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Die Blaue Feste: Lösegeld
Die Blaue Feste: Lösegeld
Der Kronprinz von Bagdir war entführt worden, er wurde vom Sultan eines der Nachbarländer gefangengehalten. Er verlangte zwei Wagenladungen Gold und vier Wagenladungen Silber als Lösegeld.
Der Sultan von Bagdir empfing Fantil El Kaweh, einen der angesehensten Händler der Stadt. "Ich danke dir, das du bereit bist, dich auf den gefährlichen Weg zu machen," sagte der Sultan.
"Hoheit, Ihr und Euer Sohn habt so viel für das Volk getan. Da ist es nur natürlich, das das Volk auch etwas für Euch tut," antwortete der Händler.
"Das freut mich. Aber ich Nered en Bagdir habe ein paar Söldner zu deiner Sicherheit angeheuert. Ah, da kommen sie gerade."
Fantil sah sich um. Es waren wirklich nur ein paar Söldner, fünf Leute betraten den kleinen Audienzsaal. Sie trugen alle die weiten fast bodenlangen Gewänder, die in dem kleinen Wüstenstaat weit verbreitet waren, aber im Gegensatz zu den Einheimischen trugen sie keine Kopfbedeckung.
Der Händler war über die Zusammensetzung der Gruppe erstaunt. Ein großer breitschultriger Mensch war anscheinend der Anführer der Gruppe. Mit seinen schwarzen Haaren und der fast bronzefarbenen Haut sah er fast wie ein Einheimischer aus. Die anderen vier kamen anscheinend aus dem Norden des Kontinents. Es waren eine Frau aus dem Katzenvolk, ein Elf, eine Elfe und ein Zwerg.
"Mein Name ist Mansret," stellte sich der Söldner vor. "Das sind Kanri, Holvat, Siri, und Alraksch. Wir sind Krieger der Blauen Feste."
"Krieger der Blauen Feste so weit im Süden?" Wunderte sich der Kaufmann ein wenig.
"Wir sind immer wieder für ein paar Wochen hier," erklärte Kanri. "Wir haben es uns schon vor langer Zeit angewöhnt die Entwicklung des Landes im Auge zu behalten. Schließlich ist Mansret der Bruder des fünften und sechsten Sultans von Bagdir."
"Jeder im Land hat schon von der Geschichte mit den drei Halbbrüdern gehört. Aber das ist neunhundert Jahre her. Ihr wollt doch nicht behaupten, das Mansret so alt ist?" Wandte Fantil ein.
"Nicht nur Mansret wir sind alle fünf so alt," antwortete Kanri. Dabei zeigte sie dem Händler den Ring, den sie an der rechten Hand trug. Der Ring war aus blauem Glas mit einem eingelegten Brillianten.
"Ein sehr schönes Schmuckstück," stellte der Kaufmann fest. "Aber es ist kein Beweis dafür, das ihr wirklich so alt seid. Aber das tut auch nichts zur Sache. Wichtiger ist, ob ihr gut kämpfen könnt. Dem Zwerg und eurem Anführer trau ich das zu. Der Elf ist für einen Krieger ziemlich schmächtig, und kämpfende Frauen... So was gibt es nicht."
Im nächsten Moment saß Fantil auf dem Boden, mit dem Handrücken wischte er sich Blut aus dem Mundwinkel. Kanri stand über ihm. Die Katzenfrau machte einen sehr wütenden Eindruck. Mansret legte ihr eine Hand auf die Schulter um sie zurück zuhalten. "In solchen Sachen ist meine Geliebte sehr empfindlich," sagte er zu dem Kaufmann. "Hätten wir unsere Waffen nicht am Eingang abgegeben, wäre noch mehr Blut geflossen."
"Hört mit den Streitigkeiten auf," mischte sich der Sultan ein. "Ihr dürft keine Zeit verlieren. Ich will meinen Sohn so schnell wie möglich wieder sehen."
Kanri wandte sich mit einem verächtlichen Schnauben von Fantil ab. Die Söldner und der Händler verbeugten sich vor dem Herrscher. "Wir brechen sofort auf."
Wenig später machte sich die kleine Karawane auf den Weg. Alraksch saß neben dem Kaufmann auf dem Kutschbock. Die anderen vier Krieger ritten auf ihren Pferden. "An den Anblick bewaffneter Frauen werde ich mich nie gewöhnen," stellte Fantil El Kaweh fest.
"Ich kenn es nicht anders," antwortete der Zwerg. "In der Blauen Feste gibt es fast genauso viele Kriegerinnen wie Krieger. Im ganzen Nordreich sind bewaffnete Frauen nichts besonderes." Dabei stützte er sich auf sein Beil, das zwischen seinen Knien stand.
Mansret hatte ein Zweihänderschwert mit schmaler gebogener Klinge. Kanri trug ebenfalls das sogenannte Bogenmesser in ihrem Gürtel. Holvat hatte zwei Kurzschwerter. Siri hatte sich ihr Zweiklingen auf den Rücken geschnallt, es war eine Stangenwaffe mit lilienförmigen Klingen an beiden Enden. Der Händler hatten den in dieser Gegend weit verbreiteten Krummsäbel.
"Wie lange werden wir für die Strecke brauchen?" Fragte Mansret den Händler.
"Fünf bis sechs Tage. Je nachdem wie wir vorankommen."
"Dann haben wir genug Vorräte," stellte der Krieger fest. "Wenn wir es einteilen, reicht es sogar für zehn Tage."
Am ersten Tag der Reise passierte nichts Erwähnenswertes. Abends einigten sich die Söldner auch schnell über die Aufteilung der Wache.
Während die anderen sich in ihre Decken einrollten, lehnte sich Mansret an den Felsen, in dessen Schatten sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Er stopfte sich eine Pfeife, rauchend betrachtete er seinen Ring.
"Es ist jetzt fast neunhundert Jahre her, seid wir die Ringe bekommen haben. Seitdem sind wir nicht mehr gealtert und auch so gut wie nie krank. Doch manchmal frag ich mich, ob die Unsterblichkeit ein Segen oder ein Fluch ist. Ich hab schon an den Gräbern so vieler Freunde gestanden. Azatis sagte mir einmal, wir Unsterblichen wären lebende Geschichtsbücher. Unsre Gruppe ist auch schon oft getrennte Wege gegangen, aber wir haben uns doch immer wieder zusammen gefunden."
Mansret begann sich zu langweilen. Doch er wusste aus Erfahrung, das es gefährlich werden konnte, unaufmerksam zu werden. Also begann er im Lager auf und ab zu gehen, um nicht einzuschlafen.
Nach einer Weile stellte er mit einem Blick in die Sterne fest, das es Zeit für die Ablösung wurde. Also weckte er Siri. Gähnend streckte sich die Elfe. "Ich hab grad so schön geträumt," beschwerte sie sich.
"Tut mir leid, aber deine Wache fängt jetzt an."
"Schon gut. Aber morgen übernehme ich die erste Wache. Seinen Schlaf für ein paar Stunden zu unterbrechen, das geht an die Substanz."
"So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Und außerdem kennst du das ja schon."
Am nächsten Morgen bereiteten sie sich ein kleines Frühstück, bevor sie weiterzogen. Gegen Mittag kamen sie an eine Felsformation. "Der Weg zwischen den Felsen ist geradezu ideal für einen Überfall," stellte Holvat fest.
"Aber die Felsen zu umgehen würde uns mindestens zwei Tage kosten," sagte Fantil.
"Es ist unsere Aufgabe sie und das Lösegeld zu schützen. Außerdem sollen wir den Prinzen zurückbringen," sagte Mansret. "Der Sultan sagte, wie sollen keine Zeit verlieren. Also nehmen wir den Weg durch die Felsen. Haltet Augen und Ohren offen, hier gibt es bestimmt Wegelagerer."
Die Schlucht die sie durchquerten war nicht viel breiter wie die Kutsche. Die Wände waren hoch und sehr steil.
"Wenn es hier einen Felsrutsch gibt, haben wir ein Problem," bemerkte Kanri.
"Sprich nicht vom Schwarzen König," sagte Alraksch.
"Der Weg wird gleich breiter," erklärte Fantil. "Ich bin hier schon oft durchgefahren. Dabei wurde ich fast jedes mal überfallen. Daher fahre ich lieber außen herum. Aber da wir uns beeilen sollen..."
Wie vom Händler angekündigt, wurde der Pfad bald breiter. Doch an der Stelle passierte auch das, was die kleine Karawane befürchtet hatte. Ihnen stellte sich eine Räuberbande in den Weg.
Etwa zwanzig Männer hatten sich zwischen und auf den Felsen verteilt. Der Anführer der Bande baute sich vor Mansret auf.
"Rückt eure Wertsachen raus, und überlasst uns die Frauen. Dann kommt ihr vielleicht lebend hier raus," sagte der Bandenchef.
Kanri verdrehte die Augen. "Warum haben diese Banden alle den gleichen Text? Gibt es irgendwo eine Schule für Räuber, wo ihr den Spruch auswendig lernt?"
"Halt die Klappe, du blödes Weib," brüllte der Anführer der Räuber. "Warum trägst du überhaupt eine Waffe?"
"Das kann ich dir zeigen," mit den Worten glitt die Katzenfrau von ihrem Pferd. Ihre linke Hand hatte sie am Griff ihrer Waffe, ihre rechte Hand an der Schwertscheide. Sie beugte sich leicht nach vorne, dann sprintete sie los. Das Ziehen der Waffe und der waagerechte Hieb waren eine Bewegung. Dann sprang sie zurück.
"Schnell und präzise, wie ich es von dir kenne, meine Liebe," lobte Mansret Kanri.
Der Bandenchef stutzte. Er fragte sich was dieser Scheinangriff sollte. Doch dann merkte er, das etwas nicht stimmte. Er sah an sich herunter. Vorhin hatte er sich in Pose gestellt, mit den Händen in die Hüfte gestützt. Aber seine Hände lagen nun auf dem Boden, unterhalb seiner Ellenbogen endeten seine Arme in blutenden Stümpfen. Auf seinem Bauch klaffte ein Schnitt, aus dem seine Eingeweide herausrutschten. In dem Moment setzten auch die Schmerzen ein. Nun wurde es dem Sterbenden klar, das er durch die Geschwindigkeit der Katzenfrau die Entfernung falsch eingeschätzt hatte. Er fiel in sich zusammen wie ein nasser Sack.
Mansret, Siri und Holvat stiegen von ihren Pferden. Auch Alraksch kletterte von der Kutsche. Mit gezogenen Waffen standen sich die Söldner und die Räuber nun gegenüber. Beide Gruppen schienen abzuwarten.
Irgendwo über ihnen löste sich ein Stein klappernd aus der Felswand. Alle schienen ihre Körper zu spannen. Der Stein schlug auf dem Boden auf. Das war für die Kämpfer das Startsignal, sie stürmten aufeinander los.
Fantil war auf dem Kutschbock geblieben, er beobachtete den Kampf. "Die fünf sind wirklich Profis," stellte er fest. Schon nach dem ersten Angriff lagen fünf weitere Räuber schwer verletzt oder Tot auf dem Boden.
Kanri schlug mit ihrem Schwert nach einem der Räuber, doch dieser schaffte es knapp auszuweichen. Die Katzenfrau rutschte in einer Blutpfütze aus. Sie taumelte ein paar Schritte vorwärts, auf die Felswand zu. Durch den Schwung grub sich ihre Waffe tief in eine Felsspalte und blieb darin stecken. Die Kriegerin zerrte nur einmal kurz an ihrem Schwert, dann musste sie mit einem Sprung einem Angriff ausweichen.
Der Händler war über das was dann geschah sehr erstaunt. Mit geschlossenen Augen wich Kanri den Schwerthieben zweier Angreifer aus, dabei schien sie etwas zu flüstern und ihre Finger zeichneten ein Muster in die Luft. Plötzlich verschwand ihr Bogenmesser aus der Felswand, um fast im selben Moment in der Hand seiner Besitzerin zu erscheinen.
Die Katzenfrau nutzte die Überraschung der beiden Räuber. Zwei blitzschnelle Hiebe und die Krieger hatten wieder zwei Gegner weniger.
Inzwischen hielt Siri sich gleich drei Gegner vom Leib. Sie wirbelte ihre Stangenwaffe blitzschnell um ihren Körper. Für die Räuber war es unmöglich dort eine Lücke zu finden. Plötzlich änderte die Elfe das Muster ihrer Bewegung. Einer der drei sackte in sich zusammen, erst als er am Boden lag konnte man erkennen, das sein Kopf nur noch durch einen Sehnenstrang und etwas Haut mit dem Körper verbunden war. Die Kriegerin hatte ihn mit ihrem Zweiklingen am Hals getroffen. Ihr zweiter Gegner hatte eine diagonale blutige Spur auf seinem Körper, der Schnitt lag genau über seinem Herz. Die Wunde war tiefer als sie auf den ersten Blick aussah. Auch dieser Mann fiel. Den dritten erledigte sie mit einem Stoß, sie rammte ihm eine Klinge ihrer Waffe durch den Unterkiefer ins Gehirn.
Mansret war für seine große Statur erstaunlich schnell und beweglich. Mit einem wuchtigen Hieb zerteilte er einen Gegner von der rechten Schulter zur linken Hüfte. Dann wehrte er mit seiner Waffe einen Schwerthieb ab, gleichzeitig trat er dem Angreifer zwischen die Beine. Als der Getroffene in die Knie ging, schlug ihm der Krieger den Schädel ein. Einem Säbelhieb von der Seite wich er mit einer Bewegung aus, die wie ein Tanzschritt wirkte. Aus der Drehung heraus schlug Mansret zu. Einer der Räuber verlor beide Unterarme. Noch bevor der Verstümmelte begriff, was mit ihm geschehen war, hatte der Krieger ihn mit einem weiteren Hieb enthauptet.
Holvat hatte mit seinen beiden Kurzschwertern zwei Gegnern gleichzeitig ins Herz gestochen. Einem Dritten schnitt er die Kehle durch.
Alraksch konnte seine ersten Gegner überraschen. Der Zwerg sprang hoch, im Sprung spaltete er einem Räuber den Kopf. Noch bevor der Zwerg wieder richtig auf dem Boden war, hatte er einem zweiten Gegner mit einem Hieb von der Seite ins Herz getroffen. Dem dritten Räuber schlug der Zwerg in die Hüfte, dem Stürzenden schlug er den Kopf ab.
Die überlebenden Räuber flohen. Der Kampf hatte keine zwei Minuten gedauert.
"Wir haben hier eine ganz schöne Sauerei veranstaltet," stellte Siri fest.
"Nicht das erste mal," sagte Mansret, sich Blut vom Schwert wischend.
"Was machen wir mit den Toten?" Wollte Alraksch wissen. "Wir können sie doch nicht einfach so liegen lassen."
Sie legten die Leichen in eine Felsspalte. Als Fantil sah wie Kanri und Siri die herumliegenden Eingeweide der Toten auf ein großes Tuch sammelten, musste er sich übergeben. Schließlich schichteten sie Steine vor das improvisierte Grab. Dann zog die Gruppe weiter.
"Eine Frage, Kanri."
"Ja, Fantil?"
"Wie hast du dein Schwert aus dem Fels bekommen?"
"Das war ein Apportzauber. Den können wir alle fünf. Unsere Waffen sind magisch an uns gebunden. Theoretisch können wir unsere Waffen von überall auf der Welt zu uns rufen."
"Unsere Waffen sind aus magisch geschmiedeten Zwergensilber," ergänzte Alraksch. "Durch so etwas wie den Schlag gegen einen Felsen kann man sie nicht beschädigen. Sie sind fast unzerstörbar. Es gibt nicht viel, was magischem Zwergensilber gefährlich werden kann."
Die weitere Reise verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Nach ein paar Tagen war ihr Ziel in Sichtweite. Wenige Meilen vor ihrem Ziel wechselten die Reisenden ihre Kleider. Ihre Reisekleidung war durch den Überfall voller Blutflecke.
Da es schon Abend wurde suchten sie sich in der Stadt eine Herberge und sprachen erst am nächsten Tag bei dem Sultan vor.
"Meine Wachen haben mir gemeldet, ihr seid mit nur einem Wagen gekommen," sagte der Sultan. "Konnte der Sultan von Bagdir das Lösegeld für seinen Sohn nicht auftreiben?"
"Wir haben die geforderte Summe, Herr von Iras," antwortete Fantil El Kaweh. "Doch wir wüssten vorher gerne wie es dem Prinzen geht."
Auf ein Zeichen des Sultans von Iras, wurde der Kronprinz von Bagdir hereingeführt. Er machte den Eindruck als wäre er gut behandelt worden.
Fantil übergab dem Sultan ein schlichtes Holzkästchen. "In diesem Kasten ist das von euch geforderte Lösegeld," sagte er dabei. "Es sind Wechsel und Schuldscheine, ausgestellt auf die hiesigen Händler. Zusammen haben sie den Gegenwert von zwei Wagenladungen Gold und vier Wagenladungen Silber."