben.
Noch benommen vom Schlaf erfassen meine Sinne die Kälte, die meine liegende Körperseite bis zur Wange berührt. Zunächst wie von Sinnen, kann ich nur ein blendendes Weiß erkennen. Mein Blick wandert umher. Eine Landschaft im Dämmerschlaf; von einer Schneedecke verhüllt. Ich setze mich auf; noch leicht verloren schaue ich an mir herab. Nicht mehr als eine schmucklose Kutte in aschgrauen Leinen an mir; ein Leichentuch hält die berstende Kälte wundersam von mir. An meinen Füßen Gamaschen aus den selben Laken gehalten von Birkenholz. Widme mich der Umgebung; um mich herum weisse Massen, unberührt und fern. Meereisblumen blitzen hier und dort auf; gesäumt von Grashalmen und Wurzeln von Reif gesprenkelt.
Es bleibt mir nichts als mich in Gang zu setzen; hoffend dass es mir Wärme gibt und es einen Ausweg gibt, ohne zu wissen warum ich hier erwacht bin. Bäume deren Kronen von Schnee erstickt, Äste vom Eis gefroren und Stämme geziert von Eiskristallen. Jeder Schritt mühsam, versinken meine Füße im tiefen Schnee. Eine Stille umgibt diesen Wald und war nur unterbrochen vom Brechen der Äste, die der Last des Schnees nachgaben.
Das Wandern kam mir vor wie Stunden, ohne weit gekommen zu sein. Schon längst taub vom Frost, verloren in einem Dickicht aus Tannen, durchbricht ein Krächzen die Stille wie Kanonenkugeln. Schaue hinauf in den grauen Himmel und erkenne drei schwarze Gestalten die auf mich hinab wirbeln. Drei Kolkraben; schwarz wie der Tod hassen in wilden Flügelschlägen auf mich. Die Luft erfüllt von ihrem heiseren Laut; versuche ich aus dem Tannicht zu brechen und ihnen zu entkommen. Finde mich wieder auf einer Lichtung eingetaucht im weissen Rausch. Die Rabenvögel folgen mir aus den Wolken, klirren durch die Luft auf mich herab. Ihr dunkles Gewand ein Bruch in dieser Welt, wie Schmutz, als sich ihre losen Federn im Schnee verlieren. Unter lautem Geschrei im Sturzflug auf mich, versuche ich ihren Angriff mit meinen Händen abzuwehren. Schnabel durchbohren meine Hand; verdrängen die betäubende Kälte; Klauen kerben Wunden in mich. Dröhnender Schmerz überdeckt jedes frostige Gefühl in mir; die Ruhe längst verflogen im Gefecht. Jäh gehe ich zu Boden im kalten Schnee, ohrenbetäubend ihre Rufe; sinken sie weiter auf mich hinunter und reissen Wunde um Wunde in meine Haut. Das Weisse gestört vom scharlachroten Blut; geschändet in rot und schwarz.
Erst ein tiefes Beben in der Erde durchbricht die Qual; der Angriff lässt nach. Die Augen verschlossen, nehme ich dumpfe Erschütterungen wahr und mit einem Mal schwindet des Krächzen. Augen verschwommen von Tränen, die auf meinen Wangen Eiskristalle hinterlassen, kann ich nur erkennen, dass die Raben verschwunden sind. Im zweiten Augenschlag erkenne ich es; erkenne ich dich. Bist du es, der sie vertrieben hatte. Von promethischer Gestalt bist du; immens in deiner Größe. Weisses Fell, wie schneeverhüllt; alabasterweiß bist du eins mit der Umgebung. Eine Schnauze wie ein Baumstumpf; unterbrochen von einer pechschwarzen Nase; dein Fang fest verschlossen von einem schwarzen Strich. Auffallend deine Augen; saphirblauer Ozean zwischen schwarzen Lid. Blau aufleuchtend beschwörend dein Blick, der schwer auf mir liegt und tief in mich eindringt. Wahre Stummheit du bist, umhüllt von Grabesstille. Deine Antlitz erdrückt mich; erstarre wie eine Eissäule. Nie zuvor habe ich etwas anmutiges wie dich gesehen, weisser Ysegrin. Die Ewigkeit in diesem Moment zwischen uns.
Mit einem Augenschlag wendet sich dein Blick von mir ab und reisst mich aus der Endlosigkeit. Keinen Laut gibst du von dir; doch die Atmosphäre erfüllt von deinen Bewegungen. Dein Schnauben in der Luft hinterlässt Nebelschwaden. Dein gewaltiger Körper schreitet in Richtung schneeverhangener Bäume. Nirgends hinterlässt du Pfotenspuren. Vielmehr konnte ich auf deinem Weg ein Schmelzen erkennen; wie sich Tau an Pflanzen und Gestrüpp bildet; Tropfen herabrinnen wie Perlensträhnen. Eine Spur diamantne Tränen folgt mit deinem Schnüren. Weit weg dein dumpfes Traben für mich zu hören; jedes Stapfen wie Hufen einer Herde.
Ich bin am Ende meiner Kräfte; tief erschöpft, durchzogen von Wunden und Herzrasen von unserer Begegnung. Inmitten der weissen Hölle verfalle ich in einen toten Schlaf.
Erwache auf meinem Wundbett, meine Verletzungen längst geronnen, bleibt nur pochender Schmerz. Der Schnee eingetaucht in silber-grau, die Nacht ist eingekehrt. Schaue hinauf und erkenne nur ein klares mondloses Firmament frei von Sternen. Mein Blick wandert in den entfernten Hain; erkenne ein schwach pulsierendes blaues Leuchten. Ist es das Leuchten deiner Augen, weisser Ysegrin?
Ich setze mich in Bewegung; verdränge Schmerz und Frost. Die Luft schneidet eiskalt auf meiner Haut, Duftbruch. Es sind wenige, mühsame Schritte die ich gehe, ehe ich die ersten Bäume erreiche. In der Dunkelheit erscheinen sie fremd und bedrohlich; blattlose Kronen wie Gerippe. Einzig das Aufleuchten hüllt alles in einen blauen Samt, der mir Wärme spendet. Beschleunige meinen Schritt, bin verführt von einem mysteriösen Duft.
Kurz darauf erreiche ich den Ursprung des Lichts und des Buketts, verborgen zwischen Dickicht liegt sie da; und ich ergriffen von ihrer Schönheit. Makellos ihre Blütenstände; königsblaue Kronblätter Quell der Erhellung. Kniend auf dem Schneefern funkeln Kristalle im sanften Blauton in tausend Facetten, schwelgend diesem Moment. Unwiderstehlicher Geruch verströmt der Blütenkolben; will ich dieser Blume näher sein.
Ein Stürmen ist durch den Wald zu hören; Erschütterungen lassen den Schnee ringsum von den Kronen niederfallen. Bin wirr und kann nicht von der Blume lassen, ihr Leuchten blendet mich. Dein Erscheinen wie ein Donnerschlag; weckt mich aus dem Traum, mit deiner Gestalt stützt du dich über die blaue Blume; als wärst du ihr Wächter. Deine blauen Pupillen verziehen sich zwischen schwarzen Schlitzen; dein Maul überzogen von tausend Rissen. Dein Leib schüttelt sich, dröhnend in der Luft und lässt ein Schneegestöber einsetzen. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass dein hellelfenbeines Erscheinen nur ein Schneekleid war; darunter offenbart sich schwarzes Fell, finsterer als das der Rabenvögel; von saphirschwarzen Schimmern. Deine Nüstern dehnen sich; lassen Dampf aufsteigen, erinnern an Geysire. Reißzähne wie Eiszapfen entbrennen in deinem Fang, ein markterschütterndes Knurren grollt durch diese wunschlose Dunkelheit. Mit einem Mal stürzt dein riesiger Schlund auf mich herab. Längst am Boden liegend; halte ich meine Hände vor mich. Ein reissender Schmerz fährt in meine Glieder. Meine Sinne längst schwindend, spüre die linke und die rechte Hand nicht mehr. Ein rotes Boket lässt alles nur noch unscharf erscheinen.
Die Wärme des herabströmenden Blutes auf meiner Nasenspitze, längst im Frieren begriffen, lässt mich in einen leeren Schlaf fallen, mit dem Augenschlag längst vertrieben.