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Thema des Monats Die doppelte Frau Lottmann

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10.07.2007
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Die doppelte Frau Lottmann

Theresa Lottmann war dafür bekannt, dass sie lang im Büro blieb und hart arbeitete. Meistens tat sie es sogar gern. Sie besaß das seltene Talent, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, ohne dass das Ergebnis zu wünschen übrig ließ. Wenn sie telefonierte, schrieb sie nebenher schon an der nächsten Email. Sie ging methodisch und effizient vor, und war immer voll konzentriert. Sie dehnte ihre Kaffeepausen nicht unnötig aus und hatte selten Zeit für einen Plausch mit Kollegen.
Trotzdem gab es Tage wie heute, an denen das Pensum einfach nicht zu schaffen war. Kollegen und Vorgesetzte wussten nur zu gut, dass sie klaglos und schnell auch unangenehme Aufgaben abarbeitete, und dass es ihr schwer fiel, nein zu sagen. Die Emails in ihrer Inbox nahmen einfach kein Ende, und das Telefon schien aller fünf Minuten zu klingeln. Als ihr Chef den Kopf zur Tür hereinsteckte, ahnte sie, dass es auf noch mehr Arbeit hinaus lief.
„Ist die Tagesordnung für den Achtzehnten denn noch nicht raus, Frau Lottmann?“
„Ich bin noch an der Abschlussdokumentation für Central Core.“
„Was? Die müsste doch längst fertig sein!“
„Ich konnte doch erst gestern damit anfangen. Frau Bertram ist seit Montag krank, und – “
„Ist mir egal, Frau Lottmann Wir brauchen die Tagesordnung, und die Tischvorlagen. Bis drei senden Sie das bitte an alle Teilnehmer.“
Also erstellte Theresa die gewünschten Unterlagen, und versendete sie um kurz vor drei. Mit ihrer Dokumentation war sie noch kein Stück weiter.
Gegen sechs Uhr rief ihr Freund an.
„Soll ich dich abholen?“, fragte er.
Theresa biss sich auf die Lippen. „Lars, ich bin noch im Büro. Ich schaffe es heute nicht.“
„Du hast gesagt, Donnerstag wäre okay.“
„Ich weiß, es tut mir leid. Ich muss noch was zu Ende bringen, es dauert länger als gedacht. Sei nicht böse, okay?“
„Bin ich nicht“, sagte er. „Du kannst ja nichts dafür.“
Aber sie hörte Verärgerung in seiner Stimme. Sie kannte diesen Unterton gut. Er war der Anfang vom Ende ihrer letzten Beziehung gewesen.
„Ich mach’ es wieder gut“, sagte sie und legte auf.
Da sie inzwischen allein im Büro war, gestattete sie sich, für einen Moment den Kopf auf den Schreibtisch zu legen. Was soll ich denn machen, ich kann mich doch nicht teilen, dachte sie. Aber Herumjammern würde ihr nicht weiterhelfen, also machte sie sich schnell wieder an ihre Arbeit.

Gegen neun verließ Theresa endlich das Büro. Es war dunkel und kalt, die meisten Läden hatten schon geschlossen. Sie kaufte ihr Abendessen, chinesisches Fastfood, auf dem Heimweg. Sie aß es schnell, vor dem Fernseher, und hinterher war ihr übel. Ein flaues Gefühl im Magen, und eine seltsame Schwäche in den Beinen. Nicht doch, ich kann es mir nicht leisten jetzt krank zu werden, dachte sie verzweifelt. Wenn die Bertram, diese dumme Pute, sie angesteckt hatte, dann konnte sie sich ja gleich erschießen.
Es dauerte eine ganze Weile, bevor ihr klar wurde, dass die Übelkeit nicht von einer beginnenden Darmgrippe herrührte. Sie war einfach immer noch hungrig. Es kam hin und wieder vor, dass ein anstrengender Arbeitstag einen Anfall von Heißhunger bei ihr auslöste, aber so schlimm war es noch nie gewesen.
Ihr Kühlschrank war nie sonderlich gut ausgestattet, aber ein paar Aufbackbrötchen waren noch da. Theresa warf sie hastig in den Backofen, ließ sie gerade lange genug darin um sicherzugehen dass sie nicht mehr gefroren waren, und aß eins nach dem anderen auf. Viel half das nicht – es fühlte sich immer noch an, als müsste sie ein Loch in ihrem Inneren stopfen. Normalerweise achtete sie auf ihr Gewicht, aber das Gefühl, weiter essen zu müssen, war so stark, dass sie überhaupt nicht darüber nachdachte, wie viele Kalorien sie wohl in sich hineinstopfte. Nachdem sie sämtliche Lebensmittel in der Wohnung vertilgt hatte - selbst das halbe Glas saurer Gurken, das sich schon länger als angebracht im Kühlschrank befand, und ihren Notfallvorrat an Schokolade - rief sie schließlich einen Pizzaservice an.

Weit nach Mitternacht lag sie endlich im Bett, aber sie fühlte sich noch immer unwohl. Ihr war heiß, und ihr ganzer Körper schien geschwollen zu sein. Selbst ihre Nase und die Zehen fühlten sich an, als würde die Haut gleich aufplatzen. Trotzdem fiel sie nach und nach in einen unruhigen Schlaf.
Irgendwann schreckte sie hoch, mit einem grauenhaften Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ihr Atem ging schwer, und ihr Herz schien in einem Moment zu schnell und im nächsten zu langsam zu sein. Sie tastete mit der rechten Hand nach dem Puls auf der linken Seite. Die Finger fühlten sich taub an und bewegten sich schwerfällig, wie unter Wasser. Als Theresa sie auf ihr Handgelenk legte, hatte sie das Gefühl, einzusinken, als wäre das gar kein richtiger Arm, sondern ein Gebilde aus weichem Ton.
Unter normalen Umständen hätte dieses Gefühl allein sie zutiefst beunruhigt, aber sie hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken, denn in diesem Moment begannen die Krämpfe. Der Schmerz traf sie unvorbereitet. Es war, als würden kosmische Kräfte ihren Körper zum Tauziehen benutzen.
Ihr kam der Gedanke, dass sie sterben könnte, hier und jetzt. Sie war gerade mal dreißig, und hatte geglaubt sie sei gesund, aber etwas hatte sie erwischt, und es machte ganz den Eindruck, als könnte es sie umbringen, einfach so. Sie hätte geschrien, aber ihr Hals war zugeschnürt. Sie fühlte Tränen, die ihre Wangen herab liefen, und sich auf ihrer heißen, gereizten Haut wie Säure anfühlten.
Als die Krämpfe etwas nachließen, konnte sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Ihr war heiß, und ihr ganzer Unterleib fühlte sich an, als stehe er in Flammen.
Ohne nachzudenken, riss Theresa ihr Nachthemd herunter und rannte ins Bad. Vielleicht hing das alles damit zusammen, dass sie heute Abend einfach viel zu viel in sich hineingestopft hatte. Vielleicht musste sie sich einfach nur übergeben und würde sich dann besser fühlen.
Es half nicht. Sie hing würgend über der Kloschüssel, aber es kam nur ein wenig Gallenflüssigkeit.
Also richtete sie sich wieder auf. Das Brennen war jetzt weiter nach oben gewandert, von der Magengrube in die Brust. Sie sah an ihrem nackten Körper herunter. Er schien breiter als sonst, angeschwollen, aber das bekam sie nur am Rande mit, denn etwas anderes beunruhigte sie viel mehr. Genau in der Mitte, zwischen ihren Brüsten, und durch den Bauchnabel hindurch, lief eine dünne rote Linie. Was ist das denn bloß? Sie starrte in den Spiegel. Wie sie befürchtet hatte, lief die dünne Linie auch durch ihr Gesicht.
Theresa beugte sich nach vorn, um besser zu sehen. Die Linie hatte begonnen, allmählich einzusinken – als hätte jemand eine unsichtbare Schnur um sie gelegt, und würde jetzt langsam immer fester zuziehen. Gleichzeitig nahm der Schmerz zu. Sie hatte schon von Kopfschmerzen gehört, die einem den Schädel spalteten, aber in diesem Fall schien das keine Metapher mehr zu sein. Sie glaubte sogar, ein Knirschen zu hören.
Ich brauche einen Arzt.
Als ihr dieser Gedanke kam, war es schon zu spät. Ihre Füße schienen ihr nicht mehr zu gehorchen. Sie brauchte eine Ewigkeit, um das Bad zu verlassen, und im Flur konnte sie sich nur noch auf Händen und Knien fortbewegen. Sie schaffte es noch, das Telefon in die Hand zu nehmen und die erste Eins zu wählen, bevor ihre Bewegungen in unkontrollierbare, krampfhafte Zuckungen übergingen, und der Schmerz so unerträglich wurde, dass sie das Bewusstsein verlor.

Und trotzdem war am nächsten Morgen alles wieder normal, zumindest für ein paar Minuten. Sie erwachte, weil der Wecker im Schlafzimmer anfing zu klingeln, aber sie war ausgeruht – wahrscheinlich wäre sie wenig später von ganz allein aufgewacht. Ihr Körper fühlte sich leicht an, lebendig und voller Energie. Ihr war kalt, weil sie die ganze Nacht ohne Decke auf dem Fußboden zugebracht hatte, aber alles in allem ging es ihr nicht nur weitaus besser als gestern Abend, sondern besser als die ganze vergangene Woche. Trotzdem war sie besorgt wegen des nächtlichen Anfalls, dieser eigenartigen Symptome und der heftigen, unerklärlichen Schmerzen. Hastig setzte sie sich auf und sah an sich herunter. Ihre Haut war glatt und weiß, keine Spur mehr von der eingeschnürten roten Linie, die genau in der Mitte heruntergelaufen war. Womöglich war das Ganze nur ein Traum gewesen, verbunden mit Schlafwandeln?
Erst nach diesen ersten Momenten der Erleichterung merkte sie, dass sich der Fußboden klebrig anfühlte. Er war von rosa Schlieren bedeckt, die sie an Schneckenschleim erinnerten. Wie ekelhaft – bestimmt hatte sie sich im Schlaf übergeben müssen! Sie stand auf, um sich so schnell wie möglich zu waschen, und erst da fiel ihr der andere Körper auf, der nur knapp einen Meter von ihr entfernt am Boden lag und die Tür zum Badezimmer blockierte.
Die andere Frau lag mit dem Gesicht zur Wand, aber Theresa wusste es sofort. Das kurze dunkelblonde Haar, der blasse Teint, die Form der ausgestreckten Hand – dieser Körper war identisch mit ihrem eigenen. Dies war ein Zwilling, eine Doppelgängerin … ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber als sie neben der Anderen auf die Knie ging, und sie vorsichtig an der Schulter berührte, traten alle Gedanken an Science-Fiction-Filme, halbvergessene Biologiestunden, und mögliche Wahnvorstellungen weit in den Hintergrund. Es war eine Erfahrung, die sich kaum mit dem Bewusstsein verarbeiten ließ – ihre Hand, die die kühle Haut der Anderen berührte, und ihre Schulter, auf der sie diese Hand spürte. Ihre dritte Schulter, mit ihrer eigenen Hand darauf.
Die Andere war gar kein Zwilling. Sie war nicht einmal jemand anders. Sie war Theresa. Als ihr das klar geworden war, erwachte auch der zweite Körper. Sie drehte das Gesicht zu ihr – zu sich – öffnete die Augen und richtete sich vorsichtig auf.
„Oh“, sagten beide Theresas.

Viele wären wahrscheinlich von der Aufgabe, zwei Körper mit nur einem Bewusstsein zu steuern, überfordert gewesen, aber für jemanden wie Theresa Lottmann war das kein großes Problem. Multitasking war ja geradezu eine Lebensphilosophie für sie. Und hatte sie sich nicht schon oft ausgemalt wie schön das wäre, sich verdoppeln zu können, um mit all den Belastungen des Alltags im Beruf und Privatleben besser fertig zu werden?
Natürlich konnten sie nicht beide ins Büro gehen, das hätte zu viele Fragen aufgeworfen und sie letzten Endes von der Arbeit abgehalten. Aber sie konnte ohne weiteres eine Zehn-Stunden-Schicht einlegen, um all den Kram abzuarbeiten, der in den letzten Wochen liegen geblieben war, und trotzdem endlich die Wohnung auf Vordermann bringen, sich etwas Neues zum Anziehen kaufen, und vielleicht abends für Lars kochen oder mit ihm ausgehen, um sich für gestern zu entschuldigen. Beide Theresas lächelten bei diesem Gedanken.
Sie duschten zusammen. Normalerweise war ihr so etwas recht unangenehm, aber vor sich selbst brauchte sie ja wohl keine falsche Scham zu haben. Es war eigentlich sogar sehr praktisch, sich gegenseitig den Rücken waschen zu können.
Erst beim Anziehen gab es ein kleines Problem – die Größe schien nicht mehr zu stimmen. Die Veränderung war nicht drastisch – der größte Unterschied zu ihrem alten Körper lag eher in der Dichte, glaubte sie. Die beiden neuen Körper waren leichter und weicher, und die Haut schien ein wenig durchscheinend – aber das war nichts was ein wenig Make-up nicht kaschieren konnte. Trotzdem schlackerte das Kostüm der Theresa, die ins Büro gehen wollte, eindeutig an ihr herum, als sei es mindestens zwei Nummern zu groß. Sie musste schließlich auf einige ihrer ältesten Klamotten zurückgreifen, die sie aus reiner Sentimentalität aufbewahrt hatte, weil sie die bei ihrem Uni-Abschluss getragen hatte – nicht weil sie geglaubt hätte, sie könnten jemals wieder passen.
Die andere Theresa zog sich einfach einen Jogginganzug über. Etwa eine Stunde verbrachte sie damit, im Internet nach einer Erklärung zu suchen, allerdings recht halbherzig. Nachdem sie – ohne sonderlich überrascht zu sein – festgestellt hatte, dass das, was ihr in der Nacht widerfahren war, ganz und gar unmöglich war, weil sich nur die simpelsten Lebensformen auf diese Art verdoppeln konnten, verbannte sie jeden Gedanken daran, in der Uniklinik oder sonst wo Rat zu suchen. Sie würde doch nur in der Psychiatrie oder einem Labor enden, und man würde sie von ihrer Arbeit abhalten. Nein, dieses kleine Wunder sollte ihr Geheimnis bleiben.

Es wurde ein reichlich seltsamer, aber dennoch ein guter Tag. Am Anfang war sie vielleicht ein wenig zu euphorisch, so dass sie fast ein wenig beschwipst wirkte, aber wie alle Herausforderungen, die sie anpackte, wurde auch diese Sache schnell zur Routine für sie. Ein paar Mal unterliefen ihr Fehler – als eine Kollegin der Theresa im Büro sagte, wie gut sie heute aussehe, sagte die Theresa, die gerade im einige Kilometer entfernten Supermarkt einkaufte, ohne erkennbaren Anlass „Vielen Dank“, und erntete einige irritierte Blicke, und ab und zu machte der eine Körper eine Bewegung, die der andere hätte tun sollen, aber im Großen und Ganzen lief es fantastisch.
Lars schöpfte keinerlei Verdacht, als Theresa am Abend mit einem neuen Kleid und einer aufrichtigen Entschuldigung bei ihm auftauchte. Es war zwar eigenartig, an einem Ende der Stadt mit ihm auszugehen, während sie am anderen Ende noch vor ihrem Computer saß, aber nur ein bisschen. Einzig die Vorstellung, mit ihm zu schlafen, erschien ihr dann doch nicht richtig, also verabschiedete sie sich schnell, als er fragte, ob sie noch mit zu ihm kommen wollte. Es hätte die Theresa, die noch im Büro saß, einfach zu sehr abgelenkt.

Und so waren sie am Abend allein zu Hause, und nach und nach kam es ihnen dann doch wieder so vor, als ob die Nachteile dieser Situation überwogen. Sie waren hundemüde, und das Bett war nur für eine Person gedacht – das heißt, für einen Körper. Sie lagen dicht nebeneinander, konnten sich kaum bewegen, und dachten beide den gleichen Gedanken. Es dauerte nicht lange, bis beide Körper sich heiß und klebrig an fühlten. Sie wussten, was das bedeutete. Sie dachten noch darüber nach, ob das Ganze sich nicht besser im Bad vollziehen sollte, denn das Bett würde unweigerlich von der gleichen schmierigen Substanz durchtränkt werden, die sie am Morgen auf dem Fußboden verteilt gefunden hatten. Aber da war es schon zu spät, ihre Muskeln waren zu aufgeweicht, um ihnen noch eine Fortbewegung zu erlauben.
Die Vereinigung war entweder weniger schmerzhaft als die Teilung, oder sie verloren schneller das Bewusstsein, jedenfalls konnte Theresa sich am Morgen nicht erinnern, dass es ähnlich unangenehm gewesen wäre.

Es war gut, den alten, normalen Körper, mit der richtigen Größe und der richtigen Dichte wiederzuhaben.
Das ganze Wochenende über schwor sie sich, dass sie das nie wieder tun würde. Ganz bestimmt war das nicht gesund, vielleicht sogar gefährlich. Sie erinnerte sich ganz genau an die Schmerzen und an ihre Todesangst. Außerdem konnte sie sich ja nicht andauernd eine neue Matratze kaufen. Sie glaubte, dass es kontrollierbar war, und wenn sie je wieder Anzeichen für dieses Phänomen bemerkte, würde sie alles unternehmen, um es nicht wieder geschehen zu lassen. Vielleicht konnte sie ihren Hausarzt ins Vertrauen ziehen, irgendein Medikament gab es doch bestimmt, das den Prozess hemmen konnte. Solche Gedanken machte sie sich die ganze Zeit über. Aber sie kaufte auch einen Bettbezug aus PVC und mehrere Kleidungsstücke, die ihr zwei Größen zu klein waren. Und eine Menge haltbarer Essensvorräte. Für alle Fälle.
So gewissenhaft und zuverlässig Theresa Lottmann im Arbeitsleben war, so schwer fiel es ihr im Privaten, von schlechten Angewohnheiten zu lassen. Sie hatte sich schon hundertmal vorgenommen, nicht mehr als drei Tassen Kaffee pro Tag zu trinken, oder endlich das Rauchen sein zu lassen. Mit dem Vorsatz, es bei einem einzelnen Körper zu belassen, war sie leider genauso erfolglos. Der Montag kam, und es gab dringende Termine, knappe Deadlines, zu viele Aufgaben … und Lars, der unbedingt diesen neuen französischen Film mit ihr sehen wollte.

Beim zweiten Mal war die Teilung viel weniger schmerzhaft. Angenehm gewiss nicht, aber sie hatte keine Angst mehr, dass sie sterben könnte. Theresa hatte keine Kinder, aber sie stellte sich vor, dass es bei einer zweiten Geburt auch leichter wurde, weil man dann schon wusste, was einen erwartete.
Das Problem lag dieses Mal woanders. Die Kontrolle – das, was ihr am Anfang als der leichtere Teil erschienen war, einfach instinktiv geklappt hatte – lief diesmal gar nicht gut. Sie wären beinahe in der Tür zum Bad stecken geblieben, weil der eine Körper dem anderen nicht rechtzeitig Platz machte. Und dann beim Anziehen nahmen sie sich ständig gegenseitig die Sachen aus der Hand.
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff. Die andere Theresa – der andere Körper, korrigierte sie sich – wollte nicht zur Arbeit, sie wollte diejenige sein, die zuhause blieb und abends mit Lars ausgehen konnte.
Das ist doch egal, dachte sie. Wir sind doch dieselbe. Es macht keinen Unterschied.
Aber die andere Theresa blieb störrisch. Um nicht zu spät zu kommen, machte sie sich schließlich auf den Weg und überließ es dem zweiten Körper, Einkaufen zu gehen und zum Friseur.

Die Theresa im Büro war den ganzen Tag über unkonzentriert, und seltsam besorgt. Eigentlich wusste sie alles, was die andere tat, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr irgendetwas vorenthalten wurde. Als hätte die andere ein Geheimnis vor ihr.
Aber das BIN doch ich … dachte sie wieder und wieder. Das nagende Gefühl wollte trotzdem nicht verschwinden.
Außerdem spürte sie, dass die Teilung an die Substanz ging. Vielleicht hatte sie vorher nicht genug gegessen. Ihr Körper war schwächer und schien schneller zu ermüden als gewöhnlich. War es möglich … hatte die andere sich mehr als die Hälfte genommen? War sie am Morgen ein winziges Stück größer gewesen? Sie verdrängte diese Gedanken – teils, weil es lächerlich war, und teils, weil die andere doch alles wusste, alles mitbekam. Sie war doch immer noch Theresa.

Auf dem Heimweg von der Arbeit hätte sie beinahe einen Unfall gehabt. Die andere Theresa dachte gerade darüber nach, welche Unterwäsche sie am Abend tragen sollte, und die Hintergedanken dazu gefielen ihr ganz und gar nicht. Davon abgelenkt, trat sie unglücklich auf und knickte mit dem Fuß um. Der Schmerz war nicht so schlimm, wie sie erwartet hätte. Der Knöchel schien nicht einmal nennenswert anzuschwellen. Was sie viel mehr erschreckte, war dieses widerliche, elastische Gefühl, als würden ihre Knochen aus einer Art Gummi bestehen.
Sie musste diese Sache beenden, ein für alle Mal, und zwar heute noch.

Zuhause saß sie auf ihrem Bett und wartete. Sie sah den Film, den die andere Theresa zusammen mit Lars im Kino ansah, in ihrem Kopf. Sie dachte die Gedanken der anderen mit, und merkte ganz genau, wie die sich überlegte, hinterher mit in seine Wohnung zu fahren.
Wag das ja nicht, du Miststück, dachte sie. Es kam ihr nicht mehr absurd vor. Noch bestand das Band zwischen ihnen, noch hatte sie die Kontrolle, aber es war ganz eindeutig, dass die andere versuchte … ja, was? Sich abzunabeln. Eigenständig zu werden. Aber das könnte ihr so passen, die schönen Seiten von Theresas Leben zu übernehmen, und sie geschwächt und einsam zurückzulassen.

Es war nicht leicht. Zwar verabschiedete sich die andere Theresa vor dem Kino und machte sich auf den Heimweg, aber ihre Bewegungen waren steif und langsam. Sie wehrte sich bei jedem Schritt. Noch bevor der andere Körper zur Tür hereinkam, spürte sie, wie sie beide begannen, weich zu werden, sich langsam zu verflüssigen. Doch die andere kämpfte immer noch. Ihr ganzer Körper vibrierte, es war unmöglich, sie die Tür aufschließen zu lassen. Theresa musste ihr von innen die Tür öffnen, und die andere hineinzerren – schnell, bevor irgendjemand etwas mit bekam.
Die andere sah ihr direkt in die Augen. Theresa sah Hass und Verachtung darin, aber auch eine Bitte, die die andere nicht aussprechen konnte, weil Theresa es nicht zuließ.
Ihre Arme – alle vier Arme – schienen tonnenschwer zu sein. Sie schaffte es kaum noch, sich die Sachen auszuziehen, und die andere wehrte sich immer noch – selbst jetzt noch, wo ihre heißen, schwammigen, klebrigen Körper sich bereits berührten.
Sie spürte, dass die Vereinigung nicht gelingen würde, wenn jedes der beiden Gehirne ein eigenes Bewusstsein beherbergte. Noch waren sie fast identisch, mit den gleichen Erinnerungen, aber je länger sie von der anderen getrennt wäre, desto weiter würden sie sich auseinanderentwickeln. Ihr blieb nur eine Wahl.
Mit ihren tauben, klebrigen Fingern griff sie nach dem Briefbeschwerer von ihrem Schreibtisch, hob ihn hoch über den Kopf der anderen…
Beide Theresas spürten den Schmerz, beide verloren das Bewusstsein.
Es war besser so.

Da Theresa Lottmann von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Arbeit erschien, ohne sich krank zu melden, da sie auf keinen Anruf reagierte, und weder ihre Familie noch ihr Freund Angaben zu ihrem Verbleib machen konnten, dauerte es nicht sehr lange, bevor die Polizei ihre Wohnung aufbrach.
Was dort gefunden wurde, drang zum Glück nicht an die Öffentlichkeit – zum einen lag es wohl daran, dass eine Gasexplosion in einem anderen Stadtteil die Aufmerksamkeit der lokalen Medien beanspruchte, zum anderen aber daran, dass keiner der beteiligten Polizisten darüber reden wollte.
Die Leiche – oder die Leichen – waren ein Paar siamesischer Zwillinge, die auf groteske Weise miteinander verwachsen waren. Sie hatten zwei Köpfe und zwei normal wirkende Arme – aber mitten aus ihrem Körper ragten weitere, verkümmerte Extremitäten, die in den unmöglichsten Winkeln abstanden. Obwohl der Gerichtsmediziner der Meinung war, dass sie noch nicht sehr lange tot sein konnten, schien der Verwesungsprozess erstaunlich weit fortgeschritten. Der gesamte Körper war weich, gallertartig, und von einer schmierigen rosafarbenen Substanz bedeckt, deren Ursprung und Beschaffenheit nie geklärt werden konnte. Mit der rechten voll entwickelten Hand hielt die Leiche einen Gegenstand umklammert, der nach einiger Zeit als Briefbeschwerer identifiziert wurde.
Theresa Lottmann wurde als vermisst gemeldet. Die Angaben von Zeugen über die letzten Tage vor ihrem Verschwinden waren ausgesprochen widersprüchlich, so dass es schier unmöglich war zu rekonstruieren, wo sie sich zu bestimmten Zeiten aufgehalten und mit wem sie gesprochen hatte.
Die Ermittler taten ihr Bestes, um in dem seltsamen Fall weiterzukommen, aber es gab nie nennenswerte Fortschritte, und im Laufe der Zeit geriet er mehr und mehr in Vergessenheit. Es war ja nicht einmal erwiesen, ob ein Verbrechen vorlag, und es gab immer neue Fälle. Die Beamten konnten sich ja schließlich nicht teilen.

 

Tja, das ist also mein erster Versuch, mal was zu einem TdS zu schreiben. Für den Themenvorschlag möchte ich mich gern bedanken (also danke, Schwups! :)) – es war sehr anregend für mich! Ich habe sogar mehrere Ideen dazu gehabt, aber diese ist als einzige schnell genug herangereift :).
So richtig sicher bin ich noch nicht bei der Geschichte. Unter anderen Umständen würde ich wahrscheinlich noch eine Weile daran rumfeilen, aber ich wollte sie halt gerne posten, bevor die Zeit für das TdS abläuft. Umso dankbarer bin ich natürlich für Kritiken, die helfen sie zu verbessern!

 

Hallo Perdita

Ich habe die Geschichte bereits gelesen, als du sie einbrachtest und vorerst nur Notizen gemacht, da ich unterwegs war. Heute komme ich endlich dazu, darauf einzugehen. Vorab, die Idee gefällt mir, wiederum eine ganz andere zu diesem TdS.

Der Einstieg finde ich jedoch nicht sehr glücklich, er kommt recht langweilig daher. Die ersten Sätze zumindest sollten dem Leser Anreiz geben weiterzulesen. Hier liesse sich dies vielleicht bewerkstelligen, wenn du mit einem Punkt eröffnest, an dem sie vor Überarbeitung bereits entnervt ist und entsprechend für den Leser faszinierend reagiert. Dies ist nur ein Beispiel, es lässt sich sicher auf verschiedene Art und Weise deichseln.

Sie tastete mit der rechten Hand nach dem Puls der linken.

Den Puls an der Hand fühlen? Es ist schon nicht einfach den eigenen Puls korrekt zu spüren, dann aber besser: … dem Puls des linken Handgelenks.

Viele wären wahrscheinlich von der Aufgabe, zwei Körper mit nur einem Bewusstsein zu steuern, überfordert gewesen, aber für jemanden wie Theresa Lottmann war das kein großes Problem.

Hahaha. Die Probleme bei gegenteiligen Erscheinungen, wie sie sich bei siamesischen Zwillingen ergeben, sind ja bekannt und dokumentiert. Die Frau Lottmann aber übertrifft selbst noch multiple Persönlichkeiten, da diese jeweils nur eine Identität wahrnehmen, aber sie muss zugleich zwei Körper steuern. Eine treffliche Idee.
Dennoch ist da ein gravierendes Problem, nämlich die psychische Reaktion und Verarbeitung dieser Situation. Was eingetreten war, ist ein Schock! Darauf musst du eintreten. Dass sie ihr zweites Ich sofort akzeptiert und mit ihr duscht, ist völlig undenkbar. Diesen Konflikt muss sie austragen, auch wenn sie ihn nicht lösen kann. Dann kann sie als Kompromiss das „doppelte Lottchen“ spielen.

Und so waren sie am Abend allein (oder doch zu zweit?), zu Hause, und nach und nach kam es ihnen dann doch wieder so vor, als ob die Nachteile dieser Situation überwogen.

Den Satzanfang fände ich stimmiger mit: Und so war sie am Abend allein und doch zu zweit zu Hause …

Die Leiche – oder die Leichen – waren ein Paar siamesischer Zwillinge, die auf groteske Weise miteinander verwachsen waren.

… waren siamesische Zwillinge, …

Theresa Lottmann wurde als vermisst gemeldet. Die Angaben von Zeugen über die letzten Tage vor ihrem Verschwinden waren ausgesprochen widersprüchlich, so dass es schier unmöglich war zu rekonstruieren, wo sie sich zu bestimmten Zeiten aufgehalten und mit wem sie gesprochen hatte.

Dies würde einer ordentlichen Untersuchung widersprechen. Falls die Identität des doppelten Lottchens nicht geklärt werden könnte, müsste sie an erster Stelle mal als Zeugin oder Verdächtige in einem ungeklärten Todesfall gesucht werden. Ansonsten finde ich die Idee der Selbsttötung nicht schlecht, nur dürfte die Affekttat noch etwas, na ja Horrormässig, untermalt sein.

In einigen Zügen darf die Geschichte etwas mehr Schrecken bergen, da es sich noch eher zu humorvoll liest. Doch grundsätzlich finde ich sie sehr schön passend in das gesetzte Thema.

Bin dann mal gespannt, eine überarbeitete Version zu lesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Perdita

Was soll ich denn machen, ich kann mich doch nicht teilen, dachte sie.

Tja, wer von uns hatte nicht schon einmal einen solchen oder ähnlichen Gedanken? Interessant, sich vorzustellen, welche Möglichkeiten sich einem damit eröffnen ...

Ich finde deine Geschichte angenehm zu lesen, unterhaltsam, eine schöne Idee, aber nach meinem Geschmack musst du aufpassen, nicht zu sehr in die Komik zu rutschen. Aufgefallen ist mir das bspw. an der Stelle mit dem "Vielen Dank" im Supermarkt, oder auch hier:

Einzig die Vorstellung, mit ihm zu schlafen, erschien ihr dann doch nicht richtig, also verabschiedete sie sich schnell, als er fragte, ob sie noch mit zu ihm kommen wollte. Es hätte die Theresa, die noch im Büro saß, einfach zu sehr abgelenkt.

Anakreon hat das ja auch angemerkt, ich kann ihm da nur zustimmen.

Natürlich darf eine Horrorgeschichte auch solche Teile beinhalten, aber dann braucht es in meinen Augen ein entsprechendes Gegengewicht - das vermisse ich hier. Du hast zwar die erste "Teilung" schon ausführlich beschrieben, und auch der letzte Absatz mit dem siamesischen Zwilling passt gut in diese Rubrik - aber dazwischen ist es mir zu harmlos, ich denke die Idee gibt da mehr her. Es sind ja ganz ungeahnte Möglichkeiten, die sich einem da auftun - da frage ich mich, ob diese Frau, die ziemlich bieder, ja fast langweilig rüberkommt, dafür die richtige Protagonistin ist - denn alles, was sie an Möglichkeiten ausschöpft, ist gleichzeitig arbeiten und einkaufen zu gehen oder ins Kino, oder die Wohnung sauber machen, oder sich gegenseitig den Rücken zu schrubben. Und das ändert sich auch nicht - ich frage mich, ändern sich mit solchen Möglichkeiten nicht auch die Bedürfnisse? Ändert das nicht den Charakter? Überlege doch mal, was man da alles anstellen könnte ... sicherlich interessantere Dinge als einkaufen zu gehen, oder?

Also ich finde es gut, dass die Prot. zu Beginn so gewöhnlich rüberkommt, hätte mich aber an deiner Stelle in dieser Geschichte eher der Frage gewidmet, was diese durch und durch ungewöhnliche Situation für Auswirkungen auf einen gewöhnlichen Menschen haben kann. Ein Abrutschen in die düsteren Gefilde des Charakters wäre spannend gewesen, gerade bei einem doch eher willensschwachen Menschen wie deiner Theresa (weil sie sich bspw. von Kollegen ausnutzen lässt, ist ja ein Musterbeispiel dafür). Hier hättest du doch schon einen Ansatzpunkt: Wie kann sie es diesen Menschen, die sie ständig piesakten, heimzahlen?

Aber gut, du wählst einen anderen Ansatz, das zweite Ich entwickelt mit der Zeit ein eigenes Bewusstsein und stemmt sich gegen die "echte" Theresa. Hier haben wir ja plötzlich einen Konflikt zwischen beiden, sie konkurrieren um den Freund, um die "angenehmere" Beschäftigung - doch ein solcher Konflikt setzt ja ein zweites Bewusstsein voraus, und hier bleibst du dem Leser schuldig, woher dieses zweite Bewusstsein plötzlich kommt. Denn bis zu dieser Stelle war immer die Rede davon, dass beide Körper durch ein Bewusstsein gesteuert werden - wann findet nun neben der körperlichen Trennung auch die der Gedanken und des freien Willens (wenn auch nur eingeschränkt) statt?

Also unterm Strich echt gern gelesen, auch immer wieder geschmunzelt, was wohl auch deine Absicht war (so bspw. auch beim letzten Satz). Aber am Ende bleibt so ein wenig das Gefühl, dass diese wirklich interessante Idee vielleicht doch noch ein wenig Zeit zum Reifen und zum Entwickeln gebraucht hätte. Zumindest den Showdown - hier muss ich Anakreon wieder Recht geben - dürftest du schon noch ein wenig ausbauen.

Die eine oder andere Textstelle ist mir noch aufgefallen:

Die Emails in ihrer Inbox nahmen einfach kein Ende, und das Telefon schien aller fünf Minuten zu klingeln.

alle

Es war, als würden kosmische Kräfte ihren Körper zum Tauziehen benutzen.

"kosmisch" klingt hier seltsam, warum nicht einfach "unbekannte" oder "fremde" Kräfte?

Erst nach diesen ersten Momenten der Erleichterung merkte sie, dass der Fußboden rund um sie sich klebrig anfühlte.

Das klingt holprig, warum nicht: "... dass sich der Fussboden klebrig anfühlte". Das "rund um sich" ist ja logisch, sie fühlt ja nur die Stellen, die sie auch berühren kann.

festgestellt hatte, dass das, was ihr in der Nacht widerfahren war,

auch das geht mMn eleganter: "... dass das Geschehene ..."

Das ganze Wochenende über schwor sie sich, dass sie das nie wieder tun würde.

Hier war ich etwas erstaunt, wie schnell sie jetzt doch zu der Einsicht kommt, diesen Vorgang steuern zu können. Davor hatte ich eher den Eindruck, es geschehe unkontrolliert. Woher kommt diese Einsicht?

Vielleicht hatte sie vorher nicht genug gegessen dieses Mal.

Würde "dieses Mal" streichen. Habe ich mich übrigens auch gefragt: Wo bleiben die Fressattacken vor den nächsten Teilungen?

Soviel von meiner Seite, viele Grüsse.

 

Hi,

Wenn sie telefonierte, schrieb sie meistens nebenher schon an der nächsten Email. Sie ging stets methodisch und effizient vor, und war immer voll konzentriert. Sie dehnte ihre Kaffeepausen nie unnötig aus, und hatte selten Zeit für einen Plausch mit Kollegen.
Der Satzbau ist zu gleichförmig. Das liegt vor allem hier: „meistens, stets, immer, nie, selten“. Da kann man jedes einzelne ersatzlos streichen. Das liegt auch daran, dass es eine Erzählkonvention gibt, nachdem man einmal etablieren kann, dass das folgende das übliche sein wird, und dann reicht das.
Also man kann spezifisch erzählen und dem Leser ist klar, dass es das übliche Verhalten ist. Die Frau telefoniert und schreibt eine E-Mail = Man kann davon ausgehen, dass sie das immer so macht. Und dann ist es stärker, sie nur das eine mal zu zeigen.

Es dauerte eine ganze Weile, bevor ihr klar wurde, dass die Übelkeit nicht von einer beginnenden Darmgrippe herrührte. Sie war einfach immer noch hungrig. Es kam hin und wieder vor, dass ein anstrengender Arbeitstag einen Anfall von Heißhunger bei ihr auslöste, aber so schlimm war es noch nie gewesen.
Ja, das ist aus Big Bang Theory. Wie vermehrt sich eigentlich Sheldon? Wir gehen davon aus, dass er sich nach einer größeren Menge Thai-Essen in zwei Sheldons spaltet.

Etwas Vergleichbares war ihr noch nie passiert.
So diese Halbsätze raus, durch die kriegt der Text sowas Betuliches. Es ist seltsam, weil es immer Halbsätze sind, die fließen und dann stoppen sie wieder. Immer wenn’s individuell ist, wenn man dicht an der Figur dran ist, dann ist es gut. Wenn sie sagt: Den Ton kenne ich, so hat sich mein etzter Freund auch angehört. Kurz bevor Schluß war. Das ist gut. Oder wenn es heißt: Der Notfallvorrat Schokolade.
Aber so diese allgemeinen Halbsätze: Das Gurkenglas war über Gebühr im Kühlschrank. Und so … es ist bei den meisten Geschichten von Vorteil, den Leser möglichst dicht an die Figur ranzulassen, ihn einzuweihen, ihn in Gedanken mitzunehmen. Wenn der Leser das Gefühl hat, er kriegt so ein geschöntes Bild – das ist meistens nicht gut. Es muss nicht gleich so eine patschige Vertraulichkeit herrschen, aber es darf nicht ins zu Allgemeine, zu Biedere gehen.
Also hier: Natürlich war ihr noch nie sowas passiert! Wem wäre es je?

Leider bewahrheitete sich diese Hoffnung nicht.
Hier, die da. Die müssen weg. Das ist nicht personal erzählt.
Man braucht doch als Leser in der Situation keinen Märchenonkel, der das noch zusammenfasst und erklärt.

Natürlich war ihr kalt, weil sie die ganze Nacht ohne Decke auf dem Fußboden zugebracht hatte, aber alles in allem ging es ihr nicht nur weitaus besser als gestern Abend, sondern besser als die ganze vergangene Woche. Trotzdem war sie natürlich besorgt wegen des nächtlichen Anfalls, dieser eigenartigen Symptome und der heftigen, unerklärlichen Schmerzen.
Füllwörter raus, diese Partikel, die Konjunktionen und Adverbien. „Natürlich; die ganze Nacht, alles in allem, weitaus, besser, natürlich, nächtlich, eigenartig, unerklärlich.“ Das nimmt so viel Tempo aus dem Text und dadurch wirkt der Text betulich. Man will doch nicht betulich schreiben, oder?
Das sind so diese Sachen, die für Schulaufsätze gelten. Konnektoren, Relativierungen und so, aber …

Es war eigentlich sogar sehr praktisch, sich gegenseitig den Rücken waschen zu können.
Das war schon lustig. So das kollektive „Nja“ der männlichen Leser. :)
Sie findet sich mit den Umständen schon extrem schnell ab, also das ist dann automatisch eine Trash-Geschichte eigentlich, das kann doch dann kein ernsthafter Horror mehr sein.

Es dauerte nicht lange, bis beide Körper sich heiß und klebrig an fühlten. Sie wussten, was das bedeutete.
Ja, der Text ist schon so aus einer komischen Perspektive geschrieben, also sich auch dieser Absrdität bewusst. Das waren ja jetzt 3 Narzismus-Sachen eigentlich. Also der Mensch, der mit sich selbst schläft. Die Dusche, der Freund, und das hier. Und es wird jedes Mal übergangen. Man fragt sich auch: warum hat die überhaupt einen Freund? Das scheint ja auf ihrer Prioritätenliste unheimlich weit unten zu sein. Weil auch die Distanz zwischen Leser und dieser Frau so groß ist und dann dazwischen noch mal ein Erzähler ist, wirkt die wie eine Karikatur.
Das ist wenn man richtige Sachen schreiben will, echt ein Problem. Hier hat das seltsame Effekte, die durchaus ihren Reiz haben.

Vielleicht konnte sie ihren Hausarzt ins Vertrauen ziehen, irgendein Medikament gab es doch bestimmt, das den Prozess hemmen konnte.
Uni-Abschluss in Orientalistik, oder wie? :) Orientalistik und Kunstgeschichte? Ach … sich selbst teilen, irgendein Medikament wird’s da schon geben. Scheint ein Aspekt der menschlichen Wissenschaft zu sein, der mir bis jetzt entgangen ist. So wie Kornkreise!

Ja, erstaunlich hinten raus, macht die Geschichte diesen Schlenker, dass die andere dann das „ES“ ist, die dunkle Seite, und es wird ab da richtig clever eigentlich. Also da hätte ich gern weitergelesen, bis dahin braucht die Geschichte um in Schwung zu kommen, aber die Idee dann hatte wirklich was. Also hier das brave Arbeitstier mit dem langweiligen Freund, und dann die andere Seite, das sind ja so Motive, Schizophrenie, unterdrückte Gefühle – das sind Themen, die hier echt gut gepasst haben, aber dann geht die Geschichte da halt raus. Also da wo es für mich interessant geworden wäre, ist schon Schluss. Wenn das konsequent verfolgt worden wäre, dann hätte das auch diese betulichen Stellen und die biederen Gedanken vom Anfang erklären können, wenn sich die Art zu erzählen mit der Handlung verändert hätte.
Ja, die Geschichte, tjo, ich denke es ist auf jeden Fall was, mit dem man gut arbeiten kann, ich würde dir empfehlen, dir auf der Satz-Ebene anzuschauen, wie die Sätze wirken und ob du das wirklich so haben willst. Bisschen mehr Drive, bisschen weniger Füllwörter täten der Geschichte bestimmt gut .Man kann betulich auch anders machen, also wenn man so eine Figur hat, kann man sie auch so schildern, dass der Leser sie für brav hält, aber der Text nicht so wirkt.
Allgemein würde ich dir raten, dich mit Erzählperspektive zu beschäftigen und zu versuchen, den auktorialen Erzähler ganz rauszukriegen, und dich zu fragen, wie du den Leser dazu bringst, sich mehr für die Figur zu interessieren und sich vielleicht sogar mit ihr zu identifizieren.

Gruß
Quinn

 

Hallo Anakreon, Schwups und Quinn!

Tausend Dank fürs Lesen und das ausführliche Feedback!

@Anakreon

Der Einstieg finde ich jedoch nicht sehr glücklich, er kommt recht langweilig daher.

Mit dem Anfang wollte ich zwei Sachen erreichen: Zum einen zeigen, dass sie so ein totales Arbeitstier ist und keine Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse nimmt, und zum anderen dass sie ein Talent für Multitasking hat, denn das braucht sie ja später :). Du hast aber absolut Recht, das ist noch kein idealer Einstieg, vielleicht zu lang, und auf jeden Fall nicht besonders spannend. Kommt auf die Überarbeitungsliste.
Die Sache mit dem Handgelenk natürlich auch!

Dennoch ist da ein gravierendes Problem, nämlich die psychische Reaktion und Verarbeitung dieser Situation. Was eingetreten war, ist ein Schock! Darauf musst du eintreten. Dass sie ihr zweites Ich sofort akzeptiert und mit ihr duscht, ist völlig undenkbar.
Jaaaa … ich versteh dich schon, ein normaler Mensch würde natürlich nicht so reagieren. Ich bin mir aber noch nicht sicher, wie ich das ändere. Das passt für mich irgendwie schon in diese Charakterisierung, dass die Theresa überhaupt nicht auf sich selbst achtgibt. So nach dem Motto, oh, da passiert etwas total Abartiges mit meinem Körper … na Hauptsache es hält mich nicht von der Arbeit ab. Das ist wohl eines von den Dingen, die noch unpassend komisch sind für eine Horrorgeschichte. Ich denke darüber nach, wie ich das reparieren kann.

Dies würde einer ordentlichen Untersuchung widersprechen. Falls die Identität des doppelten Lottchens nicht geklärt werden könnte, müsste sie an erster Stelle mal als Zeugin oder Verdächtige in einem ungeklärten Todesfall gesucht werden.
Das stimmt natürlich, wird korrigiert!


@Schwups:

Tja, wer von uns hatte nicht schon einmal einen solchen oder ähnlichen Gedanken? Interessant, sich vorzustellen, welche Möglichkeiten sich einem damit eröffnen ...
Genau, das war auch der Auslöser für die Geschichte. Langer Tag im Büro, Stoßseufzer, und dann der Geistesblitz: Aber wenn das ginge, wäre es eine schöne Geschichte fürs TdS! :D

An einem idealen Gleichgewicht von Horror und Humor werde ich auf jeden Fall noch arbeiten – ich muss mir überlegen, ob Humor da überhaupt was drin zu suchen hat. Der hat sich beim Schreiben irgendwie eingeschlichen.

Ein Abrutschen in die düsteren Gefilde des Charakters wäre spannend gewesen, gerade bei einem doch eher willensschwachen Menschen wie deiner Theresa (weil sie sich bspw. von Kollegen ausnutzen lässt, ist ja ein Musterbeispiel dafür). Hier hättest du doch schon einen Ansatzpunkt: Wie kann sie es diesen Menschen, die sie ständig piesakten, heimzahlen?
Stimmt, da wäre es ja sehr leicht, sich ein Alibi zu verschaffen :D
Ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, irgendwie lief die Geschichte für mich von Anfang an auf Selbstzerstörung hinaus.

doch ein solcher Konflikt setzt ja ein zweites Bewusstsein voraus, und hier bleibst du dem Leser schuldig, woher dieses zweite Bewusstsein plötzlich kommt.
Das ist so ziemlich der Hauptpunkt, mit dem ich selber noch unzufrieden war. In meinem Kopf war das schon alles ganz logisch: Das Bewusstsein hängt ja schon irgendwie mit dem Körpergefühl zusammen, so dass eine länger andauernde Trennung dann eben irgendwann die Herausbildung eines zweiten Bewusstseins nach sich zieht. Weil ich aber wollte, dass die Geschichte nicht zu lang wird und erst mal fertig werden wollte, ist das noch nicht richtig ausgearbeitet. Das muss ich auf jeden Fall noch dran arbeiten.

Also unterm Strich echt gern gelesen, auch immer wieder geschmunzelt, was wohl auch deine Absicht war (so bspw. auch beim letzten Satz). Aber am Ende bleibt so ein wenig das Gefühl, dass diese wirklich interessante Idee vielleicht doch noch ein wenig Zeit zum Reifen und zum Entwickeln gebraucht hätte.
Dass es dir einigermaßen gefallen hat, freut mich natürlich sehr, und das mit dem Reifen ist definitiv richtig. Ich neige halt in der Regel dazu, Sachen monate- oder sogar jahrelang nicht fertig zu schreiben (manchmal gruselt es mich vor all den Leichen auf meiner Festplatte…), und da wollte ich halt mal so eine existierende Deadline von der TdS-Challenge nutzen, um mich selber anzutreiben und in relativ kurzer Zeit etwas fertigzustellen. Ich werde aber hier auf jeden Fall in ein paar Wochen noch mal ganz in Ruhe drangehen und überarbeiten. Deine Anmerkungen zu den einzelnen Textstellen sehe ich mir dann genau an, und werde bestimmt die meisten übernehmen.

@Quinn

Ja, das ist aus Big Bang Theory. Wie vermehrt sich eigentlich Sheldon? Wir gehen davon aus, dass er sich nach einer größeren Menge Thai-Essen in zwei Sheldons spaltet.
:lol: Ich kenn zwar Big Bang Theory, aber das hab ich nicht gesehen, ich schwör’s!

Man will doch nicht betulich schreiben, oder?
Nee. :shy:
Rotstift liegt schon bereit zum Kürzen.

Sie findet sich mit den Umständen schon extrem schnell ab, also das ist dann automatisch eine Trash-Geschichte eigentlich, das kann doch dann kein ernsthafter Horror mehr sein.
He, bis du nicht derjenige mit der Kamel-Vampir-Lesben-Geschichte?. :D
Nee im Ernst, solange es unterhält, darf es trashig sein. Was aber nicht heißt dass ich die Geschichte nicht verbessern möchte. Sie ist eigentlich schon ernsthaft gedacht, diese weniger ernsthaften Stellen haben sich mehr oder weniger so ergeben.

Uni-Abschluss in Orientalistik, oder wie? Orientalistik und Kunstgeschichte? Ach … sich selbst teilen, irgendein Medikament wird’s da schon geben. Scheint ein Aspekt der menschlichen Wissenschaft zu sein, der mir bis jetzt entgangen ist. So wie Kornkreise!
Wieso ausgerechnet Orientalistik? Du meinst die Traditionelle Chinesische Medizin hat eher ein Mittel gegen so was? :D

Ja, erstaunlich hinten raus, macht die Geschichte diesen Schlenker, dass die andere dann das „ES“ ist, die dunkle Seite, und es wird ab da richtig clever eigentlich. Also da hätte ich gern weitergelesen, bis dahin braucht die Geschichte um in Schwung zu kommen, aber die Idee dann hatte wirklich was. Also hier das brave Arbeitstier mit dem langweiligen Freund, und dann die andere Seite, das sind ja so Motive, Schizophrenie, unterdrückte Gefühle – das sind Themen, die hier echt gut gepasst haben, aber dann geht die Geschichte da halt raus.
Ja, der zweite Teil schwächelt noch. Ich geb mir Mühe, das besser zu machen, denn darauf möchte ich eigentlich hinaus – unterdrückte Gefühle, die sich in dem zweiten Körper sozusagen selbstständig machen.

Bisschen mehr Drive, bisschen weniger Füllwörter täten der Geschichte bestimmt gut .Man kann betulich auch anders machen, also wenn man so eine Figur hat, kann man sie auch so schildern, dass der Leser sie für brav hält, aber der Text nicht so wirkt.
Allgemein würde ich dir raten, dich mit Erzählperspektive zu beschäftigen und zu versuchen, den auktorialen Erzähler ganz rauszukriegen, und dich zu fragen, wie du den Leser dazu bringst, sich mehr für die Figur zu interessieren und sich vielleicht sogar mit ihr zu identifizieren.
Kann ich alles gut nachvollziehen. Ob ich es schaffe alles umzusetzen weiß ich nicht, aber ich werde es versuchen.

Noch mal an alle:

Vielen Dank für eure konstruktiven Kritiken. Ich hab schon gedacht ich krieg eins auf den Deckel weil das eben eine erste Fassung ist, ohne Überarbeitung, mehr oder weniger ein Rohbau. :shy:
Aber das war echt nützlich für mich. Die Sachen von denen ich selbst dachte die sind nicht schlecht sind anscheinend auch gut angekommen, und die Stellen wo ich selbst noch Probleme gesehen habe, sind auch kritisiert worden und ihr habt mir super Hinweise gegeben, wo ich ansetzen kann.
Ich mag die Idee zu dieser Geschichte wirklich, aber die Umsetzung wird der Idee im Moment noch nicht gerecht, da lohnt sich eine Überarbeitung wirklich. In den nächsten Wochen werde ich relativ viel unterwegs sein, aber ein bisschen Abstand dazwischen ist wahrscheinlich ganz gut.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

voll konzentriert

Solche Sachen rutschen einem schell raus, weil sie zigfach benutzt und jeden Tag vierhundert-millionenfach gehört werden. So Dinge wie „Das ist ganz schön weit weg“, das klingt halt mehr nach gesprochener Sprache.


ie dehnte ihre Kaffeepausen nie unnötig aus, und hatte selten Zeit für einen Plausch mit Kollegen.

Das Komma ist überflüssig.


Und trotzdem gab es Tage wie heute

Und weg. Sicher, Dogmen sind fürs Hinterteil, aber leuchtet mir echt nicht ein, warum der Satz mit Und anfangen muss.


Kollegen und Vorgesetzte wussten nur zu gut, dass sie klaglos

Name, sonst ist im ersten Moment unklar, wer „sie“ ist/sind.


aller fünf Minuten

Und als ihr Chef d

Und weg


ist seit Montag krank, und …“
„Ist mir egal, Frau Lottmann

Wenn du zeigen willst, dass jemand jemand anderem ins Wort fällt, bringt ein Gedankenstrich mehr Dynamik rein.


Mit ihrer Dokumentation war sie natürlich noch kein Stück weiter

Natürlich raus


Aber sie hörte den Unterton in seiner Stimme, natürlich war er verärgert. Sie kannte diesen Unterton gut.

Außerdem würde ich zwei Sätze machen und „natürlich“ rausschmeißen.


sagte sie, und legte auf.

Komma weg


Es war dunkel und kalt, die meisten Läden schon geschlossen.

Hatten oder waren, sonst setzt man im Kopf „Die meisten Läden war schon geschlossen“ zusammen.


dann konnte sie sich ja gleich erschießen.

Ja raus


dass ein anstrengender Arbeitstag einen Anfall von Heißhunger

"einen Anfall von" raus


und aß eins nach dem anderen auf

auf raus


selbst das halbe Glas saurer Gurken, das sich schon länger als angebracht im Kühlschrank befand

Ach, hör auf, die halten sich doch ewig. :D


irgendwie geschwollen

irgendwie raus


Die Finger fühlten sich taub an, und bewegten sich schwerfällig

Komma raus


kosmische Kräfte

Klingt sehr nach fünfziger/sechziger-Jahre-SF.


Sie war überhaupt noch nicht alt

Sehr kindlich. Sie war erst 26 oder was auch immer.


irgendetwas hatte sie erwischt, und es machte ganz den Eindruck, als könnte es sie umbringen, einfach so. Sie hätte geschrien, aber irgendetwas war in ihrer Kehle

Das zu diesem Zeitpunkt noch namenlose Grauen, das ist schon ein Problem. Wenn du nicht konkretisieren kannst oder willst, würde ich die irgendwassens/irgendwies einfach weglassen. Das liest sich sonst sehr unbeholfen, und man fragt sich, wozu man an dieser Stelle einen Autor braucht. Dessen Job ist es schließlich, da weiterzumachen, wo andere sich in ihrer Bechreibung mit dem Irgendwie zufrieden geben.


Theresa beugte sich nach vorn. Bildete sie sich das ein? Die Linie hatte begonnen, allmählich einzusinken

Finde ich stärker ohne diesen Dritte-Person-Monolog-Einschub.


Zur gleichen Zeit

Gleichzeitig.


Sie hatte schon von Kopfschmerzen gehört, die einem den Schädel spalteten, aber in diesem Fall schien das keine Metapher mehr zu sein.

Den fand ich witzig.


Sie brauchte eine Ewigkeit

Sie brauchte lange


und der Schmerz so unerträglich wurde, dass sie das Bewusstsein verlor.

Würde ich einen eigenen Satz draus machen und die Zeit investieren, den Schmerz auf meine Art zu beschreiben. Das ist bis zu dieser Stelle kaum geschehen. Kopfschmerzen, die den Schädel spalten, gab's schon zu oft. In anderen Genres und bei allgemeiner Literatur ginge das klar, aber hier sollen die körperlichen Veränderungen im Mittelpunkt stehen, von daher solltest du dich nicht mit bereits Benutztem zufrieden geben.


aber alles in allem ging es ihr nicht nur weitaus besser als gestern Abend

am Abend zuvor


war sie natürlich besorgt

Ich würde mit Suchen und Ersetzen sämliche Natürlichs killen.


Hastig setzte sie sich auf und sah an sich herunter.

Das hat sie nur ein paar Absätze zuvor auch getan, deshalb solltest du die Beschreibung variieren.


dass der Fußboden rund um sie sich klebrig anfühlte

rund um sie raus


Wie ekelhaft

Raus. Das ist so etwas wie „der gruselige Wald“


Das kurze dunkelblonde Haar, der blasse Teint, die Form der ausgestreckten Hand – dieser Körper war identisch mit ihrem eigenen. Dies war ein Zwilling, eine Doppelgängerin … ein Ding der Unmöglichkeit

Ich finde das inhaltlich bis hierher echt gut, aber auch diese Beschreibung klingt, als hättest du deine Grundidee ungeschmückt aufs Papier gebracht. Für einen Moment wie diesen solltest du dir als Autorin Zeit nehmen.


ihre Hand, die die kühle Haut der Anderen berührte, und ihre Schulter, auf der sie diese Hand spürte. Ihre dritte Schulter, mit ihrer eigenen Hand darauf.

Wenn du etwas in der Art vorwegstellst und „da lag ihre Doppelgängerin“ rausschmeißt oder zumindest nicht damit einleitest, ist es viel geheimnisvoller.


Sie duschten zusammen.

:naughty:


Sie würde doch nur in der Psychiatrie oder einem Labor enden, und man würde sie von ihrer Arbeit abhalten.

Der ist gut.


wirkte, aber

Punkt.


anderen Ende noch vor ihrem Computer saß, aber nur ein bisschen

Man könnte denken, sie sitzt nur ein bisschen vor dem Computer.


erschien

schien


Und so waren sie am Abend allein (oder doch zu zweit?)

Das in Klammern ist zu viel.


Sie waren hundemüde

müde


nur für eine Person gedacht – das heißt, für einen Körper

Die Gags finde ich echt alle gelungen.


an fühlten

raus


Und dann beim Anziehen nahmen sie sich ständig gegenseitig die Sachen aus der Hand.

Und dann, beim Anziehen,


über unkonzentriert, und seltsam besorgt

Komma raus.


Das nagende Gefühl wurde sie dennoch nicht los.

Zweimal „Gefühl nicht los werden“ auf engem Raum.


Vielleicht hatte sie vorher nicht genug gegessen dieses Mal.

„dieses Mal“ klingt so drangeklatscht.


teils, weil es lächerlich war

Ich wüsste nicht, was daran lächerlich sein sollte, wenn man bereits akzeptiert hat, dass man sich teilen kann wie eine Zelle.


trat sie unglücklich auf, und knickte mit dem Fuß um

Komma raus.


war dieses widerliche, elastische Gefühl, als würden ihre Knochen aus einer Art Gummi bestehen.

Das kommt besser, wenn du's bei der Beschreibung elastischer Knochen belässt und die Schlussfolgerung „widerlich“ dem Leser überlässt.


Aber das könnte ihr so passen, die schönen Seiten von Theresas Leben zu übernehmen, und sie geschwächt und einsam zurückzulassen.

Du erklärst zuviel.


mit bekam

zusammen


zum einen lag es wohl daran, dass eine Gasexplosion in einem anderen Stadtteil die Aufmerksamkeit der lokalen Medien beanspruchte, zum anderen aber daran

Für das zweite Mal eine Alternative zu „es lag daran“ suchen.

Ich finde die Idee zur Geschichte gut, ich finde die Geschichte gut. Bei der Umsetzung mangelt es meiner Meinung nach maßgeblich an zwei Dingen: Understatement und … dem anderen da. Du erklärst unheimlich viel, an Stellen, an denen du den Leser lieber auf Entdeckungsreise schicken solltest. Allein der Schluss, „sie lagen da wie siamesiche Zwillinge“, das kommt alles so unsubtil, da könntest du viel mehr beschreiben und viel weniger gleich mit dem ersten Satz raushauen. Apropos beschreiben: Das hatte ich ja bereits an einer Stelle konkret angedeutet, da gibst du dich meiner Meinung nach an den falschen Stellen mit der 08/15-Lösung zufrieden.

Zweitens denke ich, dass die Mischung aus Komik und Terror nicht recht funktioniert. Die herrlich absurden Sachen, die mir auch echt gefallen haben, kontrastieren mit „Sie hatte schon wieder diese Todesangst“. Das liest sich dann wie hingeschludert, das zieht nicht, da muss was anderes her. Horror mit Humor ist eine ganz eigene Spielwiese.


Grüße
JC

 

Hallo Perdita,

so, nun hab ich also auch endlich mal Deine Geschichte gelesen.

Ich finde die Idee recht abgefahren (im positiven Sinne).
Über Deine Art diese Geschichte zu schreiben bin ich zwigespalten:

Einerseits fand ich die Erzählweise oft zu sachlich und zu ... wie soll ich sagen? ... schnell? emotionslos?

Andererseits
hat diese schnelle und nüchterne Weise in der Du die Geschichte erzählst an einigen Stellen was so abgefahrenes, als könnte man solche Absurditäten gar nicht anders beschreiben.

Alles in allem hat mich die Geschichte durchaus gefesselt. Wie andere schon bemerkt haben, stehst Du manchmal auf einem ganz schmalen Grat zwischen Komik und Horror.
Unterm Strich überwiegt für mich aber doch die Komik und zwar aus diesem Grund: An der Stelle, wo der Horror hätte einsetzen können, nämlich dort, wo sich der zweite Körper gegen den ersten auflehnt und alles in Gefahr bringt, lässt Du die Geschichte relativ schnell und konfliktlos enden. Ein wenig Seilziehen, bumm, druff und Ende.
Alles nach dem Briefbeschwerer funktioniert für mich persönlich nicht - zumindest nicht als Horrorgeschichte. Hier wirfst Du die Spannung einfach aus dem Boot und reißt das Ruder wieder Richtung Humor und Anti-Emotion herum.

Das finde ich schade. Meiner subjektiven Meinung nach hätte ab hier der Horror beginnen müssen:

Aber das könnte ihr so passen, die schönen Seiten von Theresas Leben zu übernehmen, und sie geschwächt und einsam zurückzulassen.

Und alles ab hier wären Gedanken, die der Leser sich hätte selbst machen müssen, wenn er denn dann noch gewollt hätte:
Da Theresa Lottmann von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Arbeit erschien, ...

Ein paar Flüchtigkeitsfehler sind mir noch aufgefallen, aber ich denke die wurden in den vorherigen Posts bestimmt alle bereits angesprochen.

So, trotz meiner Kritik, habe ich Deine Geschichte sehr gerne gelesen und mich dabei durchaus amüsiert. Vielen Dank dafür!

Liebe Grüße
elisabeth

 

Hallo Proof und elisabeth,

Auch an euch Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

@Proof:

Danke, dass du dir so viel Mühe gemacht hast und auf so viele Stellen direkt eingehst, das ist unheimlich hilfreich! Darauf werde ich auf jeden Fall zurückgreifen beim Überarbeiten.

@elisabeth:

Das freut mich sehr, dass es dir gefallen hat! Dass die Geschichte zu schnell erzählt wird, hängt zum einen damit zusammen, dass ich mir diesen Zeitdruck gemacht habe, aber zum Teil hatte ich auch das Gefühl, dass bei so absurden Sachen ein nüchterner Erzählstil gut funktioniert.

Trotzdem hat die Geschicht auf jeden Fall noch eine Runde Feinschliff verdient. Nachdem ihr alle so tolle und konstruktive Kritiken geschrieben habt, komme ich ja gar nicht mehr drum herum :)

Außerdem werde ich mir jetzt endlich mal all die anderen Beiträge zum TdS vornehmen, ich hab die meisten sogar schon gelesen, bin aber noch nicht dazu gekommen Kommentare zu schreiben.

 

Hallo Perdita,

habe leider furchtbar wenig Zeit, aber ich wollte dir wenigstens eine kleine Rückmeldung geben.
Ich bin sehr erstaunt darüber, wie unterschiedlich die Geschichten und die Ideen zu diesem Thema werden. Ich finde, das ist eine ganz eigene Sorte Vergnügen, zu entdecken, was andere sich so ausgedacht haben.
Ja, deine Zweiteilung hat mir Spaß beim Lesen gemacht.
Ich habe sie gerne gelesen und du hast mich auf die Idee gebracht, es auch mal mit einer betont sachlichen Ausdrucksweise zu probieren. Das hat nämlich eine ganz eigene Wirkung.
Wie die meisten anderen habe ich auch meine Schwierigkeiten mit der Mischung aus Komik und Horror. Mmn müsstest du unbedingt den Horrorfaktor verstärken. Am ehesten käme für mich Grusel zustande, wenn du etwas mehr darauf eingehst, dass die Frau Schwierigkeiten mit ihrem Doppelauftreten hat. Und richtig unheimlich könnte es dann werden, wenn die andere ihr ihr Leben streitig macht. Das hast du ja mehr oder weniger sowieso schon drin. Das stell ich mir richtig gut vor, wenn du das noch ein bisserl mehr ausarbeitest.
Ja, dieses Mal leider nur so wenig. Hoffe, es hilft trotzdem als kleine Rückmeldung.
Freu mich auf die Überarbeitung und weitere schöne Geschichten
Liebe Grüße Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

Vielen Dank, dass du dir Zeit fürs Kommentieren genommen hast, obwohl du es eilig hattest! Ich fand es auch super, wie vielfältig die verschiedenen Beiträge zu dem Thema waren. Dass mein Beitrag dir Spaß gemacht hat, freut mich natürlich sehr!

Diesen Aspekt, dass die Doppelgängerin versucht, sich selbstständig zu machen und ihr Teile ihres Lebens wegzunehmen, will ich auf jeden Fall noch stärker rausarbeiten. Das war der Teil, wo mir die Zeit gefehlt hat, weil ich die erste Fassung vor Saisonende noch fertig haben wollte. :)


Edit 31.03.2012:

Erste Runde der Überarbeitung durchgeführt, also kleine Korrekturen, ein paar Sachen gestrichen (der Text hat jetzt mindestens 80% weniger "natürlichs" :)) und ein paar Formulierungen geändert. Noch mal vielen Dank für die Kritiken! Über tiefgreifendere Änderungen muss ich mir noch länger Gedanken machen.

 

Hallo Perdita,

da man – schon durch den Titel – bald weiß, worauf die Geschichte abzielt, geht natürlich der Überraschungseffekt verloren. Trotzdem (auch durch die Idee der wiederholten ‚Wiedervereinigung‘) hat mich das Ganze unterhalten.
Die Arbeitsbelastung, die daraus folgenden potentiellen Schwierigkeiten beinhalten eine Bedrohung:

„Aber sie hörte Verärgerung in seiner Stimme. Sie kannte diesen Unterton gut. Er war der Anfang vom Ende ihrer letzten Beziehung gewesen."

Spätestens an dieser Stelle habe ich mich mit der Frau solidarisiert.


Die Spaltung/Verdopplung ist gut beschrieben, besonders passend:

„Sie glaubte sogar, ein Knirschen zu hören.“

dieses „glaubte“ zeigt schön, in welchem hypernervösen Zustand sie ist.


Hier müsstest du vielleicht nachlegen:

„Aber als sie neben der Anderen auf die Knie ging, und sie vorsichtig an der Schulter berührte“

Angesichts dieser Konfrontation scheint die Frau (zu?) wenig geschockt.


„Viele wären wahrscheinlich von der Aufgabe, zwei Körper mit nur einem Bewusstsein zu steuern, überfordert gewesen, aber für jemanden wie Theresa Lottmann war das kein großes Problem. Multitasking war ja geradezu eine Lebensphilosophie für sie.“

Ein guter Schachzug, auf das „Multitasking“ vom Anfang der Geschichte zurückzugreifen.

„Einzig die Vorstellung, mit ihm zu schlafen, erschien ihr dann doch nicht richtig, also verabschiedete sie sich schnell, als er fragte, ob sie noch mit zu ihm kommen wollte. Es hätte die Theresa, die noch im Büro saß, einfach zu sehr abgelenkt.“

Ein schönes Beispiel für die kleinen, alltäglichen Probleme, die sich so ergeben können. Vielleicht muss deine Protagonistin mit etwas Humor den Ernst der Lage überspielen, was durchaus menschlich ist.
Hierzu passt auch der lakonische Schluss:

„Die Beamten konnten sich ja schließlich nicht teilen.“


Änderungsvorschläge:

„ließ sie gerade lange genug darin um sicherzugehen dass sie nicht mehr gefroren waren, und aß eins nach dem anderen auf“

darin, (?)
sicherzugehen,
waren und


„Sie war gerade mal dreißig, und hatte geglaubt sie sei gesund, aber etwas hatte sie erwischt, und es machte ganz den Eindruck, als könnte es sie umbringen, einfach so. Sie hätte geschrien, aber ihr Hals war zugeschnürt. Sie fühlte Tränen, die ihre Wangen herab liefen, und sich auf ihrer heißen, gereizten Haut wie Säure anfühlten.“

Häufung von „und“ (du hast relativ häufig Sätze nach dem Schema: das, das, das, und das.).

„nach einiger Zeit als Briefbeschwerer identifiziert wurde“

Wenn sie nicht gerade – was weiß ich – einen Dinosaurier-Koprolithen als Briefbeschwerer hatte, dauerte es sicher nicht ‚einige Zeit‘, bis man den Gegenstand erkannt hat.

Es ist sicher nicht so leicht über ‚Verdopplung‘ zu schreiben, das Thema ist doch recht bekannt (Zauberlehrling, Doppeltes Lottchen, Calvins ‚Duplicator), dein Text hat mich aber durchaus unterhalten.

Tschüss,

Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

Vielen Dank für deinen Kommentar! Freut mich sehr, dass es dich unterhalten hat.

da man – schon durch den Titel – bald weiß, worauf die Geschichte abzielt, geht natürlich der Überraschungseffekt verloren.
Ja, der Titel nimmt der schon was vorweg, aber das finde ich nicht so schlimm. Die Verdoppelung ist ja eigentlich nicht als Überraschung angelegt, das passiert ja schon am Anfang der Geschichte. Mit der Titelfindung tu ich mich manchmal schwer, aber diesen hier mag ich eigentlich ganz gern :).

Wenn sie nicht gerade – was weiß ich – einen Dinosaurier-Koprolithen als Briefbeschwerer hatte, dauerte es sicher nicht ‚einige Zeit‘, bis man den Gegenstand erkannt hat.
:lol: Das war doch alles voller rosa Schleim, deshalb war es nicht so einfach, den Gegenstand zu identifizieren! Aber ich denk noch mal nach, über das "einige Zeit". Genau wie über deine anderen Formulierungsvorschläge, da gehe ich am Wochenende noch mal mit wachem Gehirn dran.

Es ist sicher nicht so leicht über ‚Verdopplung‘ zu schreiben, das Thema ist doch recht bekannt
Na ja, auch nicht schwieriger, als über Zombies oder Vampire zu schreiben, denk ich mal :).

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

"Na ja, auch nicht schwieriger, als über Zombies oder Vampire zu schreiben, denk ich mal"


Ja, vorallem wenn sich jemand in 'nen Zombie und einen Vampir aufteilt und die beiden sich dann gegenseitig ... ;)

Zur Ehre der Splatter-Szene musste das mal gesagt werden).-


Wenns weich und gallertartig ist, wird es einfach sauber gewischt (dachte ich), ist es total mit ekeligem, luftverpestenden, Sekret überkrustet ... dann tut es mir leid um den, der da an der Säuberung beteiligt ist.


Gruß,

Woltochinon

 

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