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Die Blaue Tasse
Lear Caulfield war schon immer unauffällig gewesen.
Er hatte 3 Brüder, die alle hübscher, größer und interessanter waren als er.
In seiner früheren Schule bemerkte man gewöhnlich nicht, wenn er fehlte.
Das hatte natürlich auch Vorteile, Lear hatte sich zumindest immer eingeredet es wäre so, aber irgendwann kommt ein unauffälliger Menschan den Punkt seines Lebens, an dem er es Leid ist, ständig übergangen zu werden.
Und genau an diesem punkt von Lears unaffälligem Leben kam Anna.
Sie war wie eine schimmernde, bunte, fremdartige Blume, sie war ein helles Licht, und starkes Individuum, sie war ein leuchtender Planet, um den sich alles drehte.
Sie war, ''wie klischeehaft'', dachte Lear immer, das genaue Gegenteil von ihm.
Sie war perfekt, und als Lear keinen Ausweg aus dem Teufelskreis seiner eigenen Unscheinbarkeit mehr wusste, war Anna die perfekte Lösung
Und es kam noch besser, denn für Anna war Lear auf eine unerklärliche Art und Weise interessant. Niemand der davon hörte hatte Verständnis, doch am wenigsten verstand Lear, aber er wollte sich nicht anmaßen die Liebe zu vertsehen.
Auf jeden Fall ging diese ungewöhnliche Verbindung erstaunlich lange gut, was allerdings auch daran lag, dass Lear stets hart arbeiten musste um Annas Lebensstil zu finanzieren, denn je älter sie wurde, desto krampfhafter versuchte sie weiter aufzufallen, doch das Alter machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
Nun war sie eine alternde Diva, mit viel zu viel Make-up und einer Chanel-Handtasche. Lear jedoch schien von Jahr zu Jahr blasser, unscheinbarer und
dünner zu werden, es hätte niemanden gewundert, wäre er eines Tages verschwunden. Er verblasste neben dem grellen Liedschatten seiner Frau.
Nun,viel mehr wollte Lear auch nicht. Oder besser gesagt, viel mehr erwartete er nicht.
Er sprach nicht viel. Morgens, wenn er Kaffee aus seiner blauen Tasse mit der Macke am Rand trank, dabei die Zeitung laß, hin und wieder einen Blick zur Uhr warf, dann sagte er kein Wort. Seine Frau saß ihm gegenüber, Lockenwickler in den blondierten Haaren und lackierte ihre langen Nägel mit hellblauem Nagellack.
Sie hatte das Telefon neben sich gelegt und redete mit ihrer besten Freundin, so laut, dass selbst die Nachbarn danach wussten, was die Vorzüge
von Glasnagelfeilen waren. Ob es die Nachbarn interessierte, oder nicht.
Lear Caulfield saß also am Tisch und war still.
Eines Tages, es ist egal welcher es war, alle Tage sahen bei Lear und Anna gleich aus, eines Tages passierte etwas ungewöhnliches. Morgens beim Frühstück, als Anna sich die mit Hilfe einer Glasnagelfeile gefeilten Nägel gerade rosarot lackieren wollte, klingelte es an der Tür. Sie bat die Freundin am Telefon, einen Moment zu warten und eilte zur Haustür, neugierig, wer der Besuch war.
Es war die Nachbarin, die ein Fest gab, aber zu wenig Geschirr hatte, um alle Gäste zu versorgen. Anna versprach, ihr Gläser, Teller, Gabeln und Messer zu leihen.
Sie ging in die Küche, verabschiedete sich von ihrer Freundin am Telefon und schraubte ihr rosarotes Nagellackfläschchen zu.
Sie machte den ersten der Schränke auf und fing an, das Geschirr, was sie verleihen wollte herauszusuchen.
Die blaue Tasse, die im Schrank stand, fiel ihr erst auf, als sie sie in die Hand nahm.
Das Verschwinden ihres Mannes bemerkte sie erst, als sie zum Esstisch geeilt war, um sich zu vergewissern.
Niemand hatte die blaue Tasse an diesem Morgen herausgenommen, denn Lear Caulfield war verschwunden, und seiner Frau war es nicht aufgefallen.
Und weder sie, noch irgendjemand anders weiß, wo er ist und wie lange er schon weg ist.
Ich bin mir sicher, dort wo er ist, ist er still, liest die Zeitung und ist glücklich damit.
Das Einzige, was er nicht hat, ist die Blaue Tasse. Die, mit der Macke am Rand.