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Die Botschaft

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19.01.2019
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Die Botschaft

Wehmütig sah sie zu der Tochter des Wirtes. Das Kind schrubbte den Boden in gleichmäßigen, ruhigen Bewegungen. Es war so versunken in seine stupide, friedliche Arbeit, dass es ihre Blicke gar nicht bemerkte. Selbst wenn, seine langen, dunklen Locken hätten es dem Mädchen erschwert, sie anzusehen. Sie versuchte, das Alter der Wirtstochter zu schätzen. Siebzehn, vielleicht gerade achtzehn.
So jung, dachte sie seufzend, so jung und hübsch müsste man noch einmal sein. Dabei war sie selbst erst keine zehn Jahre älter. Aber sie fühlte sich schon so alt, so unglaublich alt.
Sie musste lächeln. Ja, das Mädchen erinnerte sie an Emma, ihre beste Freundin aus Kindertagen.
Damals hatten sie noch keine Sorgen gehabt.
Emma. Mit einem Schweden war sie damals verschwunden, vielleicht war es auch ein Däne gewesen. Damals war das noch möglich gewesen. Hatte einfach ihre Sachen gepackt und war plötzlich weg gewesen. Ohne auch nur ein Wort zu sagen. Wo sie wohl gerade war? Lebte sie denn überhaupt noch?
Sie wusste es nicht, würde es wohl auch nie erfahren.
Vielleicht war Emma unglücklich geworden. Mit Männern hatte sie nie Glück gehabt.
Sie schmunzelte. Emma wusste wenigstens, wie man sich alleine durch das Leben schlug.
Sie selbst war geblieben, hatte geheiratet, würde irgendwann eine Familie gründen.
Sie nippte an ihrem Tee. Er war kalt geworden, solange saß sie schon hier.
Die Uhr dort hinten an der Wand tickte laut und unbarmherzig. Draußen gewitterte es schon seit einer gefühlten Ewigkeit.
Mit einem Male wurde es dunkler. Die Lampe an der Decke war ausgefallen. Das Wetter war schuld daran, das Wetter.
Kurz darauf ertönte das Geräusch einer sich öffnenden Tür und ließ sie hochschrecken. Gespannt drehte sie sich um. Es waren zwei Männer, Vater und Sohn, Freunde des Wirtes.
Der Sohn ging zu der Wirtstochter, grüßte höflich, machte der Närrin Komplimente.
Der Vater derweil grüßte sie, sprach sie an: „Wartest du immer noch auf Wilhelm?“
Sie nickte energisch. Ihr Gesprächspartner lachte höhnisch auf: „Glaub’ mir, er kommt nicht wieder. Kaum einer kommt mehr wieder. Gott sei Dank haben sie meinen Georg verschont. Damals war er ja auch nicht viel mehr gewesen als ein kläglicher Haufen Elend. Aber er hat sich gemausert, findest du nicht auch?“
„Doch, ich bin mir ganz sicher, dass er wiederkommt“, erwiderte sie kraftlos.
Man kannte sie mittlerweile schon. Jeden Tag hatte sie seitdem hier auf ihn gewartet, hier hatten sie sich kennengelernt. In dem kleinen Café am Marktplatz.
Der Mann gesellte sich nun, da sie nicht auf seine restlichen Sätze einging, zu dem Wirt, unterhielt sich mit ihm leise über das schlechte Wetter.
Die Lampe war noch immer dunkel, das Mädchen schrubbte immer noch, jetzt aber mit kleinen Pausen. Es unterhielt sich mit dem Sohn des Mannes, lachte zwischendurch. Das Kind ist so naiv, dachte sie fast verächtlich, und ich so verbittert. Die Uhr tickte noch immer, machte sie mit dem monotonen Geräusch fast wahnsinnig.
Sie wollte am Tee ihre Hände wärmen, hatte vergessen, dass er kalt war, wurde enttäuscht.
Nein, damals hatte Wilhelm mit keinem Wort versprochen, dass er wiederkommen würde. Sowieso hat er sich nur sehr knapp verabschiedet. Aber sie liebte ihn doch. Er musste wiederkommen. Sogar Vater hoffte, dass er wiederkam. Vater mochte Wilhelm gerne, sagte, er sei der Richtige für sie. Vater hatte Recht, schon seit sie klein war.
Was Mutter zu Wilhelm sagte? Sie wusste es gar nicht mehr. Bestimmt hatte sie Vaters Meinung geteilt, ja, so muss es einfach gewesen sein.
Sie hörte, wie der Freund des Wirtes sich bereiterklärte, nach der Sicherung zu sehen, obwohl er dafür nach draußen in das Unwetter musste.
„Georg! Ich bin kurz weg. Wenn ich vom Blitz getroffen werden sollte, bist du der Mann im Haus“, sagte er zu seinem Sohn. Er lachte zwar, jedoch wusste jeder, dass es ein aufgesetztes, falsches Lachen war. Man scherzte damit nicht.
Er verließ das Café, aber es hatte sich nicht viel verändert. Das Mädchen schrubbte, die Uhr tickte, der Tee war kalt. Sie versank wieder in Gedanken.
Diesmal waren es zwei Straßenhunde, die draußen bellten und sie somit aus den Gedanken rissen. Sie drehte sich um, sah, dass die Tiere sich knurrend um eine im Straßengraben liegende, tote Taube stritten. Abstoßend, einfach widerlich.
Fröstelnd zog sie ihre Strickjacke enger um sich.
Hier war kein schöner Ort zum Leben, nein. Emma hatte es richtig gemacht. Einfach abgehauen. Von heute auf morgen. Wie gerne würde auch sie einfach gehen, einfach fliehen!
Vielleicht auch nach Schweden oder nach Dänemark. Dort war das Wetter bestimmt besser als hier, es konnte einfach nur besser sein.
Vielleicht könnte sie Emma wieder finden.
Sie merkte, dass sie lächelte. Wie töricht.
Es war für sie unmöglich, von hier fortzugehen. Sie war gebunden.
Wilhelm würde schon wiederkommen. Er würde zwar auch wieder den ganzen Tag außer Haus sein, sie abends unzufrieden herumkommandieren und sich herablassend über das Essen beschweren, aber das war in Ordnung. Sie liebte ihn ja schließlich, nicht wahr?
Allerdings – liebte er sie? Bestimmt hatte er eine Jüngere. Sie könnte sich auch nicht lieben, merkte sie jetzt, da sie genauer darüber nachdachte. Sie könnte Wilhelm durchaus verstehen, wenn er eine Geliebte hätte.
Manchmal fragte sie sich, ob es besser gewesen wäre, wenn sie ihn nie geheiratet hätte und ungebunden geblieben wäre. Hatte sie aber eine Wahl gehabt? Nein.
Das war in ihrem Alter doch normal, dass man verheiratet war.
Außerdem war das auch gut so, dass sie verheiratet war.
Alleine hätte sie bestimmt nicht genug Geld zum Überleben gehabt. Oder das kleines Haus. Andere Männer hätten ihr den Hof gemacht.
Nein, es war wirklich gut so. Kleine Krisen waren doch bestimmt auch etwas vollkommen Normales.
Irgendwann würden sie jedoch eine kleine Familie haben, das hatte sie sich doch immer gewünscht.
Dann würde alles wieder anders werden.
Wärmer.
Herzlicher.
Die Uhr tickte immer noch, das Schrubben war für einen kurzen Moment verstummt. Die Wirtstochter unterhielt sich heiter mit dem jungen Mann.
Irgendwann wird das Mädchen so sein wie ich, dachte sie traurig.
Die Hunde kläfften erneut. Sie drehte sich um. Aber diesmal waren es nicht nur die Hunde, denen ihre Aufmerksamkeit galt, sondern eine kleine Person dort hinten auf der anderen Seite des Marktplatzes. Sie trug eindeutig Uniform, humpelte zwar und war bestimmt nicht mehr aktiv beim Militär, trug aber Uniform.
Diese Person kämpfte sich durch den Regen, durch das Unwetter, auf das Café zu.
Sie merkte, wie die Anspannung von ihrem ganzen Körper Besitz ergriff. Ihre Hände wurden feucht.
Das bedrohliche Ticken der Uhr und das ewige Schrubben brachten sie fast an den Rand der Verzweiflung.
Was, wenn diese Person gar nicht zum Café wollte, sondern zu der Post nebenan? Sie wollte gar nicht daran denken. Sie brauchte endlich Gewissheit.
Das Licht flackerte kurz wieder auf, aber sie bemerkte es gar nicht. Ihre Augen waren starr auf diese eine Person gerichtet, die immer näher und näher kam.
Hektisch trank sie ihren Tee aus und legte etwas Geld auf den Tisch.
Vielleicht würde die Person sagen, dass Wilhelm zurückgekehrt sei, dann würde sie sofort mit ihr zu ihm gehen.
Vielleicht würde die Person sagen, dass Wilhelm nie wieder zurückkehren würde, dann würde sie diesem grauen, tristen, elenden Ort für immer den Rücken zukehren und auf gut Glück das Land verlassen, Emma suchen.
Sie wurde unglaublich nervös, als die Person eintrat und sich suchend umsah.
Die verdammte Uhr tickte, das nervige Schrubben war so laut wie nie, aber sie merkte es gar nicht. Sie merkte gar nichts, fühlte gar nichts, wusste gar nichts.
Erst, als der Mensch – ein normaler, älterer Herr, wie man bei genauerem Hinsehen erkannte, ein älterer Herr, dessen Gesicht sowohl Sorgen- als auch Lachfältchen zierten – den Mund zum Sprechen öffnete, schienen ihre Sinne wieder zu funktionieren. Es dauerte ihr viel zu lange.
Sie sah sehr wohl den niedergeschlagenen Gesichtsausdruck des Mannes und nahm ihn auch als solchen wahr, aber die ganze Anspannung der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre fiel auf einmal von ihr ab.
Sie wollte weinen und lachen, sie war sich nicht ganz sicher.
Ihre Gefühle spielten verrückt und sie wusste genau, was der Mann meinte, als er sagte: „Sind sie die Frau von Wilhelm Schmidt? Ich fürchte, ich bin Überbringer einer schlechten Botschaft“, und dennoch fühlte Luise sich seit ewiger Zeit endlich wieder einmal frei und vollkommen unbeschwert.

 

Hallo @Vergißmeinnicht,

willkommen bei uns.

Gleich im ersten Absatz fällt mir der übermäßige Einsatz von Adjektiven auf. Sie treten auch noch in Paaren auf:

gleichmäßigen, ruhigen Bewegungen.
stupide, friedliche Arbeit
langen, dunklen Locken
Es wirkt, als würdest du deinen Beschreibungen nicht trauen.

Das merkt man auch an anderen Stellen:

Vielleicht war Emma unglücklich geworden. Mit Männern hatte sie nie Glück gehabt.
Wiederholend.

Sie schmunzelte. Emma wusste wenigstens, wie man sich alleine durch das Leben schlug.
Sie selbst war geblieben, hatte geheiratet, würde irgendwann eine Familie gründen.
Sie nippte an ihrem Tee. Er war kalt geworden, solange saß sie schon hier.
Drei Anfänge mit Sie hintereinander.

Dann kommen die beiden Männer rein und ich hab kaum noch was verstanden.

Der Sohn ging zu der Wirtstochter, grüßte höflich, machte der Närrin Komplimente.
Der Vater derweil grüßte sie, sprach sie an: „Wartest du immer noch auf Wilhelm?“
Ich bin davon ausgegangen, dass mit dem sie, die Wirtstochter gemeint ist. Dadurch bin ich am Ende ganz schön verwirrt gewesen.

Warum gibst du Luisa erst am Ende einen Namen? Oder schreibst nicht aus der Ich-Perspektive? Das würde das ganze Wirrwarr mit den sies sehr vereinfachen.

Fänds gut, wenn du den Text noch mal etwas aufräumst und klarer gestaltest, damit man stolperfrei bis zum Ende kommt.

Eine Sache noch:

„Doch, ich bin mir ganz sicher, dass er wiederkommt.“, erwiderte sie kraftlos.
Bei Aussagen kommt kein Satzzeichen in die wörtliche Rede. Der Punkt muss weg.

Viel Spaß bei uns und liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind - und erst einmal ein Dankeschön für Deine Rückmeldung!

Das mit den vielen Adjektiven habe ich zwischendurch auch schon selbst bemerkt, allerdings finde ich, sie dienen nicht unbedingt der Untermauerung von Aussagen und Beschreibungen, sondern eher der Präzisierung dieser (so stellt z.B. "lang" und "dunkel" keine Dopplung hinsichtlich der Bedeutung dar). Vielleicht irre ich mich aber auch und sollte in der Tat sparsamer mit Adjektiven umgehen.


Sie schmunzelte. Emma wusste wenigstens, wie man sich alleine durch das Leben schlug.
Sie selbst war geblieben, hatte geheiratet, würde irgendwann eine Familie gründen.
Sie nippte an ihrem Tee. Er war kalt geworden, solange saß sie schon hier.

Hier muss ich Dir vollständig Recht geben. Das geht noch nicht einmal als Anapher durch. Ich werde sehen, wie ich es besser formulieren kann.

Der Punkt ist entfernt, danke für den Hinweis.

So, nun aber zu dem "Hauptproblem": Der zu häufigen Verwendung von "sie".
Warum ich den Namen erst am Ende erwähnte? Meine ursprüngliche Intention war es, dass Luise weitestgehend eine zwar fühlende, aber dennoch namenlose und unscheinbare Person bleibt, zumindest solange sie "im Schatten" ihres Mannes steht. Erst gegen Ende, als der Leser erfährt, dass Wilhelm etwas zugestoßen sein muss, ist sie nicht mehr bloß die "Ehefrau", sondern erneut gewissermaßen unabhängig und wieder die "Protagonistin ihres eigenen Lebens".
Nun, einmal in diese Absicht verrannt, war Luise den ganzen Text über die "sie" - obwohl ich irgendwo gemerkt habe, dass das manchmal ziemlich ungelenk klingt (vor allem bei dem Abschnitt mit der "Närrin" hätte ich echt besser aufpassen müssen).
Die Ich-Perspektive habe ich ebenfalls aus diesem Grund (Luise als namenlos) vermieden und außerdem wollte ich überdies wahrscheinlich etwas Distanz schaffen.

Freundliche Grüße,
Vergißmeinnicht

 

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