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Die doppelte Berufung

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14.07.2003
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Die doppelte Berufung

"...und dann, als ich die Wunde des verunglückten Motorradfahrers verarztete, erklärte ich ihm in aller Ruhe die Vorrangregeln. Genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich zum Fahrschullehrer geboren wurde." Diese Story hätte Peter H. inklusive theatralischer Betonung mittlerweile schon im Schlaf erzählen können. Warum er sie erzählte? Nun, es war Donnerstag, der 23.11.2003, 19 Uhr. Er unterrichtete gerade seine Fahrschüler im Modul 7, der Vorrangregelkunde.

Genau zwischen der Stop-Tafel und dem Vorrangstraßensymbol baute er jedesmal seit 4 Jahren seine heroische Tat ein. Und dann, nachdem sich die erste Flut von naiven Bewunderungsblicken junger, pickelgesichtiger 18jähriger gelegt hatte, lehnte er sich immer in gewohnter Lässigkeit auf seinem Stuhl zurück, zog die rechte Augenbraue hoch und sprach: "Jaja, die Straße lebt, es ist ein Dschungel. Und man muss verdammt gut sein, um dort durchzukommen."

Nach dieser Selbstbewusstseinsinjektion konnte er wieder getrost mit dem Unterricht fortfahren. Zumindest solange bis die Uhr im "Klassenzimmer" 21:00 Uhr anzeigte, denn dann war sein Arbeitstag zu Ende. Er nahm gelassen und cool seine braune Lederjacke vom Kleiderständer, verabschiedete sich noch von seinen Schülern und tänzelte förmlich zum Ausgang der Fahrschule. In seinem Fahrzeug sitzend streichelte er liebevoll sein Lenkrad, kurz bevor er nach Hause fuhr.

Tags darauf hielt Peter H. keinen Unterricht. Keiner der 21 Fahrschüler die sich an diesem Tag zur gewohnten Uhrzeit im Präsentationsraum einfanden, erhielt Unterricht in der Bremsweglehre. Keiner von ihnen konnte deshalb in derselben Woche zur theoretischen Führerscheinprüfung antreten. Als man sich deshalb bei der Sekretärin bezüglich der Abwesenheit Peters erkundigte, brachte man in Erfahrung, dass er sein Kündigungsschreiben bereits um 7:00 morgens per Fax geschickt hat.

**********

"Welches Datum haben wir denn heute? Den 8. oder gar den 9. Jänner? fragte der etwas konfuse Zivildiener seinen Vorgesetzten.

"Mensch, Frank. Was soll nur aus dir werden, wenn du nicht mal das aktuelle Datum weißt. Den 9. Jänner 2008. Zufrieden jetzt?" schnaufte er in seine Richtung.

"Ich will dir mal was sagen. Du musst schon wissen was du im Leben erreichen willst, eben immer einen klaren Kopf behalten, verstehste?" setzte er noch eins drauf und legte damit den Grundstein für eine endlos scheinende Moralpredigt, in der er es bestens verstand, sich selbst als leuchtendes Vorbild zu präsentieren.

Es erschien Frank, dem Zivildiener wie ein Wunder als der vor ihm stehende akustische Wasserfall seine letzte Story mit diesen theatralisch in Szene gesetzten Worten beendete: "...und dann, als ich die Wunde des verunglückten Motorradfahrers verarztete, erklärte ich ihm in aller Ruhe die Vorrangregeln. Genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich zum Sanitäter geboren wurde."

 

Hi,

irgendwie verstehe ich den Sinn Deiner Geschichte nicht ganz. Da ist ein Fahrlehrer, der seinen Schülern stolz seine immer wiederkehrende Geschichte erzählt und es scheint sein Lebensinhalt zu sein. Am nächsten Morgen kündigt er, um Sani zu werden? Soll damit der Umschwung zu einem lebensbejahenden Menschen dargestellt werden? Jemand, der anstatt neue Autofahrer (die sich auf der Straße umbringen) auszubilden zum Sani wird, um diesen Menschen zu helfen? Und trotzde sieht er sich nur als das leuchtende Vorbild, nutzt also das Unglück der Menschen aus, um sich zu profilieren? Das lese ich jedenfalls daraus. Wenn es so ist, erscheint mir die Geschichte etwas zu platt. Es fehlt die persönliche Beziehung zu der Anekdote, die er erzählt, sie erscheint leb- und farblos. Insgesamt sind die beiden Charaktere (vor allem Peter, der ja eigentlich wichtig ist) platt, man kann sich nicht in sie hineinversetzen, kann nicht die Entscheidung verstehen, aus welchem Grund sie auch immer gefallen sein mag.
Aus diesen Gründen verpufft Deine Geschichte etwas ziellos im Raum - ausser, ich habe sie völlig mißverstanden.

Gruß, baddax

 

Hallo Jingels,

sehr einfühlend, der Fahrlehrer, wenn er seinen Schülern Angst vor dem „Dschungel“ macht...

Ich vermute, dass die selbe Story immer wieder dazu herhalten muß, irgendwelche Entscheidungen zu begründen.
Willst Du als gesellschaftlichen Bezug darauf hinweisen, dass die Gesellschaft (oder unser Leben) von willkürliche Entscheidungen geprägt ist?

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Jingles,
ich finde Deine Geschichte richtig gut. Schade, dass ich die Idee nicht hatte -sie hätte auch von mir sein können :-)

Die Charaktere sind wirklich sehr gut ausgearbeitet, die Geschichte weder zu kurz noch zu lang, also genau richtig und macht Lust, sie ein weiteres Mal zu lesen. Ein Wort fand ich allerdings etwas unglücklich gewählt und obwohl du "Stundenten" in Anführungszeichen gesetzt hast, wirkt es störend.
Desweiteren habe ich die Stelle mit der Kündingung auch nicht begriffen. Erst liebt er seine Arbeit, dann kündigt er. Das ist wirklich etwas platt. Solltest Du noch ändern.

Viele Grüße
Herbert

 
Zuletzt bearbeitet:

Statt dem Wort "Studenten" habe ich nun das Wort "Auszubildende" gewählt. Ich denke, es passt auch etwas besser in den Zusammenhang. Auch den Titel habe ich verändert, die Geschichte heißt nun "Die doppelte Berufung". Das sollte nun auch viele Fragen klären...

Zu eurem am häufigsten kritisierten Punkt: Der plötzliche, offensichtlich unergründbare Wandel vom Fahrlehrer zum Sanitäter. Irgendwie will ich den enormen Überraschungseffekt in dieser Geschichte nicht missen, weswegen ich davon abgeneigt bin, auf die Veränderung im Leben des Peter H. hinzudeuten oder diese sogar zu erklären. Das soll jeder für sich selbst erledigen. Ich denke, jeder von uns hat schon mal eine Entscheidung getroffen, die für den Rest der Welt nicht nachvolziehbar war, für euch als Person jedoch nowtwendig gewesen ist.

Peter H. versucht eben, diese Entscheidungen in verschleierter Form über seine Storys zu erklären. Vielleicht schwankt er ja auch schon seit jeher zwischen beiden Berufen und hat für sich selbst eben nur beschlossen, dass es nun an der Zeit wäre, seinen zweiten Traumberuf auszuüben...

 

Hallo Jingles,
das ist natürlich schwierig herauszulesen, aber so in etwa habe ich mir den Plot der Geschichte vorgestellt. Vielleicht solltest du darüber nachdenken, ob du das am Schluß der Geschichte auch begründen solltest. Fände ich nicht schlecht.
Desweiteren halte ich das Wort "Auszubildende" auch nicht wirklich für geeignet. Wie wäre es einfach mit "Fahrschüler"?. Ich verstehe schon, was du damit ausdrücken möchtest, aber es gibt eben kleine Unterschiede in den Berufsbezeichnungen.

Bsp.:
bei Lernenden in handwerklichen Berufen = Lehrlinge
bei Lernenden in kaufmännischen Berufen = Azubis
bei Lernenden in einer schulischen Einrichtung = Schüler

Viele Grüße
Herbert

 

Ich wollte damit ausdrücken, dass Peter H. aus seiner Situation etwas besseres machen will, als es tatsächlich der Fall ist. Der Präsentationsraum einer Fahrschule ist im eigentlichen Sinne ja auch kein "Klassenzimmer"...

Du sprichst mit den Berufsbezeichnungen allerdings schon eine vorhandene Problematik an. In Österreich ist das Wort "Auszubildender" zum Beispiel völlig willkürlich, man kann damit praktisch jede Ausbildung meinen. Ebenso ist in Österreich jeder Mensch, der eine Lehre macht, ein Lehrling, egal ob kaufmännischer oder handwerklicher Sektor. Das Wort "Azubi" für Auszubildener in Bezug auf die kaufmännische Lehre wird hier nicht verwendet.

Wenn man das alles berücksichtigt, dann hätte das Wort "Auszubildender" in meiner Geschichte aus österreichischer Sicht wohl durchaus seine Berechtigung. Aus deutscher Sicht eher weniger, da somit zu viel Verwirrung geschaffen würde. Deshalb werde ich eben einfach das Wort "Schüler" verwenden, ich denke bei diesem Wort kann niemand aus dem Zusammenhang heraus etwas mißverstehen.

 

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