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Die Buchbestellung

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16.09.2002
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Die Buchbestellung

Die Buchbestellung

Er legte den beige farbenen Umschlag auf die kleine Anrichte im Schlafzimmer. Dort würden sie ihn sicher irgendwann finden. Vielleicht würde er ihnen nicht gleich auffallen, aber früher oder später würde irgendjemand den Umschlag bemerken. Seine einzige Sorge war es, dass eines der Kinder ihn zuerst entdecken würde. Er hatte ihn mit rotem Wachs versiegelt. Das sieht bedeutender aus, hatte er gedacht. Leider würde er nicht mehr erfahren, ob das Wachssiegel die erhoffte Wirkung erzielen würde. Und wer auch immer den Umschlag fand würde nicht erfahren, dass er sich aus Unvorsichtigkeit die Finger an der Kerze verbrannt hatte, als er das Wachs auf den Umschlag träufelte.
In einem Film hatte er gesehen, wie leicht es war, und wie schnell es ging. Gleich am Morgen, als seine Frau das Haus verlassen hatte, war er auf den Dachboden gestiegen, und hatte mit den Vorbereitungen begonnen. Zwei Stunden hatte er gebraucht, um das Chaos hier oben aufzuräumen. Er wollte nicht, dass alle Welt mitbekommt, wie es auf seinem Dachboden für gewöhnlich aussieht. Es würden sicher Fremde kommen, und man will ja einen guten Eindruck hinterlassen.
Jetzt war alles aufgeräumt, und die Vorbereitungen abgeschlossen. Es konnte losgehen. Hatte er auch nichts vergessen? Den Brief hatte er im Schlafzimmer hinterlegt. War da nicht noch irgendetwas, das er vorher erledigen musste? Er durfte sich jetzt keinen Fehler erlauben. Schließlich hatte er nachher nicht mehr die Möglichkeit irgendetwas zu korrigieren. Nein, da war nichts mehr. Es war sicher nur dieses Gefühl, das man hat, bevor man zu einer längeren Reise aufbricht, ob man auch den Herd ausgemacht hat... Er konnte jetzt nicht länger Zeit damit verschwänden darüber nachzudenken. Schließlich hatte er es eilig! Zumindest fühlte er sich, als sei er in Eile.
Als er auf den Stuhl kletterte bemerkte er, dass seine gute Sonntagshose in der Po-Gegend doch etwas spannte. Wann hatte er diesen Anzug das letzte Mal getragen? Ach ja, zur Taufe seiner Nichte. Das war sicher schon zwei oder drei Jahre her. Dies war die Gelegenheit den teuren Anzug endlich mal wieder aus dem Schrank zu holen. Schließlich wollte er ja einen guten Eindruck machen, vor all den Fremden, die kommen werden.
Von hier oben konnte er durch das Fenster die Strasse sehen. Ein schöner Strand wäre ihm lieber gewesen. Er erinnerte sich an seinen vorletzten Urlaub, an die Küste, und an die angenehme Luft dort. Er atmete sie noch einmal tief ein. Dann zog er die Schlinge, die über ihm hing, zu sich heran, legte sie um seinen Hals, zog sie fest, und warf mit schaukelnden Bewegungen den Stuhl unter seinen Füßen um.
Es gab einen lauten Ruck, und dann explodierte ein unglaublich starker Schmerz in seinem Nacken. Mist!, dachte er. Der Typ in dem Film hatte nichts davon gesagt, dass es so wehtun würde. Naja, wie sollte er das auch.
Er sah aus dem Fenster, und bemerkte wie ein großer, dunkelbrauner Wagen in die Einfahrt einbog. Es war ihm egal. Der Wagen von UPS wollte sicher nicht zu ihm. Er schloss die Augen, und versuchte sich zu entspannen. Es würde sicher nicht mehr lange dauern.
Plötzlich klingelte es an seiner Haustür. Schlagartig öffnete er wieder die Augen, und dann fiel es ihm wieder ein. Ihm fiel ein, was seine Frau gestern Abend im Bett zu ihm gesagt hatte, als er genervt versucht hatte einzuschlafen:
"Ich hab mir heute ein Buch im Internet bestellt, bei Buecher.de. Die haben einen Express-Service, es sollte also schon morgen früh da sein! Kannst du es dann bitte für mich annehmen?"
"Ja ja." hatte er nur gesagt, sich umgedreht, und weitergeschlafen.
Der Lieferant klingelte schon wieder. Diesmal schon etwas energischer.
Er versuchte mit dem Fuß an den umgefallenen Stuhl zu kommen, und ihn wieder aufzustellen. Er hoffte nur, dass keiner der Nachbarn ihn durch das Fenster beobachtete. Es sah sicher sehr lächerlich aus, wenn man sich grad erst erhängt hat, und dann versucht, in einer wirklich absurden Pose mit dem Fuß den Stuhl wieder aufzurichten, und das alles nur, um ein Päckchen in Empfang zu nehmen. Aber er musste das Päckchen annehmen! Er hatte ihr gesagt, dass er es tun würde. Und wenn er es nun doch nicht täte, was würde sie mit ihm anstellen? Sie würde ihn sicher umbringen!
Er hielt inne. Sie würde ihn...
Er ließ von dem Stuhl ab, und steckte zufrieden beide Hände in die Hosentaschen. Sie würde ihn umbringen! Und mit dem letzten Rest an Luft in seinen Lungen begann er laut zu lachen. Das Lachen klang recht armselig, denn es wurde von der Schlinge um seinen Hals erstickt. Doch innerlich lachte er triumphierend. Innerlich lachte er, während sich draußen der Postmann die Seele aus dem Leib klingelte...

 

Hallo Wooz,
willkommen bei Kg.
Du hast eine angenehm, gut lesbare Art zu schreiben.
Ich hab die ganze Zeit gedacht, daß der sich nicht umbringen würde. Ein Buch würde ihn auf ganz sonderbare Weise davon abhalten oder so. Er hat es doch getan und das hat mich überrascht. Eigentlich das vorhersehbare, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ist schon komisch.
Mein Problem bei dieser Geschichte habe ich mit der Logik.
Wir haben alle wohl keine Erfahrung mit dem Aufhängen und so halte ich mich an Filme, andere Beschreibungen und einfach meine Phantasie.
Wenn sich jemand erhängt und es gibt einen Ruck, dann ist doch in der Regel das Genick gebrochen und er ist tot. Wenn es aber keinen Ruck gibt, dann passiert doch das, was man keinem Selbstmörder wünscht, wenn er denn schon sterben muß, nämlich, daß er langsam und qualvoll erstickt. Deine Version, mit seinen Gedankengängen, während er sich stranguliert kann ich nicht nachvollziehen. Er leidet doch. Er ist in Panik.
Das er das Buch entgegen nehmen will ist m.M. auch recht weit hergeholt. Ok. Wer so blöd ist, hat ein Recht sich umzubringen. Und dabei diese gute Laune.
Ach ja, der Titel: Es handelt sich doch eigentlich nicht um eine Buchbestellung, sondern um eine Lieferung.
Ich meine schon, daß Du durchaus lesbar schreiben kannst, nur mußt Du eben die richtige Geschichte dazu haben.
Gib nicht auf, die nächste wird besser.:D :D
Liebe Grüße
Manfred

 

Also hier mal ein kurzes Suizid-FAQ:
Wenn man sich erhängt, kann das Genick brechen, muss aber es aber nicht. Das ist abhängig von der Länge des Seils, und somit von der Tiefe des Falls...
Ob das Genick nun dabei bricht oder nicht, einen Ruck gibt es auf jeden Fall, logisch, der Fall wird ja abbrubt gebremst.
Es kann allerdings auch passieren, dass das Genick bricht, und der Hängende dennoch nicht das Bewustsein verliert! Ist zwar äußerst selten, aber möglich, und das wäre dann wohl die unangenhemste Variante...

Das der Arme in seinen letzten Minuten wirklich noch so absurde Gedankengänge hat ist absolut kalkuliert!
Erstens macht es das ganze zumindest etwas witziger, und zweitens deutet es daraufhin, wie der Arme von seiner Frau sonst so behandelt wird... ^__^

Naja, war meine erste Veröffentlichung hier, und sicher nicht die Letzte.
Mal sehen, wie die Nächste wird...

So long...
[WoOz]

 

Servus WoOz!

Ich habe deine Geschichte ganz gern gelesen, sie hat zwar keinen wirklichen Spannungsmoment, aber lockte mich doch bis zum Ende zu lesen. Ich würde sie fast unter Satire einreihen, denn für mich ging der Mann gar nicht wirklich in den Tod, sondern er hängt immer noch da herum, schaut mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen hinaus aus dem Fenster und zerbröselt sich, wenn auch etwas röchelnd, über alles mögliche. Dass seine Frau ihn ernst gemeint umbringen würde, wenn er ihre Aufträge nicht erledigt hat ist ja an sich schon ein Witz. Du siehst das in deiner Nachkritik aber tatsächlich als Erschwernis seines Lebens an gegen die er keine Macht hat, hm?

Jedenfalls fand ich diesen Selbstmord zum Schmunzeln und hoffe, dir damit nicht nahezutreten, denn das will ich ganz bestimmt nicht.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

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