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Die Elefanten wirken fröhlich

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11.11.2013
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Die Elefanten wirken fröhlich

Ich bin also stehen geblieben und lunger vor diesem blöden Schaufenster herum, aus dem mich die debilen, toten Augen nackter Schaufensterpuppen anschauen. Puppen, die weder Geschlechtsorgane noch Brustwarzen besitzen. Die haben sie nicht nötig. Ich zünde mir eine Zigarette an und blicke in Augen, die mich nicht wirklich sehen. Früher habe ich oft hier eingekauft, Hosen, Pullis und so, einmal sogar einen Schal - ich weiß nicht mehr, was ich mir dabei gedacht habe, denn ich trage nie Schals. Hinter mir höre ich ein Geräusch und ich drehe mich um. Eine Frau, beladen mit drei vollen Einkaufstüten, schnauft an mir vorbei, und ich inhaliere Rauch. Das ist der Geschmack der großen, weiten Welt. Sie schmeckt nach einem sinubronchialen Syndrom. Die Frau schnauft sich ihren Weg in eine unbekannte Zukunft; auf einer ihrer Einkaufstüten prangt das Logo von H&M. Gleich wird die Frau aus meinem Blickfeld verschwunden sein. Ich nehme noch einen Zug, dann werfe ich die Kippe auf den Boden und trete sie aus. Sie schmeckt mir gerade nicht. Rumstehen, ohne zu rauchen, fühlt sich allerdings falsch an - ich setze mich in Bewegung. Ein Fußmarsch ist die Pause zwischen zwei Zigaretten.
Die Gegend hier ist grau; die Straße sind grau, die Häuser grau, der Himmel grau, die Menschen grau. Graue Gesichter an grauen Körpern, die in grauer Kleidung stecken und graue Gedanken denken.
Neben mir hupt ein Auto, doch ich hupe nicht zurück. Mittlerweile bin ich in der Straße, in der Arne wohnt; ich habe es nicht bemerkt, dass ich hierhergelaufen bin. Da ich schon mal hier bin, gehe ich zu Arnes Haus, betätige die Klingel und warte. Ich darf das, also klingeln, aber ich bin auch kein normaler Kunde. Normale Kunden müssen per Handy kurz anrufen, nur einmal läuten lassen, das ist wichtig, dann weiß Arne, dass unten jemand steht. Wenn die Tür geöffnet wird, geht der Kunde in die Wohnung hoch, setzt sich auf die Couch und muss für mindestens dreißig Minuten dort sitzen bleiben, damit die Nachbarn sich nicht wundern, dass ständig Leute ein und aus gehen oder irgendwie so. Ich habe es nie ganz verstanden. Jedenfalls - dann wird erstmal einer gebaut, während der Fernseher meist Tierdokus zeigt. Löwen, die Gnus jagen und so ein Zeug. Wenn man länger dort sitzt und genug gekifft hat, dann identifiziert man sich manchmal irgendwann mit einem der Tiere; ob mit einem der Löwen oder mit einem Gnu - das ist wohl eine Sache der eigenen Persönlichkeit. Aber vielleicht geht es auch nur mir so. Der Türdrücker summt nun und ich gehe ins Treppenhaus, die Treppen hoch und ich sehe Arne, der im Türrahmen steht und sich die Nase reibt. Sein Gesicht ist ausdruckslos wie immer. Er trägt eine Jogginghose und ein Donald-Duck-T-Shirt. Wortlos macht er mir Platz und ich betrete die Wohnung. Er geht zur Couch und setzt sich.
"Tag", sage ich und schließe die Tür.
"Grüß dich."
Ich nehme neben ihm Platz, drehe mich zum Fernseher und sehe, wie ein Elefant versucht, einen kleinen Hügel hinauf zu steigen.
"Hast du schon alles weggeraucht?", sagt Arne.
"Was?" Der Elefant müht sich ab. "Nein, war nur zufällig in der Gegend."
"Wieder spazieren gewesen?"
Nun versucht ein anderer Elefant zu helfen. "Sozusagen."
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Arne sich zu mir hin dreht. "In letzter Zeit bist du echt verplant, Alter. Und ständig läufst du sinnlos durch die Gegend." Er dreht sich wieder weg.
"Hab wohl so 'ne Phase."
"Ist es wegen Julia?"
Der Elefant schafft es endlich. "Ne."
"Mh, mh."
"Hat keinen besonderen Grund", sage ich.
Arne erhebt sich. "Wohl eine allgemeine Sinnkrise." Er geht zum Schrank, macht ihn auf und nimmt einen Beutel heraus. Er geht zurück zur Couch.
"Weiß nicht", sage ich.
Er nimmt die Papers, die auf dem Tisch gelegen haben, nimmt einen Flyer und beginnt, eine Tüte zu bauen. "Aber was ist nun mit Julia?"
"Was soll sein?"
Er dreht immer inside-out, so, dass das überstehende Papier am Ende abgerissen wird. "Na, die hat dich ja übel abblitzen lassen."
"Is mir egal", sage ich. Aber das stimmt nicht. Nur: Was bringt es mir, darüber zu reden? Ist nicht mein Ding.
Arne lacht. "Na denn."
Er kennt mich lange genug, dass er weiß, es ist sinnlos, weiter zu bohren. Bei einem Konzert vor zehn Jahren bin ich ihm das erste Mal begegnet, es war irgendein Punk-Konzert, und die Band, die dort gespielt hat, ist so underground gewesen, dass sich niemand mehr an ihren Namen erinnert. Irgendwas mit Genozid oder so, was weiß ich. Arne hat die ganze Zeit abwechselnd Bier getrunken und gekifft, und irgendwann hat er auf einen Verstärker gekotzt.
Nun zündet er die Tüte an und nimmt einen tiefen Zug.
Ich starre wieder auf den Bildschirm. Die Elefanten planschen gerade in einem Wasserloch und wirken fröhlich. Die tägliche Abkühlung im Wasserbad ist laut des Kommentators wichtig für die Tiere; da es dort, wo sie leben, ja so heiß ist. Sie schlagen mit ihren Rüsseln auf die Wasseroberfläche, das Wasser spritzt.
"Rüssel sind cool", sage ich.
Arne reicht mir die Tüte. Ich lehne ab. Er zuckt mit den Schultern - jedenfalls tut er das meistens in solchen Fällen.
"Schon", sagt er. "Rüssel sind cool."
Auf der ständigen Suche nach Nahrung sind Elefanten fast immer in Bewegung. Sie müssen sich auch in schwierigem Gelände bewegen können und entwickeln dabei trotz ihrer Körpermasse eine erstaunliche Sicherheit.
"Es können doch nicht ständig Tierdokus im Fernsehen laufen", sage ich.
"Mh?"
"Fast immer, wenn ich hier bin, laufen Tierdokus."
Arne nimmt einen weiteren Zug. "Ja, und?"
"Die können doch nicht immer laufen." Ich schaue ihn an.
Nun zuckt er zweifelsfrei mit den Schultern. "Laufen oft welche."
Ich wende mich wieder dem Bildschirm zu. Das Schlammbad ist ein wichtiger Bestandteil der Routine, sagt der Kommentator.
"Was machst du gerade eigentlich so?", sagt Arne.
"Nix."
"Hängst nur so rum?"
Alle drei Tage brauchen die Tiere die Flasche. Auch nachts. "Schon."
"Wird das nicht öde?"
Ich antworte nicht.
Nach einer Weile sagt er: "Elefanten sind krasse Tiere."
Ich nicke. Ob er es bemerkt hat, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal.
Arne nimmt noch einen Zug, dann legt er die halb gerauchte Tüte in den Aschenbecher. "Elefanten", sagt er.
Es ödet mich an. Ich stehe auf.
"Willst wieder gehen?"
"Ja", sage ich. "Brauch was zu trinken."
"Nimm dir halt ne Cola aus dem Kühlschrank."
Ich gehe zur Wohnzimmertür. "Ne, muss einkaufen."
Arne schaut mich an, dann schaut er wieder zum Bildschirm und sagt: "Okay."
Ich verlasse das Haus und trete auf die Straße. Ich muss wirklich einkaufen. Das ist eigentlich auch der Grund, weshalb ich heute überhaupt rausgegangen bin. Eben ist es mir wieder eingefallen. Hunger habe ich auch. Beim Rewe gibt es diese Gyros-Reis-Pfanne, die ist okay, die kann man kaufen. Oder ich kaufe Hackfleisch. Wenn man nicht weiß, was man kochen soll, kauft man Hackfleisch. Denn Hackfleisch geht immer, außer man ist Vegetarier oder Veganer. Also Hackfleisch, Cola, irgendein Maggi-Fix, vielleicht auch Bier. Hauptsache Hackfleisch.
Jemand rempelt mich an; ich schaue auf, doch die Person ist schon an mir vorbeigegangen. Ich drehe mich um und sehe einen Typen mit Glatze eilig davon hetzen. So ein Wichser. In dieser Stadt wimmelt es von Wichsern, die sind überall. Sie fahren den Bus, mit dem man zum Bahnhof fährt, sie geben einem den Burger, den man bestellt hat, sie klingeln an der Tür, um die Heizung abzulesen. Und immer haben sie auch dieses Gesicht, diesen Blick, bei dem man sofort weiß, ah, ein Wichser. Und Wichser waren es, die das Straßengewirr geplant haben, durch das ich mich kämpfen muss. Das Gefüge ergibt keinen logischen Sinn und überall sieht es gleich aus.
Der Rewe erscheint vor mir als ein hässliches Gebilde. Über dem Eingang steht, eingebettet in ein Bild, das diverses Gemüse zeigt: Frisch aus deiner Region. Ich brauche keinen Einkaufswagen. Ich gehe durch die Gänge und packe mir eine große, rote Paprikaschote, Maggi-Fix-für-Bauerntopf-mit-Hackfleisch und eine Flasche Cherry-Coke. Kartoffeln habe ich noch zu Hause, fällt mir ein. An der Fleischtheke lasse ich mir 250g Rinderhack geben und die Frau, die mich bedient, schaut mich freundlich an. Sie wünscht mir einen schönen Tag. Ich erwidere irgendetwas und gehe weiter.
An der Kasse warten schon zwei Leute - ich stelle mich an. Vor mir steht eine alte Frau, die zwei Köpfe kleiner ist als ich, und vor ihr ein Typ, der eine Warze am Nacken hat. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass Warzen mitunter ansteckend sind. Und dass sie Epithel-Geschwulste der oberen Hautschicht sind. Wenn mir langweilig ist, surfe ich oft auf Wikipedia. Während ich versuche, nicht an Feigwarzen am Anus zu denken, fällt mir das Tütchen mit dem Hackfleisch aus den Händen. Ich hebe es wieder auf.
Der Mann mit der Warze packt nun seine Sachen ein und die kleine, alte Frau tritt vor und kramt in ihrer Handtasche. Ich rücke nach. Auf dem Förderband liegen Äpfel, eine Packung Milch, Merci und Speck. Komischer Einkauf. Ich lege meinen Kram auf das Band und die Frau sucht mühsam Kleingeld zusammen. Sie braucht ewig. Ich hoffe, dass ich, wenn ich alt bin, nicht so eine Person werde. Falls ich überhaupt alt werden sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, alt zu sein; wie ich gebückt herumlaufe, mich über spielende Kinder aufrege; wie ich in meinem Wohnzimmer hocke, das seit gut dreißig Jahren nicht tapeziert wurde, obwohl ich so viel rauche. Endlich hat die Frau es geschafft zu bezahlen. Ich hole meine Brieftasche aus der Hosentasche.
Die Kassiererin zieht die Waren über den Scanner und sagt: "Vier Euro vierundneunzig."
Ich zähle mein Geld und stelle fest, dass ich nur vier Euro dabei habe. Drecksscheiß.
"Ich habe nur vier Euro", sage ich.
Die Kassiererin schaut mich an und wendet sich wieder ab. "Dann müssen Sie wohl etwas zurück legen."
Es ist mir peinlich. Ich drehe mich um. Hinter mir steht ein fetter Mann mit Schweinsgesicht, der mich spöttisch angrinst. So ein Wichser.
"Was grinsen Sie so blöd?" Ich frage das viel zu laut; es fällt mir auf und es ist mir unangenehm.
Der Wichser mit dem Schweinsgesicht schaut mich verwirrt an. Er scheint empört zu sein. "Was erlauben Sie sich?"
"Nein, was erlauben Sie sich?", sage ich.
Das Gesicht des Typen läuft rot an. "Was -", beginnt er, doch ich lass ihn nicht ausreden.
"Das pisst mich an", unterbreche ich ihn. Die anderen Kunden schauen mich seltsam an.
Ich drehe mich zu der Kassiererin. Ihre Augen zucken hin und her.
"Ich stelle die Cola zurück", sage ich.
Ich gehe los und drehe mich nicht um. Als ich die Getränkeabteilung erreiche, stelle ich die Cherry-Coke zurück an ihren Platz. Dann kehre ich zurück zur Kasse. Vor mir hat sich eine längere Schlange gebildet und ich warte. Der Typ mit dem Schweinsgesicht geht gerade zum Ausgang.
Als ich dran bin, bezahle ich und verlasse den Laden.
Ich gehe zügig durch die Straßen. Das Maggi-Fix und das Hackfleisch habe ich in meiner Jacke verstaut, die Paprika halte ich in den Händen. Das sieht sicher seltsam aus. Ich passiere einen Typen, der in sein Smart-Phone vertieft ist. Mittlerweile ist es früher Abend und Leute, die von ihrer Arbeit nach Hause kommen gehen umher. Eine junge Frau unterhält sich lautstark mit einem Typen, den sie Kevin nennt. Die Frau hat eben gesagt: Der Hund ist nicht mit Absicht böse, Kevin. Mehr habe ich nicht verstanden, nur diesen Satz. Kevin und die Frau verschwinden nun aus meiner Realität. Vor mir liegt der Heimweg. Ich habe eigentlich keine Lust auf Bauerntopf.
Die Straßenlaternen haben sich gerade eingeschaltet. Das hat mich überrascht. Ich glaube, ich habe noch nie bewusst gesehen, wie sie sich eingeschaltet haben. Hier in dieser Straße leuchten sie orange. Natriumdampf-Orange. Ich habe mal gelesen, dass Natriumdampflampen weniger Insekten anziehen aufgrund ihres Farbspektrums.
Ich komme mir albern dabei vor, mit einer Paprikaschote in der Hand durch die Straßen zu laufen. Spontan betrete ich den Eingang zum Park, da ich gerade darauf zugelaufen bin. Der Kies knirscht unter meinen Turnschuhen. Ich passiere einen Basketballkorb am Wegesrand, der auf einem kleinen abgetrennten Platz steht. Der Boden dort besteht ebenso aus Kies; wohl damit sich spielende Kinder bei einem Korbleger leichter auf die Fresse legen können. Komisch, dass der Basketballring noch dran ist. Meist überleben die nicht lange in freier Wildbahn.
Ich blicke wieder nach vorne; ein Stück weiter entfernt stehen Bänke, die ich nur schemenhaft erkenne. Es ist recht dunkel geworden. Als ich näher komme, sehe ich, dass jemand auf einer der Bänke sitzt. Die Person blickt anscheinend auf - ich kann es nicht genau sagen. Wenn ich nun ein Räuber wäre - Räuber; wer benutzt denn heutzutage noch das Wort Räuber? Räuber und Halunken, Schurken und Ganoven. Taugenichtse. Jedenfalls kann ich nun erkennen, dass die Person eine Frau ist. Sie hält eine Handtasche umklammert. Ich schätze die Frau auf ungefähr sechzig. Sie schaut mich an, als ich die Bank erreiche, doch sie sagt nichts. Ich setze mich neben ihr hin. Die Paprika halte ich vor mir auf dem Schoß wie eine Trophäe. Der erste Preis eines Wettbewerbs, an dem außer mir niemand teilgenommen hat.
"Guten Abend", sage ich, ohne sie anzuschauen. Ich glaube, ich wirke zwielichtig.
Die Frau sagt eine Weile nichts, dann erwidert sie den Gruß.
"Brauchen Sie eine Paprika?", frage ich.
"Eine Paprika?", sagt sie zögernd. Sie klingt nicht ängstlich.
"Ich möchte sie nicht weiter mit mir herumschleppen. Wollen Sie sie?" Ich drehe mich zu ihr hin und halte die Schote hoch.
Die Frau runzelt die Stirn. "Nein, danke."
Ich wende mich wieder ab und betrachte die Paprika in meinen Händen. "Schade", sage ich und denke an das Hackfleisch in meiner Jackentasche, in dem sich mittlerweile die Bakterien vermehren.

 
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Hi Superfant.
du bekommst von mir jetzt eine sehr kurze Rückmeldung. Ich habe ganz zu Anfang über deinen Text gescrollt und sah den langen ersten Abschnitt ohne logische Absätze. Da dachte ich nur: Oh neee ...

Edit: Teile des Kommentares gelöscht, da unnötig.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Nichts macht er mit mir.
Aber ja, man könnte einen oder zwei Absätze einfügen im ersten Textblock.
Gruß

Edit: Getan.

 

Hallo Superfant,

erstmal ein generelles Statement zu deinem Text. Ich finde die düstere Stimmung gut und du hast einige Ideen drin, die überzeugend sind und ein gewisses Bild im Kopf erzeugen. Die Trostlosigkeit des Protagonisten kann zumindest zeitweise nachempfunden werden.

Hier mal ein wenig Kritik meinerseits – und einige Zitate aus dem ersten Drittel deines Textes.

die ich verabscheue
frisst sich in mein Hirn
tötet Nervenzellen
diese Menschen mit ihren dumpfen Mienen
die debilen, toten Augen nackter Schaufensterpuppen
blicke in Augen, die mich nicht wirklich sehen
Graue Gesichter an grauen Körpern, die in grauer Kleidung stecken und graue Gedanken denken.
wie Zombies durch die Gegend zu wanken

Für meinen Geschmack behauptest du hier nur, aber du zeigst nichts. Gerade bei sozial- oder gesellschaftskritischen Texten finde ich das ziemlich schwierig, denn der erhobene Zeigefinger ist sofort da und hinterlässt einen fiesen Beigeschmack. Als Leser denkt man sich direkt am Anfang: "Oh alles klar, Belehrungstext über die böse Gesellschaft, Handy-Zombies, Routine-Mutanten, alle mies drauf, keiner checkt, was eigentlich abgeht."

Das ist schade, denn eigentlich sollten genau diese Gedanken beim Leser entstehen ... ohne, das du sie ihm auf dem Tablett servierst. ;) Daher würde ich all die Momente, in denen dein Protagonist einfach nur etwas behauptet, rauslöschen. Stattdessen solltest du vielleicht deine Geschichte direkt aus dem formen, was dein Prota tut und sagt. Was beobachtet er? Was nimmt er wahr? Verpasst eine Frau ihren Bus, weil sie so mit ihrem Handy beschäftigt ist, das sie ihn garnicht wahrnimmt? Sitzen Menschen im Restaurant nebeneinander und reden nicht miteinander? Die Frau mit den Einkaufstüten, was hat sie gekauft? Vielleicht ist alles voll mit Klamotten aus H&M und Zara und Co, aber ihre Miene ist trotzdem finster? Ich weiß, diese Beispiele sind auch nicht Gold, aber du verstehst, worauf ich hinauswill. ;)

packe mir eine große, rote Paprikaschote, Maggi-Fix-für-Bauerntopf-mit-Hackfleisch und eine Flasche Cherry-Coke. Kartoffeln habe ich noch zu Hause, fällt mir ein.

Ich finde die Vorstellung witzig, das jemand der so drauf ist, wie der Prota losläuft, und sich daheim einen Bauerntopf mit Kartoffeln kocht. :D

Den Teil bei Arne finde ich auch cool, der ist lässig geschrieben, man kann ihre gelangweilte Stoner-Conversation quasi mitfühlen. Ich mag auch die Sache mit den Tierdokumentationen, das passt gut zur Stimmung.

Das Ende irritiert mich etwas, denn wir erfahren eigentlich nicht, warum der Protagonist so drauf ist. Ist es, weil er sein Mädel verloren hat? Was ist der Grund für seinen Ausraster? Woher kommt die ganze angestaute Wut? Das müsste klarer sein, finde ich.

Fazit: Ich finde den Text an sich ziemlich aggressiv und ohne klare Message leider. Er hat gute Momente, aber ich würde den Spannungsbogen etwas stärker ausarbeiten, mich fragen, woher die Wut des Protas direkt rührt und das als Funke für die Story nutzen. Denn wenn alles einheitlich mies gelaunt und aggro ist, fällt es schwer, sich in den Kopf des Protas hineinzuversetzen.

Sind alles nur Anregungen und Gedanken zu deinem Text,
ich hoffe, du verstehst, was ich meine. :)

Danke und viele Grüße,

PP

 
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Hi,
danke für deinen Kommentar.Gut, dass diese trostlose Leere rüberkam.

Daher würde ich all die Momente, in denen dein Protagonist einfach nur etwas behauptet, rauslöschen. Stattdessen solltest du vielleicht deine Geschichte direkt aus dem formen, was dein Prota tut und sagt. Was beobachtet er? Was nimmt er wahr?
Das ist halt, was der Protagonist so selbst glaubt, das ist nicht unbedingt wahr bzw. es ist nicht so, dass seine Annahmen unbedingt berechtigt wären. Aber du hast recht: Irgendwie sind da zu viele Stellen, die irgendwie ... naja abgedroschen wirken, oder auf eine bestimmte Weise pathetisch oder so. Muss mir wohl nochmal überlegen, was der Protagonist so denken könnte, das nicht so generisch wirkt; eben kein böse-Gesellschaft, doofe-Stadt Standardgelaber. Mh, gar nicht so einfach.

Den Teil bei Arne finde ich auch cool, der ist lässig geschrieben, man kann ihre gelangweilte Stoner-Conversation quasi mitfühlen. Ich mag auch die Sache mit den Tierdokumentationen, das passt gut zur Stimmung.
Danke! Fand ich selbst auch den gelungensten Teil der Geschichte. Da schien es wohl am ehsten zu "leben".

Das Ende irritiert mich etwas, denn wir erfahren eigentlich nicht, warum der Protagonist so drauf ist. Ist es, weil er sein Mädel verloren hat? Was ist der Grund für seinen Ausraster? Woher kommt die ganze angestaute Wut? Das müsste klarer sein, finde ich.
Irgendwie mochte ich dieses Abrupte und die Frage: Warum eigentlich genau?
Aber da muss ich wohl noch mehr bieten, dass mehr Stoff da ist, der interpretierbar ist etc.?

Fazit: Ich finde den Text an sich ziemlich aggressiv und ohne klare Message leider. Er hat gute Momente, aber ich würde den Spannungsbogen etwas stärker ausarbeiten, mich fragen, woher die Wut des Protas direkt rührt und das als Funke für die Story nutzen. Denn wenn alles einheitlich mies gelaunt und aggro ist, fällt es schwer, sich in den Kopf des Protas hineinzuversetzen.
Der Prota ist wohl einfach leer und Arne ist eigentlich auch leer, aber das scheint ihn selbst nicht zu stören, glaube ich.
Also wäre es gut, einen Kontrast zu bieten zu der Leere dieser Typen? Oder irgendwelche positiven Aspekte der Figuren reinbringen noch? Also, dass da doch noch eine Hoffnung irgendwo ist, oder eine Begeisterungsfähigkeit (wobei: Der Prota bringt ja immerhin genug Elan auf, um sich vorzunehmen, einen Bauerntopf zu kochen :E) oder was auch immer? Wären das gute Ideen?

Gruß

 

@Superfant

hey, gern geschehen. :)

Muss mir wohl nochmal überlegen, was der Protagonist so denken könnte, das nicht so generisch wirkt; eben kein böse-Gesellschaft, doofe-Stadt Standardgelaber. Mh, gar nicht so einfach.

Da hast du recht, das ist schwierig. Aber das ist dann eben auch das außergewöhnliche an der Geschichte. :) Denn diese Welthasser-Gedanken hat halt jeder von uns mal, gerade im Alltag, das kennt man selbst, das stellt also auch nichts besonderes mehr dar. Viel interessanter ist: Warum denkt der Prota so? Und vor allem: Was tut er?

Irgendwie mochte ich dieses Abrupte und die Frage: Warum eigentlich genau?
Aber da muss ich wohl noch mehr bieten, dass mehr Stoff da ist, der interpretierbar ist etc.?

Ja, ich denke schon das da mehr dahinter stecken muss. Bisher ist der Ablauf der Geschichte ja so: Ein Typ ist sehr sauer mit sich und der Welt, geht sich Drogen besorgen bei einem Kumpel, geht dann in den Supermarkt und schlägt aus marginalen Gründen einen Renter. Das ist nicht genug, um eine Aussage zu treffen. Nichts bleibt hängen, nachdem man die Story gelesen hat. Man macht sich keine Gedanken, weil keine Anstöße dazu geliefert wurden. Du brauchst eine Motivation für den Prota, er muss etwas wollen, ein Bedürfnis haben. Einfach nur sauer zu sein reicht da nicht, denn dann bleibt sein Charakter schwammig und diffus – und damit langweilig.

An sich erinnert mich die Story ein wenig an Fight Club (Steht da auch was im Text? Oder hattest du den Film erwähnt? :) Aber auch in Fight Club wird die Leere, die der Prota fühlt, gezeigt. Er tut außergewöhnliche Dinge, kann den halben Ikea-Katalog auswendig, geht extra zu Selbsthilfegruppen für Todkranke, um sich wieder lebendig zu fühlen. Er kann nicht schlafen, liegt immer wach, ist völlig abgestumpft. Er weiß selbst auch nicht, warum das so ist – aber seine verrückten Aktionen zeigen, das er ganz offensichtlich ein echtes Problem hat. ;) Im Vergleich dazu sagt dein Prota Dinge über die Welt, aber er tut nichts wirklich interessantes. Das ist das typische "Show, don't tell"-Problem. Du hast quasi gesagt, was er fühlt, aber es nicht gezeigt.

Aber könnte nicht seine Ex ein Grund dafür sein, das er sich so fühlt? Du bringst sie mit ein, aber sie hat offenbar keine wirkliche Funktion in der Geschichte. Lass sie doch zum Beispiel zum Dreh- und Angelpunkt werden. Vielleicht war sie einfach eine Querdenkerin, eine Wilde, eine Künstlerin, die das Besondere in sein Leben gebracht hat. Gemeinsam haben sie gekocht, sie haben sich alte französische Filme im Fernsehen angesehen oder gemeinsam gemalt. Und seit sie weg ist, ist auch der besondere Blickwinkel aufs Leben verschwunden. Plötzlich fällt ihm auf, wieviel Schei*e im Fernsehen läuft, wie eklig Fertigessen schmeckt, wie nervig Menschen sind. Das staut sich dann alles an, bis ... BOOM.

Oder irgendwelche positiven Aspekte der Figuren reinbringen noch? Also, dass da doch noch eine Hoffnung irgendwo ist, oder eine Begeisterungsfähigkeit (wobei: Der Prota bringt ja immerhin genug Elan auf, um sich vorzunehmen, einen Bauerntopf zu kochen :E) oder was auch immer? Wären das gute Ideen?

Ein Wort noch hierzu: Generell ist es tatsächlich spannender, wenn Menschen viele Facetten haben. Niemand ist nur genervt, nur böse oder nur herzlich. Alles ist grau. Und in diesem Spannungsfeld finden unsere Beziehungen statt. Das macht sie auch so herrlich verwirrend und wundervoll. ;)

Hoffe, ich konnte dir ein wenig Unterstützung bieten. :)

Viele Grüße, PP

 

Hi,
ja, werde die Geschichte ein wenig umschreiben. Mal sehen, was man da noch machen kann. Anderes Ende wird vermutlich auch kommen.
Im Falle von Fight Club ist da auch mehr Zeit/Raum, um Dinge zu zeigen; das hier ist ja eine recht kurze Geschichte. Aber die Anregung, nicht ein Gefühl bzw. Zustand zu behaupten, sondern es durch konkrete Handlungen zu zeigen, ist ja gut.
Diese Julia wurde einfach nur random erwähnt, so als möglichen Hint, dass da irgendwelche Dinge nicht so gut laufen. Find das eigentlich auch ganz gut noch.
Dass die Geschichte Gedanken anregen sollte oder so, finde ich eigentlich nicht. Würde mir reichen, wenn sie unterhält, weil man vllt. den Vibe mag.
Nun habe ich viel weniger geschrieben als du. Naja.

Gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe die Geschichte im Eingangspost mal etwas umgeschrieben. Der Teil mit Arne und der Tierdoku ist unverändert. Den Anfang habe ich gekürzt und ein neues Ende geschrieben. Aber ich weiß nicht, ob es nicht etwas zu abrupt ist und/oder zu vage?
Und vielleicht passt der Titel nun nicht mehr so richtig.

 

Hi, @Superfant

Ich finde Deine Geschichte sehr stimmungsvoll. Die einzelnen Szenen sind toll geschrieben, die Atmosphäre stimmt, und ich bekomme ein ziemlich gutes Bild von Deinem Prot. Ich wollte mich ein bisschen über die weitgreifende Manisierung aufregen (Du weißt ja, wie ich dazu stehe, wenn man ständig von "man" spricht), aber ich glaube, das passt einfach zu der Person Deines Prots. Insofern: Das ist eine konsistente Figur, die mein Mitleid hat, für die Du auch mein Interesse wecken konntest.

Bevor ich sage, wieso ich hier die Figur und einzelne Szenen lobend hervorhebe und ausdrücklich nicht die Gesamthandlung, mache ich es extraspannend und gehe erstmal auf die Details ein. Ist aber nicht viel:

Aber ja, man könnte einen oder zwei Absätze einfügen im ersten Textblock.

Ich finde den anfänglichen Textblock immer noch ziemlich ... blockig. Später kommen auch noch so ein paar sehr große Blöcke. Insgesamt finde ich, Du könntest noch mehr Zeilenumbrüche machen.

Hinter mir höre ich ein Geräusch und ich drehe mich um.

Hier erfüllt die Wiederholung des Subjekts keinen besonderen Zweck. Du kannst es einfach streichen. Übrigens finde ich es komisch, dass der Prot tagsüber in der Stadt ist und die Schritte einer anderen Passantin ausdrücklich hört und sich danach umdreht. Tagsüber in der Stadt ist doch eigentlich ständig alles voller Lärm. Eigentlich müssten überall Passant/inn/en sein, Autos fahren, Trams klingeln, Taubenflügel flattern, Menschen reden ... Warum stechen diese Schritte so stark hervor? Erscheint mir seltsam.

Rumstehen ohne zu rauchen fühlt sich falsch an

Komma vor "ohne" und vor "fühlt".

Neben mir hupt ein Auto, doch ich hupe nicht zurück. Ich habe ja auch keine Hupe.

Das halte ich für einen ziemlich schlechten Witz, und ja, ich kritisiere den Witz, weil er in seiner totalen Albernheit extrem mit dem restlichen Text bricht. Die Atmosphäre stürzt plötzlich in Albernheit und kommt danach wieder rauf. Also ein totaler Bruch, Einbruch sogar. Ich würde das streichen. Solche albernen Einbrüche schaden der Geschichte in der Kraft, in der sie sonst daherkommt.

Ich darf das, also klingeln, aber ich bin auch kein normaler Kunde. Normale Kunden müssen per Handy kurz anklingeln, nur einmal, das ist wichtig, dann weiß Arne, dass unten jemand steht.

Hier würde ich die Wiederholung von "klingeln" nicht nur deshalb vermeiden, weil es eine Wortwiederholung ist, sondern auch weil das definitiv zwei unterschiedliche Handlungen sind. Die sollten in meinen Augen dann auch durch unterschiedliche Verben beschrieben werden, schließlich willst Du diesen Unterschied besonders hervorheben.

Er trägt eine Jogginghose und ein Donald Duck T-Shirt.

Im Deutschen ist es unüblich, die englische Art der Zusammensetzung von Nomen zu benutzen, nämlich das unverbundene Hintereinanderschreiben (im Englischen gibt es das poker face oder pokerface, im Deutschen nur das Pokerface). Im Deutschen gibt es für Verbindungen von Nomen zwei Möglichkeiten: Komplett zusammenschreiben oder mit Bindestrichen verbinden. Also: "Donald-Duck-T-Shirt".

"Grüß dich.
"Nein, war nur zufällig in der Gegend.

Hier fehlt jeweils das schließende Anführungszeichen.

Nun versucht ein anderer Elefant, zu helfen.

Komma weg vor "zu". Wenn der Infinitivsatz nur aus "zu+Infinitiv" besteht, wird kein Komma gesetzt. Ein Komma müsste gesetzt werden, wenn die Infinitivgruppe von weiteren Wörtern abhängt, zum Beispiel: "Nun versucht ein anderer Elefant, dem Elefanten zu helfen." Da dies in Deinem Satz aber nicht so ist, kann das Komma weg.

Arne hat die ganze Zeit abwechselnd Bier getrunken und gekifft, und irgendwann hat er auf einen Verstärker gekotzt.

Hier kann das "die ganze Zeit" weg. Im Prinzip ist "abwechselnd" ja schon ein Wort, das sagt, dass er es über einen längeren Zeitraum tut, außerdem kotzt er ja am Ende und hört auf damit, sodass das "die ganze Zeit" nicht nur irgendwie doppelt gemoppelt ist, da das "abwechselnd" schon klar macht, dass es um einen längeren Zeitraum geht, das "die ganze Zeit" wird durch das "irgendwann" sogar noch relativiert. Also: doppelt gemoppelt und relativiert, ergo: kann weg.

An der Kasse stehen zwei Leute - ich stelle mich an. Vor mir steht eine alte Frau, die zwei Köpfe kleiner ist als ich und vor ihr steht ein Typ, der eine Warze am Nacken hat.

Ziemlich viel "stehen" auf einem Haufen. Ungünstig, weil Wortwiederholung, und außerdem ungünstig, weil "stehen" ein furchtbar kraftloses Verb ist. Da findest Du sicher Besseres. Der erste Satz könnte raus. Statt: "An der Kasse stehen zwei Leute - ich stelle mich an", nur: "Ich stelle mich an - vor mir wartet eine alte Frau ..." Und so weiter. Nur ein Vorschlag, aber so kriegst Du Wiederholungen und kraftlose Verben raus.

Auf dem Förderband liegen Äpfel, eine Packung Milch, Merci und Speck. Komischer Einkauf. Ich lege meinen Kram auf das Band und die Frau sucht mühsam Kleingeld zusammen.

Selbiges gilt für "liegen".

Endlich hat die Frau es geschafft, zu bezahlen.

Komma weg vor "zu". Oben habe ich erklärt, warum. Das "es" kann auch weg.

Ich habe mal gelesen, dass Natriumdampflampen weniger Insekten anziehen aufgrund ihres Farbspektrums. Ich komme mir albern dabei vor, mit einer Paprikaschote in der Hand durch die Straßen zu laufen.

Hier würde ein Zeilenumbruch gut zwischen die zwei Sätze passen. Ist ja eindeutig ein Themenwechsel.

Ich schätze die Frau auf ungefähr Sechzig.

"sechzig" wird klein geschrieben.

"Guten Abend", sage ich ohne sie anzuschauen.

Komma vor "ohne".

Kommen wir wieder zum Inhalt. Ich vermisse nämlich etwas. Den roten Faden. Ich habe keine Ahnung, worum es eigentlich geht, ich erkenne auch keine Handlung. Das, was passiert, ist ja, dass ein Typ, der eigentlich einkaufen will, durch die Gegend irrt, einkauft und dann wieder herumirrt. Die einzelnen Szenen, die mir für sich alle gut gefallen, sind allein durch das Herumirren miteinander verbunden: eine Reihe von Zufallsereignissen.

Der Zufall spielt im echten Leben natürlich eine große Rolle, und das echte Leben kennt häufig auch keinen roten Faden. Ich gehe einkaufen, stolpere auf dem Gehweg, treffe in der netto-Kasse eine Kommilitonin, gehe auf dem Rückweg bei meinem Nachbarn vorbei und packe am Ende zu Hause meine Einkaufstasche aus. Ich würde sagen, das ist Geschehen und keine Handlung im Geschichtensinn. Der Unterschied zu einer Handlung ist: Das Geschehen ist völlig richtungslos. Alles passiert einfach so und hat keine Konsequenzen für das übergreifende Ereignis, nämlich das Einkaufen.

Und das ist für mich auch das Problem mit Deiner Geschichte. Alles passiert einfach so und steht völlig unverbunden nebeneinander. Eine Szene hat keinerlei Auswirkungen auf die nächste Szene und so weiter. Warum ist das ein Problem? Der große Vorteil einer Handlung mit rotem Faden, in der Dinge nicht zufällig geschehen, sondern weil jemand die Ereignisse gezielt hervorgerufen und in eine bestimmte Richtung gesteuert hat, ist, dass sie einen Spannungsbogen hat.

Ich würde sagen, das Geschehen in dieser Geschichte ist authentisch und stimmungsvoll, aber eben im Gesamtzusammenhang ziemlich langweilig. Weil ihr die Richtung fehlt. Als Autor, würde ich sagen, bist Du ein Reiseführer. Du möchtest Deine Leserin, eine abenteuerlustige Bergsteigerin, auf einen Berg führen. Momentan komme ich gespannt zum Treffpunkt mit Dir, freue mich auf die Bergbesteigung, und Du stapfst dann einfach los, ich hinterher, dann rennen wir eine Weile im Kreis und hin und her, und die ganze Zeit frage ich: Welchen Berg besteigen wir denn heute noch? Diese Frage beantwortest Du aber nicht, und nach ein paar Schleifen setzt Du mich am ursprünglichen Ort wieder ab, und ich bin verwirrt und enttäuscht, weil wir nichts gemacht haben außer ziellos umherzuirren. Das ist nicht, weshalb ich hier war. Wenn ich einer Reihe sinnloser Zufallsbegegnungen lauschen will, frage ich meinen Freund, wie sein Tag war. Wenn ich eine Geschichte lese, will ich aber etwas anderes.

Ich bin der Ansicht, dass es Deine Aufgabe als Autor wäre, zunächst den Berg zu zeigen. Der Clou ist, dass es gar nicht unbedingt der Berg sein muss, den Du am Ende auch besteigst. Du kannst mich ruhig in die Irre führen. Das Wichtige ist aber, dass Du dann auch mit mir einen Berg besteigst. Also Schritt 1: Neugierde der Leserin wecken, indem Du den Berg zeigst, den wir besteigen wollen. Schritt 2: Mit mir zusammen den Berg besteigen.

Was ist ein "Berg"? Nach meiner Vorstellung (bestimmt hat jede/r Autor/in da leicht unterschiedliche Vorstellungen) besteht ein Berg aus drei Teilen: einem Grundthema, einem Konflikt und einem aktiven Prot.

Das Grundthema markiert quasi die Basis des Bergs. Ich stelle mir meistens eine Frage, die ich als Autorin untersuchen möchte. Im Zusammenhang mit Deiner Geschichte könnte das sein: Was veranlasst eine Person dazu, derart zerstreut zu sein? Thema möglicherweise: Resignation. Um dieses Thema zu untersuchen, brauchst Du eine Handlung, die Deine Leser/innen fasziniert, also einen Konflikt. Du übersetzt das abstrakte Thema in konkrete, auf eine bestimmte Figur bezogene Handlung.

Ich denke, der einfachste Weg, einen Konflikt zu kreieren, ist die Wasserglas-Krokodil-Methode. Dein Prot braucht irgendetwas, das er unbedingt will. Und wenn es nur ein Glas Wasser ist. Oder sagen wir: Er will unbedingt eine Cola kaufen. Dann gibt es ein Krokodil, also ein Hindernis auf dem Weg zum Wasserglas. Zum Beispiel: Er hat sein Geld zu Hause vergessen.

Ein Konflikt führt dann automatisch zum aktiven Prot: Der Prot hat einen Konflikt, der unbedingt gelöst werden muss. Er will eine Cola, er hat aber kein Geld. Was tun? Und wenn Du darum herum die Handlung baust, ist der Supermarkteinkauf plötzlich keine Reihe von Zufallsbegegnungen mehr, sondern eine echte Handlung mit rotem Faden und Spannungsbogen: Der Prot geht zum Supermarkt, Megadurst und Colaheißhunger. Dort stellt er fest: Mist, kein Geld. Er geht also zu seinem Kumpel Arne, um Geld zu schnorren. Und so weiter und so fort. Die Dinge geschehen nicht mehr zufällig, sondern aus Gründen, und in jeder Szene ergibt sich eine Veränderung, die Konsequenzen für die nächste Szene hat.

Ich als Leserin fiebere dann mit, weil ich weiß, was Dein Prot will, weil ich spüre, wenn etwas schiefläuft, und jubele, wenn etwas klappt. So, wie die Geschichte momentan ist, passen zwar die einzelnen Szenen, vor allem die Supermarktszene hat einen Konflikt für sich, aber im Gesamtzusammenhang gelingt es mir nicht, mit Deinem Prot mitzufiebern, einfach weil ich gar nicht weiß, wohin er überhaupt will.

Ich glaube, die Problematik Deines Themas ist, dass der Prot es selbst nicht weiß. In diesem Zusammenhang wäre als Wasserglas adäquat möglicherweise der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden. Der Prot sitzt in seiner Wohnung und will seine Ruhe haben. Doch die Nachbarn sind so laut, also geht er raus. Und so weiter. Aber ich brauche dringend eine Richtung, in die ich Dir folgen kann, um die Geschichte als spannend zu empfinden. So finde ich die Atmosphäre zwar toll, aber das Lesen habe ich trotzdem mehrmals abgebrochen, vor allem beim Szenenwechsel, einfach weil es mir relativ egal sein kann, was als nächstes passiert, weil es ja eh nichts ändert, die einzelnen Szenen also keine Auswirkungen auf die nächste Szene haben, und ich eh nicht weiß, worauf das Ganze eigentlich am Ende hinauslaufen soll.

Ich hoffe, Du kannst damit etwas anfangen. Bin gespannt, was Du daraus machst. Make it work!

Bergbesteigende Grüße,
Maria

 
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Hi!
Danke für deinen Kommentar.
Freut mich, dass die Stimmung rüberkam und dass der Protagonist plausibel wirkt. Ich habe bisher nicht wirklich Geschichten geschrieben, die auf "Charakter-Ebene" funktionieren mussten, also ist das cool, dass das wohl gelungen ist.
Alle Rechtschreib-/Komma-Anmerkungen etc. werden beherzigt.

Ich finde den anfänglichen Textblock immer noch ziemlich ... blockig. Später kommen auch noch so ein paar sehr große Blöcke. Insgesamt finde ich, Du könntest noch mehr Zeilenumbrüche machen.
Ok, fällt mir selbst nie so auf, da ich wohl anders lese. Aber am Computer wirkt sowas wohl "sperriger" als in einem Buch.

Hier erfüllt die Wiederholung des Subjekts keinen besonderen Zweck. Du kannst es einfach streichen. Übrigens finde ich es komisch, dass der Prot tagsüber in der Stadt ist und die Schritte einer anderen Passantin ausdrücklich hört und sich danach umdreht. Tagsüber in der Stadt ist doch eigentlich ständig alles voller Lärm. Eigentlich müssten überall Passant/inn/en sein, Autos fahren, Trams klingeln, Taubenflügel flattern, Menschen reden ... Warum stechen diese Schritte so stark hervor? Erscheint mir seltsam.
"Hinter mir höre ich ein Geräusch und drehe mich um" klingt für mich aber ... seltsam? Dass der Protagonist die herannahende Person hört, ist je nachdem wohl seltsam, stimmt. Hm. Weiß noch nicht, ob ich das problematisch finde.

Das halte ich für einen ziemlich schlechten Witz, und ja, ich kritisiere den Witz, weil er in seiner totalen Albernheit extrem mit dem restlichen Text bricht.
:E Fand, der Satz bekam im Kontext auch irgendwie etwas Trauriges. Aber glaube, den werde ich echt streichen.

Hier würde ich die Wiederholung von "klingeln" nicht nur deshalb vermeiden, weil es eine Wortwiederholung ist, sondern auch weil das definitiv zwei unterschiedliche Handlungen sind.
Stimmt. Wohl "einmal das Handy läuten lassen" oder sowas stattdessen.

Hier kann das "die ganze Zeit" weg.
Überleg ich mir.

Ziemlich viel "stehen" auf einem Haufen.
Stimmt. Wird subtil umgeschrieben.
Beim nachfolgendem "Legen" weiß ich noch nicht. Finde das glaube ich nicht problematisch.

Hier würde ein Zeilenumbruch gut zwischen die zwei Sätze passen. Ist ja eindeutig ein Themenwechsel.
Stimmt.

Und das ist für mich auch das Problem mit Deiner Geschichte. Alles passiert einfach so und steht völlig unverbunden nebeneinander. Eine Szene hat keinerlei Auswirkungen auf die nächste Szene und so weiter. Warum ist das ein Problem? Der große Vorteil einer Handlung mit rotem Faden, in der Dinge nicht zufällig geschehen, sondern weil jemand die Ereignisse gezielt hervorgerufen und in eine bestimmte Richtung gesteuert hat, ist, dass sie einen Spannungsbogen hat.
Hier sind wir wohl bei einer dieser Grundsatzfragen, glaube ich. Was muss eine Kurzgeschichte haben, um eine Kurzgeschichte zu sein?

Ein Konflikt führt dann automatisch zum aktiven Prot: Der Prot hat einen Konflikt, der unbedingt gelöst werden muss. Er will eine Cola, er hat aber kein Geld. Was tun? Und wenn Du darum herum die Handlung baust, ist der Supermarkteinkauf plötzlich keine Reihe von Zufallsbegegnungen mehr, sondern eine echte Handlung mit rotem Faden und Spannungsbogen: Der Prot geht zum Supermarkt, Megadurst und Colaheißhunger. Dort stellt er fest: Mist, kein Geld. Er geht also zu seinem Kumpel Arne, um Geld zu schnorren.
Also aus jeder Sache soszusagen ein "Quest" machen. Ich weiß nicht. Ich verstehe was du meinst und viele Geschichten machen das auch exakt so, aber irgendwie finde ich das hier nicht so richtig passend.
Ich meine:
Ich glaube, die Problematik Deines Themas ist, dass der Prot es selbst nicht weiß.
Das ist ja wohl irgendwie so. Er ist kein Held, der Aufgaben löst, in welcher Form auch immer. Ihm passieren einfach Dinge, die löst er nicht wirklich oder nur halbgar, er überlegt es sich ständig wieder anders usw.

Der Prot sitzt in seiner Wohnung und will seine Ruhe haben. Doch die Nachbarn sind so laut, also geht er raus. Und so weiter. Aber ich brauche dringend eine Richtung, in die ich Dir folgen kann, um die Geschichte als spannend zu empfinden.
Ist halt die Frage, was man so erwartet von einer Story. Es gibt hier tatsächlich nicht dieses "zwingende", dieses "eines führt zum anderen" . Wenn einem das wichtig, ist das natürlich unbefriedigend. Die Story müsste allerdings komplett umgestaltet werden, damit sie dieses Bedürfnis erfüllt und ich weiß nicht, ob ich das möchte oder ob es gut ist. Hm
Da der derzeitige Titel nicht mehr passt, dachte ich btw. dass als neuer Titel "Die Elefanten wirken fröhlich" irgendwie gut wär.

Gruß

 

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