- Beitritt
- 03.04.2003
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Die endliche und die unendliche Überarbeitung
Titel frei nach Freud, Aufhänger des Threads ist dieses hier:
Interessante Sache. Warum eigentlich nicht?Geschrieben von sim
Ich gehöre ja auch eher zu den langsam arbeitenden Feilern und bin selten wirklich überzeugt. Nur daran würde auch die hundertste Überarbeitung dann nichts mehr ändern.
Ich hatte vor längerer Zeit mal dieses Phänomen, daß ich einen Text wieder und wieder überarbeitet habe und jedesmal, wenn ich ihn eine Woche lang liegen ließ und wieder draufschaute, fand ich neue Macken, die unbedingt überarbeitet werden mußten.
Ganz ist das immer noch nicht weg, aber es ist deutlich weniger geworden, seitdem ich einigermaßen regelmäßig schreibe.
Gerade habe ich mir noch mal meinen "Flugteufel" durchgelesen und ca. 12 Stellen gefunden, die ich so nicht stehen lassen kann. Vor vier Jahren wären es 120 gewesen.
Was ist der Grund dafür?
Wenn man etwas überarbeitet, dann tauscht man in dem Augenblick doch schwächere Formulierungen gegen bessere. Wieso bin ich oder du dann später nicht damit zufrieden? Und wieso erst später und nicht sofort?
Wäre es Weiterentwicklung, deren Einfluß arc sicher korrekt beschrieben hat, wäre das aber eine sehr rasante Weiterentwicklung.
Sicher, es gibt den Begriff der Distanz zum eigenen Text, der dann im Moment Null ist, aber was bedeutet das eigentlich?
Ich habe im Flugteufel z.B. gefunden, daß eine Prot. zweimal in nur wenigen Zeilen Abstand einen "spitzen Schrei" ausstößt. Unschöne Wiederholung. Wieso ist mir das bisher nie aufgefallen? Und da ein Satz mit einer völlig verknoteten Satzstellung. War ich besoffen, als ich ihn geschrieben habe?
Mir passiert es aber auch gelegentlich, daß ich mich mit dem Charakter einer Figur oder dem Plot verzettele.
Zur Zeit hänge ich in einem praktisch fertigen Roman an einer Stelle, die eigentlich nebensächlich ist, und dennoch kriege ich sie nicht geregelt. Ich hatte eine Prot., die von zu Hause auszieht. Das hat aber eigentlich nicht so recht zur Situation und ihrem Charakter gepaßt, ich habe es daher umgedreht: Die Prot. wird wegen ihrer schlechter schulischen Leistungen von ihrem Vater in ein Internat gesteckt. Das ist jetzt viel besser so, zwingt mich aber, darüber zu schreiben, was sie dort erlebt, und das will ich eigentlich gar nicht.
Ich schweife ab.
Die Frage, die ich mir und euch in diesem Thread stelle: Wieso kriegen wir in der Regel nicht hin, etwas so zu schreiben, daß es glatt ist, bzw. warum kriegen wir das nicht wenigstens in der ersten Überarbeitung hin. Wir wissen doch eigentlich, was wir wollen, oder? Warum machen wir das dann nicht einfach? Anders als beim Spielen eines Instrumentes müssen wir schließlich nicht "live performen", sondern können uns jeden Buchstaben einzeln überlegen.
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