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Die Bitte des Erleuchteten

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12.07.2014
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Die Bitte des Erleuchteten

Oh Tod, mein alter Freund, ich verstehe, wenn du mich jetzt holen willst, doch lasse mir noch ein wenig Zeit, ich habe meine Aufgabe noch nicht erfüllt.
Deine Sense senkt sich herab, das sehe ich wohl, und deine blauen Augen leuchten verlangend unter der schwarzen Kapuze, doch ich bitte dich, gedulde dich. Nur noch ein klein wenig. Und während du wartest, lasse mich dir den Grund für meine Bitte erklären, denn wie du weißt, würde ich mich dir niemals entziehen, ohne nicht einen guten Grund dafür zu haben.
Siehe, dort liegt die Welt, unsere Welt, oder zumindest die meine, und sie ist doch ein sehr kleiner Ort. Doch wann spielte die Größe eines Ortes jemals eine Rolle? Griechenland war auch nur ein kleiner Fleck auf der so viel größeren Erde, doch haben die Griechen nicht maßgeblich zur Weltgeschichte beigetragen? Was ich sagen will, oh Tod, mein langjähriger Gefährte, ist, dass diese kleine Welt trotz ihrer geringen Größe über tausende und abertausende Schicksale entscheidet. Schicksale, die untrennbar mit meiner Aufgabe verknüpft sind.
Es leben so viele Wesen auf dieser Erde, winzige und kleine und große und riesige. Es gibt Pflanzen und Getier zu Wasser und zu Lande und alle unterscheiden sie sich auf jede nur erdenkliche Weise. Milliarden und Billiarden von Herzen schlagen in stetigem Puls in unzähliger Lebewesen Körper, bis sie eines Tages verstummen. Aber wem erzähle ich das, oh Tod, denn du weißt das sicherlich am besten.
Worauf ich hinaus will, ist, dass die Natur etwas wunderbares darstellt. Etwas, das wir schützen müssen. Etwas, das niemals zerstört werden darf. Ja, die Tiere, Pflanzen und anderen Wesen dieser Welt, sie lebten friedlich und ungestört, bis jene kamen, die auf zwei Beinen gehen und glauben, mit der Gabe der Intelligenz gesegnet zu sein.
Aber Tod, mein wortkarger Zuhörer, du weißt, sie sind es nicht, nicht mehr. Einst mag es Weisheit und Klugheit gegeben haben unter den Menschen, aber diese Zeiten sind vorbei, nicht wahr? Es ist eine Schande, ja, eine verfluchte Schande ist es, was sie angestellt haben. Sieh nur, wie sie über die Welt trampeln, ohne Blick für die Schönheit der Natur um sie, unter ihnen und über ihnen. Den Blick haben sie starr geradeaus gerichtet, in die Zukunft, und ihre Augen sind voll Verlangen, doch sie sind blind.
Vielleicht, das überlege ich oft, liegt es an der Höhle. Jene Höhle, in der wir alle zu Beginn gefangen sind. Weißt du, wovon ich spreche? Wie könntest du es wissen, der du noch niemals Mensch warst? Nun, jedenfalls gibt es die Höhle, in der wir angekettet verharren, in tiefer Finsternis, die nur durch ein einzelnes Licht unterbrochen wird, das seltsame Schatten an die Wand wirft.
Aber wie nun soll man die Natur erkennen, wenn man nur Schatten sieht?
Weißt du, Tod, dies ist nur möglich, wenn man die Ketten löst und die Höhle verlässt, wie ich es getan habe. Ach, was hat mich der Schein der Sonne geblendet, und doch sehe ich nun viel mehr als jeder andere meiner Rasse.
Du weißt nicht, wie es unten aussieht, Tod, mein schweigender Kumpan, hast nur die helle Seite der Erleuchtung gesehen. Ich aber kenne beide Seiten, das Davor und das Danach, Dunkel und Licht. Und als ich dort oben geblendet wurde, da erfüllten Freude und Zuversicht meine Seele, und ich stieg wieder hinab in die Höhle, um allen die Kunde von der Entdeckung zu überbringen.
Ach, ich hätte es ahnen sollen, was geschehen würde! Sie glaubten mir nicht, Tod, sie wollten die Existenz der hellen Welt nicht wahrhaben, und sie verschrieen mich als Lügner und Verrückten. Was hätte ich tun sollen, Tod, außer dich zu rufen? Ich war verbittert, ja, das gebe ich zu, und zornig, das lässt sich nicht leugnen, und ich hasste. Ich hasste all jene, die mich abgestoßen hatten und meine Entdeckung als das Geschwätz eines Menschen ohne Verstand bezeichneten.
Wer, wenn nicht ich, besitzt Verstand in der dunklen Höhle? Ich, der Erleuchtete, wurde als dumm bezeichnet, als unterbelichtet, wahnsinnig, man sagte mir einen Dachschaden nach! Mir! Kannst du dir das vorstellen, Tod?
Ich hätte mich damals dafür entscheiden können, in die Welt der Ideale zurück zu flüchten, aber dann hätten sie mich vollends für einen hoffnungslosen Träumer gehalten. Also behielt ich die Erinnerung immer im Hinterkopf, und war der einzig Erleuchtete, der einzig Sehende unter Blinden. Und wenn ich dieses uneinsichtige Volk schon nicht bekehren konnte, so wollte ich wenigstens die Welt schützen vor der Ignoranz der Menschen.
Und so stellte ich mir die Aufgabe und arbeitete daran. Über Jahre hinweg, jeden Tag, alles drehte sich nur noch um die Arbeit an meiner Aufgabe, an meiner Rache, meiner Rettung der Natur dieser kleinen Welt. Verbitterung und Zorn und Hass haben in all der Zeit nicht nachgelassen, immerzu erhielten sie neue Nahrung und trieben mich an, zu tun, was getan werden muss.
Verstehst du es nun, oh Tod, mein alter Freund? Verstehst du, warum ich dich bitte, mich noch nicht zu dir zu holen? Ehe ich mich mitnehmen lasse, müssen die Verblendeten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Ehe ich die Welt verlasse, muss sie von diesen Kreaturen gereinigt werden. Ehe ich gehe, muss die Menschheit gehen. Verstehst du das?

 

Hey Azaril,

den Schreibstil fand ich etwas anstrengend über die Dauer der Geschichte. Ist zwar ein relativ kleiner Text, aber ich hätte mir da etwas Handlung gewünscht, statt einen zwei seitigen Monolog, in dem dein Prot versucht, den Tod zu Umgehen, mit der Begründung er muss erst die Welt säubern. Die Menschheit vernichten. Ja toll, aber dein Prot war doch auch mal ein Mensch. Glaubt er, er ist der einzige Mensch mit Gefühlen, Zuneigung zur Natur, wenn er alle ausrotten will?
Würde mir besser gefallen, wenn er da einen Sinneswandel vollzieht und die Menschheit vor sich selbst und ihrer Konsum-Geilheit/Gier retten könnte.

 

Danke für die Kritik, Hank Johnson.

Mit dieser Geschichte ging es mir vor allem darum, die Leser zum Nachdenken anzuregen. Ich wollte keine Handlung einbringen, bei der am Ende zu viel über das weitere Vorgehen des Prots erzählt wird, da es meiner Meinung nach auch überhaupt nicht wichtig ist, was er nach seinem Monolog macht. Die Menschheit vernichten, ja, wie er das macht, ist bestimmt interessant, aber das hat nichts mit dem Kern der Geschichte zu tun, der die Leser dazu bringen sollte, über ihr Verhalten gegenüber der Natur und ihren Mitmenschen nachzudenken.
Wie bereits bei den Stichworten angegeben, handelt es sich um einen philosophischen Text, weshalb man nicht unbedingt eine eindeutige Handlung erwarten sollte, sondern tiefgründige Gedankengänge über Mensch, Natur und Leben.

 

Hallo,

streng genommen ist dies keine Kurzgeschichte, sondern eher eine Art Pamphlet. Ist der Tod jetzt schon Arier, weil er blaue Augen hat? Hat er auch blonde Haare? Naja. Also sonderlich tiefgründig ist dies alles nicht, und es regt auch nicht dazu an, nachzudenken. Nachdenken kann man, wenn man etwas angeboten bekommt, etwas, das anrührt. Dazu benötigt man Identifikationspotential, und das hat dieser Text nicht. Der ist einfach in sich geschlossen und nötigt mir dann dementsprechend auch nur ein Achselzucken ab: Auf was soll ich mich hier einlassen. Auf die genialen Gedanken des Autoren? Soll ich konstatieren: Die Welt ist schlecht? Der Mensch eine miserable, böse Spezies? Nicht mehr zu retten? Die Sprache ist unbeholfen und nicht sonderlich flüssig, das kommt erschwerend hinzu.

Leider hat mir dein Einstand nicht gut gefallen. Zu gewollt pompös, zu aufdringlich, kein Plot, keine Figuren, die etwas bewegen, vor allem den Leser nicht.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Azaril,

ich muss gestehen, mich hat dein Text nicht überzeugt. Zunächst einmal ist er in der Tat recht langatmig, und ich muss igni auch in ihrem anderen Kritikpunkt zustimmen: Der Protagonist scheint eine ganze Menge von sich selbst zu halten, was es sehr schwer macht, sich auf seinen Gedankengang einzulassen.

Nun sagst du, du willst die Leser mit diesem Text zum Nachdenken anregen. Das funktioniert meiner Meinung nach aber nicht, weil du den Lesern ja alles auf dem Servierteller präsentierst und dazu auch noch deinen Zeigefinger richtend erhebst. Du lässt keinen Platz für freie Gedanken, weil du der Ansicht deines Protagonisten nichts entgegenstellst. Menschen sind böse und müssen vernichtet werden, das war's. Mehr hat dein Text nicht zu bieten. Eine Erkenntnis mit der Brechstange. Darüber soll ich mir jetzt den Kopf zerbrechen? Das lohnt nicht.

Noch eine kleine Bemerkung zum Stil:

Ich, der Erleuchtete, wurde als dumm bezeichnet, als unterbelichtet, wahnsinnig, man sagte mir einen Dachschaden nach!

Die fett markierten Wörter passen nicht zum geschwollenen Sprachstil deines Protagonisten. Vielleicht solltest du da nach anderen Formulierungen suchen.

Gruß
Mix

 

Salü Azaril,

du zeichnest hier einen recht übelgelaunten Weltverbesserungsbeseelten. Da ist doch das platonsche Original des Höhlengleichnisses wesentlich frischer, tiefgehender und ermutigender. Nur mit Meckerei und Besserwisserei wird dein Protagonist nichts Neues erschaffen und auch die Natur nicht retten. Da braucht es mehr, als nur

Über Jahre hinweg, jeden Tag, alles drehte sich nur noch um die Arbeit an meiner Aufgabe, an meiner Rache, meiner Rettung der Natur dieser kleinen Welt. Verbitterung und Zorn und Hass haben in all der Zeit nicht nachgelassen, immerzu erhielten sie neue Nahrung und trieben mich an, zu tun, was getan werden muss.

Ja, was tut er denn zur Rettung der Natur?

Nein, dein Text kommt nicht an das Vorbild heran und bringt auch nichts Neues, was mich aufschrecken lassen und mich zum Nachdenken animieren könnte. Tut mir leid, aber da braucht es mehr. Lies doch nochmal das Original mit all seinen Feinheiten und Anregungen. :D

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Wenn man versucht mir die Weltverbesserung mit einer Klischeekeule in die Rübe zu hämmern, dann gehe ich emotional nicht mit.
Für solch eine Aussage muss man, zumindest bei mir, mit einem filigranen und leisen Strich zeichnen.
Auf mich wirkt der Text etwas infantil und eher belustigend.

 

Hallo Azaril

Willkommen hier im Forum. :)

Der eigenwillige Titel hat mich in Deine Geschichte gelockt. Ich fürchte, die imitiert wirkenden altsprachlichen Formulierungen des Einstiegs werden nicht allzu viel Leser ansprechen. Im übrigen Text egalisiert sich dies dann etwas, dafür gewinnt ein unausgegorenes Weltbild an Gestalt. Natürlich kann vieles unter „Philosophisches“ subsummiert werden, dessen Anspruch an Wahrheit oder gar Wirklichkeit allenfalls nur als Annäherungswert zu verstehen ist. Gefragt ist dabei ein Prozess der Auseinandersetzung und des Nachdenkens. Als Leser suche ich an Geschichten unter dieser Prämisse stets nach dem, das Wahrheitsanspruch erheben will. Und da setzt mein kritisches Lesen ein, auf Widersprüche zur Wirklichkeit achtend.

Was ich sagen will, oh Tod, mein langjähriger Gefährte,

Wieso sollte der Tod sein langjähriger Gefährte sein? Es wird einfach in den Raum gestellt, ohne sich zu klären. Ist er, der Protagonist, denn verantwortlich für vielfältiges Sterben? Dann verkörperte er das Naturgesetz der Endlichkeit jeglichen Lebens. Doch dies tut er nicht, ja er sträubt sich regelrecht dagegen, und definiert einzig ein menschlich-fixiert ökologisches Weltbild.

Aber wem erzähle ich das, oh Tod, denn du weißt das sicherlich am besten.

Das sicherlich enthebt sich der Notwendigkeit zur Erwähnung, da der Tod diesen Sachverhalt selbst sinngemäss verkörpert.

Ja, die Tiere, Pflanzen und anderen Wesen dieser Welt, sie lebten friedlich und ungestört, bis jene kamen, die auf zwei Beinen gehen und glauben, mit der Gabe der Intelligenz gesegnet zu sein.

Damit relativiert sich die Erleuchtung des Protagonisten, er scheint nur einen Teil der Geschichte dieser Erde zu erfassen. Die Naturgewalten und klimatischen Veränderungen, welche nicht zuletzt durch Einflüsse des Universums das Geschick allen Lebens auf der Erde durcheinanderwirbelte, zerstörte und Neues erschuf, ignoriert er oder kennt sie nicht. Das Gesetz der Natur von Werden und Vergehen, von Mutation und Selektion, konnten auch ohne menschliche Zweibeiner das seine ausrichten. – Eine konsequente Überlegung wäre z. B. die Überbevölkerung. Bei Tierpopulationen sind derartige Entwicklungen bestens bekannt und auch die Reaktion der Natur darauf. Es wäre in der Sache ein gewagter Ansatz, aber dann wirklich philosophischer Natur, der zum Nachdenken anregen würde.

Einst mag es Weisheit und Klugheit gegeben haben unter den Menschen, aber diese Zeiten sind vorbei, nicht wahr?

Auch in den Fokus gestellte Klugheiten haben ihre Einschränkungen, sind durch ihre Umwelt geprägt. Dabei weist sich nicht selten jenes an gewisser Beständigkeit, das vorgibt die (menschliche) Natur absolut deuten zu können.

an meiner Rache, meiner Rettung der Natur dieser kleinen Welt.

Damit wird eine Verblendung aufgezeigt, die ihn erfasste. Ein Narziss, wie sie es schon in alten Kulturen gab, er glaubte, eine absolute Weisheit gewonnen zu haben.

Verstehst du das?

Wieso sollte der Tod dies? Der Erleuchtete brachte kein Motiv vor, das den Tod abhalten könnte, seine natürliche Aufgabe zu erfüllen. Das Geschick, den Tod mit Worten zu überlisten, fehlte ihm.

Als „Geschichte“ – auch ein philosophisches Lesestück wäre eine solche - überzeugte es mich wenig, da die erforderliche Wandlung welche eine solche ausmacht, sich nicht erfüllte. Hätte er den Tod ausgetrickst, wäre dies erfüllt. Doch auch ist die Handlung zu sehr konstruiert, ohne sich wesentlich abheben zu können. Das Ungelenke, es ist Deine erste Geschichte, parierte ich deshalb dadurch, dass es mir Gelegenheit gab, mich mit den Aussagen auseinanderzusetzen. Daran erfreute sich vor allem mein Widerspruchsgeist. :D

Doch lass Dich deshalb nicht entmutigen, Geschichtenerzählen erfordert viel, viel Geduld. Von der Idee zum fertigen Produkt ist ein langer Weg. Da gilt es abzuwägen ob der Inhalt sinnig und stimmig ist, die Sprache sich dem Leser angenehm anbietet, oder der Stoff auch eine Faszination ausübt. Erst wenn man selbst überzeugt ist, es sei gelungen, und alle Korrekturlesungen keine wesentliche Vorbehalte in einem generieren, ist es reif. Dass es damit makellos ist, erwartet niemand, aber unterhaltsam sollte es sein. Versuch mal den Text zu überarbeiten, greif die kritischen Einwände auf und spiele mit ihnen, möglicherweise nimmt es dann eine rundere Form an, ohne Deine Intention zu verwerfen. Für das Schreiben ist immer auch nützlich, andere Geschichten kritisch zu lesen und zu kommentieren. Es sollte dabei nicht Absicht sein, Verrisse zu produzieren, sondern sein Gefühl für Sprache und Geschichten zu kultivieren und dadurch seine eigene Ausdrucksweise und Ideen besser umzusetzen.

Also noch viel Freude beim Lesen, Kommentieren und Schreiben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

So, das waren ja jetzt einige heftige Kritiken, aber ich habe es verdient.
Ja, ich bin ein wenig ohne Plan in die "Geschichte" gegangen, es war auch mehr ein Experiment als ein ernsthaftes Projekt. Etwas Philosophisches habe ich noch nie zuvor geschrieben und auch die Ich-Perspektive war neu für mich, aber meine erste Geschichte war es keineswegs, wie manche hier annehmen. Es ist lediglich die erste, die ich hier gepostet habe.
Dennoch frage ich mich im Nachhinein, warum ich diese ungeplante Geschichte veröffentlicht habe. Es lag wohl daran, dass ich sie direkt nach dem Schreiben gar nicht schlecht fand und ich mich zu dem Zeitpunkt auf einem Hochpunkt meiner Gefühle befand, sodass mich die Motivation ergriff, dieses neueste meiner Werke, so unfertig es auch wahr, zu veröffentlichen.
Ich habe bald erkannt, dass dies ein Fehler war, aber ich danke euch dennoch allen für die Kritik, die mich in Zukunft ohne Zweifel von solch unbedachten Handlungen abbringen wird.
Erwartet zukünftig Besseres von mir.

Mit freundlichen Grüßen

Azaril

 

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