Die Brücke
Die Brücke
Endlich erreicht, lag sie da, weit über die gähnende Schlucht gelegt. Die Sonne brannte, tief stehend, ihre Strahlen in die trockene Haut, in die kahle Vegetation. Unberechenbar stand die Stille versteckt in kahlen Ecken und räusperte sich nur kurz in einem Windhauch, oder in einem entfernten, fast unwirklichem, Geräusch. Zwei Pfosten waren in den Boden geschlagen, die Erde war rot, glühte scheinbar im Licht des Tages. Daran befestigt die schweren Taue, die bis zur anderen Seite hinüber reichten. Die Bretter der Brücke waren morsch, einzelne fehlten und es schwankte die Welt bedächtig, als man die Brücke betrat. Ich hielt inne. Schaute nach unten und brach die Regel derer, die die Höhe meiden. Die Tiefe lag erwartungsvoll unter meinen Füßen, sie wartete gespannt auf meinen Fall, bereit mich endlich zu verschlingen, dass mein Körper zerschellte auf dem steinigen Boden, der von hier nur rudimentär erkennbar, so einsam und ewig dort unten lag. Voran sollte es gehen, es sollte sich etwas ändern. Das Erreichen der anderen Seite war so wichtig. Es war ein harter Weg bis hierher gewesen, er war stets heimtückisch in seiner Art, fast lauernd auf einen Moment der Schwäche, um ich zu packen, wie ein Raubtier, die scharfen Zähne in den Nacken hauend, mich herumschleudernd, fast spielend, in die Luft werfen, um mich nach dem Tode achtlos liegen zu lassen auf der roten, glühenden Erde. Die Trinkflasche war leer, die Lippen rissig und aufgesprungen, das Herz ein Schlachtfeld der letzten melancholisch geschwängerten Tage, die Seele ein abgeerntetes Feld, von Bombenkratern zersprengt, die tief und dunkel nach rettenden Gedanken lechzten, die sie zuschütten und vergessen machen, damit neues Grün die Narben der Vergangenheit verdecken können, duftreich und farbenfroh. Verführerisch lag sie da, die andere Seite, so nah und doch so viele morsche Bretter der Brücke zu überstehen. Es knarrte, es krächzte das Holz, welches so viele Jahre nun seiner Bestimmung folgte, ohne jemals nur einen Menschen in die Schlucht zu entlassen, ihn aufzugeben. Nein, die Brücke gab nie auf, sie gab das, was sie geben konnte. Eine Möglichkeit, einen Weg, einen Aufbruch. Die Sonne stand noch ein wenig tiefer, ich verharrte zu lange auf einigen Brettern, ich stand da und blickte auf die so lieblich anmutende andere Seite, drehte den Kopf und sah das zurückliegende Elend. Plötzlich sah ich ihn, er lief auf die Brücke zu, er nahm zu hastig die ersten Bretter, verlor fast das Gleichgewicht, fing sich, die Brücke schwankte, ich hielt mich fest am groben Tau, ging etwas in die Knie und der Mann kam näher. Wir trafen uns in der Mitte der Brücke und er schnaufte, er schwitzte, die Haut rot von der Sonne, die Kleidung verdreckt und scheinbar wochenlang getragen, hing nass an seinem gedrungenen Dasein. Er kam ganz nah an mich heran, ich spürte seinen nassen Körper, er packte meinen Kopf in seine trockenen, zerfurchten Hände und flüsterte mir in mein Ohr. „Kehr um!“