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Die Erwartung

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27.07.2003
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Die Erwartung

Sie stand vor dem Fenster und blickte hinaus. Noch drei waren vor ihr. Die Annahme an der Musikhochschule war sehr wichtig für sie. Sie umklammerte fest den Griff ihres Klarinettenkoffers. Die Tür des Vorspielraumes ging auf. Sie drehte sich um. Ein junger Mann mit hängenden Schultern kam heraus. NICHT BESTANDEN, das konnte sie sofort sehen. Ein blondes Mädchen erhob sich mit ihrer Geige in der Hand - nur noch zwei.
Sie musste an ihren achten Geburtstag denken. Wie sehr hatte sie sich damals doch eine Geige gewünscht und wie enttäuscht sie war, als sie eine Klarinette auf ihrem Geburtstagstisch fand. Zuerst konnte sie sich nicht so richtig damit anfreunden. Sie musste lachen, als sie jetzt daran dachte. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert bis die ersten Erfolge zu erkennen waren.
Sie wurde durch das Quietschen der Tür aus den Gedanken gerissen. Das blonde Mädchen kam strahlend heraus - BESTANDEN. Nur noch einer vor ihr. Das Mädchen wurde von einer älteren Frau in Empfang genommen. Das erinnerte sie an ihre Großmutter.
Die Großmutter hatte immer an sie geglaubt, sie aufgemuntert und unterstütz, wenn sie schon aufgeben wollte. Nun war sie gut sechs Monate tot und sie vermisste sie furchtbar. Sie hätte sie so gerne für ihre Bemühungen mit der Annahme bei der Musikhochschule belohnt. Jetzt wird ihre Großmutter es nicht mehr erleben, wenn sie überhaupt angenommen wird.
Es bildeten sich Tränen in ihren Augen. Die Tür öffnete sich wieder und der junge Mann, der vorhin mit seiner Gitarre hereingegangen war, kam heraus. Er machte das Siegeszeichen –BESTANDEN. In zehn Minuten würde sie dran sein. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage. Eine junge Frau war noch vor ihr dran. Sie vernahm Klavierklänge aus dem Zimmer – Mozart.
Noch neun Minuten. Oh, ein Fehler, er war deutlich zu erkennen gewesen. Das würde die Absage sein – auf so kleine Details wurde immer geachtet. Leise summte sie die Melodie mit.
Noch acht Minuten. Sie blickte sich auf dem Flur um. Er war leer und es war völlig leise. Die Klavierklänge vermischten sich mit leisen Tönen einer Flöte und Violine, die den Flur weiter runter gespielt wurden.
Noch sieben Minuten. Ihre Hände klammerten sich so fest um den Henkel des Klarinettenkoffers, dass sie ganz weiß wurden.
Noch sechs Minuten. Was würde sie machen, wenn sie nicht angenommen würde? Sie hatte ihr Abitur nicht besonders gut gemeistert – außer Musik: eins.
Noch fünf Minuten. Alle würden enttäuscht sein und sie selbst am meisten. Ihre Hände zitterten.
Noch vier Minuten. Sie ging die zwei Stücke, die sie vorspielen wollte, in Gedanken noch einmal durch – Bach und Mozart.
Noch drei Minuten. Sie fühlte sich so verlassen und einsam. Niemand war da um sie aufzumuntern – ach, Großmutter.
Noch zwei Minuten. Sie betrachtete den Sekundenzeiger, der sich viel zu langsam auf dem Ziffernblatt zu bewegen schien.
Noch eine Minute. Sie lauschte wieder den Klavierklängen, die plötzlich verstummten, nicht mehr lange und.....
Die Tür ging auf und der junge Mann kam heraus. Er sah enttäuscht aus – NICHT BESTANDEN. Nun war sie an der Reihe. Sie ging langsam auf die offene Tür zu und betrat den Raum. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

 

Hallo Zora!
Erst einmal ein herzliches Willkommen hier auf kg.de! :)

So, kaum gepostet, kriegst du gleich ne Antwort ;)
Ich mag deine Geschichte. Sie ist gut geschrieben, man fiebert geradezu mit, hofft, dass es klappt.
Normalerweise empfinde ich kurze, abgehackte Sätze als nicht besonders gelungen. Doch hier passt es sehr gut, denn es sind die Gedanken der Prot., und die sind in dieser Situation nun mal abgehackt.

Du beschreibst schön, wie sie die Minuten zählt, Kleinigkeiten bemerkt, nervöser wird, an die Vergangenheit (8. Geburtstag, Großmutter) denkt.

Gut finde ich auch, dass du offen lässt, ob sie nun angenommen wird oder nicht.

Eine Kleinigkeit habe ich allerdings zu bemängeln ;)

NICHT BESTANDEN, dass konnte sie sofort sehen.
Wieso schreibst du das in Großbuchstaben? Das stört mMn das Gesamtbild sehr.
Hier muss es "das" heißen.

Ich bin gespannt auf weitere Geschichten von dir! :)

bye und tschö

 

Hallo Zora,

die Geschichte ist wirklich nicht übel geschrieben, allerdings finde ich das Ende mehr schlecht als recht... Ich meine; ich dachte mir gleich, daß Du es offen läßt und als Du das dann tatsächlich gemacht hast, war ich ehrlich gesagt enttäuscht...
Ansonsten aber hast Du einen angenehmen Stil.

Grüßle,
stephy

 

hi zora

Da die Geschichte Erwartung heißt, will ich ihr im Gegensatz zu stephy das offene Ende nicht als Fehler anrechnen, da sie wahrscheinlich wirklich nur die Erwartung beschreiben soll. :)

Meiner Meinung nach machst du es dem Leser trotzdem etwas zu leicht. Man zittert zwar mit der Protagonistin, da du sehr gut schilderst, warum die Prüfung so wichtig für sie ist, aber gerade deswegen kann die Geschichte eigentlich kein Happy End haben, das wäre vermutlich einfach inkonsequent.

Außerdem halte ich einiges für nicht ganz realistisch.
Zum Beispiel, dass man wegen einem Fehler schon raus ist. Soweit ich weiß, achten die Prüfer bei Musikhochschulen mehr darauf, ob der Bewerber locker ist, wie er auftritt, und wenn er einen Fehler macht, wie gut er diesen überspielt. Schon allein deswegen hätte die Protagonistin vermutlich schlechte Karten ;)

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo Zora!

auch von mir ein herzliches Willkommen :)

Auch ich halte die Geschichte für recht gelungen, insgesamt recht gut und flüssig geschreiben, angenehm zu lesen. Das Ende finde ich in Ordnung. Besonders schön fand ich die Stelle, als sie in die Vergangenheit an die Großmutter zurückdenkt, gut gemacht.
Eins ist mir noch aufgefallen (die Großschreibung und "dass" hat moonshadow ja schon erwähnt):

"Ein blondes Mädchen erhob mit ihrer Geige in der Hand - nur noch zwei." - ...erhob SICH mit...

Du kannst diese Kleinigkeiten ja noch ausbessern mit dem "Bearbeiten"-Button unten rechts.

schöne Grüße
Anne

 

erst einmal großes Dank an eure Positive Kritik, ich bin nämlich meistens nie so überzeugt von meinen Geschichten
monnshadow: ich habe das "bestanden" bzw. "nicht bestanden" immer groß geschrieben, weil es mir für die Gefühlslage der Protagonistin wichtig erschien, damit sinkt und steigt ihre Hoffnung nämlich auf Erfolg bzw. Mißerfolg.
stephy: ich schreibe am liebsten geschichten mit offenem Ende, weil ich solche Geschichten auch am liebsten lese,da man so die Geschichte nich einfach weglegen kann, sondern darüber nachdenkt. In dem Fall hätte auch kein Happy End gepasst.
Wolkenkind: wahrscheinlich hast du recht bei der Aufnahme an einer Musikschule. Nur ich dachte mir so kann man am besten die Angst ausdrücken.
Maus: Danke schön, werde ich sofort erledigen.

 

hi zora,

ich habe das "bestanden" bzw. "nicht bestanden" immer groß geschrieben, weil es mir für die Gefühlslage der Protagonistin wichtig erschien,
damit würdest du als autor deine unfähigkeit zugeben, gefühlslagen nicht in worte fassen zu können. ein guter autor kommt ohne auffällige wortformatierungen aus.

ich schreibe am liebsten geschichten mit offenem Ende, weil ich solche Geschichten auch am liebsten lese,da man so die Geschichte nich einfach weglegen kann, sondern darüber nachdenkt.

auch hier, wie oben, denke ich, dass eine gute geschichte mit geschlossenem ende auch noch eine weile im kopf des lesers herumspukt. ein guter autor braucht diese art von hilfsmitteln nicht *smile*.
davon abgesehen halte ich das offene ende in dieser/deiner geschichte für geeignet, mit der begründung, die wolkenkind gegeben hat.

Nur ich dachte mir so kann man am besten die Angst ausdrücken.

dann tue es mit anderen worten.

"Ich schaue in ihr/sein unzufriedenes Gesicht - kein gutes Zeichen."

so zum beispiel

auch ich finde die kurzen sätze für angebacht - aber nur am ende. die kurzen sätze am anfang der geschichte sind einfach nur unpassend und führen nicht gut in die geschichte ein. lasse alles langsam angehen - das verwenden von kurzen sätzen muss aus längeren sätzen sich entwickeln.
die geschichte ist insgesamt etwas subtil - aber das schadet nicht, sie ist trotzdem gelungen. der countdown kam keinesweg kitschig herüber, wie der leser es hätte befürchten können.

fazit: eine durchaus solide geschichte, die aber feinschliff nötig hat.

bis dann

barde

Es bildeten sich tränen in ihren Augen.

"tränen" gross

der vorhin mit seiner Gitarre herein gegangen war, kam heraus.

"herein gegangen" zusammen

In 10 Minuten würde sie dran sein.

schreibe zahlen weitmöglichst aus

Sie vernahm Klavier vernahm Klavierklänge aus dem Zimmer – Mozart.
"vernahm Klavier" ist zu viel


@ wolkenkind

Außerdem halte ich einiges für nicht ganz realistisch.

es gibt in der prosaliteratur keinen anspruch auf realität.
allerdings in der sachliteratur.

 

Geschrieben von Barde


damit würdest du als autor deine unfähigkeit zugeben, gefühlslagen nicht in worte fassen zu können. ein guter autor kommt ohne auffällige wortformatierungen aus.

Ich glaube nicht, dass man die so sagen kann. ich kenne auch gute Bücher, die sich solcher Mittel bedienen wenn eine person zum Beispiel schreit. Außerdem sollte dies die gefühlslage nur unterstreichen. Aber vielleciht hast du ja recht und es ist wirklich etwas banal.

 

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