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Die Busfahrt
Es ist Montagmorgen. In etwa 5 Minuten kommt der Bus. Trotz der frühen Uhrzeit ist es schon fast taghell. Ein laues Sommerlüftchen streichelt bei blauem Himmel meinen Rock. Eigentlich ein schöner Tag. Aber ich fühle mich beschissen. Meine Beine sind aus Blei, meine Gedanken schlagen Kapriolen. Einfach nicht mehr dran denken. Den Samstag vergessen. Am Besten die Zeit zurückdrehen. Ich glaube da vorne kommt schon der Bus um mich zu holen. Er kommt näher. Geifernde Gesichter erscheinen hinter den Scheiben des längst schrottreifen Busses. Aber für die Leute vom Land ist er ja gut genug.
Es ist zwar schon ein halbes Jahr her seit ich mit meinen Eltern aus der Stadt hierher gezogen bin, aber ich werde mich wahrscheinlich nie an diese Öde gewöhnen. Jeden Morgen mit diesem verdammten Bus. Jeden Morgen diese Tratscherei. Hast du schon gehört hier, weißt du schon das Neuste da. Wahrscheinlich wissen es schon alle.
Die Türen gehen auf. Der bullige Busfahrer, der auch Bauer hätte sein können würdigt mich keines Blickes. Gut so. Wie immer steigt mir dieser, an der Grenze des Ertragbaren wabernder Muffgeruch in die Nase. Mist, kaum noch Plätze frei. Vorne kleine Kinder, ich drängle mich halbwegs durch. Hat da grade eines mit dem Finger auf mich gezeigt? Ich muss mich getäuscht haben. Da hinten 1, 2, 3, bestimmt ein Dutzend die Samstag dabei gewesen sind. Frank hat glaub ich sogar noch einen Kurzen mit mir getrunken. Freunde sind keine da. Nicht in diesem Bus. Die meisten gehen zwar auf meine Schule, aber sämtliche Schüler meines Jahrgangs aus diesem Kaff sind natürlich in meiner Parallelklasse. Eine eingeschworene Gemeinde.
Da entdecke ich noch einen Platz. Leider genau neben Dorftrottel Karl, den meistens nicht gerade die angenehmste Aura umgibt. Besonders nicht Heute, wo er nur ein T-Shirt trägt. Gerade grinst er mich mit seinem ungepflegten Gebiss an, wobei er ungeschickt seine Tasche vom Platz räumt. Oh Gott, er weiß es, alle wissen es. Plötzlich habe ich das Gefühl von allen Seiten beäugt zu werden. Schweiß tritt mir auf die Stirn. Hoffentlich versucht er sich jetzt nicht an mich ranzumachen.
OK, Samstag bin ich betrunken gewesen. Es war eine der seltenen Zeltfeten in dieser, von der Außenwelt abgeschnittenen Gegend. Und der Typ sah gar nicht mal so schlecht aus. Außerdem kam er aus dem Nachbardorf, was ihn auf Anhieb sympathisch machte. Leider muss es wohl ziemlich heiß hergegangen sein. Später auch wohl auf der Toilette. Soweit ich mich erinnern kann jedenfalls. Von der Nacht sind leider nur noch Bruchstücke in meiner Erinnerung. Aber ich glaub, dass ich noch weitestgehend angezogen war. Aber diese Bauerntrottel machen bestimmt wieder ne halbe Orgie draus. Ich hör schon die Gerüchteküche brodeln.
Mein Blick wandert nach links. Eva sieht mich mit einem hämischen Blick an. Ich weiß doch was die Weiber denken. Na du Schlampe, kleines Flittchen, hast dir mal wieder ein bisschen Spaß für eine Nacht gegönnt. Selber sind sie natürlich die Unschuld in Person. Die und Sex vor der Ehe, niemals. Noch zweimal Abbiegen bis zur Schule. Heute erfährt es die Stufe. Morgen die gesamte Schule und Übermorgen weiß es bestimmt schon die ganze Stadt. Es ist ein Teufelskreis aus dem es kein Entrinnen gibt.
Die Bustüren gehen pfeifend auseinander, alle stürmen raus. Da kommt mir eine Freundin aus meiner Klasse entgegen, grüßt mich: „Hi, wie war dein Wochenende?“ und muss laut loslachen. „Sag mal, ist es eigentlich jetzt Mode das Top Falschrum anzuziehen?“
[Beitrag editiert von: Drumsmasher am 12.03.2002 um 16:15]