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Die Bibelstunde

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20.09.2001
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Die Bibelstunde

Die Bibelstunde

Es ist halb acht und ganze vierzehn Leute haben sich im Wohnzimmer zur privaten Bibelstunde versammelt. Sitzen auf Barhockern, Campingstühlen, alten Küchenschemeln. Einige haben sich sogar auf das grosse Sofa gelümmelt. Die Unterhaltung ist seicht und heiter, nur einer der Anwesenden sitzt etwas verkrampft hoch oben auf dem Barhocker, die Füsse in den Stuhlbeinen verhakt, um nicht herunter zu fallen, seine Hände halten krampfhaft eine Bibel. Niegelnagelneu ist die, mit reinweissen Seiten und schwarzer Schrift. Der Umschlag in Hochglanzpapier mit Graphiken und grinsenden Gesichtern verziert.

Neben dem Neuling sitzt ein älterer Herr, der sich gerade ausgiebig mit seinem Nachbarn zur anderen Seite unterhält, die offene Lederbibel locker auf seinem Schoss liegend. Die Seiten sind vergilbt und einige Textstellen sind mit verschiedenen Farben unterstrichen. Gekritzelte Anmerkungen ziehen sich kreuz und quer über die offenliegende Doppelseite. Der Neuling versucht unauffällig die Bedeutung derer zu erhaschen, aber die Schrift ist so klein, dass sie fast wie ein unbekannter Code erscheint.

Plötzlich klascht jemand in die Hände. Alle springen ordentlich auf ihre Plätze, mit wachem Blick und aufmerksamer Mimik starren sie in eine Richtung. Es fängt an. Am Anfang ist immer das Gebet. Alle senken die Köpfe und schliessen die Augen, um konzentriert dem gesprochenen Wort Gottes zu lauschen. Der Neuling denkt darüber nach, wie sich jetzt wohl ein Kontaktlinsenträger fühlen würde, so mit zusammengepressten Augen bis ans Ende des Gebetes ausharren zu müssen. Ob die Kontaktlinsen dann am Auge festtrocknen und nie wieder herauskommen oder ob sie beim erneuten Öffnen der Augen einfach herausfallen würden? Das Gebet ist zu Ende. Der Bibelgruppenleiter schaut auf seinen Merkzettel und nennt die Textstellen, die gemeinsam gelesen werden sollen. Genau vierzehn sind er auf seinem Blatt vermerkt, alle aus verschiedenen Büchern und Kapiteln. Jeder der Anwesenden soll einen Vers laut vortragen.

Wie auf einen Startschuss hin blättern alle Anwesenden wie wild in ihren Bibeln, Geraschel, Gemurmel, was war nun mein Vers gewesen? War es 37 oder 27, war es 1. Korinther oder 2.? Ratlose Gesichter, wildes Geflüster, fragt man den Nachbarn, bekommt man den Ellenbogen ins Gesicht, denn dieser ist eifrig damit beschäftigt, seine eigenen Bibelstelle zu finden.

Die erste Textstelle wird bereits vorgetragen, aber das eifrige Blättern, das Scharren der Füsse, das Gemurmel der verzweifelten Suchenden ist lauter. Einigen fällt die Brille von der Nase, andere setzen ihre erst einmal auf. Langsam bricht der Schweiss auf der Stirn des Neulings aus, das gesuchte Buch ist nicht einmal im Inhaltverzeichnis zu finden. Weiter geht es in der Reihe, einer nach dem anderen liest seine Textstelle vor, sie kommen näher. Gehetzt blickt er sich um.

Das Herz klopft nun unkontrolliert, ein hilfloser Blick zum Fenster, noch ein verzweifelter Blick auf den Bibelstundenleiter, der dem Neuling mit leicht tadeligem Blick in die Augen schaut, als ob er sagen wolle: "Liest Du etwa nicht jeden Morgen eine Textstelle?" Immer noch mischt sich das Geraschel der Bibelseiten mit den Stimmen der Vortragenden, einer niest laut und muss ganz neu anfangen mit seiner Suche, da die Bibel auf den Boden gefallen ist.

Der Neuling reisst ängstlich an den Seiten, sucht im alten, im neuen Testament, im Anhang, bei den Karten. Nirgendwo ist die Textstelle zu finden.Welches Buch war es denn überhaupt? Die Erinnerung bleibt aus, plötzlich verstummt jeder im Raum. Absolute Stille.

Alle Blicke sind auf den Neuling gerichtet. Dieser sitzt dort mit zitternden Lippen, aufgerissenen Augen und unkontrolliert scharrenden Füssen. Endlich beugt sich der ältere Herr zu ihm herüber und findet mit seinen erfahrenen Händen das richtige Buch, das gefragte Kapitel, den passenden Vers in der niegelnagelneuen Bibel. Der Neuling bedenkt ihn mit einem tiefdankbaren Blick und fängt stockend an vorzutragen. Er war der vierzehnte und das Vorlesen ist endlich zu Ende. Der Bibelstundenleiter fragt die Anwesenden: "Was ist die gemeinsame, wichtige Aussage, die sogenannte Kernaussage, all dieser Textstellen?"

Einige blicken an die Decke und bewegen dabei den Mund, andere starren auf die buntgemusterten Vorhänge, manche suchen nach Taschentüchern und wiederum welche nach den Textstellen, die sie gerade vorgetragen hatten. Der Neuling atmet immer noch unkontrolliert von all der Aufregung.
"Nun?" hakt der Leiter nach und schaut fragend in die Runde.

"Eine Wespe!" schreit plötzlich eine Stimme. Jeder springt auf und schlägt wild um sich, einer holt eine Fliegenklatsche, ein anderer reisst das Fenster auf, der Neuling rennt zur Tür.

Puh, der Abend ist gerettet.

 

hehehehe - ist witzig auf eine ganz gemeine Art und Weise... :D

stephy

 

Nicht schlecht Roswitha, aber in eurer "seichten" Bibelstunde müsste ich mal aufräumen! ;-)

 

also ohne die Wespe hätte diese Geschichte für mich keinen Humor.
Jeder ist irgendwo mal neu und muß sich erst zurechtfinden. Das hat für mich keinen Humor.

 

Hi Stephy, hattest Du nicht irgendwo gesagt, Deine Eltern hätten Dir das Websurfen restricted? Ist Ihnen wohl nicht so gut gelungen, ja, ja, die Sucht nach dem Computer... :D

Leia, Du hast recht, die Geschichte ist eigentlich nicht lustig, habe ich auch nach dem Posting gemerkt, hätte sie lieber in Sonstige unterbringen sollen. Ist übrigens eine wahre Geschichte. :D

 

Hmmm...ich denke, ich kann erkennen, wo du hinwolltest. Du hättest es vielleicht nur stilistisch etwas besser herausarbeiten müssen. Die Situation an sich hat einen gewissen - auch durchaus absurden - Humor. Du hast ihn glaub ich nur leider im Ausdruck nicht ganz zu packen gekriegt (deshalb wohl vielleicht wirklich nur in der falschen Rubrik gelandet?). Aber frag mich jetzt bitte nicht, was anders sein müßte...ich hab keinen blassen Schimmer. :D

 

Hallo Roswitha,

doch, die Geschichte ist lustig, weil sie typisch Menschliches, Allzumenschliches beschreibt. Da ist auf der einen Seite der beinah schon institutionalisierte Brauch, sich gemeinsam mit dem Buch der Bücher zu beschäftigen. Es gibt dafür die unterschiedlichsten Bezeichnungen. "Bibel teilen" und so ähnliche Begriffe sind weit verbreitet. An diesem Brauch gibt es eigentlich nichts Bösartiges zu entlarven. Sich mit dem religiösen Hauptwerk der Christenheit zu beschäftigen, ist ja eine durchaus achtbare Tätigkeit. Aber Du beschreibst in Deiner Geschichte auch sehr treffend das Künstliche und Unnatürliche, das bewusst Aufgesetzte. Ich denke, es hängt immer von der Gruppe ab, von der Art der Menschen, die miteinander umgehen.
Schön ist der Knalleffekt der Wespe. Denn dieses Insekt, dem vermutlich alle mit derselben Aversion begegnen, hat hier die Funktion, die Menschen wieder auf den Teppich der Realität herunterzuholen. Vielleicht könnte man diese Erfahrung sogar einbringen in den spirituellen Raum der Bibellektüre. Denn ohne vernünftigen Wirklichkeitsbezug ist auch das Lesen in heiligen Büchern gegenstandslos.

Viele Grüße

Hans Werner

 

Hi Gabriela, ich habe jetzt mit dem "Editieren" versucht, meinen Doppelbeitrag zu löschen, aber ging irgendwie nicht. Ist nun nur ein leerer Eintrag. Komisch, na ja, wir sind wohl beide richtige Computerexperten, nicht? :D

Falls Du Deine Doppeleinträge löschen willst, versuchs doch mal mit dem Editieren. Vielleicht bist Du schlauer als ich und weisst, welchen Knopf Du zu drücken hast. :D

Bis bald,
Heike

 

Wer soll böse sein? :eek:

Finde ich lustig, noch ein unerfahrener Computermensch! :D

Hier noch zu Deinen Bemerkungen:

in der Bibelstunde wollte ich den krassen Gegensatz zwischen den "alten Hasen" und den Neulingen herausstellen. Die alten Hasen wissen doch gar nicht mehr, wie sich die Neuen fühlen (in diesem Falle war ich aber nicht der Neuling).

Dazu wollte ich ein wenig kritisieren, dass die genannte Gruppe sich immer gern ganz "nahe" an die Bibel halten möchte und daher diese Massenlesungen veranstaltet, bei denen die meisten Leute gar nichts mitbekommen, weil sie so beschäftigt damit sind, die Textstellen, die sie nun vorlesen sollen, zu finden. Ich kritisiere das ständig bei den Bibelstunden, aber "die Tradition"...

Liebe Grüße
Heike

 

Ja, ja, Heiko, wärste nett gewesen, hättest Du uns das grosse Geheimnis ja verraten, aber nein! ;) :D

 

Hi,
diese Geschichte hat einen geanz eigenen Humor aber ich finde sie Witzig auch vielleicht nicht jeder meine Ansicht teilt.
Aber eins wollte ich noch sagen, in der Bibel sind alle Bücher im Inhaltsverzeichnis. :D

 

Tja Bibelstunde!!
Ich kann mir vorstellen, dass Bibelstunde sehr langweilig ist,denn mich musste man jedes mal an den Haaren in die Kirche zerren, aber ich finde es schade, dass die Kirche so langweilig ist, denn man könnte viel mehr daraus machen zum Beispiel mit fröhlicher Musik und nicht mit diesen laschen traurigen Kanons, als ob man sich auf einem Fiedhof befindet und unsere Priester im Baselland sind einfach langweilig!! Die Geschichte ist nicht schlecht ,sie ist sehr alltäglich und schliesslich hat jeder ein anderer Humor!!

 

Sorry, Mos Def, das Wohnzimmer war einfach zu klein für die "laschen traurigen Kanons" und auf einem "Fiedhof" haben wir uns auch nicht befunden. :D :D :D :D

"unsere Priester im Baselland sind einfach langweilig": na, hier eine Idee, werd' doch Priester und möbele die laschen Friedhöfe mal ein wenig auf! :D :D

 

G´day, Roswitha!

Tja, auch meiner einer hat deine Geschichte mal zu Gemüte geführt und musste erkennen, dass deine Person doch nicht so intensiv humoristisch ist, wie es eigentlich aus deinen Postings hervorgeht. :D
Bezüglich der Geschichte kann ich mich dem Horni voll und ganz anschließen, als sogenannte Situationskomik durchaus passabel, die Geschichte, demnach eher Alltag. :engel:

Moreover, ich wusste gar nicht, dass du die Bibel liest. Weisst du, da gibt es eine Passage, die ich fast auswendig kann und gut passt; Ezekiel 25:17:
The path of the righteous men ist besieged on all sides...

 

@ Hendek

Ich LIEBE Ezekiel, besonders die Szene mit dem Hubschrauber! ;)

Natürlich war ich DAMALS auch noch nicht so humorvoll wie heute, sieh' mal nach, wann ich die Geschichte geschrieben habe. Ts, ts... Heutzutage bin ich eben älter und weiser, da reift doch auch der Humor... ;) :p :cool:

Wie sagt doch schon die Bibel im Psalm 140: "Errette mich, Herr, von bösen Menschen. Vor gewalttätigen Männern behüte mich." :D :D Hey, cooler Spruch, was? Habe ich gerade gefunden, als ich die Bibel aufgeschlagen habe. Oder: "Wie eine Hirschkuh lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach Eiscreme, o Gott." (Psalm 42).

 

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