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Die bunten Träume eines Bleistifts
Haus, Kasten, Blume, … viele unterschiedliche Wörter schrieb Katharina in ihr Heft. Meistens machte sie das mit ihrem Bleistift. Es war ein schöner Bleistift mit vielen bunten Schmetterlingen bedruckt. Und der Bleistift machte seine Sache gut. Einen grauen Buchstaben nach dem anderen zauberte er auf das Papier. Es machte ihm viel Spaß, doch genauso freute er sich darauf von Katharina wieder an seinen Platz gelegt zu werden.
Dort waren auch seine Freunde Spitzer und Radiergummi. Bleistift mochte beide sehr, auch wenn Radiergummi immer äußerst ordentlich war und jeden seiner Fehler sofort ausradierte und er die Stelle noch einmal schreiben musste. Spitzer erzählte ihm viele Geschichten von all den anderen Stiften, die er schon gespitzt hatte. Bleistift hörte ihm gerne zu, aber er konnte nicht so wirklich glauben, dass Katharina noch andere Stifte hatte. Er war noch nie einem begegnet und schreiben konnte er sowieso am besten.
Doch eines Tages passierte etwas, mit dem Bleistift nicht gerechnet hatte. Nachdem er wieder fleißig für Katharina geschrieben hatte, legte sie in nicht wie sonst zu seinen Freunden, sondern in eine Schuhschachtel. Bleistift staunte nicht schlecht, als er sich dort umsah. Die Schachtel war voller bunter Stifte. So viele Stifte kannte Bleistift nur aus der Zeit im Geschäft, wo er gewesen war, bevor Katharina ihn gekauft hatte.
Auch die anderen Stifte schauten ihn verwunderten an.
„Wer bist denn du?“ fragte ein lila Stift.
„Ich bin der Bleistift“, antwortete Bleistift. „Ich helfe Katharina all die Wörter, die ihr einfallen in ihr Heft zu schreiben. Und wer seid ihr?“
„Wir sind Buntstifte“, meinte ein roter Stift.
„Schreibt ihr auch?“ wollte Bleistift wissen.
„Nein“, sagte der rote und lachte. „Wir malen Bilder. Herrliche bunte Bilder, eins schöner als das andere.“
„Genau! Heute habe ich einen wunderbaren blauen Himmel gemalt“, meinte der blaue Stift.
„Und ich eine Sonne. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie die gestrahlt hat!“ sagte der gelbe.
„Mein brauner Baumstamm ist auch nicht zu verachten“, brummte einer von weiter unten herauf.
Bleistift wurde nachdenklich. Bis jetzt hatte er geglaubt, dass es nichts Schöneres gab als für Katharina zu schreiben. Doch die Buntstifte erzählten von ihren Bildern, die sicher traumhaft sein mussten, und plötzlich wünschte er sich auch bunt malen zu können. Er wusste nur noch nicht, wie er das anstellen sollte.
Bleistift verbrachte noch einige Zeit bei den Buntstiften. Diese erzählten ihm immer wieder welche tollen Sachen sie gemalt hatten, doch welche Worte er schon geschrieben hatte, interessierte sie nicht. Das machte Bleistift traurig und umso mehr wünschte er sich auch bunt zu sein.
Katharina hatte ein Bild mit ihren Wasserfarben gemalt. Der rote Buntstift hatte ihm das erzählt, nachdem er kurz über den Rand der Schuhschachtel geschaut hatte. Bleistift wunderte sich zwar, dass sie dazu nicht die Buntstifte verwendet hatte, doch da streckte sie plötzlich ihre Hand in die Schachtel und holte ihn heraus.
„Hier bist du“, sagte sie und legte ihn auf den Tisch. Da kam ihre Mutter in das Zimmer und gemeinsam hängten sie ihr Bild an die gegenüberliegende Wand. Bleistift sah die noch nicht weggeräumten Wasserfarben auf dem Tisch und da kam ihm eine Idee. Als Katharina gerade nicht herschaute, rollte er sich vorsichtig zu ihnen. Es war nicht leicht, doch er schaffte es seine Spitze in eine der Farben zu tauchen. Nun war seine Mine nicht mehr grau, sondern wunderschön orange. Zufrieden rollte er sich zurück und bevor Katharina etwas merkte, war er wieder an seinem Platz.
Kurz darauf holte Katharina ihr Heft hervor und nahm Bleistift in die Hand. Sie wollte gerade anfangen „Holz“ zu schreiben, da stoppte sie plötzlich.
„Warum ist er denn ganz orange?“ fragte sie verwundert. „Vielleicht ist das Wasserfarbe.“
Genau, dachte Bleistift, und jetzt mal mit mir!
„Das kommt davon, dass du sie nicht immer gleich wegräumst“, meinte Katharinas Mutter. „Jetzt bist du mit dem Bleistift in die Farbe gekommen.“
„Aber das war ich doch gar nicht!“ antwortete Katharina und versuchte trotzdem mit Bleistift zu schreiben.
Nicht schreiben, dachte Bleistift. Malen, sollst du, malen!
Doch Katharina wollte schreiben und sie dachte nicht daran mit ihm zu malen. Doch die Wörter wurden einfach nicht so schön wie sonst, dadurch, dass Bleistift orange war. Nach kurzer Zeit legte sie ihn traurig weg. So machte das keinen Spaß!
Bleistift kam wieder zu seinen Freunden Spitzer und Radiergummi und er war genauso traurig wie Katharina. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er wollte doch bunte Bilder malen! Radiergummi konnte sich bei seinem Anblick ein Lachen nicht verkneifen, was die Stimmung von Bleistift auch nicht besserte. Spitzer war da schon hilfreicher. Er tröstete ihn und versuchte ihm zu erklären, dass er einfach nicht zum Malen geschaffen war und sich auf das konzentrieren sollte was er wirklich konnte – schreiben. Bleistift war damit aber nicht zufrieden. Er meinte, über seine Bilder würde sich Katharina noch mehr freuen als über seine Worte. Da forderte ihn Spitzer auf kurz still zu sein. Bleistift lauschte und hörte, wie sich Katharina bei ihrer Mutter beklagte, dass sie nun ja nichts mehr zum Schreiben hatte. In diesem Moment wurde Bleistift klar, dass Katharina ihn genauso brauchte, wie die Buntstifte. Und zwar so wie er war – grau.
Spitzer und Radiergummi halfen ihm die Farbe wieder runter zu bekommen und als Katharina das nächste Mal etwas schreiben wollte, freute sie sich, dass Bleistift wieder sauber war. Das Schreiben machte ihm genauso viel Spaß wie früher. Und da er sich diesmal besonders bemühte, hatte sogar Radiergummi nichts zu meckern. Bleistift sah sogar wie der rote Buntstift wieder einmal über den Rand der Schuhschachtel schaute und bildete sich ein zu hören, wie er seine Wörter lobte.