Hallo Placidhysteria,
herzlich willkommen im Forum!
Du bist noch ganz neu hier, und ich vermute, dass du noch nicht so lange schreibst. Deshalb vorweg: lass dich nicht davon entmutigen, dass meine Kritik nicht positiv ausfällt. Mit dem Schreiben ist es wie mit allen anderen Fähigkeiten auch - man muss sehr lange und sehr hart trainieren, und wenn man kein Ausnahmetalent ist, sind die Ergebnisse am Anfang meistens noch nicht gut. Da hilft nur weitermachen, dran bleiben, überarbeiten. Auch andere Geschichten zu lesen und zu kommentieren ist sehr hilfreich, das schult den Blick dafür, was man bei den eigenen Texten besser machen kann.
Zu deiner Geschichte ist mir folgendes durch den Kopf gegangen:
Die Idee, dass Pflanzen besonders gut wachsen, wenn man die Erde mit menschlichen Körpern düngt, ist schon eine gute alte Horrortradition. Das ist okay, eine Geschichte muss nicht zwingend innovativ sein, um gut zu sein. Aber deine Geschichte überzeugt mich nicht so richtig, nach meinem Gefühl ist sie einfach zu schnell runtererzählt. Um ehrlich zu sein, sie wirkt ein bisschen lieblos auf mich - die Figuren sind blass, die Handlung rauscht vorbei, und der einzige "Schockmoment" ist so ein bisschen ans Ende angeklatscht.
Um gute Horrorgeschichten zu schreiben, muss man Spaß daran haben, eine gruselige Atmosphäre aufzubauen. Das Horrorelement muss Zeit haben, um sich zu entfalten. Und idealerweise gibt es eine Figur, der man als Leser die Daumen drücken kann, dass sie dem gruseligen Wasauchimmer in der Geschichte entkommt. Dann kann man mit dieser Figur Angst haben und mitleiden und am Schluss entweder erleichtert sein, dass es gut ausgegangen ist, oder sich gruseln, weil es ein schlimmes Ende genommen hat.
Eine drastische Kehrtwende in den letzten Zeilen, "oh übrigens, meine Protagonistin ist eine Mörderin, die ihre Pflanzenkreationen mit ihren Opfern düngt, und das Opfer ist ein Typ, über den du als Leser nichts weißt, außer dass er nur ungern alten Frauen hilft", bringt es nicht. Das weckt zumindest bei mir überhaupt keine Emotionen.
Eine Geschichte aus der Perspektive des Bösewichts zu erzählen, das ist aus meiner Sicht ein höherer Schwierigkeitsgrad für den Autor. Ich will nicht sagen, du sollst dir weniger herausfordernde Ziele setzen, aber wenn du die Geschichte aus der Sicht von Margaret erzählen willst, und die Leser sollen da irgendwie emotional mitgenommen werden, dann muss da ein bisschen mehr passieren, als dass wir etwas über den Pflanzenzuchtwettbewerb erfahren, bei dem sie mitmachen will.
Wenn die gefühlsmäßige Verbindung zur Geschichte nicht darin besteht, dass man Sympathie für die Protagonistin entwickelt, dann braucht es etwas anderes, was die Leser mitreißen kann. Zeig mir den verbissenen Ehrgeiz dieser Frau, etwas noch nie Dagewesenes zu schaffen, oder ihren Zorn auf die Menschen, die ihre wissenschaftliche Arbeit nie respektiert haben, oder ... irgendeine Art von Motivation, die über ein paar lächerliche Messetickets hinausgeht! Charaktere sind das A und O in Geschichten.
Ein paar Detailanmerkungen zum Text:
Der Wettbewerb würde in 2 Wochen sein.
Zahlen solltest du ausschreiben, das sieht besser aus. An anderen Stellen hast du das auch gemacht (z.B. die Messe dauert normalerweise
drei Tage), es wäre also auch deshalb sinnvoll, weil es dann einheitlich wäre.
Dort konnte man Hunderte von Projekten begutachten, die auf bionischer Ebene Landwirtschaft und Gärtnerei mit hochmoderner Technik verbanden.
Unter einer Verbindung von Gärtnerei und Technik "auf bionischer Ebene" kann ich mir nicht wirklich etwas vorstellen. Ich vermute, da steckt ein Missverständnis dahinter - Bionik ist die
Nachahmung von Konstruktionsprinzipien der Natur in der Technik (z.B. eine Oberfläche mit Lotos-Effekt, die Wasser abperlen lässt), nicht die Verknüpfung von Technik und Biologie. Das solltest du entweder umformulieren oder genauer erklären.
Junge Studenten kooperierten mit alten, bodenständigen Bauern und Biotechniker arbeiteten mit Gärtnerreibetrieben.
Gärtnereibetrieben
Abgesehen von diesen formalen Details bin ich der Meinung, dass der erste Absatz kein guter Einstieg in die Geschichte ist. Die Einzelheiten dieses Wettbewerbs und dieser Messe sind für die Geschichte nicht wirklich wichtig, und sie sind nicht besonders geeignet, um das Interesse der Leser zu wecken. Ich glaube, an deiner Stelle würde ich den ganzen ersten Absatz streichen und mit Margarets Entscheidung einsteigen, an dem Wettbewerb teilzunehmen.
Margaret entschied sich noch am Anmeldetag, sie würde die Gattung Morbidis alleroalis züchten. Eine eigene Kreation aus fünf verschiedenen Tulpenarten und zwei Rosengattungen.
Tut mir leid, aber das ist hanebüchener Unfug.
Und jetzt folgt ein langer, langweiliger, besserwisserischer und belehrender Teil. Aber ich finde, wenn man eine Geschichte mit dem Titel "Die Botanikerin" schreibt und in der Geschichte deutlich wird, dass man nicht den blassesten Schimmer von Botanik hat und auch nicht willens war, ein bisschen zu recherchieren, um der Geschichte zumindest einen Anstrich von Glaubwürdigkeit zu verleihen, dann hat man sich das selber zuzuschreiben.
Erstens: So ein zweigliedriger Name für eine Pflanze (oder ein anderes Lebewesen) - z.B. Acer campestre für den Feldahorn - steht im Klassifikationssystem nach Linné immer für eine Spezies, d.h. eine Art. Nur der erste Name - in dem Fall Acer - steht für die Gattung. Wenn zu der Gattung mehrere Arten gehören, dann haben die den gleichen Gattungsnamen, aber einen anderen Artnamen - beispielsweise Acer pseudoplatanus für den Bergahorn.
Das heißt: "Morbidis alleroalis" ist keine Gattung, sondern eine Spezies. "Morbidis" wäre die Gattung.
Zweitens: "Eine Kreation aus fünf verschiedenen Tulpenarten und zwei Rosengattungen" ist mit konventionellen Züchtungsmethoden unmöglich (vielleicht geht das mit gentechnischen Methoden, aber da du nichts davon erwähnst, bin ich davon ausgegangen, dass deine Protagonistin ihre Pflanzen auf herkömmliche Art und Weise züchten möchte). Tulpen sind Liliengewächse und gehören zu den einkeimblättrigen Pflanzen, Rosengewächse sind zweikeimblättrige Pflanzen. Was das im einzelnen bedeutet, brauchen wir hier nicht auszuwalzen, der Punkt ist: Die sind nicht sehr nah miteinander verwandt. Die kannst du nicht mal eben miteinander kreuzen.
Drittens: Selbst um ein realistischeres Ziel in der Pflanzenzüchtung zu erreichen - z.B. eine neue Rosensorte aus einer bestehenden Rosensorte zu züchten, die vielleicht einen dunkleren Rotton hat oder so was - braucht man viel, viel, viiiiiiieeeeel länger als zwei Wochen.
Natürlich ist das Horror-Genre nicht für seinen Realismus berühmt. Es kommen gern übernatürliche Elemente vor (Gespenster, Vampire, etc.) und selbst wenn sich Horrorgeschichten einen "wissenschaftlichen" Anstrich geben (Zombie-Seuchen, säurespeiende Aliens etc.), sind sie in der Regel weit von der Realität entfernt. Das ist in Ordnung. Die Realität ist oft auf andere Weise schrecklich, und ein Grund, Geschichten zu lesen, ist dass man für eine Weile daraus entkommen kann.
Aber wenn man einer Figur in einer Geschichte eine bestimmte Kompetenz zuschreibt - z.B. dass sie sich in Botanik auskennt - und diese Kompetenz für die Handlung der Geschichte eine sehr große Bedeutung hat, dann ist es einfach mal ziemlich ungünstig, wenn die Gedanken und das Verhalten der Figur signalisieren, dass sie diese Kompetenz überhaupt nicht besitzt.
Lediglich das Feingefühl einer jahrelangen Botanikerin wie Margaret es war würde dem Gewächs zu glanzvollem Erfolg verhelfen.
Das geht nicht. Man kann sagen, jemand hat "jahrelange Berufserfahrung als xy" oder "hat jahrelang als xy gearbeitet", aber "jahrelanger xy" ist nicht korrekt. Probier es mal aus: "jahrelanger Briefträger", "jahrelange Augenärztin" - klingt irgendwie verkehrt, stimmt's?
Langsam hinkte sie aus dem Kaufhaus und erblickte einen jungen Mann, welcher eine rauchte und währenddessen auf seinem Smartphone wild herumtippelte.
Das erste ist kein Fehler, aber ich finde es wirkt nicht gut, weil es nicht aus einem Guß ist. "welcher" statt "der" zu sagen, ist gehobener Stil und ein bisschen altmodisch, "eine rauchen" ist dagegen sehr umgangssprachlich. Wenn das im selben Satz steht und auch noch direkt aufeinanderfolgt, wirkt es unausgegoren. Es ist wichtig, sich für einen bestimmten Tonfall zu entscheiden und die Geschichte dann konsequent so zu erzählen, sonst ist es ziemlich irritierend für die Leser.
Bei "herumtippelte" bin ich mir dagegen ziemlich sicher, dass du was anderes gemeint hast. Man "tippt" mit den Fingern auf einem Handy. "Tippeln" macht man mit den Füßen. Es ist zwar möglich, dass der junge Mann auf seinem Telefon tippelt, aber es würde ein reichlich seltsames Bild abgeben.
»Mister, können sie mir helfen die Blumenerde zu mir nach Hause zu bringen?«, bat ihn Margaret. »Sorry Miss aber ich hab grad echt keine Zeit.«
Es hat mich irritiert, dass die sich mit Mister und Miss anreden. Eigentlich spricht nichts in deiner Geschichte dafür, dass sie im englischen Sprachraum spielt. Du erwähnst sogar Ladenpreise in Euro. Das kann dann theoretisch nur Irland sein, wenn ich mich nicht irre. Aber wieso soll deine Geschichte ausgerechnet dort spielen?
Margaret parkte den Wagen neben der großen Buche, die mit Sicherheit schon seit Hitler hier stand. Mit Jahreszahlen war sie noch nie gut gewesen. Deswegen teilte sie gerne nach geschichtlichen Ereignissen ein. Ihr Haus wurde beispielsweise schon bei Jack the Ripper gebaut. Der See hatte bei der Apartheit seinen Ursprung.
Ich finde, dieser Teil hat nicht besonders viel Mehrwert für die Geschichte, weil es keinen Bezug zur Handlung gibt. Mit viel gutem Willen könnte man sagen, das signalisiert dem Leser schon mal, dass mit Margaret etwas nicht stimmt, weil alle historischen Bezüge negativ sind, aber so richtig gruselig kommt es nicht rüber, eher seltsam.
Wenn du es aber unbedingt im Text haben willst, dann sollte es korrekt sein. Wenn das Haus "bei Jack the Ripper" errichtet wäre, würde das bedeuten, in räumlicher Nähe zu ihm - also in London? (Dort gibt es definitiv keine Euro-Preise). Was du vermutlich sagen möchtest ist "zur Zeit von Jack the Ripper".
"Apartheid" wird hinten mit d geschrieben (weil du vermutlich die Zeit der Rassentrennung in Südafrika meinst und nicht die Eigenschaft des Apartseins, die ist kein historisches Ereignis). Und die Apartheid dauerte Jahrzehnte, grenzt die Entstehungszeit des Sees also nicht besonders gut ein.
Wortlos stieg der Jüngling aus und trampelte zum Kofferraum.
Jüngling ist ein ziemlich veraltetes Wort. In einer Geschichte, die in der heutigen Zeit spielt, wirkt es aus meiner Sicht fehl am Platz.
Der Knabe erwachte als Margaret ihm gerade den Tee eingeflößt hatte.
Knabe ist auch recht altmodisch, und beschreibt eindeutig eine viel jüngere Altersgruppe als "Jüngling".
Du tendierst generell dazu, deine Figuren viel mit Substantiven zu umschreiben. Ich bin eher dafür, so oft wie möglich entweder den Namen oder er/sie zu benutzen (solange eindeutig ist, über wen man spricht). Häufige Synonyme lassen mich eher an einen Zeitungsartikel denken, wo gerne so was wie "der 34-jährige", "der Manager" etc. geschrieben wird, um nicht so oft denselben Namen zu wiederholen. In einer Geschichte wirkt das komisch.
»Aber… Wieso fühle ich mich so…«, ein heiseres Röcheln beendete sein armseliges Leben dachte Margaret insgeheim.
Sie dachte insgeheim "ein heiseres Röcheln beendete sein armseliges Leben"? Seltsamer Gedanke.
Die Frau bettete seinen Leichnam in eine Schubkarre
"Die Frau" ist wieder so ein Synonym, und an der Stelle besonders komisch, weil es wirkt, als ob du von jemand völlig Fremden redest anstatt von der Hauptfigur, der wir die ganze Geschichte über gefolgt sind.
Sie zerhackte den Körper des Jungen und schob die einzelnen Teile dann in Plastikbeutelverpackt für eine halbe Stunde in das Gefrierfach oberhalb ihres Kühlschranks.
da fehlt das Leerzeichen.
Generell weiß ich bei deiner Geschichte nicht so recht, was dein Ziel ist. Soll es eine klassische, gruselige Horrorgeschichte sein? Geht es eher in Richtung makabere Horrorkomödie? Soll der Stil eher umgangssprachlich und flapsig sein, oder eher gehoben? Entscheide dich für eine Richtung, und zieh die konsequent durch. Abgesehen davon können die Formulierungen und die Charakterisierung der Figuren noch etwas Feinschliff vertragen.
Was mir an der Geschichte schon ganz gut gefallen hat, ist die Beschreibung der Pflanze, die Margaret züchten will. Die ist fantasievoll und wirkt sorgfältig ausgedacht. So sollte die ganze Geschichte sein.
Grüße von Perdita