Was ist neu

Die ewige Halle

Mitglied
Beitritt
12.06.2013
Beiträge
77
Zuletzt bearbeitet:

Die ewige Halle

"Seht nach oben!" rief Kuru-Uk, und alle sahen nach oben.
Muuk kannte das Ritual nur zu gut, hatte er es doch in seinen vierzehn Jahren so oft erlebt. Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal war er einer der Wächter, endlich alt genug für diese ehrenvolle Aufgabe. Dieses Mal würde er mit seinen Clanbrüdern in den Kampf ziehen.
"Vor langen Jahren kamen die Götter von den Sternen auf unsere Welt. Sie erfreuten sich sehr an der Schönheit und beschlossen, der Welt Gedanken zu geben. Also ergriffen sie einen Gnal." Damit deutete Kuru-Uk auf das Tier, das über dem Feuer röstete und dessen Fleisch schon zum Teil von den Knochen gezogen war. "Sie ließen den Gnal erkennen, ließen ihn aufrecht stehen. Sie gaben ihm Werkzeug, gaben ihm Kleidung und gaben ihm Sprache", seine Stimme senkte sich, "Und sie gaben ihm Feuer."
Muuk war vollkommen ergriffen von diesem Ritual. In der Vergangenheit empfand er es eher als lästig, aber nun, als Teil der Wächter, begriff er die Erhabenheit der Geschichte seines Volkes. Das Gewesene wurde lebendig und er erkannte, wie eng sie mit der Welt der Götter verbunden waren. "Sie schufen die Orks, uns!"
Früher war er unreif, da kicherte er an der Stelle leise. Er wusste doch, wie kleine Orks entstanden und da waren keine Götter beteiligt. Aber nun, als Erwachsener, begriff er die wahre Bedeutung. Und er begriff auch, warum er hatte warten müssen, bis er vierzehn war. Er musste die Geschichte seines Volkes verstehen, um nach seinem Tod vor die Ahnen treten zu können.
"Die Götter schufen uns für eine große Aufgabe. Die ewige Halle muss gegen jeden Feind, um jeden Preis, verteidigt werden. Blut wird fließen, Tränen vergossen, doch die Tore der Halle bleiben verschlossen."
Das Mantra breitete sich unter den Anwesenden aus.
Die ewige Halle, lange schon hatte Muuk sich gefragt, was das wäre. Die Dorfälteste erklärte ihm, in dieser Halle würden die tapfersten Krieger für alle Zeiten geehrt. Sie wäre tief im Landesinneren gelegen, hinter vielen unüberwindbaren Hindernissen, bewacht von den tapfersten Orks, Trollen, Gedankenmeistern, Schleichspinnen und vielem anderen.
"Viele Jahre des Friedens wurden uns geschenkt. Dann tauchten zum ersten Mal die Schnitter aus den Tiefen unserer Alpträume auf. Sie brachten uns den Tod. Sie säten viel Kummer und Verzweiflung. Doch wir waren stark, und stark sind wir noch immer!", der Anführer sprach immer lauter, fing fast an, zu schreien. Die Aufregung erfasste alle Zuhörer. "Wir werden bestehen und wir werden siegen!" Da brüllten alle Wächter gleichzeitig, dass Muuk zusammenschrak: "ORK! ORK! ORK!"

So war es also, wenn man in den Krieg zog.
Zwei Tage zuvor waren die Lichter der Schnitter wieder gesehen worden, wie sie ihre Bahnen über den Himmel zogen. Das bedeutete, dass alle Völker Ihre Wächter aussandten, um die Eindringlinge zu finden und sie aufzuhalten.
So war Muuk an diesem Morgen zum ersten Mal mit seinen Clanbrüdern, allesamt erfahrene Krieger mit vernarbten Gesichtern und Körpern, in den Krieg gezogen. Der mächtige Kuru-Uk, der angeblich schon über 35 Jahre alt war, führte sie an. Auch sein Gesicht war vom Kampf zerfurcht, eine große Narbe ging vom blinden rechten Auge hinunter zum Hals. Eine andere begann hinter dem linken Ohr und verschwand unter der Rüstung. Muuk war sich sicher, dass dieser alte, ehrenvolle Wächter in die ewige Halle einziehen würde.

Der dürre Brudu hatte schon den ganzen Tag nervös zum Himmel geblickt und krächzte plötzlich aufgeregt: "Seht, das Zeichen!"
Alle fanden den geraden Streifen knapp über dem Horizont, in dessen Richtung Brudu gestikulierte. Darauf hatten sie gewartet. Auf diesem Streifen ritten die Schnitter zum Boden und Kuru-Uk war gut darin, ihr Ziel einzuschätzen.
"Nehmt Eure Panzer! Nehmt Eure Waffen! Wir ziehen zum blauen Hügel!"
Damit war das Ziel bestimmt. Jeder Ork zog sich noch ein kräftiges Stück Fleisch vom massigen Gnalkörper, dann löschten sie das Feuer und marschierten los.

***

"Regel Nummer eins: Bleibt immer dicht beieinander!" So begann Captain Harper seine Ansprache während des Landeanflugs vor jeder Abenteurergruppe.
"Wenn ihr zu stark verletzt werdet oder nicht mehr könnt oder wollt, dann könnt ihr auf den Abbruch-Knopf schlagen. Damit aktiviert ihr das undurchdringliche Stasis-Feld, das erst auf dem Basisschiff wieder abgeschaltet wird. Das kostet euch 100 Punkte. Solltet ihr sterben, aktiviert sich das Stasis-Feld automatisch. Dann werdet Ihr im Basisschiff wiederbelebt. Am Besten vermeidet Ihr es, zu sterben, denn es ist wirklich übel, glaubt mir. Und", er grinste, "es kostet 200 Punkte."

Jenny war an ihren Platz geschnallt und ertrug den unsanften Abstieg so gelassen sie nur konnte. Dies war für die drei das erste Mal, dass sie an einem dieser Abenteuer teilnahmen. Nur für Captain Harper, genannt Cap, war es Routine. Sie hatten eine erhebliche Summe bezahlt, um dabei sein zu können. Im Fall von Jenny hatten ihre Eltern diesen Trip finanziert und ihr zum 23sten Geburtstag geschenkt. Angeblich kamen die Teilnehmer nach den zwei Monaten erwachsener wieder.
Damit es nicht hieß, sie erkaufe sich Vorteile, entschied sie sich für die Standard-Ausführung des Kampfanzugs. Sie hatte sich sogar ihre langen Haare abschneiden lassen, damit sie unter den Standardhelm passten. Sie wollte ihre Eltern nicht enttäuschen und diese ganze Sache so gut wie möglich hinter sich bringen.
Nach der Trainingsphase während des einwöchigen Hyperflugs zum Ork-Planeten gefiel es ihr eigentlich ganz gut im klimatisierten Kampfanzug: Das Einzige, was sie von ihren drei Trupp-Kameraden unterschied, war die 4 auf ihrem Brustpanzer. Hier war sie endlich nicht mehr nur die Tochter ihrer Eltern. Sie konnte selbst etwas für ihre Anerkennung leisten. Manchmal hoffte sie sogar, die Halle der Ewigen zu erreichen. Das hatten noch nicht viele geschafft, Anfänger noch nie. Vielleicht war sie die erste.
Sie hatte die Vorbereitungen sehr ernst genommen und empfand das Display des Anzugs mittlerweile als übersichtlich. Nur verstand sie nicht ganz, warum bei all der zur Verfügung stehenden Technologie dieser Abstieg so ruppig verlaufen musste. Vermutlich diente das Wackeln und Rumpeln der Dramatik.
Harper fuhr fort: "Das Basisschiff meldet, dass unser Kondensstreifen bemerkt worden ist und eine Gruppe Verteidiger sich auf dem Weg zu unserer Landestelle befindet."
Jenny schaute sich um. Der Anzug zeigte ihr die Außenbilder des Shuttles, ihr Körper und die direkte Umgebung waren schemenhaft eingeblendet, damit sie die Orientierung behielt. Sie sah den Wegpunkt über einer markanten, bläulichen Anhöhe schweben, dazu ein paar Informationen zur Umgebung und die Flugroute des Shuttles. Der Hügel war scheinbar die größte Erhebung dieser Gegend. Die Position der Verteidiger sah sie nicht, das hätte die Spannung verdorben.

Als sie nach der Landung ausgestiegen waren, ließen alle die Gesichtsplatte des Panzeranzugs nach oben einziehen, damit sie diese fremde Welt mit ihren eigenen Sinnen erfahren konnten. Sofort fiel Jenny der rote Farbton der Sonne auf. Der ließ die ganze Welt wärmer erscheinen, fast wie in einem immerwährenden Sonnenuntergang. Das Dunkelblau der Pflanzen erfüllte jede sichtbaren Quadratmeter dieser Welt. Sie sah über die weite, hügelige Landschaft. Im Westen ragten Ausläufer eines riesigen Waldes wenige hundert Meter an den Fuß des Hügels heran. In einiger Entfernung im Nordosten war ein großer See zu vermuten, zumindest stiegen dort regelmäßig weiße Punkte von einer spiegelnden Oberfläche auf und sanken an anderer Stelle später wieder hinab.
Der Rest der welligen Landschaft war mit einem Meer von mannshohem Gras gefüllt, das nur von gelegentlichen Baum- und Buschgruppen durchbrochen wurde.

Nach dem Aufschlagen des Lagers machten sich die Trupp-Mitglieder daran, ihre Waffen zu kontrollieren.
Alle hatten die gleiche Ausrüstung: Einen Schild aus Wolframgraphit, extrem hart und sehr leicht. Ein Schwert aus demselben Material mit Quanteneffektschneide, die mit Leichtigkeit alles zerteilte, was ihre Bahn kreuzte. Dazu ein Kampfmesser, das angeblich erst in den höheren Levels wichtig wurde. Nur Cap hatte eine Impulswaffe dabei, für alle Fälle.
Voraussichtlich, so hieß es in der Lagebesprechung, würden sich die Orks im Schutz des Waldes nähern und warten, bis die Sonne niedrig hinter ihnen stand. Dann würden sie sich rasch durch das hohe Grasmeer weiter nähern und zuschlagen.

***

In den Erzählungen der zurückgekehrten Krieger waren alle Kämpfe ehrenvoll, brutal und heldenhaft. Was die alten Krieger immer vergaßen, zu erzählen, waren die stundenlangen Fußmärsche zum Ort des Geschehens. Aber dieser Marsch lag nun hinter ihnen, und so vergaß Muuk seine schmerzenden Füße, die solche schnellen Märsche über viele Meilen nicht gewohnt waren. Er vergaß den geschundenen Rücken, über den ständig die Panzerweste und das Gepäck gerieben hatten. Und auch die Beißfliegen und Fresskäfer, die sich hier im hohen Gras an seinem Blut gütlich taten. All das musste er vergessen oder wenigstens lautlos über sich ergehen lassen, denn sie waren nur noch wenige Schritte vom Schnitter-Lager entfernt.

Kuru-Uk hatte seine Wächter auf die Ostseite des Hügels geführt. Er erkaufte sich einen Überraschungsangriff durch den Verzicht auf die Sonne im Rücken.
Alle Krieger prüften ein letztes Mal den festen Sitz ihrer Ausrüstung. Muuk war stolz auf den Panzer, den ihm seine Mutter angefertigt hatte. Seine Arme und Beine waren von kleinen, auf die Haut geklebten Steinplatten bedeckt. Sein Oberkörper war in eine weite, lange Weste gehüllt, in die weitere, größere Steinplatten eingenäht waren. Auf dem Kopf trug er den Knochenhelm seines Großvaters. Er hatte viele Scharten und war Muuk eigentlich zu groß. Doch seine Mutter hatte einige Lagen Leder hinein geklebt, damit er passte.
So furchterregend wie die anderen sah er als Kleinster zwar nicht aus, aber er gefiel sich als Krieger ganz gut. Die prächtigste Rüstung hatte natürlich Kuru-Uk. Den Schädel eines Pru-Laufvogels, eines der gefürchtetsten Raubtiere, hatte er sich passgenau ausgehöhlt. Über seinen steinbedeckten Armen und Beinen trug er eine feste Lederrüstung, die über und über mit Zaubersymbolen bedeckt war. An Ellenbogen und Handgelenken standen fingerlange Nadeln eines Stachel-Fraa ab, die im gegnerischen Fleisch zersplittern sollten. Auf dem Rücken waren große, knöcherne Platten befestigt, die einander überlappten.
Metall war sehr wertvoll, deshalb bestanden nur einige der Waffen aus dem begehrten Stoff. Denn bittere Erfahrung hatte sie gelehrt, dass nur die härtesten Metalle den Rüstungen der Schnitter etwas anhaben konnten und das auch nur an wenigen Stellen. Jeder Wächter hatte mehrere lange, dünne, dreieckig geschmiedete Stoßeisen dabei. Dazu einen großen Steinhammer, Netze, Schleudern, Klebstoff und allerhand anderes Kriegswerkzeug.
Die Schnitter wirkten unachtsam. Das gab den Orks Zuversicht, den Kampf für sich zu entscheiden.

***

Jenny fand es wirklich sehr schön hier: die weiten Landschaften, das blaue, rauschende Gras, der erdige Duft. Faserige Wolken zogen durch die Stratosphäre. Gern hätte sie den See erkundet, aber sie durften das Lager nicht verlassen. Der Kampf würde noch auf sich warten lassen, so genoss sie einfach den Wind auf ihrem Gesicht.
BAM! Schmerz explodierte in ihrem gesamten Kopf. Sie hatte den Stein nicht kommen sehen, den der beste Werfer der Orks ihr entgegengeschleudert hatte. Der Anzug hatte ihn registriert, aber zu spät. Der faustgroße Stein zertrümmerte mit Leichtigkeit ihre Nase und einen Teil des linken Wangenknochens. Sie brach sofort zusammen und hörte nur noch, wie in Watte gepackt, den Funk eines Kameraden: "Aua! Scheiße, der Tee", als alle Anzüge schlagartig die Gesichtplatten schlossen.
Sofort leitete ihr Anzug Schmerzmittel in Jennys Blut, um sie einsatzfähig zu halten.
Alle Anzüge umrahmten in ihren Displays die sichtbaren Orks und machten taktische Vorschläge. Die Menschen zogen hastig ihre Schwerter. Sie nahmen die Schilde hoch und stellten sich in Dreiecksformation um Jenny herum. Die kam gerade rechtzeitig zu sich, um mehr als ein Dutzend bellende und kreischende Orks auf sich zu rennen zu sehen.

***

Muuk war noch ganz fasziniert von dem weichen, flachen Gesicht mit der ungesunden Hautfarbe. Er hatte sich schon gedacht, dass Schnitter unter ihren Helmen hässlich sein mussten, aber dies übertraf seine Vorstellungen. Dann schlug der Stein ein, den Draach in einem mächtigen Wurf über 12 Meter Entfernung genau in den offenen Helm dieses Schnitters geschleudert hatte. Rotes Blut spritzte in alle Richtungen und der Stein fiel herunter - ebenfalls mit diesem seltsam roten Blut verschmiert.
Dann griffen sie an. Ihre Kampfschreie erfüllten die Luft, die Rüstungen klapperten und sie brachten die Entfernung in wenigen Sekunden hinter sich. Draach blieb zurück, um noch ein paar Klebebeutel zu platzieren. Er zielte auf die Schultern, damit der Klebstoff in die Ritzen der Gelenke eindrang und dort aushärtete. Dann folgte er seinen Waffenbrüdern.

Die Schnitter hatten ihre gefürchteten Klingen gezogen, von deren Schneide ein unheilvoll violetter Schein ausging. Diese Waffen sahen sehr gefährlich aus.
Die tatsächliche Macht der Klingen sah Muuk, als Brudu seinen Sturm nicht rechtzeitig abbremste. Er rannte zu weit vor und der Schnitter mit der 2 auf der Brust fuhr mit seiner Klinge in Hüfthöhe entlang. Von einem zerreißenden, knatternden Geräusch begleitet, glitt sie einfach durch das harte Leder, durch die Stein- und Knochenpanzerung, durch die Haut, durch seine Organe und Knochen und zerteilte den Ork ohne sichtbare Kraftanstrengung in der Mitte. Sein schwarzes Blut und Teile seiner Organe platzten aus der Wunde und überzogen alles in der Nähe mit dunklen, schweren Tropfen und Gewebefetzen. Als Brudus Körper zerteilt auf dem Boden lag, konnte der scheinbar selbst nicht glauben, was grad geschehen war und der Schnitter offensichtlich auch nicht. Statt noch einmal zuzuschlagen wich er erschrocken ein Stück zurück und stolperte über seinen am Boden hockenden Kameraden. Er stürzte zwar nicht, Brudu konnte die Situation jedoch nutzen, um mit einer großen Kraftanstrengung sein hakenbewehrtes Netz über den Feind zu werfen, kurz bevor der immer noch hockende Schnitter 4 sein Schwert in Brudus Kopf stieß und ihn aufriss.

Die anderen Orks bekamen das Seil des Netzes zu fassen, sie rissen Nummer 2 aus der Gruppe heraus und rannten in Richtung Gras, den Feind hinter sich her ziehend. Die anderen setzten ihnen sofort nach, um ihren Kameraden zu retten. Bereits im Lauf rammte Kuru-Uk eines seiner Eisen in das Oberschenkelgelenk des Schnitters, um die Panzerung auszuhebeln. Wenig passierte, aber die anderen machten es ihm nach. Der Gezogene wehrte sich nach Kräften, aber seine Arme waren im Netz verfangen, das Schwert hatte er verloren und viel mehr als mit den Beinen strampeln konnte er nicht. Einige Orks hielten die anderen Schnitter auf Abstand, damit ihre Kameraden ihr blutiges Werk vollenden konnten. Im vollen Lauf stießen Muuk und die anderen Krieger mit ihren Eisen und Hämmern immer wieder in dasselbe Gelenk, bis es einen Spalt weit nachgab. Darauf hatte Kuru-Uk nur gewartet und schob blitzartig ein flaches, scharf geschliffenes Eisen eine Elle tief hinein und sofort wieder heraus. Ein Strahl des ekelhaften, roten Blutes folgte dem Eisen und sprühte Muuk direkt ins Gesicht. Das heiße Blut benetzte ihn und der metallische, süße Geschmack dreht ihm fast den Magen um.

Ein Ork hielt das verletzte Bein vom Körper ab, damit sich die Wunde nicht schließen konnte. Die anderen schlugen im Laufen auf das andere Gelenk ein, bis auch dieses nachgab. Das Sprühen des Blutes ebbte zu einem Pumpen ab und schließlich versiegte es ganz. Als der Schnitter aufhörte, zu strampeln, ließen sie ab und als schließlich seine Panzerung grün schimmerte, gab Kuru-Uk das Zeichen, ihn liegen zu lassen. Er wusste, dass dieses Leuchten den Tod anzeigte. Nun hatten sie nur noch drei Gegner und einer davon war schon angeschlagen.

Die Orks liefen noch ein gutes Stück weiter und sammelten sich dann. Die Schnitter würden durch ihren toten Kameraden aufgehalten werden.
Muuk hatte endlich wieder Zeit, nachzudenken: Brudu trug einen viel besseren Panzer als er und ist einfach in der Mitte zerschnitten worden. Er fühlte sich plötzlich nackt mit seinem Panzer, der mit so viel Mühe und Hingabe hergestellt worden ist. Und der ihn doch im Stich lassen würde. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte er, wie die nackte Angst sein Herz zu zerquetschen drohte. Er hatte gesehen, mit welcher Leichtigkeit der Schnitter den Tod gebracht und wie der sich selbst über diese Leichtigkeit erschrocken hatte. Das schockierte ihn eigentlich noch mehr, als der Tod seines Clanmitgliedes. Sie hatten es offensichtlich mit Anfängern zu tun, die trotzdem so tödlich waren, wie er es sich nie vorstellen mochte.

***

Die Nase pumpte den Schmerz noch immer in Wellen durch ihren gesamten Körper, die Anstrengung verstärkte ihn noch. Aber dank der Medikamente war es auszuhalten. Noch stärkere Mittel hätten Jennys Scharfsinn und die Reflexe eingeschränkt, so musste sie vorerst mit dem brennenden und pochenden Schmerz leben.
Als sie bei Nummer 2 ankamen, wurde Jenny vom Anblick übel. Sie konnte den Brechreiz unterdrücken, aber nicht den Blick abwenden. Die Orks waren längst durch das Gras verschwunden. Ihr Kamerad war von einem grünen Leuchten umgeben, seine Beine standen weit vom Körper ab und der ganze Boden war vom Blut aus der Aorta im Oberschenkel getränkt. Schon während der Verfolgung durch das Gras hatten sie das Blut an den Halmen kleben sehen und ahnten Böses.

Wegen des Stasisfeldes konnten sie ihn nicht bewegen, daher markierte Cap den Körper mit einer Funkboje, damit er von einer Drohne zum Basisschiff gebracht werden konnte.
"Herhören! Unser Status", ließ sich der Captain über Funk hören.
"Wir sind zu dritt und die sind wenigstens fünfzehn. Sie haben uns überrascht, daher dieses Fiasko. Aber sie werden uns nicht noch einmal überraschen. Wenn wir zusammenstehen, können wir sie immer noch überwinden. Oder wir haben die Option, abzubrechen. Das kostet jeden von euch 100 Punkte. Die lassen sich aber später wieder ausgleichen."
Jenny blickte auf das Schlachtfeld und traf ihre Entscheidung.

***

Als Jenny im Basisschiff unter der Dusche stand, war sie froh, dass sie abgebrochen hatten. Es war keine Schande: viele Teams brachen den ersten Einsatz ab.
Sie war stolz auf ihre Reaktion im Kampf. Trotz der Verletzung und des Durcheinanders war sie diejenige, die dem Ork ein Ende gesetzt hatte. Wenn sich deswegen das schlechte Gewissen meldete, dann sagte sie sich: "Wir gaben ihnen Kultur und Denken. Wir haben sie geschaffen, also können wir sie auch wieder auslöschen. Ohne das Spiel wären sie gar nicht da." Meistens funktionierte das.

Ihre Nase und das Jochbein waren gleich nach der Rückkehr vom Autodoc gerichtet und die Knochen verklebt worden. Die Haut war ersetzt und Nanobots reparierten das zerquetschte Fleisch. Wange und Nase zeigten nur noch eine deutlich sichtbare Rötung, die aber auch bald verschwinden würde.
Nummer 2 war von einer Drohne abgeholt worden und befand sich noch in Behandlung. Der Autodoc gab an, dass er noch drei Tage zur vollen Einsatzfähigkeit brauchte. Erst dann konnten sie sich an das zweite Level wagen. Dann ging es zur großen Mauer, die sie überwinden mussten. Dort würden schlagkräftigere Orks mit ausgefeilteren Waffen warten als im Einstiegslevel. Dafür hatten sie ein paar zusätzliche technische Spielereien dabei. Dort könnte sie mit der gewonnenen Erfahrung die verlorenen Punkte wieder wettmachen. Ein Teil in ihr freute sich darauf, vielleicht würde sie sogar tatsächlich die Halle der Ewigen erreichen, wo sie sich im Highscore dieses Abenteuers eintragen könnte.
Ihre Eltern würden stolz auf sie sein.

 

Hallo chricken!

Ich mag die Idee, und finde es gut, wie die Geschichte aufgebaut ist.
Der Kontrast ist gut rausgearbeitet - die eine Seite mit handgemachten Waffen und Rüstungen, und die andere mit haushoch überlegener Technologie, für die selbst der Tod bloß Reparatur und Punktabzug bedeutet, und Krieg nur ein Ritual zum Übergang ins Erwachsenenleben ist. Anscheinend haben die sich eigens zu diesem Zweck eine Art World of Warcraft-Themenpark gebastelt, inklusive lebender NPCs.
Das erinnert mich an die Sorte Großwildjäger, die sich von einheimischen Führern durch die Gegend fahren lassen, um dann ein "gefährliches" Tier aus sicherer Entfernung mit Präzisionsgewehren zu erlegen und sich anschließend als Helden zu fühlen.
Besonders fies fand ich, dass die "Halle der Ewigen", die die Orks bewachen, nicht etwa dazu da ist, um die Krieger aus ihrer eigenen Kultur zu ehren, sondern bloß als Highscoreliste der Spieler dient.

Ich finde, im Vergleich zu deiner letzten Geschichte merkt man, dass du dich hier aufs Wesentliche konzentrierst, es ist nicht so viel Überflüssiges drin, aber du zeigst dem Leser genug Details, um sich die Szenen vorstellen zu können, und auch die Motivationen der Figuren kommen gut rüber.

Ein paar Kritikpunkte habe ich allerdings auch.

"Lange her, kamen Götter. Nahmen Gnal."
Das hat mich gestört. Um zu erklären warum, muss ich ein bisschen ausholen.

Im Prinzip übersetzt du ja hier eine fiktive fremde Sprache. Sprachen können sich sehr stark voneinander unterscheiden, es gibt nicht in jeder Sprache alle Wortarten, und die Grammatikregeln können teilweise sehr stark abweichen.
Wenn man übersetzt, tut man das normalerweise sinngemäß - man übernimmt den Inhalt, aber Satzstruktur und Grammatik werden der Zielsprache angepasst. Wenn ich z.B. auf Russisch sage: мне тридцать лет, dann würde das wortwörtlich heißen "mir dreißig Jahre". Übersetzen würde ich es natürlich als "ich bin dreißig Jahre alt" - außer ich wollte den Eindruck erwecken, Russisch sei grundsätzlich eine "dümmere" Sprache als Deutsch.

Aber bei den Sprachen von Naturvölkern, da wurden "Übersetzungen" in der Literatur lange Zeit so gestaltet. Wenn es da in einer Sprache bestimmte Wortarten nicht gibt, dann wurden die in der Übersetzung eben auch weggelassen, wenn die typische Satzstellung von der Zielsprache abweicht, wurde das in der Übersetzung nicht angepasst, etc. Oder man dachte sich halt etwas aus, und schrieb, wie man sich solche "primitiven" Sprachen eben vorstellte.
Das passierte sicher nicht immer aus böser Absicht, aber da steckt trotzdem eine bestimmte Geisteshaltung dahinter. So etwas sagt aus: Leute, die so sprechen, die sind anders als wir - exotisch, primitiv, unzivilisiert. Im besten Fall vielleicht "edle Wilde", im schlimmsten Untermenschen, die man einfach ausrotten kann.
Mit realen Kulturen würde man heute nicht mehr so umgehen, aber in Fantasygeschichten lebt das teilweise fort. Für fiktive Gestalten gibt es halt keine Bürgerrechtsgruppen und braucht es natürlich auch keine - aber mir missfällt so etwas trotzdem.

Die Orks in deiner Geschichte haben eine komplexe Kultur, ihre Intelligenz dürfte mit der von Menschen vergleichbar sein. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, ihre Sprache so wiederzugeben. Denn deine Botschaft ist ja gerade nicht: Die Orks sind dumm und unzivilisiert, die kann man ruhig abschlachten.

Außerdem bist du auch nicht konsequent damit:

"Nehmt Panzer! Nehmt Waffen! Gehen blauer Hügel!"
Du "übersetzt" die Verben normalerweise ausschließlich im Infinitiv - aber hier gibt es dann auf einmal doch eine Befehlsform. Allerdings nur für das Wort "nehmen", nicht für "gehen".

Okay, genug Grammatik-Spitzfindigkeiten und Political Correctness-Diskussion :)

Was mich sonst noch gestört hat, war die Perspektive. Mir würde es besser gefallen, wenn du dich da auf Jenny und Muuk beschränken würdest - die meiste Zeit über machst du das auch, aber es gibt kleine Ausreißer, wie hier z.B.:

Ein Teil des heißen Getränks lief in den Anzug und verbrühte ihm die Brust. Es tat erbärmlich weh.
Tja, den Typen, dem das widerfährt, kenne ich aber gar nicht. Das klingt vielleicht komisch, aber ich hätte mehr Mitgefühl, wenn du seine Reaktion auf den Schmerz aus der Sicht von einem der beiden Perspektivträger beschreiben würdest.
Wahrscheinlich hat sich der allwissende Erzähler dort reingeschmuggelt, weil die Jenny an der Stelle gerade ausgeknockt wurde. Vielleicht wäre es besser, wenn sie da nicht komplett das Bewusstsein verliert, dann könntest du weiter aus ihrer Sicht erzählen.

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita,

vielen Dank für Deine hilfreiche Kritik. Es ist sehr schön, zu lesen, dass die Geschichte so verstanden wird, wie sie gemeint war. Auch, dass keine Rechtschreibung korrigiert wurde, freut mich sehr :)
Ich war unsicher, ob die Highscore-Idee rüberkommt. Aber es hat geklappt :)

Den Tee-Part habe ich angepasst, finde es jetzt besser.

Über die Sprache habe ich lange nachgedacht. Und hatte ähnliche Gedanken, wie Du, wollte aber einen möglichst hohen kulturellen Kontrast ausarbeiten. Daher habe ich mich für eine solch primitive Übersetzung entschieden.
Auch, damit der Leser immer weiß, wem er eigentlich grad zuhört.

Den fraglichen Marschbefehl würde ich normalerweise so übersetzen:
"Nehmt Eure Panzerung und die Waffen. Wir gehen zum blauen Hügel."
Ich fand es halt plump, "Orks gehen blauer Hügel" zu schreiben.

Lieben Gruß
Christian

 

Hallo Christian,

schön, wieder was von Dir zu lesen. Du bist ja ziemlich fleißig. Fünf Geschichten in vier Monaten sind ein toller Schnitt. Ich werde später noch mal was zur Geschichte schreiben, jetzt aber aus Zeitgründen nur ein Hinweis in naturwissenschaftlicher Sache:

Sofort fiel Jenny der rote Farbton der Sonne auf. Der ließ die ganze Welt wärmer erscheinen, fast wie in einem immerwährenden Sonnenuntergang. Die Pflanzen waren dunkelblau, um die Wellenlängen ihrer Sonne optimal zu nutzen.

Pflanzen sind auf unserer Welt grün, weil das Chlorophyll den grünen Anteil des Lichts nicht absorbiert, sondern reflektiert. Vereinfacht gesagt geht der grüne Anteil des Lichts den Pflanzen verloren. Den blauen Anteil des Lichts (geringere Wellenlänge als grün) nehmen sie aber auf und auch den roten Anteil (höhere Wellenlänge als grün). Deshalb spricht man von der Grünlücke: Mitten im Aufnahmespektrum gibt es einen Bereich (eben den des grünen Lichts), den die Pflanzen nicht verwerten können und den sie reflektieren.

Jetzt sagst Du, dass der Stern in diesem System ein rötliches Licht aussendet. Das Spektrum dieses Sterns ist ein anderes, als das unserer Sonne - er gehört also einer anderen Spektralklasse an. Soweit so gut.

Jetzt die knifflige Frage: Wie hängt die Blaufärbung der Pflanzen mit einem anderen Lichtspektrum des Sterns zusammen? Die Grünfärbung unserer Pflanzen ist ja durch die chemische Struktur von Chlorophyll bedingt. Pflanzen, die zur Energiegewinnung aus Licht andere Prozesse nutzen, gibt es auf der Erde auch, beispielsweise Grünalgen und Rotalgen. Diese können auch in lichtschwachen Bereichen noch eine Photosynthese durchführen.

Aber auf Deinem Planeten ist es nicht sonderlich dunkel. Das Licht mag etwas rötlicher sein, aber für mich ist nicht ganz nachvollziehbar, weshalb die Pflanzenevolution andere Wege gegangen sein sollte, als auf der Erde.

Hattest Du spezielle Überlegungen in dieser Sache?

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,
vielen Dank für deinen Hinweis.
Ich hatte keine speziellen Überlegungen dazu. Wollte einfach nur eine fremde (Farben) und doch bekannte (Formen) Welt beschreiben und bin der Einfachheit halber davon ausgegangen, dass die Pflanzen unter einem deutlich roten Licht eher die dominanten Wellenlängen verwenden und das andere Ende des Spektrums ungenutzt reflektieren. Ob es sich um Photosynthese mit einem Äquivalent zum Chlorophyll handelt, so weit bin ich nicht gegangen.
Für die Formen bin ich davon ausgegangen, dass unbewegte Lebensformen überall ähnliche fraktale Strukturen entwickeln, weil die einfach viele Vorteile bieten (Oberfläche /Masse-Verhältnis).
Das war's dann auch schon.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Christian,

so, ich bin´s nochmal mit einem etwas gründlicheren Kommentar zu Deiner Geschichte. Ich habe den Text gern gelesen und hatte meine Freude daran. Viele Details fand ich phantasievoll (z.B. den Kampfanzug des Ork-Helden, die Klebebeutel und den Beginn der Jagd). Deine gesamte Schreibweise hat einiges an Potential. Aber es gibt auch noch eine ganze Menge zu feilen, finde ich.

Die folgenden Hinweise kannst Du als Anregungen für künftige Arbeiten betrachten. Vielleicht findest Du sie nützlich.

1) Die Idee der Jagd

Seit dem Erfolg von Predator ist diese Idee der "interplanetaren Jagdveranstaltungen" aus religiösen oder sportlichen Gründen in der SF-Kultur mehrfach aufgetaucht. Auch Star Trek hatte dazu einige Geschichten. Und auf KG.de hatten wir das Thema ebenfalls. Deshalb ist es ein wenig problematisch, das erneut aufzugreifen. Natürlich kann man es aber zu Übungszwecken machen.

Langfristig sollte sich ein Geschichtenschreiber darum bemühen, neue Themen zu finden, auch wenn das zunächst sehr schwierig erscheint. Doch mindestens zwei Gründe sprechen dafür, nach Neuem zu suchen: Viele Leser finden es ermüdend, die x-te Variante einer Idee präsentiert zu bekommen. Du würdest in diesem Fall also primär Leute ansprechen, die sich im Bereich der SF nicht auskennen. SF-Liebhaber werden Dein Szenario sofort mit Predator und Co. vergleichen oder wegen "das hatten wir schon" fallen lassen.

Zweitens solltest Du für Deine persönliche Entwicklung bedenken, dass es uns beim Schreiben langfristig nur weiterbringt, wenn wir das Persönliche, das Individuelle und Einzigartige suchen und ausdrücken. Wenn wir hingegen im Schreiben nur überlieferte Muster nachvollziehen, bleiben wir an einem Ort stecken, der nichts oder nicht viel mit uns als Autoren zu tun hat.

Du hast ja einige originelle und phantasievolle Ansätze in Deinen Geschichten. Also nur Mut. Verfolge diese Spur weiter.

2) Ork als Gattungsbegriff

Wir leben in einer Zeit, in der Markennamen allmählich zu Gattungsbegriffen werden. Wir arbeiten mit der Hilti, wir telefonieren mit dem I-Phone, wir lesen auf dem Kindl und wenn uns diese Nase läuft, benutzen wir ein Tempo.

Der Begriff Ork als Bezeichnung für humanoide Wesen mit kriegerischen Eigenschaften ist eine Erfindung von Tolkien. Ich finde es problematisch, eine fiktive Rasse, die zum Tolkien-Universum gehört in einer Geschichte zu verwenden, die keine Fan-Fiction sein will.

Stell Dir vor, ich schreibe eine Geschichte, in der Klingonen oder Vulkanier auftauchen. Das würde sofort mit dem Star-Trek-Universum assoziiert werden.

Kurzum: Von der Verwendung des Ork-Begriffs würde ich abraten.

3) Sprache der Orks

Perdita hat es schon angesprochen, die Sprache der Orks in Deiner Geschichte ist problematisch. Ich würde sogar sagen, dass man das so nicht machen kann, ohne die folgenden Konsequenzen zu berücksichtigen: Schon Tolkien wurde für einen Rassismus-Aspekt kritisiert, denn alle sein Orks sind schlecht und variieren in ihren Charakteren nur innerhalb eines ethisch gesehen negativen Spektrums (grausam, mitleidlos, feige-hinterlistig bzw. rücksichtslos-stumpfsinnig).

Du hingegen möchtest sie nicht als eine komplett negative Rasse darstellen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Sprache so zu übersetzen, wie die Orks sie selbst empfinden. Man darf daraus keine Intellektuellensprache machen, das ist klar. Aber so wie es jetzt ist, mutet es über alle Maßen primitiv an. Das wird Deinen Orks nicht gerecht. Du degradierst sie auf diese Weise, und ich glaube nicht, dass Du das im Sinn hattest.

4) Perspektiven

Es gibt die strenge Auffassung, in einer KG sollte nicht mehr als eine Perspektive beschrieben werden. Ich versuche das in meinen Geschichten auch so zu machen, denn es erleichtert einiges, bewahrt den Autoren vor Kuddelmuddel.

In Deiner Geschichte wechselst Du zwischen den Perspektiven von Muuk und Jenny. Das ist nicht ganz unproblematisch. Aber vielleicht kann man es trotzdem machen. Ich bin da kein Experte, aber vielleicht können Schwups, Uwe oder Asterix dazu noch was sagen, die sich mit der Theorie der Perspektive besser auskennen.

5) Ton

Folgende Sätze haben einen bestimmten Tonfall:

Diesmal war er einer der Wächter, endlich alt genug für diese ehrenvolle Aufgabe.
Muuk war sich sicher, dass dieser alte, ehrenvolle Wächter in die ewige Halle einziehen würde.

Sie hatten eine ganze Stange Geld bezahlt, um dabei sein zu können. Im Fall von Jenny hatten ihre Eltern diesen Trip bezahlt und ihr zum 23sten Geburtstag geschenkt.
Die anderen bearbeiteten das zweite Bein, während sie die ganze Zeit durch das Gras rannten.

Während die beiden ersten Sätze in einem erhabenen, feierlich-ernsten Ton gehalten sind, wirken die folgenden Sätze wegen der Verwendung von "eine ganze Stange Geld", "Trip" und " bearbeiteten das zweite Bein" ziemlich flapsig, unbesorgt und spaßhaft.

Ähnlich wie beim Perspektivwechsel ist es bei Kurzgeschichten so, dass sie selten den Wechsel des Erzähltons vertragen. Das Ganze wirkt bei solchen Wechseln uneinheitlich und konfus. Außerdem verwendest Du in der gesamten Geschichte immer wieder den Alltagstonfall, z.B.:

Letztes Mal kam Muuk dieses Ritual so langweilig vor, so unnötig.
Das war sonst immer die Stelle gewesen, an der Muuk die Augen verdrehte.
Sie hatte sich sogar ihre langen Haare abschneiden lassen, damit sie unter den Standardhelm passten.
Jenny fand es wirklich sehr schön hier…
Ein Teil in ihr freute sich…

Das ist deshalb problematisch, weil der Alltagstonfall immer ungenau, plakativ und stereotyp ausfällt. Ich empfehle Dir deshalb, beim Schreiben einen neutralen (also weder besonders feierlichen noch flapsigen) aber leicht gehobenen (keine Alltagssprache) Grundton zu verwenden.

Wenn Du dann Ausflüge in philosophische Gedankengänge unternimmst, darf es auch punktuell etwas pathetischer sein.

Die Akzente kommen dann aber primär durch die wörtliche Rede der Protagonisten, die in ihrer Alltagssprache sprechen sollten, damit es echt klingt.

6) Sprachlicher Stil

Eng verwandt ist das Thema des sprachlichen Stils. Du hast ein paar Wortdopplungen drin und auch mehrere nicht sehr elegante Formulierungen sowie etliche stehende Wendungen. Die Theorie dazu ist Dir sicher bekannt. Versuche das zu vermeiden. Arbeite an jedem Satz so lange, bis er gut klingt.

7) Konstruktion

Die Konstruktion finde ich schon ganz gut: Es steht ein Ereignis bevor (der Kampf) und der Leser wird auf die Folter gespannt, wie das nun ausgehen wird. Bei der Beschreibung solcher Szenarien solltest Du Dir vor Augen führen, dass sich die Ereigniskette immer mehr zuspitzen sollte. Es muss immer dramatischer werden, sonst geht die Luft raus. Da kannst Du sicher noch was verbessern.

So viel erst mal von mir.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus

und vielen Dank für Deine ausführlichen und hilfreichen Bemerkungen.
Ich habe sie gern gelesen und werde einen Großteil davon zu Herzen nehmen.

Ein paar Worte will ich dennoch dazu verlieren:

Die Idee der Jagd mag schon häufig vorgekommen sein. Wenn jemand aber nur ganz neue Ideen liest, dann hat er nicht viel zu tun. Will sagen: So gut wie jede Idee gab es schonmal irgendwo in irgendeiner Form. Mir ging es bei der Geschichte weniger um eine vollkommen neue Idee sondern mehr um die Konzepte Kulturkontraste und Ausbeutung. Immerhin wurden die Orks geschaffen, um gekillt zu werden. Vielleicht werden dabei Erinnerungen an unsere Tierhaltung wach - vielleicht auch nicht ;)

Um den Kontrast zwischen den Kulturen zu verdeutlichen habe ich eine primitive Sprache verwendet. Auch in der Erzählung habe ich absichtlich den Stil gewechselt (mit ein paar Ausreißern), um diesen Effekt zu erzeugen.
Die Orks: Sprachlich grobschlächtig, aber mit einem Sinn für Ehre und Pathos. Die Menschen eher als Freizeitkrieger. Vielleicht kann ich an der Sprache noch feilen.

Der Perspektivwechsel ist in dieser Geschichte unvermeintlich, da sonst nur eine Seite betrachtet werden kann. Das würde den Geschehnissen nicht gerecht. Dass es gegen eine ungeschriebene Regel verstößt, finde ich nicht so schlimm. Eigentlich finde ich es sogar gut ;)

Den Ork als Gattungsbegriff habe ich gewählt, weil der Ork in der Massenkultur fest verankert ist, auch fern von Tolkien. Jeder hat sofort ein Bild vor Augen.
Übrigens stammt der Begriff nicht von Tolkien, sondern er selbst hat ihn nur für seine Zwecke wiederbelebt. Orks (Orc, Org, Norg, Lorko) wurden schon von Plinius, dem Älteren, und vielen anderen beschrieben - freilich in anderer Gestalt.

Am Ton und Stil werde ich sicherlich noch feilen. Aber ich freue mich, zu lesen, dass Dir die Geschichte insgesamt gefallen hat.

Lieben Gruß
Christian

 

Hallo chricken,

hab jetzt keine Zeit, die anderen Kommentare durchzulesen, was vielleicht den Vorteil einer unvoreingenommenen Betrachtung (und leider die Möglichkeit von Wiederholungen) mit sich bringt.

Eine ordentliche Geschichte. Der Kniff, niedriger gegen sehr hoch entwickelte Wesen gegen- oder miteinander agieren zu lassen, ist nicht neu, aber Du hast sie sehr gut umgesetzt. Die versetzte Sichtweise Orks – Menschen (?) macht Spaß.

Die Namen assoziire ich sofort mit den Orks oder den Uruk Hai aus dem HDR – und finde das weniger gut. Hier hätte ich eine andere, wenn auch ähnliche Rasse mit anderen, wenn auch ähnlichen Namen vorgezogen.

bis er 14 war

Würde ich die „Zwölferregel“ brechen und die 14 ausschreiben

HEUTE ORKS SIEGEN WIEDER!

Ich mag dieses Schreien (Großschreibung) nicht.

Alle Orks rissen noch ein kräftiges Stück Gnal-Fleisch vom Spieß …

Ich mag es, wenn diese Dinge lebendig werden. Nimm Dir die Zeit und beschreibe das Gnal. Die Geschichte ist gut, da gibt es keinen Grund zur Hektik.

So begann Captain Harper seine Ansprache während des Landeanflugs immer.

Klingt mir zu passiv, gehört mehr Bewegung rein.

Wenn ihr sterbt
Solltet ihr sterben …

Der Technikkram (Beschreibung des Anzuges etc. gefällt mir gut, könnte sogar ausgebaut werden.

Die konnte mit Leichtigkeit fast alles zerschneiden, was das Pech hatte, ihr in den Weg zu kommen.

Du hast da eine ganze Reihe uneleganter Sätze dabei, welche man mit etwas Aufwand viel besser gestalten kann.

Was die alten Krieger immer vergaßen, zu erzählen, waren die stundenlangen Fußmärsche zum Ort des Geschehens.

Fein beobachtet und kluger Satz.

BAM! Schmerz explodierte in ihrem gesamten Kopf.
Schön, dass Du uns an der Stelle nicht länger zappeln lässt.

Er zielte auf die Schultern, damit der Klebstoff in die Ritzen der Gelenke eindrang und dort aushärtete.

Du hast Dir, über die gesamte Geschichte hinweg, neckische Details einfallen lassen – mit Lust und Laune zum Schreiben – gefällt mir!

Ethisch betrachtet ist das, was die Menschen da tun natürlich verwerflich, eine Art Paintball mit lebenden (und leider sterbenden) Gegnern. Hier herrscht, glaub ich Erklärungsbedarf. Oder das ganze passiert auf dem guten alten Holodeck?

Gern gelesen, nastro!

 

Hallo Nastro,

vielen Dank für Deine Worte.
Es freut mich, dass Du es gerne lesen mochtest.

Ich habe jetzt den Orks doch eine anständige Sprache gegeben. Es fühlt sich tatsächlich besser an und natürlich lassen sich auch Gedanken und Emotionen besser transportieren.

Und dann natürlich wieder geschliffen und geschmirgelt ;)

 

Das Schleifen hat sich auch gelohnt :) ich habe Deine Story mit großer Begeisterung gelesen. Ich hoffe, da kommt noch mehr, irgendwie schreit das Ganze ja nach einer Fortsetzung, so von Level zu Level :D

 

Hallo apollox,
vielen Dank :)
Hab ich noch gar nicht dran gedacht *denk*
Aber ich habe erst noch andere Geschichten, die raus wollen ;)

 

Hallo Christian,

nachdem Du nun die Sprechweise der Orks verändert hast, sollte auch der Titel der Geschichte korrigiert werden, oder nicht? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist dieser Titel ja noch im Duktus der primitiven Sprache geschrieben und ergibt jetzt so keinen Sinn mehr.

Gruß Achillus

 

Hallo Chricken,

gute Geschichte! Wird nicht langweilig und ist weitgehend fließend zu lesen. Gelungener Perspektivenwechsel, welcher eindeutig den Lesewert der Geschichte steigert.

Eine schwache Stelle ist aber leider gerade der Anfang.

"Seht nach oben!" rief Kuru-Uk, und alle sahen nach oben.

Zweimal die gleiche Information in einem Satz. Anhand der Formulierung ist klar, dass alle nach oben schauen werden.

Was ist nun oben, fragt sich der Leser. Blauer Himmel, ein Vogel, ein Schmetterling, ein Zeichen, oder gehört das nach oben schauen schon zum Ritual? Erst im zweiten Abschnitt wird einem klar, dass es sich in deiner Geschichte um die Abwehr von Eindringlinge aus dem All handelt. Dazwischen liegen 418 Wörter (!), die verschiedene Interpretationen deiner Geschichte erlauben. Kurz gesagt, der Leser hat schon ein Bild von deiner Geschichte im Kopf, bevor du ihm deines verrätst. Ist aber leicht zu beheben:

„Seht nach oben, der Lichtstreifen!“ rief Kuru-Uk.
Muuk kannte das nun beginnende Ritual nur zu gut, …

Jetzt versteht der Leser sofort, dass es sich wohl um „Außerirdische“ handelt, deren Ankunft kriegerisch bekämpft wird. Vorher kann man sich auch gut vorstellen, dass eine Sonnenfinsternis das Zeichen für einen neuen Feldzug zwischen zwei verfeindeten Stämmen gibt – komplett andere Geschichte.

Ritual ist hier meiner Meinung falsch platziert. Du beschreibst zwar nachher ein Ritual, aber vorher erwähnst du noch Aufgabe und in den Kampf ziehen. Von daher kann man Ritual in Kontext mit diesen Begriffen verstehen, die klar kein Ritual darstellen.

kurz noch:

Vor langen Jahren kamen...

Vor vielen Jahren kamen …

Es gibt noch so ein paar kleine Sachen, aber ich will auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Deine Geschichte bietet viel Platz für Tiefgang an. Schauen wir uns mal eine interessante Konstellation an. Die Orks erzählen ihre Entstehungsgeschichte, sprich sie denken von einem Gnal abzustammen. Der Gnal ist aber weiterhin ein Beutetier für die Orks. Die Schnitter brachten den Orks Kultur bei. Sie sind aber nur „Spielobjekte“. Die Beziehung, das Verhalten Schnitter - Orks kann man auch auf Orks – Gnal übertragen. Da könnte man noch viel machen.

Natürlich sind auch andere Punkte denkbar: die Gesellschaft; die Motivation und Verhalten des einzelnen Menschen etc … viel Potenzial!

Zum Kommentar von Achillus gebe ich auch noch meinen Senf – alias Meinung ab. Die beiden ersten Punkte sind doch von allgemeiner Natur.

Zu Punkt eins stimme ich nicht zu. Natürlich sollte man sich an neue Ideen oder Themen wagen. Aber hier fängt das Problem schon an. Was sind neue Ideen oder Themen. Z.B. Die Jagdveranstaltung ist ein uraltes Thema. Ob interplanetar oder nicht, dies stellt nur ein Hintergrundwechsel dar. Star Treck hat dazu auch schon Folgen vor Predator gehabt. Und in den dreissiger Jahren, als SF-Magazine vor allem in den USA populär waren, gab es dazu garantiert x Geschichten. Wenn man ein bisschen weiterdenkt wird man eines schnell feststellen: die Umsetzung. Es kommt auf die Umsetzung an. Ist die Umsetzung immer gleich, dann hat Achillus recht. Schaffst du eine Abgrenzung, kannst du problemlos das Thema wiederkäuen.

Schau dir mal Sitcoms oder allgemeiner Fernsehserien an (Vampire, Ärzte etc etc). Seit Jahrzehnten werden hier die gleichen Themen in neuen Gewänder gezeigt. Funktioniert super. Die meisten Zuschauen merken natürlich nicht, dass es wieder alter Käse ist. Wer erinnert sich auch, was vor 10 oder 20 Jahren war, geschweige vor 50 Jahren. Der Experte wird natürlich meckern. Aber wenn es gut umgesetzt und unterhalten ist, who cares?

Noch eine weitere Bemerkung: Ich empfand diese Geschichte nicht a la Predator oder allgemeiner als Jagdveranstaltung. In Predator ist es das Ziel, Menschen zu jagen. Hier geht es darum, sich in die Highscore einzutragen. Es ist ein Wettbewerb! Und Orks töten gehört zum Spielvorgang.

Zum zweiten Punkt: Prinzipiell hat Achillus recht, aber sein Beispiel zeigt auch gerade, warum du Orks ohne Probleme verwenden kannst, warum?

Wie du schon richtig bemerkt hast, sind Orks nicht ein Einfall von Tolkien. Das heutige Verständnis eines Orks stammt allerdings schon von ihm. Nun wird jeder HDR Fan aufschreien aber Orks sind der Masse vorallem durch Warcraft bekannt.Dort sind sie eine Figur und werden wie Feen, Elfen, Zwerge als Figuren des Fabelreichs aufgefasst (was sie ja auch ursprünglich waren). Es gibt also keine feste Zuordnung zu HDR. Ich selber hab bei Orks nun nicht an HDR gedacht (HDR interessiert mich auch nicht), sondern bezog die ganze Geschichte direkt auf Warcraft. Gibt es keine feste Zuordnung (sorry HDR), kannst du sie problemlos verwenden. Wie ist dies mit dem Beispiel von Achillus: die Klingonen und Vulkanier. Seit über 40 Jahren sind die nur mit dem Star Trek Universum verbunden. Es gibt tausende Folgen und x Spielfilme. Die Verbundenheit ist hier sehr stark. Ich kenne kein Game, keine Serie, keine Geschichte, die Klingonen nicht im Stark Trek Universum zeigt. Dies ist bei Orks nicht der Fall.

Viele Grüße
Kroko

 

Hallo Christian,

nachdem Du nun die Sprechweise der Orks verändert hast, sollte auch der Titel der Geschichte korrigiert werden, oder nicht? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist dieser Titel ja noch im Duktus der primitiven Sprache geschrieben und ergibt jetzt so keinen Sinn mehr.

Gruß Achillus


Hallo Achillus,

ich wollte den Titel ändern, kann es aber leider nicht.
Vermutlich wäre es auch nicht gut, weil es dann viele für eine neue Geschichte hielten.

Ich fürchte, es muss so bleiben.
LG
Christian

 

Hallo Kroko,
freut mich, dass du das Thema Orks auch so siehst.

Beim Anfang schwebte mir ein abendliches Ritual vor, das die Orks abhalten, bevor sie in den Kampf ziehen. Dabei sollten sie in die Sterne schauen, während ihre Herkunft beleuchtet wird. Im Laufe des Schreibens saßen sie aber irgendwann mittags um das Essen herum und jetzt funktioniert es nicht mehr.
Ist mir nicht aufgefallen, danke für den Hinweis.
Werde es überarbeiten.
LG

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom