Die etwas andere Taxifahrt
Die Sonne war nicht mehr all zu weit vom Horizont entfernt, als Harald, ein großer, schlanker Mann um die 70, am Straßenrand stand und verzweifelt versuchte ein Taxi anzuhalten. Schon seit zwanzig Minuten stand er dort und versuchte verzweifelt, die vorbei rasenden Fahrzeuge auf sich aufmerksam zu machen, doch nichts schien ihm zu helfen. Er winkte, er pfiff, er schrie, ja sogar mit Hüpfen, was in seinem Alter nicht mehr ganz so leicht ging, hatte er es bereits versucht.
Gerade als er es schon aufgegeben hatte und sich überlegte, wie lange er für die Strecke wohl zu Fuß brauchen würde, sah er ein gelbes Auto das mit laufendem Motor auf der anderen Straßenseite stand. Der Fahrer schaute sich die ganze Zeit nervös um und schien auf etwas bestimmtes zu warten. Für Harald bestand daran kein Zweifel, dies war ein Taxi und es war frei, zumindest noch. Also eilte er so schnell es nur ging über die Straße und erreichte, begleitet vom lauten Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer, das Auto.
"Was machen Sie da?", fragte der Fahrer, während Harald die Tür öffnete und auf der Rückbank Platz nahm. "Verschwinden Sie!"
"Mein guter Mann", sagte Harald mit ruhiger Stimme. "Ich versuche seit einer halben Ewigkeit von einem Taxi mitgenommen zu werden und jetzt wo ich endlich eins habe, werde ich es nicht wieder verlassen, bis ich zuhause bin."
"Das ist kein Taxi, verschwinden Sie gefälligst. Wir haben nicht mehr viel Zeit."
"Das haben wir wirklich nicht mehr. Wenn ich nicht pünktlich zum Abendessen wieder zuhause bin, dann macht meine Frau mir die Hölle heiß. Also los, in die Mozartallee 129."
"Ich fahre Sie nirgends hin. Zum letzten Mal, das hier ist wirklich kein Taxi und Sie müssen verschwinden, sofort", sagte der Mann und betrachtete Harald dabei durch den Rückspiegel.
"Pfff", sagte Harald mit einer abweisenden Handbewegung. "Sie kriegen mich hier heute nicht mehr raus. Also, entweder fahren Sie mich jetzt nach Hause, oder wir bereiten uns auf einen langen, gemeinsamen Abend vor."
Der Fahrer wirkte äußerst verzweifelt. Wieso konnte dieser alte Mann in seinem Auto einfach nicht verstehen, dass er dabei war die Situation vollkommen falsch einzuschätzen?
"Ich sehe, Sie wollen ausharren", sagte Harald. "Nun gut, aber dann werden Sie das auch meiner Frau erklären müssen und glauben Sie mir, diese Entscheidung werden Sie auf jeden Fall bereuen."
In dem Moment rannten zwei maskierte Männer aus der Bank, vor der das Auto stand. Beide hatten schwere, volle Müllsäcke in der einen und eine Pistole in der anderen Hand.
"Au Scheiße", sagte der Fahrer als er das sah. "Wenn Sie jetzt nicht aussteigen, dann ist es zu spät."
"Hm?", war Haralds einzige Reaktion, der auf die andere Straßenseite geschaut hatte und daher gar nicht mitbekam, wie die beiden Maskierten in das Auto stiegen.
"Sekunde mal", sagte Harald empört zu dem Mann, der sich zu ihm auf die Rückbank gesellte. "Das ist mein Taxi, und ich bin wirklich nicht gewillt es mit Ihnen zu teilen".
"Peter", brüllte der Maskierte von der Rückbank den Fahrer an. "Wer zur Hölle ist der Kerl?"
"Ich weiß es nicht, Heinz", versuchte der Fahrer sich zu erklären. "Der ist hier einfach eingestiegen und will das Auto nicht mehr verlassen. Der scheint es für ein Taxi zu halten".
"Raus hier", sagte Heinz zu Harald.
"Zwingen Sie mich doch, guter Mann."
"Ich sagte raus hier", wiederholte Heinz und hielt Harald seine Pistole an den Kopf.
Das schien Harald kein bisschen zu beeindrucken. Gelangweilt schaute er an der Waffe vorbei und in die, durch zwei Löcher sichtbaren, Augen von Heinz, deren Ausdruck schnell von Wut zu Unsicherheit wechselte.
"Wollen Sie wirklich sterben?"
"Wenn ich zu spät zum Essen komme wird meine Frau wütend. Da empfinde ich es als deutlich angenehmer, wenn Sie mich einfach gleich hier erschießen würden".
"Der meint das wirklich ernst", brüllte der Fahrer.
"Das sehe ich auch", antwortete Heinz.
"Man, die Polizei ist gleich da. Fahr einfach los", meldete sich der Maskierte auf dem Beifahrersitz, der bisher geschwiegen hatte, zu Wort. "Nehmen wir ihn halt als Geisel".
Und mit diesen Worten legte Peter den ersten Gang ein und trat aufs Gaspedal. Er wurde immer schneller und schlängelte sich durch den dichten Verkehr, während hinter ihnen Sirenen ertönten die immer lauter wurde.
"Verdammte Scheiße", schrie Heinz. "Die sind uns schon auf den Fersen".
"Kein Wunder", entgegnete ihm Harald. "Das hier ist eine fünfziger Zone und Sie, guter Mann, fahren mehr als achtzig. Ich habe zwar gesagt, dass ich es eilig habe, aber wir wollen es doch nicht gleich so übertreiben".
"Halt die Fresse, halt die Fresse, halt die Fresse", schrie Heinz und fuchtelte mit der Pistole herum.
"Sie könnten durchaus etwas freundlicher zu mir sein, immerhin bin ich bereit Sie auf meine Kosten mitzunehmen".
Heinz, der kurz davor war den Verstand zu verlieren, versuchte dies zu vermeiden, indem er Harald einfach ausblendete.
"Gregor", sagte er zu dem mittlerweile ebenfalls demaskierten Mann auf dem Beifahrersitz. "Wie viel hast du eigentlich in der Tasche".
"Ich weiß es nicht", sagte Gregor und wühlte ein wenig in den Geldbündeln umher. "Zweihundertausend werden es wohl mindestens sein, und bei dir?"
"Ich tippe auf Dreihuntertausend. Nicht schlecht, jetzt müssen wir nur noch die Bullen abhängen. Peter, gib dir Mühe."
"Ich geb hier schon mein Bestes", rief Peter, während er eine scharfe Rechtskurve machte, bei der er zwei Bahnen schnitt.
"Meine Herren, jetzt bin ich doch neugierig geworden", sagte Harald, als er sich nach der Kurve wieder aufgerichtet hatte. "Sie scheinen einen wirklich guten Zinssatz bei der Bank zu haben. Würden Sie mir eventuell verraten, wo ich den auch bekommen könnte? Ich vermute mal, mit einem einfachen Sparbuch ist es da nicht getan, oder?"
"Du musst nur mit der richtigen Kreditkarte abheben", sagte Gregor mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
"Mit einer Kreditkarte? Ich schätze ich verstehe nicht so ganz was Sie damit meinen."
"Na, du brauchst halt eine mexikanische Kreditkarte", sagte Gregor und fuchtelte dabei demonstrativ mit seiner Pistole umher.
"Also ich bin ja wirklich nicht vom Fach", sagte Harald nach kurzer Überlegung. "Aber meines Erachtens nach, sieht das eher wie eine Schusswaffe aus."
"Ja eben. Das ist ja der Witz dahinter."
"Nun, dann schätze ich wir haben sehr unterschiedliche Ansichten von Humor. Wissen Sie wie ein richtiger Witz geht? Passen Sie mal auf. Also, ein Katholik, ein Protestant und eine Hure gehen in eine Bar..."
"Halt deine dämliche Fresse", brüllte Heinz ihn an. "Niemand will hier irgendwelche dummen Witze von dir hören. Und Gregor, hör auf dich mit dem Verrückten anzufreunden. Den schmeißen wir raus, sobald es die Möglichkeit gibt."
Doch ein Blick aus dem Rückfenster machte deutlich, dass diese Möglichkeit noch etwas in der Ferne lag, denn die Polizei kam immer näher und auch aus den Seitenstraßen stießen weitere Einsatzfahrzeuge hinzu.
"Hier ist ja was los", sagte Harald und betrachtete die ganzen Polizeifahrzeuge. "Ist die Kanzlerin zu Besuch?"
"Leute, ich habe mal kurz nachgedacht", sagte Peter während er das Auto in eine Fußgängerzone lenkte.
"Du sollst nicht denken, konzentrier dich auf die Straße", rief Heinz.
"Mache ich ja", sagte Peter und überfuhr dabei fasst eine Gruppe von Touristen. "Aber es gibt ein Problem. Der Alte hat jetzt unsere Gesichter gesehen. Außerdem kennt er unsere Vornamen. Ich glaube wir können ihn nicht einfach so freilassen."
"Da hat er recht", sagte Gregor. "Wenn der den Bullen hilft, dann sind wir geliefert."
"Hilft wohl nichts", sagte Heinz und schaute Harald böse an. "Wenn es soweit ist, dann werden wir ihn töten."
"Sagen Sie mal", fragte Harald, der Geistesabwesend auf die Straße schaute. "Sind Sie sich auch sicher, dass Sie hier überhaupt entlang fahren dürfen?"
Das Auto fuhr nun etwas langsamer, Peter ruderte wie ein Wahnsinniger am Lenkrad um den Passanten auszuweichen. Ein Banküberfall war eine Sache, aber er wollte sich nicht auch noch einen Unfall mit Todesfolge zu Schulden kommen lassen. Sie erreichten das Zentrum der Innenstadt und fuhren nun, dicht gefolgt von den ebenfalls langsamen Polizeiwagen, über den Wochenmarkt. Es gab nicht viel Platz zwischen den einzelnen Ständen, weswegen die meisten Besucher aus Panik in die Auslagen sprangen. Der eine oder andere Obstkorb geriet unter die Räder und deren Inhalt wurde dabei lautstark zermatscht.
"Ach, schau mal einer an", sagte Harald der etwas gelangweilt aus dem Fenster schaute. "Die Erdbeeren sind heute aber wirklich günstig. Schade, dass wir es so eilig haben."
"Verdammte Scheiße, Peter", brüllte Heinz. "Du musst hier raus und wieder auf die Straße zurück."
"Ich weiß, ich weiß. Ich hatte mir das auch nicht so vorgestellt."
Gerade als sie den Markt wieder hinter sich gelassen hatten und durch die Einkaufsstraße fuhren, klingelte plötzlich ein Handy. Die Drei Bankräuber schauten sich irritiert an, während Harald in seiner Hosentasche kramte.
"Oh je, das ist meine Frau", sagte er und drückte auf eine Taste. "Hallo, meine Liebe. Was kann ich für dich tun."
"Wo bleibst du, zum Donnerwetter? Das Essen wird noch kalt."
"Mach dir keine Sorgen, ich sitze bereits im Taxi. Es kann nicht mehr weit sein. Was? Ja, natürlich."
Er hielt das Handy nach vorne und sagte zu Peter: "Meine Frau, sie möchte gerne mit Ihnen sprechen."
"Äh, was?", fragte Peter und nahm überrascht das Handy entgegen. "Hallo?"
"Sind Sie der Fahrer?", fragte die Frau mit krächziger Stimme.
"Ja, warum?"
"Hören Sie. Mein Mann klingt ein wenig seltsam, ich befürchte er hat seine Tabletten heute nicht genommen, dann ist er manchmal etwas durch den Wind. Er hat Ihnen doch die richtige Adresse genannt, oder? Bachstraße 120."
"Nein, dann hat er mir die falsche genannt", sagte Peter, der sich fragte, warum er überhaupt mit ihr redete.
"Jetzt wissen Sie ja die Richtige. Also los und beeilen Sie sich, sein Essen wird kalt."
Damit hatte sie aufgelegt. Peter reichte das Handy wieder nach hinten, wo Harald es mit den Worten "Besten Dank, mein Guter", entgegen nahm und zurück in seine Tasche steckte. Die Fußgängerzone erstreckte sich immer noch in einer langen Straße vor ihnen und schien kein Ende zu nehmen, weswegen Peter es wagte etwas schneller zu fahren. In den Häuserschluchten schalte der Lärm der Motoren, der schreienden Menschen und der lauten Sirenen. Gregor zündete sich nervös zwei Zigaretten an und gab eine davon an Heinz weiter, der sie in aller Ruhe entgegennahm und genüsslich daran zog.
"Was für ein furchtbarer Lärm hier doch herrscht", sagte Harald und massierte sich die Schläfen. "Könnte man vielleicht das Radio anmachen um ihn zu überdecken?"
Peter schaltete das Radio ein und suchte einen Sender.
"Warum zum Teufel hörst du auf ihn?", fragte Heinz verwundert.
"Äh, also, ich weiß nicht. Weil er freundlich danach gefragt hat?"
"Pssst. Hört euch das mal", sagte Gregor und deutete auf das Radio.
Von dort hörte man die Stimme einer Nachrichtensprecherin, die gerade von ihnen berichtete.
"Anscheinend sind vier Verdächtige in dem Fahrzeug, welches Gerade mit gefährlicher Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone rast. Seien Sie also vorsichtig und bleiben Sie, wenn möglich, in den Gebäuden. Wir halten Sie auf dem Laufenden."
"Was sind das nur für Menschen, die durch eine Fußgängerzone fahren?", fragte Harald mit einer Spur Empörung in seiner Stimme. "Das ist doch lebensgefährlich."
"Gut so", sagte Heinz, der durch das Rückfenster schaute. "Die Bullen trauen sich nicht, hier so schnell zu fahren. Die sind wir bald los."
"Das kann ihnen auch egal sein", sagte Gregor. "Vor uns liegt eine Straßensperre."
Und tatsächlich. Am Ende der Straße standen Polizeiwagen in zwei Reihen und blockierten so den ganzen Ausgang.
"Da kommen wir doch nie durch. Was machen wir denn jetzt?", fragte Gregor und zog hastig an seiner Zigarette.
"Die Straße ist gesperrt?", fragte Harald. "Wahrscheinlich wieder irgendwelche Bauarbeiten. Ich empfehle Ihnen, die nächste rechts abzubiegen und dann die übernächste links, so sollten wir daran vorbei kommen."
"Er hat recht", sagte Peter erstaunt. "Da vorne rechts gibt es eine kleine Gasse."
"Dann fahr da rein. Den Versuch ist es wert", sagte Heinz.
Peter lenkte das Auto erst ein wenig nach links um dann trotz der hohen Geschwindigkeit in die Gasse abbiegen zu können. Es war eine sehr enge Kurve und für einen kurzen Moment schien es so, als hätten nur noch die beiden linken Reifen Bodenkontakt.
Als sie die Kurve hinter sich gelassen hatten und wieder normal weiter fuhren, schnallte Harald sich an.
"Meine Herren", sagte er dabei. "Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich ebenfalls anzuschnallen."
Doch sein Vorschlag blieb ungehört. Die Gasse war eng und dunkel, es gab gerade genug Platz für das Auto um nicht stecken zu bleiben, auch wenn sie dabei so manchen Mülleimer erwischten. Wie Harald gesagt hatte, fuhren sie die zweite Straße links hinaus und ließen die Fußgängerzone damit endlich zurück, hier waren sie wieder auf einer normal befahrenen Straße am Rande des Stadtzentrums.
"Ah, hier kenne ich mich wieder aus", sagte Harald triumphierend. "Von hier aus ist es nicht mehr weit, bis zu mir nach Hause."
"Wie oft denn noch, wir fahren nicht zu dir nach hause.", sagte Heinz der mit den Nerven so langsam am Ende war.
"Sie wollen zuerst abgesetzt werden? Na von mir aus, aber nur unter Protest."
Aufgrund ihrer riskanten Fahrweise in der Fußgängerzone und dem allgemein rücksichtslosen Verhaltens während des Banküberfalls, entschied die Polizei sich nun dazu, zu härteren Methoden zu greifen. Erst gab es einen Warnschuss aus einem Polizeiwagen hinter ihnen, der neben ihnen auf dem Asphalt abprallte. Da dies nicht zu helfen schien, feuerten sie einen zweiten Warnschuss ab. Geplant war, dass auch dieser nur daneben ginge, doch weil der Fahrer des Polizeiwagens in dem Moment einen Schlenker machte, verzog der Schütze seine Pistole und schoss genau durch die Heckscheibe des Wagens, in welcher nun ein Loch, umgeben von sich verlängernden Rissen war.
"Scheiße, die schießen auf uns", sagte Gregor und rutschte auf seinem Sitz nach unten. "Die meinen es wirklich Ernst."
"Schon gut, wir schaffen das. Peter, fahr nicht nur geradeaus, lenk hin und her, damit wir einen schwereres Ziel abgeben", sagte Heinz, der aber ebenfalls etwas nach unten rutschte.
"Sagen Sie, meine Herren. Irre ich mich, oder zieht es hier plötzlich wie Hechtsuppe?", fragte Harald und zog den Kragen seiner Jacke etwas höher.
In Schlangenlinien fuhr Peter das Auto weiter aus der Stadt heraus, verfolgt von weiteren Polizisten, die das Feuer aufgrund des dichten Verkehrs mittlerweile wieder eingestellt hatten. Harald wunderte sich ein wenig, weil sie sich immer weiter von der Straße, in der er wohnte, entfernten.
"Entschuldigen Sie, aber ich denke wir haben uns verfahren", sagte er und schaute dabei mit suchendem Blick aus dem Fenster.
"Halt einfach die Fresse. Wie oft denn noch?", brüllte Heinz und zündete sich zur Beruhigung eine Zigarette an. "Peter, wir werden die Bullen einfach nicht los."
"Keine Sorge, ich habe eine Idee", sagte Peter und fuhr mit dem Wagen auf die Autobahnausfahrt.
"Also jetzt fahren wir aber wirklich in die ganz falsche Richtung", sagte Harald, als sie auf der Autobahn waren.
"Wir oft denn noch? Ich will von dir nichts mehr hören", schrie Heinz und fuchtelte mit seiner Hand vor Haralds Gesicht herum.
Dieser schlug vor Schreck gegen dessen Hand, sodass Heinz die Zigarette los ließ und diese mit ungeahnter Präzision an Peters Gesicht vorbei flog, wobei etwas Asche in sein Auge kam.
"Scheiße", brüllte dieser und kniff sich vor Schreck die Augen zu.
Aus Reflex ruderte er das Lenkrad unkontrolliert in beide Richtungen. Gregor wollte ihm helfen und griff ins Lenkrad. Leider zum falschen Zeitpunkt, denn so geschah es, dass sie beide gleichzeitig mit voller Kraft das Lenkrad nach rechts drehten, während der Wagen mit über hundert Sachen fuhr. Das Fahrzeug brach nach rechts aus und fing sofort an, sich mehrmals zu überschlagen. Nach mehreren Metern kam es auf den Reifen wieder zum stehen. Nur Harald war unversehrt geblieben und schaute irritiert in die blutigen und schmerzverzerrten Gesichter der Anderen.
"Und ich sage noch Sie sollten sich lieber anschnallen. Aber wer nicht hören will, na, Sie wissen ja, wie der Satz zu ende geht."
Doch das einzige was ihm entgegnet wurde war Stöhnen und Gemurmel. Die Sirenen wurden wieder lauter und kurz darauf war die Polizei dabei die Unfallstelle abzusichern.
Es dauerte nicht lange, bis ein blonder, junger Wachtmeister erkannt hatte, dass Harald keiner von den Bankräubern, sondern ein etwas verwirrter alter Mann war. Während er Harald fragte, was genau passiert war, wurden die drei Verletzten auf Barren gelegt und zu den Krankenwagen gerollt.
"Warten Sie bitte kurz", sagte Harald und ging zu der Barre auf der Peter lag. Er griff in seine Tasche, holte seine Geldbörse heraus und legte ein paar Scheine auf den blutigen Körper von Peter. Dabei sagte er: "Damit wir uns nicht missverstehen, junger Mann. Wirklich verdient haben Sie sich ihr Trinkgeld eigentlich nicht."
Wenige Minuten später saß er hinten im Streifenwagen und wurde nach Hause gefahren, als sein Handy wieder klingelte. Es war seine Frau. Da er sich gezwungen sah, sich vor ihr zu rechtfertigen, schaltete er es auf Lautsprecher, in der Hoffnung der Polizist würde sein Zeuge sein.
"Hallo, meine Liebe, ich..."
"Wo bleibst du? Ich warte hier und mache mir Sorgen."
"Es gab ein Problem mit meinem Taxi und..."
"Erzähl mir doch keine Ausreden."
"Entschuldigen Sie", mischte der Wachtmeister sich ein. "Ihr Mann hat dabei geholfen ein paar Bankräuber aufzuhalten. Er ist ein wahrer Held der..."
"Ein Held?", krächzte es aus dem Lautsprecher. "Der ist einfach nur ein Idiot. Harald, dein Essen ist schon kalt. Komm du mir mal nach Hause, dann werde ich dir aber mal zeigen was für ein Held du bist."
"Schatz, ich kann jetzt nicht ich..."
"Wage es ja nicht aufzulegen, ich bin noch lange nicht fertig mit dir du..."
Harald hielt es für das Beste ihr das erste mal seit Jahren nicht zu gehorchen und legte auf. Schnaufend und mit finsterer Miene steckte er das Handy wieder weg.
"Klingt ja nicht sehr angenehm", sagte der Polizist, dem keine besseren Worte dafür einfielen.
"Sagen Sie mal, Herr Wachtmeister", sagte Harald nachdenklich. "Was genau müsste ich Ihnen eigentlich antun, damit Sie sich gezwungen sähen mich auf der Stelle zu erschießen?"