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Die Eisenkirche

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03.12.2012
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Die Eisenkirche

Sanfter Tau tropfte von den Baumüberhängen, als die ersten Lichtstrahlen sich bereits vom Horizont durch die Wolken bohrten. Bis auf einige kühle Brisen schien der Winter nun endgültig vorbei in dem kleinen französischen Städtchen namens Crusnes, nahe der belgisch-luxemburgischen Grenze.

Schaffet fleiss´ge Arbeiter
Wühlet unterm Berg

Mal hie mal da rasselten hölzerne Fensterläden auf und die feuchte Morgenfrische verbreitete sich in den noch dunklen Einfamilienhäusern, Reih an Reih aufgestellt als würden sie dem Berg trotzen wollen. Ein angenehmer Duft von Gebackenem und frisch aufgesetztem Kaffee erfüllte die Luft, als die ersten Bergmänner sich bereits auf den Weg zu den Minen machten.

Murmelnd beobachtete ein kleines Mädchen, wie die stämmigen Männer mit ihren wuchtigen Hämmern, frisch geschärften Äxten und abgetragenen Grubenlampen einer nach dem anderen in den dunklen Schächten verschwanden, begleitet von schwerfälligem Radgequietsche, das aus dem Innern der Mine empordrang.

Schaufeln klingen, Steine malmen
Das Eisen aus dem Berg

„Sophie!“, ertönte eine fürsorgliche Stimme aus dem kleinen Haus gleich gegenüber dem Kieselpfad, der zu den Minen führte. „Komm schon, du weißt doch, dass die Schule bald beginnt…, Sophie?“

Sophie wusste, dass in Crusnes nahezu alle kampffähigen und gesunden Männer in den Militärdienst einberufen worden waren und in den Krieg zogen. Und diejenigen, an denen der Kelch vorübergegangen war, wühlten sich durch Berge oder arbeiteten in einer der zahlreichen Fabriken, um dem Erz das Eisen zu entziehen. So wie einst ihr Vater, ein in die Jahre gekommener Mann von großer Statur, ein stolzer Minenarbeiter, den der Berg dann schlussendlich doch in die Knie zwang.
„Es war ein grausamer Unfall!“ dachte Sophie, weiter vor sich hinmurmelnd.

Aus dunklen Schächten stammt es her
Das Eisen aus dem Berg

Versunken in den Phrasen des Liedes stellte Sophie fest, dass sie bereits bis zu dem großen Platz in der Mitte des Dorfes gelaufen war, dem Kirchplatz, an dem jeden ersten Mittwoch im Monat der Markt stattfand. In den Schulferien durfte sie ihre Mutter bei den Einkäufen begleiten und erhielt jedes Mal, wenn sie brav war, einen Zuckerkuchen. Der Gedanke an das süße Naschwerk trieb ihr den Speichel in den Mund.
Sophie blickte nach oben. Das Kreuz, welches oben am Kirchengiebel thronte und das Dorf still und unscheinbar überblickte, stach ihr sofort ins Auge. Es war aus Eisen! Die ganze Kirche war aus Eisen!
„Sophie!“, hallte ein eindringlicher Ruf aus der Ferne.
Sophie schien ihn aber nicht zu vernehmen. Das Eisengerüst faszinierte sie zu sehr.
„SOPHIE!“

Will´s verwenden, schmiede´s leise
Zu ´ner Kirche aus Eisen

In dem Moment flutete ein greller Lichtblitz den Horizont im Osten, gefolgt von einem tieftönigen Donner. Der Boden bebte leise, fast rhythmisch. Sophie zuckte zusammen, blickte zum Himmel auf. Ein zweiter und ein dritter Lichtblitz, ein zweiter und ein dritter Knall in der Ferne.
„SOPHIE, KOMM! SCHNELL!! “, bellte die Mutter während sie das Gatter zum Vorgarten aufriss.
In Bruchteilen von Sekunden brannte der Himmel, ein pfeifendes Geräusch näherte sich dem Städtchen. Sophie erfreute das Schauspiel, der blau und rot erhellte Himmel. Sie lächelte.
Der Boden zu ihren Füßen wurde auseinander getrieben. Die Detonation schaufelte einen Graben von der Größe eines Pferdekarrens frei. Staub wirbelte auf. Die sich ausbreitende Druckwelle schleuderte das Mädchen gegen die kahle, feste Kirchenwand. Sie war sofort tot.
Ein zweiter und dritter Kanoneneinschlag durchbohrten ohne Mühe die dünne Metallkonstruktion der Kirche.

Aus Bergmännern und Müttern wurden Kämpfer ohne Hoffnung in einem Krieg, der nicht ihrer war. Und ohne Hoffnung verbleibt nur der Tod.

Das Eisenkreuz – standhaft - überdauerte die Zeit.

 
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Hallo ChristianK,
erst mal wünsch ich dir ein herzliches Willkommen hier.
Ja, deine Geschichte. Das ist komisch, sie spricht mich einerseits an, andererseits wirkt sie brüchig auf mich.
Ich mag diese kleinen Verse, die indirekt darüber erzählen, dass ein ganzer Landschaftssrich und ihre Bewohner dem Eisen dienen müssen.
Dass es mir brüchig wirkt, liegt daran, dass ich beispielsweise am Anfang nicht weiß, wer die Verse sagt oder singt.
Ich könnte mir vorstellen, dass du das kleine Mädchen ein wenig früher einführen und sie diese Verse singen lassen könntest. Wie ein altes Kinderlied mit einem Inhalt, der es in sich hat. Das hätte auch den Vorteil, dass du ein wenig mehr Raum erhältst, das kleine Mädchen zu charakaterisieren, dann trifft ihr Tod den Leser noch mehr.

Was deinen Stil betrifft, so könnte er mir gefallen, aber er ist zur Zeit noch zu blumig. Zu viele Adjektive, die unnötig sind, zu viele Wörter, die einfach nur auffüllen, aber keine neue wichtige Bedeutung haben. Wenn du solche Wörter einfach mal wegstreichst, und liest dir das dann selbst einmal vor, wirst du merken, dass die verbliebenen Wörter dadurch mehr Gewicht erhalten. Sie "strahlen" dann mehr und die Bedeutung wird unterstrichen. Diese Füllwörter dagegen blähen den Text auf, das ist dann manchmal so, als würden sich die Wörter gegenseitig behindern. Kannst es ja mal ausprobieren.

Weiter unten schreibe ich dir einfach mal (unter Vorbehalt natürlich :D) ein paar Beispiele auf. Ob ich da immer alles erwische oder das Richtige anmerke, wer weiß, es sind Vorschläge von mir.

Eine inhaltliche Frage habe ich noch. So eine Eisenkirche, wäre die nicht andauernd Opfer von Gewittern? Du wirst recherchiert haben. Aber würd mich freuen, wenn du was darüber schreiben würdest.

Sanfter Tau tropfte von den Baumüberhängen, als die ersten Lichtstrahlen sich bereits vom Horizont durch die Wolken bohrten.
Das Bild ist für mich nicht richtig stimmig. Sanfter Tau ist etwas Weiches, die Lichtstrahlen dagegen bohren, das passt nicht zusammen. Ich weiß nicht, welche Stimmung du hier erzeugen willst, eine schon leicht spannungsgeladene oder eine weiche, friedliche Stimmung, die sich erst später zuspitzen wird.
Die Baumüberhänge? Ich weiß, was du ausdrücken willst, aber bei dem Wort bin ich mir nicht sicher.

Bis auf einige kühle Brisen schien der Winter nun endgültig vorbei in dem kleinen französischen Städtchen namens Crusnes, nahe der belgisch-luxemburgischen Grenze.
Das find ich ungelenk ausgedrückt.
Warum nicht: Obwohl der Wind noch kühl war, schien der Winter ...

Schaffet fleiss´ge Arbeiter
Wühlet unterm Berg
Diese Stelle meinte ich, da könntest du direkt das kleine Mädchen dieses Lied singen lassen. Zeig doch, wie sie auf der Straße entlanghüpft, vielleicht hat sie Zöpfchen und eine Schürze an, spielt ja im ersten oder zweiten Weltkrieg.
Zeig ein bisschen mehr von dem, was sie denkt und tut, damit sie dem Leser nahe kommt. Lass sie an den Papa denken. Oder an die Schule.
Jedenfalls wären die Verse dann "eingemeindet" und würden nicht so verloren neben dem sonstigen Inhalt stehen.

Mal hie KOMMA mal da rasselten hölzerne Fensterläden auf und die feuchte Morgenfrische verbreitete sich in den noch dunklen Einfamilienhäusern, Reih an Reih aufgestellt KOMMA als würden sie dem Berg trotzen wollen.

Ein angenehmer Duft von Gebackenem und frisch aufgesetztem Kaffee erfüllte die Luft, als die ersten Bergmänner sich bereits auf den Weg zu den Minen machten.
Der Duft von Gebackenem ist angenehm, das braucht man nicht mehr dazu schreiben. Das würde ich weglassen, ebenso das Wort bereits. Beides sind überflüssige, sogar störende Wörter.

Murmelnd beobachtete ein kleines Mädchen, wie die stämmigen Männer mit ihren wuchtigen Hämmern, frisch geschärften Äxten und abgetragenen Grubenlampen einer nach dem anderen in den dunklen Schächten verschwanden, begleitet von schwerfälligem Radgequietsche, das aus dem Innern der Mine empordrang.
Fast jedes Nomen wird von dir mit einem Adjektiv illustriert. Das ist viel zu viel. Dass die Männer nicht gerade Zwerge sind, denkt man sich doch sowieso. Die wuchtigen Hämmer sind einfach übertrieben. Und statt abgetragen würde ich eher abgenutzt schreiben.

Sophie wusste, dass in Crusnes nahezu alle kampffähigen und gesunden Männer in den Militärdienst einberufen worden waren und in den Krieg zogen.
Wenn sie gesund sind, die Männer, dann waren sie damals auch kampffähig, eines der Adjektive kann also mindestens raus. Ich würde gesunden lassen.

So wie einst ihr Vater, ein in die Jahre gekommener Mann von großer Statur, ein stolzer Minenarbeiter, den der Berg dann schlussendlich doch in die Knie zwang.
Der stolze Minenarbeiter. Hmm, also da rollen sich mir die Fußnägel hoch. Das klingt schon sehr, naja, nach Klischee eben. Und das Wort schlussendlich gehört überhaupt nicht in Geschichten rein. das ist so ein klebriges Füllwort, mach das bitte sofort weg. :D

„Es war ein grausamer Unfall!“ dachte Sophie, weiter vor sich hinmurmelnd.
Es ist doch ein kleines Mädchen, das sich noch von der eisernen Kirche beeindrucken lässt und von der Mutter gerufen wird, da spricht die doch nicht so abgeklärt. Also das Kindliche an ihr, das sollte man hier mehr betonen. Du könntest sie das mit dem Unfall sogar sagen lassen, du müsstest nur anfügen, dass sie das immer von den Erwachsenen gehört hat. Dann könnte sie altklug, aber gerade dadurch kindlich wirken.

Versunken in den Phrasen des Liedes stellte Sophie fest, dass sie bereits bis zu dem großen Platz in der Mitte des Dorfes gelaufen war,
Besser: Versunken in das Lied

Will´s verwenden, schmiede´s leise
Zu ´ner Kirche aus Eisen
Dieser Reim gefiel mir nicht so gut. Vielleicht fällt dir da noch was ein.

Aus Bergmännern und Müttern wurden Kämpfer ohne Hoffnung in einem Krieg, der nicht ihrer war. Und ohne Hoffnung verbleibt nur der Tod.

Das Eisenkreuz – standhaft - überdauerte die Zeit.

Das Ende ist mir dann zu überladen. Den ersten Teil finde ich auch unklar formuliert. Aber ich persönlich würde mich mit dem aufragenden Eisenkreuz "begnügen", das ist so schön symbolisch, steht für die Mine und den Krieg und dass es überdauert, zeigt dann dass es die Geschicke der Menschen im doppelten Sinne bestimmt. Ich würde nur das standhaft streichen. ist wieder so ein Wiederholungswort.

Ja das wars.
Ich hoffe, du kannst was damit anfangen. Und ich wünsch dir noch viel Spaß hier.
Viele Grüße Novak

 

Hallo Christian

Ich hab deine Geschichte schon neulich gelesen, aber keinen Komm. mehr geschafft - möchte dir meine Eindrücke jetzt aber trotzdem nicht vorenthalten.

Novak hat schon vieles angesprochen, auch die Füllwörter. Ich muss sagen, dein Text enthält erfrischend wenig davon, viel weniger als so manch anderes Debüt hier, aber trotzdem kann man da noch dran arbeiten. Meiner Ansicht nach kannst du alle drei "bereits" aus dem Text gerade so rauslöschen, ohne dass er irgendwas verliert. Auch hier:

Der Boden bebte leise, fast rhythmisch.

"Fast" ist in dem Kontext ein seltsames Wort. In Vergleichen kann man es gut verwenden, "Ich bin fast so schnell wie er", oder so, aber hier? Was ist "fast rhythmisch"? Du kannst es meiner Meinung nach auch einfach streichen.

Das mag jetzt ein bisschen wie Haarspalterei auf dich wirken, weil mir der Text als ganzes betrachtet gut gefallen hat. Sicher kann man noch das eine oder andere Adjektiv streichen, s. Novaks Anmerkungen, aber für mich schwingt in den wenigen Worten auch eine schöne Atmosphäre mit, also ich habe das Gefühl, die Welt so zu erleben, wie du sie dir auch vorgestellt hast. Das bringst du gut rüber, und ich bin definitiv auf weitere Texte von dir hier gespannt.

Von der Formatierung her würde ich die Reime kursiv setzen. So haben sie mich auch ein bisschen gestört, weil sie wie ein Fremdkörper im Text wirken. Ich finde sie als Einschübe nicht schlecht, würde sie aber optisch auch vom restlichen Text abheben.

Was hab ich sonst noch?

nahe der belgisch-luxemburgischen Grenze.

Überflüssiger Zusatz, kann raus.

Sophie erfreute das Schauspiel, der blau und rot erhellte Himmel. Sie lächelte.

So ganz nehme ich ihr das nicht ab, diese Unwissenheit. Sie weiss ja, dass Krieg ist, und ihre Mutter wird sie sicher auf die Gefahren hingewiesen haben. Ich glaube auch nicht, dass ein kleines Kind lächelnd im Bombenhagel steht (der den Himmel meiner Ansicht nach auch nicht erhellt, als wäre Silvester). Nein, für Kinder ist das eine ganz schreckliche Erfahrung, wie für alle natürlich, aber für Kinder ganz besonders. Also da erwarte ich eine andere Reaktion.

schleuderte das Mädchen gegen die kahle, feste Kirchenwand.

Warum verwendest du hier nicht ihren Namen, sondern ein anonymes "das Mädchen"? Sophie klingt hier stärker, wir haben sie ja kennengelernt.

Ein zweiter und dritter Kanoneneinschlag durchbohrten ohne Mühe die dünne Metallkonstruktion der Kirche.

Mit diesem Satz würde ich die Geschichte enden lassen. Auch ich störe mich hieran:

Aus Bergmännern und Müttern wurden Kämpfer ohne Hoffnung in einem Krieg, der nicht ihrer war. Und ohne Hoffnung verbleibt nur der Tod.

Das ist so eine rangepappte Moralaussage, das hat die Geschichte doch nicht nötig, durch den Tod des Mädchens wird der Schrecken ja schon deutlich genug. Würde ich grad streichen, sogar das mit dem Eisenkreuz ganz zum Schluss. Finde nicht, dass es der Geschichte einen Mehrwert bringt.

Aber wie gesagt, im Gross und Ganzen find ich das ein ordentliches Debüt und werde sicher auch einen Blick in deine nächste Geschichte werfen.

Viel Spass hier beim Schreiben & Kommentieren,
Schwups

 

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