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Die Bewegung

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19.05.2002
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Die Bewegung

Eine Bewegung ging um die Welt . Sie ging nicht von heute auf morgen, nein, langsam und schleichend fand sie ihren Weg ins jedes Land, in jede Stadt und in jedes Haus. Sie schlich durch die dunklen Straßen. Und obwohl diese Bewegung unauffällig immer mehr Anhänger fand, bemerkte ein großer Teil der Menschen sie nicht. Denn die Bewegung breitete sich nur unter Kindern und Jugendlichen aus, nichts davon drang an Personen über 20 Jahre. Und während die Erwachsenen weiterhin das lebten was sie ein Leben nannten, breitete sich die Bewegung über Jahre hinweg wie langsames, tödliches Gift aus.

12 Uhr: Als Trisha dabei war aufzuwachen, fühlte sie, dass irgendwas passieren würde. Ihr Shirt klebte schweißnass an ihrer Haut, die Nacht war durchzogen von Alpträumen. Teile ihrer Gedanken befanden sich noch in dieser Alptraumwelt, grauenhafte Visionen durchzuckten ihr Gehirn. Schüsse, Blut, Leichen überall Leichen...Mit einem Ruck saß Trisha aufrecht im Bett. Dunkle Gewitterwolken sandten ihre schwüle Hitze ins Zimmer. Und während sich kleine Schweißtropfen noch den Weg über ihren Rücken bahnten und aufs Bett tropften, kehrten ihre Gedanken wieder vollends in die Realität zurück. Heute war der Tag X, der Tag, an dem die Bewegung ihren Höhepunkt erreichen würde. Trisha schwang sich aus ihrem Bett und ging ins Zimmer ihres 15 jährigen Bruders. Luke war ebenfalls schon wach. Er saß auf dem Bettrand und an seinem bleichen Gesicht, das von Schweißtropfen benetzt war, erkannte Trisha, dass auch er schlecht geschlafen hat. Ohne auch nur ein Wort zu wechseln, verstanden sie sich vollkommen. Sie wussten, was sie zu tun hatten. Sie beide waren Teil der Bewegung. Jeder unter zwanzig war Teil der Bewegung Und jeder wusste, dass sich ab heute alles ändern wird. Luke und Trisha zogen sich an. Dann gingen sie gemeinsam aus den Haus. Sie gingen durch die Stadt, durch die Straßen, um sich alles noch einmal genau einzuprägen. Sie sahen die alten Straßen, voll von Dreck und überfüllt von Autos. Die langen Häuserreihen, wo jedes Haus gleich aussah. Sie rochen die Ausdünstungen von eilig gekochten Tiefkühlgerichten mit Gengemüse aus den vielen Abzugshauben. Und sie fühlten die Eiseskälte der Menschen. Überall war Hektik zu spüren und in der riesigen Menschenmasse war kein Lächeln zu sehen. Trisha und Luke begegneten auf den Gang durch die Stadt noch viele andere Kinder und Jugendliche. Sie sprachen nicht miteinander, doch sie grüssten sich kurz und eilig, indem sie die rechte Hand an den Gürtel hoben. Der Gruß der Bewegung. Und genau wie Trisha und Luke hatten sie blasse Gesichter und unsagbare Angst stand in ihren Gesichtern. Doch Trisha spürte noch etwas anderes. Eine Entschlossenheit lag in der Luft, die stärker war als jede Angst. Entschlossenheit, dass heute der Tag gekommen ist, wo die Bewegung anfangen und zugleich aufhören wird..

17 Uhr: Trisha und Luke kehren zurück in ihre Wohnung. Ihre Eltern waren arbeiten, so wie immer. Luke holte rote Farbe, die versteckt unter seinem Bett war, ins Wohnzimmer. Er warf seiner Schwester einen Pinsel zu. Die beiden warteten. Um Punkt 18 Uhr begannen sie zu malen. Mit roter Farbe pinselten sie große Buchstaben auf den Wohnzimmerboden. Als sie fertig waren, warteten sie noch einmal. Schließlich war es genau 19 Uhr und in der Ferne begann die Kirchenuhr zu schlagen. Trisha und Luke umarmten sich. Dann holten sie die beiden Pistolen, die unter der Couch versteckt waren, hervor. Hand in Hand stellten sie sich in die Mitte des Zimmers, genau neben den roten Buchstaben. Trisha betrachtete ihren Bruder zum letzten Mal. Jede Angst war aus ihren Gesichtern verflogen, die Augen strahlten eine nie gekannte Ruhe aus. Und Trisha spürte zum ersten Mal ein längst ausgestorbenes Gefühl in ihren Inneren: Die Hoffnung auf eine bessere Welt. Als der letzte Gong in der Ferne verklang, hoben sie ihre Pistolen an die Schläfe. Luke drückte noch einmal die Hand seiner Schwester. Der Höhepunkt der Bewegung war eingetreten. Und als Trisha und Luke abdrückten, vereinigte sich der Knall ihrer Pistolen mit den Knall der anderen Pistolen. Denn auf der ganzen Welt drückten alle Kinder und Jugendliche fast zur gleichen Zeit ihre Pistolen ab. Die Bewegung explodierte und aufgerüttelt vom Knall rannten Erwachsene auf der ganzen Welt nach Hause.

Trishas und Lukes Eltern betraten 10 Minuten nach der Tat ihre Wohnung. Ihre Kinder lagen friedlich auf den Boden, Hand in Hand. Ihre Gesichter wirkten hoffnungsvoll und blass, nur ein schmales Blutgerinnsel aus der Schläfe rann über die Wangen. Und unter Schock und fassungslos lasen ihre Eltern, genau wie es Milliarden andere Eltern fast zum gleichen Zeitpunkt lasen, die Nachricht auf dem Boden neben den Leichen ihrer Kinder : Die Bewegung. Wir verändern die Welt indem wir euch den Grundstein der Zukunft nehmen.

Die Anhänger der Bewegung waren alle tot und mit ihnen starb die Zukunft. Und als die Erwachsenen mit schmerzerfüllten Gesicht auf die Straße torkelten, begann die Nacht sich über die Erde zu sinken.

 

*denSchweißvonderStirnwisch* Ganz schon spannend deine Geschichte *ggg* Da geht man richtig mit. Aber sie ist auch sehr traurig, und regt zum Nachdenken an. Ich jedenfalls finde sie klasse! Spannend bis zum letzen Moment.

 

Wow!

Zuerst dachte ich an eine dieser Ausgelutschten Rebellions-Geschichten. Aber dieser Text hebt sich deutlich von den anderen ab. :thumbsup:

Vor allem dieser Sätz fährt ein:

Die Bewegung. Wir verändern die Welt indem wir euch den Grundstein der Zukunft nehmen.
:sconf:

Grüsse
QT

 

wow. echt spannende story. erinnerte mich an einen alten science-fiction film, bei dem die Menschen mit 25 abgeschossen wurden (deren Namen ich vergessen habe ...)

Hat mir einfach gut gefallen, was soll man da noch kritisieren.

Freue mich schon auf mehr von Dir.
Gruß, AZAD

 

Jetzt bin ich baff, soviel gute Kritiken habe ich gar nicht erwartet :king: . Na ja, jedenfalls danke für die Antworten, dass wird mich inspirieren :) .
@ Quentin T: Gerade dieser Satz war mir besonders wichtig.

MFG Kathryn

 

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