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Die Eckkneipe

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23.02.2014
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Die Eckkneipe

Die Eckkneipe
von Idru Abra

Die gesamte Theke stammte aus den fünfziger Jahren, und die Türen der Kühlfächer hatten noch diese schönen verchromten Schnappverschlüsse. Der Tresen war mit Resopal belegt. Die Wandflächen, die der Thekenschrank freiließ, waren mit Tapete beklebt, die entweder einen Aufdruck hatten, der sich „Holzmaserung Eiche massiv" oder „Klinker natur" nannte. Genauso sahen sie auch aus.

Auf den offenen Regalen des Thekenschrankes standen immer allerlei Gerümpel, Gläser, Flaschen, Kartons mit Kaugummi und Schokoladenriegeln sowie Nippeskram wie Rauschgoldengel, Wurzelseppen und so weiter. An einem Nagel hing ein riesiger Holzhammer mit der Aufschrift „Hausordnung". (Wenn Rita den Hammer sah, fiel ihr dazu immer ihr Chef ein, sowie der Spruch: Für Leute, die nur einen Hammer haben, ist jedes Problem ein Nagel). Gegenüber der Theke war eine große wappenförmige Fläche ausgespart, worin in großen Lettern stand:

Der größte Feind des Menschen Wohl
Das ist und bleibt der Alkohol
Doch in der Bibel steht geschrieben:
Du sollst auch deine Feinde lieben!

Ansonsten war die gesamte Wandfläche um den Thekenbereich herum, die nicht mit irgendwelchem Nippeszeug zugedeckt war, mit verschieden großen Holztäfelchen behängt. Diese waren entweder mit bunten Bildern und Buchstaben bemalt, oder auf den Brettchen waren Reliefs und Buchstaben aus Aluminiumguss angebracht. Auf dem einen, oben links, stand nur der Spruch: "Mutter ist die Beste!" Rechts daneben hing ein Brettchen, auf dem zu lesen war: "Wer trinkt, um zu vergessen, sollte im Voraus zahlen!" In diesem Stil ging es weiter, bis zu einer Tafel, auf der stand:

Ich dir nix pumpen, Du böse.
Ich dir pumpen –
Du nix wiederkommen, Ich böse.
Besser Du böse!

Im Übrigen bestand die Einrichtung aus dunklem, alten Gestühl und abgewetzten Tischen. Die ehemals weißen Styroporplatten an der Decke waren total vergilbt. In dieser Umrahmung bewegte sich Bodo, der Wirt. Seit Jahren schon brauereifrei, brachte ihm die Gaststätte genug Geld ein, das er jedoch nicht für persönliche Bedürfnisse aufbrauchte, sondern in den Bau von Mietshäusern investierte. Bodo war erst 53, brachte aber zweizentnerzehn auf die Waage. Er hatte nie geheiratet, dafür immer getrunken.

Um sich von den in aller Stille und alleine trinkenden Menschen, die er als Alkoholiker bezeichnete, abzuheben, pflegte Bodo zu sagen: "Ich trinke nur in Gesellschaft!" Das stimmte, denn früher hatte er sich seine Trinkkumpanen gesucht, heute kamen sie - als seine Stammgäste - von selbst. Üblicherweise wurden "Rutschen" oder "Runden" getrunken, an denen sich Bodo genauso wie seine Gäste beteiligte: Trinkend und spendierend. Dieses Verfahren hatte Vorteile. Erstens konnte man sich durch das gemeinsame Trinken und Zu-Prosten gegenseitig bestätigen, dass Trinken eine ungefährliche, harmlose, der Gesprächs- und ansonsten der Gesundheitsförderung dienende Angelegenheit war: Sehr zum Wohle! Auf die Gesundheit! Zum Wohlsein! Zudem konnte man sich damit immer die Bestätigung holen, dass man kein Trinker war, sonst wären ja alle welche! Zweitens "kurbelte" dieses Verfahren, und das war alleine Bodos Vorteil, im wahrsten Sinne des Wortes, "die Wirtschaft an".

Überhaupt waren die Gäste ein Völkchen wie eine Familie - und so fühlten sie sich auch. Fremde, die die Kneipe mit dem schönen Namen "Zum Goldenen Rad" betraten, wurden misstrauisch beäugt und gemustert. Waren sie aber einige Male hier gewesen und nicht als "großmäulige Arschlöcher", wie manche sagten, klassifiziert worden, dann wurden sie künftig mit Handschlag und Vornamen begrüßt, mit Küsschen und allerlei Zuwendungen bedacht: "Hallo Thomas, alte Haube, wie ist die Lage? Wie gehts?" Wenn man dann sagte, "Gestern gings noch!", war die Verständigungsebene schlagartig hergestellt. Die heftigen Hiebe, die man dabei auf den Rücken erhielt, waren als zärtliche Bezeugung von Zuneigung gedacht.

Unter anderem die familiäre Situation; die hier herrschte, und die Rita Liebetreu-Lübbe, promovierte Psychologin, zuhause vermisste, war es vielleicht, was sie immer wieder hier her zog. Aber auch das "Trinken und Denken mit Geräuschkulisse", wie sie sagte, sowie die Tatsache, dass hier in dieser kleinen Kneipe, die sie bei Freunden "meine proletarische Eckkneipe" nannte, verhältnismäßig viele Frauen hingingen und sich merklich wohl und sicher fühlten.

Das gesamte Kneipenpublikum außer Rita und dem einen oder anderen Zufallsgast, hatte zwei Dinge gemeinsam: Ein relativ geringes Einkommen und eine mehr oder weniger starke Liebe zum Alkohol. So verkehrten hier Beschäftigte aus den kleinen, hier ansässigen Betrieben, Fleischereiverkäuferinnen, Reinigungskräfte und ihre Objektleiterinnen, Supermarkt-Kassiererinnen, Handwerker wie Maurer und Maler, Tischler und Schlachter. Jede Menge Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Rentnerinnen mit sehr bescheidenen Rentenbezügen. Ältere Eheleute pflegten häufig gemeinsam hierher zu kommen. Die Frauen, die alleine kamen, waren oft Witwen oder insgesamt vom Leben gezeichnete Menschen. Die meisten hatten nie einen Beruf erlernen dürfen, hatten häufig schlimme Erfahrungen mit Männern gemacht und deshalb gescheiterte Beziehungen hinter sich. Viele dieser Frauen hatten - von Kindheit an - einen harten Existenzkampf durchlebt. Schwere Arbeit, bittere Armut in den Nachkriegsjahren und durchlittene Demütigungen hatten sich bei vielen tief in die Hände und Gesichter eingegraben.

So tranken sie hier nun "mal einen" und hatten dabei einen gewissen Stolz bewahrt, den eine ältere Frau einmal so ausgedrückt hatte: " ... und wenn ich keinen Pfennig mehr in der Tasche hatte - für Geld habe ich meine Beine nie breit gemacht!"

An den Sprüchen und Stammtischwitzen, die an der Theke gerissen wurden, beteiligten sie sich lebhaft und lautstark, dabei lachten sie schrill und schallend. Sie wussten, dass ein Küsschen oder ein kleiner Klaps auf den Po von diesen Männern hier in der Kneipe gut gemeint war. Sie wussten, dass sie auf diese Männer zählen konnten. Dass ihnen im Lokal nichts passierte, und dass sie von jedem hier, wenn sie es wollten oder zu viel getrunken hatten und nicht mehr gerade gehen konnten, sicher bis vor die Haustür begleitet wurden. Wenn einer - was selten vorkam - wirklich einmal vor dem Eingang eine eindeutige Frage stellte, dann reichte es beispielsweise aus, zu sagen: "Nein, du spinnst wohl Egon. Geh mal schön nach Hause!" Und damit war die Sache erledigt.

Die Frauen fühlten sich absolut geschützt in ihrer Kneipe. So war es nichts besonderes, als Helmut einmal schrie: „Wer Maria anfasst", dabei deutete er mit dem Zeigefinger auf die 63-Jährige Maria, die oft und viel trank, "dem hau ich eine vor den Schädel, dass die Birne aus der Fassung springt! Den mach ich fertig! Der steht nicht mehr auf! So wahr ich Helmut heiße. Aber hundert pro!"

Seit einiger Zeit schon war Rita "aufgenommen" in die kleine Kneipengemeinde. Gleichwohl merkte sie, dass sie nie ganz integriert werden würde. Es hatte sich einmal ergeben, dass sie in dem Lokal von ihrem Beruf gesprochen hatte, und da war es eben herausgekommen. Vermutet hatte man immer schon etwas, da sie sich in Sprache, Kleidung, Frisur und so weiter von den anderen Frauen hier unterschied. "Psychologin ist sie also!" Die Vermutung "so eine" wolle doch etwas Besseres sein, konnte sie durch noch so zurückhaltendes Einmischen in ihre Gespräche nicht zerstreuen, weil sie zutraf, und dafür hatten die Gäste ein sehr feines Gespür.

Der Zweifel, "dass sie nicht so ist, wie wir", schwang ein bisschen mit, wenn Bodo ihr ein Bier hinstellte und sagte: "Bitte Rita - oh Entschuldigung, Frau Diplompsychologin!" Natürlich merkte sie, dass es da irgendeine Art von Misstrauen gab und konnte das sogar verstehen. Sie hatte sich deshalb schon oft vorgenommen, diese Kneipe für alle Zukunft zu meiden. Aber irgend etwas zog sie immer wieder einmal hierher. So wie am letzten Mittwoch gegen achtzehn Uhr, als das Lokal schon ein wenig bevölkert war:

"Noch ,ne Runde, Bodo!" ruft Charly, der kleine Dicke mit dem Kugelbauch und der Vollglatze über'm Mondgesicht, die von einem Rand dünner, roter Härchen umsäumt wird. Schorse, der neben ihm steht, ist schon angetrunken. Nach der Melodie des Schlagers "Pretty Belinda" aus den 50er Jahren singt er vor sich hin: "Ich steh auf dem Hausboot und hol mir ein' runter/ ich muss mich beeilen, das Schiff geht gleich unter ... "

"Ich war am Freitag im Stadion", unterbricht Atze, "die Ahntracht kannste auch glatt vergessen. Hab' mir erstmal 'ne schöne Bratwurst reingepfiffen, schön mit viel Senf, kannste nicht meckern!" Charly sagt: "Also, ich ess ja, am liebsten Erbseneintopf! 'Nen schönen, dicken Erbseneintopf?" schwärmt er, "da lass ich jedes Schnitzel für stehen! ... und da 'ne knackige Bockwurst zu - ein Gedicht, sag ich dir, ein Gedicht!"

'Die drei, die neben Charly an der Theke stehen, Atze, Pitti und Schorse, sowie Bodo, der Wirt, haben inzwischen einen kräftigen Schluck genommen. Charly holt das. nach, und bevor er weiter sprechen kann, ergreift Schorse, ein großer gut aussehender Mann, das Wort: "Für mich geht nichts übern Jägerschnitzel! 'N Jägerschnitzel? Aber hallo! Das muss so richtig übern Teller rechts und links rüberhängen und dann 'n Sahnesößchen mit Pilzen! - Da leck ich mir aber die Finger nach! Paar kernige Pommes dazu ... "

Die fünf trinken, und Pitti bestellt: "Bodo lässte noch mal die Luft aus den Gläsern?!" Während Bodo die vorgezapften Gläser füllt, fährt Schorse fort: "Auf Salat kann ich gerne verzichten! 'N schönes Jägerschnitzel? - Da brauch ich kein' Salat, da sag ich gleich, 'n Salat können se mal schön behalten, bin doch kein Kaninchen wa?“. Alle lachen.

"Prost Jungs!" sagt Pitti und hebt sein Glas. Sie trinken, und Schorse ergänzt seine Rede: "Den Salat, den können 'se selber knabbern, sag ich da .... "

Während Bodo das gestrige Kalenderblatt abreißt, was er am Morgen vergessen hatte" mischt er sich in das Gespräch ein: "Mit Fisch kannste mich jagen", unterbricht er, als sich die Eingangstür öffnet und Ritas blonder Kurzhaarschnitt in der Tür erscheint.

"Hallo!" grüßt sie, und zu Pitti gewandt: "Hallo Pitti!".

Die Männer scheinen ihr Gesprächsthema plötzlich vergessen zu haben. Während Rita zu "ihrem" Platz, an das Tischen hinten links in der Ecke geht, tönt Charly: "Lieber blond und eng als bläck änd weit!" Als black and white? Damit kann Rita nichts anfangen. Die Männer lachen und trinken.

"Lieber 'ne Blinde im Bett, als 'ne Taube aufm Dach!" blubbert Atze.

"Da darfste nichts drauf geben, Rita!" ruft Bodo ihr entschuldigend zu, "ich sag immer, lieber Himbeergeist, als überhaupt keinen Verstand!"

"Ach so", denkt Rita, "die müssen sich erst wieder abreagieren! Na ja, sollen sie mal."

Sie schaut Bodo an: "Machst du mir ein Bier, Bodo?" Ja, natürlich Madame", grinst Bodo.

"Lieber besoffen, als blöde ... ", entfährt es Schorse, der damit die entstandene Pause füllen will und erklärt: "Besoffen geht wieder weg!" Die fünf Männer heben ihre Gläser und trinken sie leer.

"Bodo?!" sagte Atze und macht eine Handbewegung, die andeuten soll, dass die Gläser zu füllen sind.

Rita sucht erst einmal die Toilette auf. Als sie von der Toilette kommend, die Treppe hinunter in die Gaststube geht, hört sie, wie die Thekengesellschaft immer noch mit dem Thema beschäftigt ist, das man überschreiben könnte: Was schmeckt mir - was schmeckt mir nicht und warum?

Die Kneipentür geht knarrend auf, und Berta kommt herein. Berta ist eine drahtige, 65-jährige Rentnerin, mit dünnen Beinen und genau solchen Haaren, sowie einer spitzen Nase und immer knallrot geschminkten Lippen.

"Tach, die Herren!" ruft sie in Richtung Theke.
"Tach, Bertachen, mein Schnuckelchen!" säuselt Charly.

Als Berta, eine leichte Drehung vollziehend, Rita in der Ecke sitzen sieht, geht sie auf sie zu und freut sich: "Eh Rita, alte Eule, auch mal wieder hier?" Bevor Rita antworten kann, sagt sie: "Schön, mein Kleines, schön!" und tätschelt ihr dabei die Hand.

"Guten Tag, Berta!" erwidert Rita und zieht ihre Hand verschämt weg. Berta stellt sich zu den Männern an der Theke und bestellt: "Gell, Bodo, machst meinen Jungs hier noch mal einen, für dich und mich und natürlich für Ritachen auch einen, ja?" Bodo schenkt ein, stellt die Biere auf den Tresen und bringt eines zu Rita, stellt es neben ihr Glas und sagt: "Bitte sehr, Frau Doktor!"

Rita hätte ihn am liebsten geohrfeigt, lässt es natürlich und wirft ihm stattdessen einen vielsagenden Blick zu. Bodo schlurft in seinen Hausschuhen zurück hinter die Theke und stellt das Radio an, um Nachrichten zu hören: " ... ist heute Mittag die 20-Jährige Magdalena Nowak in einem Waldstück bei Braunschweig tot aufgefunden worden. Nach Angaben der Polizei ist sie wahrscheinlich mit einem schweren scharfen Gegenstand erschlagen worden. Von dem oder den Tätern fehlt jede Spur. Hamburg. Der Hafengeburtstag ...... "

Bodo stellt das Radio aus.

"Wenn ich den erwischen würde!"

Rita schreckt aus ihren Gedanken auf, als sie Charly brüllen hört und sieht, wie er sich aufbaut, knallrot anläuft und mit seinen Armen und Händen heftig gestikulierend fortfährt: "Dem würde ich Arme und Beine, Zentimeter für Zentimeter, immer schön langsam, würd ich die abhacken, und dann würd ich ihm noch schön gemächlich den Bauch aufschlitzen! Nichts von wegen paar schönen Jährchen im Knast?!" Verneinend bewegt er seinen rechten Zeigefinger vor seinem Gesicht. "So einer, der muss leiden! Der muss den Schmerz spüren!" schreit er, "nicht bums, aus, weg, tot! So nicht - Sooo nicht, mein Lieber! Und ich würd mir das genüsslich anschauen, wie das Schwein langsam krepiert. Das könnt ihr mir glauben!".

Um Zustimmung heischend, schaut er die anderen an.

"Na, na, mal langsam ... ", wendet Pitti ein.

"Halt du den Rand!" Schorse schreit Pitti an. "Willst du so ein Schwein, das ein Mädchen umbringt, vielleicht noch schützen?"

Pitti möchte erklären: "Ich meine ja nur ... "

"Du meinst ja nur, du meinst ja nur! Spiel dich hier bloß nicht auf, du rote Ratte, sonst schlag' ich dir dein Gesicht zwischen den Ohren durch!"

Bodo fährt dazwischen: "Mensch Leute! Streitet euch doch nicht untereinander! Wir sind doch alles echte Deutsche hier, oder?!"

"Na klör", bringt sich Atze ins Gespräch, "ist doch kahn Wunder, dass so was passiert, wo du nirgends mehr sicher bist, bah dem Gesindel, das hier überall rahnkommt! Die ganzen Türken, Rumänen und Bulgaren, das Zigeunerpack und Asylantenzeugs, was sie hier rahn holen! Ist das ahn Wunder? Jetzt fischen sie ja sogar noch vor Italien die Swatten aus´m Wasser!"

"So'n kleiner Adolf', dabei zeigt Berta einen daumenbreiten Abstand mit Daumen und Zeigefinger ihrer rechten, knochigen Hand und piepst weiter, "so'n kleiner Adolf, den bräuchten wir wieder mal, nicht wahr, Schorse?!" Sie dreht sich um zu Rita und schwächt ab: "Nee, Rita, nicht so wie damals! So meine ich das ja nicht!" Sie wendet sich wieder den Männern zu: "Aber so'n kleiner, nur so'n kleiner, der ist wieder mal notwendig hier, da muss mal wieder reiner Tisch gemacht werden! Da hab ich doch recht, Bodo, was? Oder, Bodo, was?"

"Was ist denn für'n Staat hier?" brüllt Schorse und haut mit der Faust auf den Tresen, dass die Gläser wackeln, "die ganzen Verbrecher laufen hier frei rum, die murksen dein Kind ab, dann kriegen die 15 Jährchen mit Fernsehen, Illustrierten und bestem Essen, und dann kommen die noch 10 Jahre früher raus, wegen guter Führung, was?! Das ist 'ne ganz große Sauerei! Und alles auf unsere Kosten! Wenn ich was zu sagen hätte: Gleich Rübe ab. Gar nicht lang fackeln. Weg damit, peng, aus, erledigt! Dann könnte 'ne alte Oma auch hier nachts über die Straße gehen!"

"Bestell mir mal 'ne Taxe, Bodo", ruft Atze dazwischen, "Aber 'nen Liegewagen!"

Während einer eine neue Runde bestellt, brummt Charly angestrengt in einer tiefen Tonlage: "Es muss wieder angeheizt werden, wir brauchen wieder neue Heizer, wir müssen wieder anheizen ... "

Pitti kann sich jetzt nicht mehr zurückhalten. "Bei den Nazis", sagt er, innerlich entrüstet, aber auch kleinlaut und ängstlich, "da warst du ja nicht mal in deiner eigenen Wohnung sicher. Ich halt das nicht aus, was ihr hier für'n Quatsch erzählt. Ihr seid ja alle kleine Rassisten!"

"Mach'n Kopp zu!" schleudert ihm Schorse entgegen, "sonst kriegst du so eine vorn Tabernakel, dass dir der Riemen von der Orgel fliegt!" Dabei stürzt er auf Pitti zu, aber Charly kann ihn gerade noch zurückhalten und er zischt: "Die miese rote Sau! Is doch wahr, Mensch! Guck mal"; kräht er, "holen alles mögliche Gesocks hierher, Türken, Polen, Russen, Afghanen, Neger, Zigeuner und dieses ganzen Pack! Die kriegen den Zucker hinten in den Arsch rein geblasen! Musst mal gucken: Diese Aussiedler: Kaum hier, neues Häuschen, neue Wohnung, Mercedes und so weiter – nur weil sie ´nen deutschen Schäferhund haben!. Und was kriegen wir? Arschlecken! Ich sag dir eines: Bald ist Schicht! Da ist der Ofen aus! Da rumsts! Von wegen: Was gibst hier? Schwanz gibt's, aber kräftig!"

"Selbstverständlich", bestätigt Bodo, „wir müssen mal wieder klar Schiff machen mit dem ganzen Gesocks!“

"Mensch Bodo, erzähl doch nicht so einen Blödsinn, du kennst doch überhaupt keinen Ausländer hier!" sagt Pitti, der sich von Schorses Angriffsversuch noch nicht ganz erholt hat, kleinlaut.

"Was? Ich kenne keinen?“ wendet Bodo ein: „Bei mir wohnen zwei Türken im Haus, Ali und Farik mit ihren Familien. Okay - die sind total in Ordnung! Aber die meine ich ja nicht! Darum geht's ja nicht", und er ereifert sich: "Ich meine die Türken überhaupt und so, das ganze Zeugs und alles, und wir stehen im Regen! Sind wir Deutsche oder nicht? Also!"

"Nur so 'n kleinen", piepst Berta wieder, ihre Handbewegung wiederholend, "den bräuchten wir, aber ehrlich, nur so 'n kleinen ... "
"Ist doch die totale Verarschung!" schnaubt Schorse, "stellt euch das doch mal vor: Kommt da vielleicht so'n Rumäne oder Russe hier rüber und bringt hier ein deutsches Mädchen um? Wenn die so was nicht reinlassen würden, würd das gar nicht passieren, so'n Ding! Ehrlich! Sag, ich euch!"

Rita hat die ganze Zeit dagesessen und die Unterhaltung wie in einem bösen Traum verfolgt. Aber jetzt steht sie auf, geht zur Theke und wendet sich, sehr leise sprechend, an die dort Versammelten: "Da ist vor unserer Haustüre gerade ein Mädchen umgebracht worden – und mir bleibt fast die Sprache weg! Vor Entsetzen, vor Wut - und vor Trauer! Und ihr?" Rita wird etwas lauter und zischt: "Und ihr? Ihr habt nichts anderes zu tun, als auf dieser Tragödie euer dummes und rassistisches Süppchen zu kochen? .. und so einen Quatsch hier durch die Kneipe zu brüllen?" Sie fängt an zu weinen, dreht sich um und geht zurück zu ihrem Tischchen, wobei sie leise in sich hinein schluchzt: "Ihr kotzt mich an! Ich kann das nicht mehr mit anhören!"

Leise weinend setzt sie sich, um ihr Bier auszutrinken, während Pitti sich zu ihr hockt und sie zu trösten versucht. Eine Weile, herrscht Stille in der Gaststube.

Dann versucht Schorse zu beschwichtigen: "Mensch Rita, hab' dich mal nur nicht so! Bei dir zählt wohl nur die Meinung von Akademikern, was?"

Die Türe öffnet sich und ein schmaler, südländisch aussehender Mann kommt herein und ruft: "Taxi!" Atze dreht sich zu ihm hin und lallt: "Haste überhaupt 'nen Führerschahn?" Als Atze zur Tür wankt, meint Charly: "Der ist ja schon wieder stinkbesoffen!"

"Lieber 'n stadtbekannter Säufer als 'n anonymer Alkoholiker!" lallt Atze und fällt die Stufen hinunter.

Der Taxifahrer hilft ihm wieder auf die Beine und schließt die' Tür. "Des kleinen Mannes Sonnenschein", sagt Bodo wie beiläufig, "ist Vögeln und Besoffensein!"

Schorse fängt an, ein Lied zu singen, das unter dem Titel "Der mächtigste König im Luftrevier" für ein Liederbuch der Bundeswehr vorgesehen war: "Die Vöglein erzittern, vernehmen sie nur sein rauschendes Flügelpaar. Wenn der Löwe in der Wüste brüllt, dann erzittert das tierische Heer, ja, wir sind die Herren der Welt, die Könige auf dem Meer. Tirallala, tirallala ... "

Als Charly abermals anfängt zu brummen:'" Wir brauchen wieder neue Heizer, ... ", merkt Rita, wie sich ihr Magen zusammenzieht und hat das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sie steht auf, wankt wie in Trance zum Tresen und bezahlt wortlos. Pitti sagt: "Warte, ich komme ein Stück mit". Und zu Bodo gewandt: "Ich mach 'nen 'Deckel! Die Kohle kriegste morgen!"

Am nächsten Morgen angelt Bodo die Zeitung aus dem Briefkasten. Auf Seite Eins die Meldung mit der Schlagzeile: Totes Mädchen im Wald: Täter gefasst. Aus dem Artikel geht hervor, dass es sich bei dem Opfer um eine aus Polen stammende junge Frau handelt, die hier gemeldet war und als Altenpflegerin gearbeitet hat. Als Täter ist der Wohnungsnachbar der Toten, der 19-Jährige Deutsche Wolfgang S. überführt worden.

Bodo nimmt die Zeitung mit in das Lokal, liest den Artikel alleine hinter dem Tresen und sagt zu sich selbst: „Hab ich doch gleich gesagt, dass sie den bald kriegen, und zwar rucki-zucki, siehste, sie haben ihn schon, na bitte – sag ich doch!“

 

Hallo Idru,

herzlich willkommen hier!

Der Einstieg ist problematisch, für mich als Leser. Ich finde da keinen Anreiz weiterzulesen.
Das Ambiente ist zwar hübsch beschrieben, es fehlt jedoch das Besondere. Zum Beispiel ein neuer, dicker, goldener Buddha mitten auf der Theke. Und zu dem gibt es eine Geschichte, die nebenher, möglichst gegen Ende, vom Wirt erzählt wird. Bis dahin kann ja alles laufen wie bisher, nur immer wieder starren die Gäste den Buddha an und stellen Fragen und der Wirt weicht jedes Mal aus.
Also, das nur mal so als Beispiel. Dieses typische Alte-Eckkneipe-Feeling muss irgendwie gebrochen werden, um interessant zu sein.

Ebenso verhält es sich mit den „Klugheiten“.
Für Leute, die nur einen Hammer haben, ist jedes Problem ein Nagel

Und einige weitere Sprüche in deinem Text sind altbekannt. Da könntest du ruhig was Eigenes ersinnen.

Nur der Krug Versuch macht Klug!

Lieben Gruß

Asterix

 

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