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Die Brühgruppe
Der heimische Kaffeevollautomat hat seinen Dienst eingestellt. Es tut sich nichts mehr.
Entsprechend der Alles-was-einen-Stecker-hat-Regel informiere ich den Mann darüber.
Er verspricht Abhilfe. Zeitnah.
Nur wenige Monate vergehen, bis ich den Mann am Kaffeevollautomaten wiedertreffe.
Es ist Samstagmorgen. Der Mann erklärt mir, dass der Kaffeevollautomat wohl seinen Dienst eingestellt habe. Vollständig. Da tue sich nichts mehr. Er werde sich aber darum kümmern.
Zunächst brauche er aber einen Kaffee. Er verschwindet im Büro, wo sich eine weitere Maschine befindet. Ich freue mich, dass es jetzt losgeht. Spüle, wasche den Kühlschrank aus, stelle die Wäsche an und fahre das Kind zum Fußballspiel.
Bei meiner Rückkehr finde ich einen Zettel mit der Information, dass sich der Mann zwecks Ersatzteilbeschaffung, sowie der Erweiterung der Werkzeugkiste um Kaffeevollautomatentaugliches, in den örtlichen Baumarkt begeben hat. Super! Er hat Blut geleckt – Gut gelaunt … fast fröhlich, beginne ich das Wohnzimmer zu putzen, hänge die Wäsche auf, wische durchs Bad und erledige dann schnell den Wocheneinkauf.
Unterwegs erreicht mich die Nachricht, dass mein Mann sich professionellen Rat bei einem wahren Kaffeevollautomatenexperten namens Paul einholt, dieser sich allerdings im Stadion befinde – was die Sache etwas verkompliziere. Aber: er bleibe dran!
Wie süß, denke ich, er gibt alles. Ich pfeife fröhlich vor mich hin und beschließe noch schnell bei meiner Mutter vorbei zu fahren, um den Gartenzaun zu streichen.
Etwa gegen 20 Uhr komme ich mit dem Kind, den Wocheneinkäufen und dem Kuchen, den ich mit Mutter noch spontan gebacken habe, wieder in unserer gemeinsamen Küche an.
Ich werde von einer Kaffeevollautomatenexpertenrunde bereits erwartet, der – neben meinem Mann und Paul – zwei weitere mittelalte Herren in Fußballtrikots angehören.
Es fließen Bier und Schnaps. Die Stimmung ist durchaus gut. Man versichert mir, sich dem Thema bereits durch geeignete Youtube-Fachvideos genähert zu haben und in gemeinsamer Diskussion mehrere mögliche Fehlerquellen ausgemacht zu haben. Ob mich der Fußball-Livestream, den mein Mann etwa vier mal vier Meter groß auf unsere Garage projiziert, stören würde? Natürlich nicht …
Das Kind hat Hunger. Die Experten auch. Ich bereite aus dem Wocheneinkauf also einen kleinen Snack vor.
Während die Soße reduziert, der Braten im Backofen schwitzt, das Tiramisu im Kühlschrank auf Temperatur kommt, verarzte ich das Fußballkind, bringe den gelben Sack weg und sortiere fix das Altglas durch. Sicherheitshalber richte ich mal das Gästezimmer her.
Die Expertengruppe hat den Livestream inzwischen gewechselt und projiziert jetzt einen seltenen Live-Mitschnitt eines ACDC-Konzertes aus den späten Siebzigern an das Pflegeheim auf der anderen Straßenseite. Logischerweise ist das ohne Ton nichts, wie man mir versichert. Das verstehe ich. Zusammen mit meinem Mann ist die Anlage seiner alten Band schnell im Hof aufgebaut. Der Sound ist beeindruckend. Ich esse, was Kind und Expertentruppe übriggelassen haben.
Paul ist eingeschlafen, aber die beiden anderen schwören Stein und Bein, dass die Brühgruppe defekt ist. Das käme bei diesem Modell oft vor. Der Schwager von einem der beiden habe mal bei einer Firma gearbeitet, die auch so eine Maschine hatten. Und da war die Brühgruppe auch defekt. Mir imponiert, wie hartnäckig die beiden beim Thema bleiben.
Als Zugabe nach dem Nachtisch biete ich den frisch gebackenen Kuchen an, der von der Expertenrunde – ohne Kaffee – allerdings abgelehnt wird. Man verzieht sich ins Büro.
Ich räume noch schnell die Küche auf, mache den Abwasch, bringe Kind und Paul ins Bett und begleite die beiden netten Polizeibeamten zum Pflegeheim, um die Sache mit ACDC und dem Beamer zu klären.
Karl-Heinz ist einer der beiden mittelälteren Herren in einem der beiden Fußballtrikots. Ich soll ihn aber Kalle nennen.
Kalle hat es im Leben nicht einfach. Ich mache kurzerhand eine systemische Aufstellung mit ihm – beginnend mit Sabines Abweisungen bereits im Kindergartenalter – bis zu unserer Kaffeemaschine.
Während Kalle unsere alkoholischen Restbestände und mehrere Aspekte seines verpfuschten Lebens abarbeitet, bringe ich den Mann ins Bett. Der Ärmste ist völlig fertig. Er hat`s echt probiert.
Am Montag bring ich unseren Kaffeevollautomaten zum Service. Wenn die Brühgruppe kaputt ist, kann er da ja auch nichts machen.