Mitglied
- Beitritt
- 16.03.2003
- Beiträge
- 282
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Die Blaue Feste: Eine Begegnung
Eine Begegnung
Elavi atmete tief ein. "Die frische Bergluft tut gut," stellte die Elfe fest.
"Ja," antwortete Kanri, "den Urlaub haben wir uns auch verdient. Die zwei Wochen in Damiskal waren sehr anstrengend. Das Erdbeben hat nicht viel von der Stadt übriggelassen. Einige der Verletzten waren wirklich übel zugerichtet."
Die Katzenfrau war, wie ihre Adoptivtochter, eine Heilerin. Sie hatten zusammen mit Ärzten und Bergungskräften aus dem Nordreich, der Bevölkerung aus der nahezu zerstörten Stadt geholfen. Nun waren andere Kräfte vor Ort, um die Infrastruktur wieder herzustellen.
"Schön, das wir auch bei zwei Geburten helfen konnten," erinnerte sich Elavi.
"Ja das war ein Lichtblick in all dem..." die Kotazzii erstarrte. "Das kann nicht sein," presste sie zwischen ihren Zähnen hindurch. "Nicht sie! Nicht hier!"
"Was ist denn, Kanri?" Wollte die Elfe wissen.
"Spürst du die Aura? Diese Person war vor langer Zeit mal meine Freundin, aber jetzt..." Die Katzenfrau merkte nicht, das aus ihren Fäusten Blut tropfte. "Verstecken ist sinnlos, sie hat uns bestimmt auch schon bemerkt. Mach dich bereit, Perilia, heute tragen wir's aus."
Kanri ging mit weitausholenden Schritten weiter. Elavi musste fast rennen um mitzuhalten. Als sie ein Stück gelaufen waren, konnte die Elfe auch die fremde Aura wahrnehmen. Es war die Aura von einem alten und mächtigen Wesen, ähnlich wie Kanris Aura. Hinter einer Wegbiegung standen sie ihr plötzlich gegenüber. Die graue Kleidung der Fremden hob sich kaum von den Felsen ab. Es sah fast aus, als würde das bleiche Gesicht mit dem lackschwarzen Haar in der Luft schweben.
"Es ist lange her," stellte die Halbelfe fest.
"Fast hundert Jahre," antwortete die Kotazzii.
"Und wer ist das? Deine Geliebte?"
"Das ist Elavi, meine Nata." Die Augen der Katzenfrau schienen sich in Eis zu verwandeln. Mit der Rechten Hand strich sie sich über die Brust, mit der Linken griff sie in die Luft, als wollte sie etwas fangen. Die winddichte Jacke und die Lederhose verschwanden, im nächsten Moment trug Kanri ihre alte Rüstung: Unterarm- und Schienenbeinschützer aus schwarz lackiertem Stahl; eine schwarze Lederweste mit aufgesetzten silberglänzenden Stahlringen; ein breiter Ledergürtel, an dem gut zwei Dutzend, mit schwarzem Leder umwickelte Stangen hingen; geschnürte Ledersandalen vervollständigten die Rüstung. In ihrer Hand hielt sie nun ihr Bogenmesser. Das schmale, leicht gebogene Zweihänderschwert hatte sie vor langer Zeit, bei ihrer Weihe zur Kriegerin der Blauen Feste, bekommen.
"Hasst du mich so sehr, das du mich töten willst?" Fragte Perilia scheinbar gelassen. Sie hatte sich ebenfalls ihre Rüstung herbeigezaubert. Sie trug die gleiche Rüstung wie die Katzenfrau, aber die Halbelfe hatte einen Speer als Waffe.
"Du warst mal meine Geliebte, erinnerst du dich noch?"
"Ich habe es verdrängt," antwortete Kanri.
Elavi glaubte die Spannung zwischen den beiden Frauen spüren zu können. Wie die Elfe an dem Ring und der Tätowierung erkennen konnte, war Perilia ebenfalls eine unsterbliche Kriegerin der Blauen Feste.
"Du bist also Kanris Nata?" Erkundigte sich die Halbelfe. "Sie hat dir nie von mir erzählt, stimmt's?"
"Mir währe es lieber, dieses Kapitel hätte es in meinem Leben nie gegeben."
"Erzähl doch keinen Unsinn, Kanri. Du hast es doch damals auch genossen, das Gefühl der Macht. Du gehörtest, so wie ich, zum engsten Kreis um den Führer Schickelgruber. Es war dein Wunsch die Leitung des Lagers zu bekommen. Ich hab dich oft bei deinen 'Experimenten' beobachtet. Es war ein schönes Gefühl die Unwürdigen in den Schmerzen zu sehn, die du ihnen zufügst. Sie haben um Gnade gefleht, und du hast gelacht."
Kanri hatte die Augen geschlossen, sie zitterte. "Das dunkle Jahrhundert ist über fünfzehnhundert Jahre her," sagte die Katzenfrau. "Ich werde diese Schuld mein Leben lang mit mir tragen. Und du weist, das kann bei jemanden wie uns sehr lange sein.
Beim großen Magierkrieg wurde ich von meinen alten Gefährten fast umgebracht. Doch sie haben mir noch eine Chance gegeben, trotz allem. Dir hat der Rat der Feste auch noch eine Chance gegeben, aber du warst uneinsichtig. Das Urteil, das für deinen Putschversuch gegen dich erlassen wurde ist noch gültig, und ich werde es vollstrecken."
"Du bist doch nur neidisch, weil ich die Frau des Führers war, und nicht du.
Putschversuch", Perilia lachte. "Ich wollte nur sein Reich wieder entstehen lassen. Ihr habt es verhindert, sogar du, die du mal meine Freundin und Geliebte warst, hast dich gegen mich gestellt. Ich hab immer noch viele Anhänger, auf der ganzen Welt. Auch wenn du es tatsächlich schaffst mich zu töten, die Sache wird nicht sterben. Du weist auch, das der Führer Recht hatte: Es gibt zu viel unwürdiges Leben auf dieser Welt. Wir sind dazu bestimmt über die Sterblichen zu herrschen. Sie sind unser Spielzeug. Gut für Experimente oder als Arbeitskräfte. Sie dürfen keine Macht über uns haben. Und dafür hat man mich zum Tode verurteilt? Nur weil ich die Wahrheit verkünde?
Und du? Über dich wurde nicht gerichtet."
"Oh doch Perilia," antwortete Kanri. "Auch über mich saß man zu Gericht, auch ich wurde für meine Taten verurteilt. Das ich noch Lebe ist ein Teil meiner Strafe. Ich werde immer mit meiner Schuld leben. Ich musste das Vertrauen meiner Freunde neu gewinnen. Die Sterblichen haben die 'Schlächterin von Ausitz' vergessen. Aber die Unsterblichen werden es nie vergessen, nach all den Jahren bin ich immer noch unter Beobachtung."
Zitternd lehnte Elavi sich an einen Felsen. 'Die Schlächterin von Ausitz', sie hatte davon im Geschichtsunterricht in der Feste gehört. Sie hatte damals ohne Betäubung operiert, auf gut Glück Organe zwischen den 'Patienten' getauscht, Teile von Gehirnen entfernt um die dadurch entstehenden Störungen zu studieren... Und das alles im Namen der Forschung.
Das war ihre Sensei Kanri? Die Elfe war einer Ohnmacht nahe.
"Genug geredet," sagte die Katzenfrau, "lass uns endlich anfangen."
"Wie du willst."
Perilia stürmte auf ihre Gegnerin zu. Kanri wischte den Speer mit ihrem Schwert zur Seite. Die Halbelfe wirbelte herum, aus der Drehung wollte sie mit dem Speer gegen Kanris Hals schlagen. Doch die Katzenfrau duckte sich. Mit einer Rolle rückwärts brachte sie sich aus der Reichweite der Waffe. Aber bevor sie stand, war die Halbelfe wieder bei ihr. Diesmal wich Kanri mit einem Sprung aus. Dabei griff sie an ihren verzierten Gürtel. Ein Wurfmesser ritzte Perilias Haut über der Halsschlagader. Schnell wechselte die Halbelfe ihren Standort, nun war sie mit steil aufgerichtetem Speer da, wo Kanri wieder auf dem Boden landen würde. Der Katzenfrau blieb wieder nur den Speer mit dem Schwert abzuwehren. Auf dem Boden angekommen machte sie einen Hechtsprung nach vorne, mit ihrer Waffe schlug sie nach Perilias Beinen. Diesmal sprang die Halbelfe. Kanri rollte sich ab und schleuderte ihr Schwert nach ihrer Gegnerin. Knirschend grub sich die Waffe durch einen der Stahlringe ins Brustbein der Halbelfe. Diese verlor dadurch das Gleichgewicht und fiel nach vorne. So wurde das Bogenmesser noch tiefer in ihre Brust gerammt.
"Eines Tages wirst du wieder auf dem Rechten Weg gehen, Kanri," röchelte die Sterbende.
"Ich hoffe ich bin schon auf dem richtigen Weg," antwortete die Kotazzii. Sie zog ihr Schwert aus Perilias Brust und schnitt ihr damit die Kehle durch. Dann schnitt sie mit einem gezielten Hieb den Finger mit dem Ring von der Leiche. "Den muss ich als Beweis in der Feste abliefern," sagte sie dabei.
"Jetzt kennst du mein dunkles Geheimnis Elavi. Kannst du mich immer noch lieben?"
Die Elfe atmete ein paar mal tief durch. "Ich bin mir nicht sicher," antwortete sie schließlich. "Gib mir noch etwas Zeit."