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Die Bedrohung

Joh

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28.07.2003
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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Graubart, der Anführer der Wölfe, hatte die Tiere des Waldes zu einer wichtigen Versammlung geladen. Da jeder wusste, dass es für das eigene Leben angenehmer sein würde, einer solchen Einladung nachzukommen, waren auf der Lichtung zum vereinbarten Zeitpunkt die Vertreter sämtlicher Tierarten anwesend.
Graubart erhob sich langsam, blickte mit ernstem Gesicht in die Runde und sprach:
„Liebe Freunde und Mitglieder unserer kleinen Waldgemeinschaft, ich weiß, dass es in der Vergangenheit zu einigen Missverständnissen zwischen dem Clan der Wölfe und anderen Tieren des Waldes gekommen ist. Dies bedauere ich zutiefst, vor allem deshalb, weil wir alle heute gemeinsam einer Bedrohung begegnen müssen, die jegliches Leben im Wald auslöschen könnte.
Was soll das für eine Bedrohung sein, werdet ihr fragen. Nun, meine Frau, die Mutter meiner geliebten Kinder, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Jungen unseres Rudels an Leib und Leben von einer Ziegenherde gefährdet wurden, die sich seit einigen Tagen in der Nähe aufhält. Wie die Kleinen so sind, haben sie sich zum Spielen auf die Weide begeben. Nicht nur, dass die Ziegen unsere Jungen mit wilden Sprüngen in Angst und Schrecken versetzten und mit ihren Hörnern bedrohten. Nein, es wurde noch viel schlimmer. Einer meiner Söhne quält sich seit Tagen mit furchtbarem Bauchgrimmen, weil er in jugendlichem Eifer etwas von dem fraß, das die Ziegen bei ihrer Wanderung hinterlassen hatten. Ich spreche von kleinen, körnerartigen Ausscheidungen, die diese Wesen aus lauter Böswilligkeit über die Wiesen verstreuen und die so giftig sind, dass sie unser aller Ende sein können.“ Die anderen Tiere sahen bei diesen Worten eine glitzernde Träne im rechten Auge von Graubart, welche einige als Zeichen tiefster Ergriffenheit auffassten, weniger Gutwillige hingegen als Zeichen hungriger Gier.
„Stellt euch vor, diese Tiere fallen über unseren schönen Wald her und vergiften mit ihren Ausscheidungen den Boden und damit unser ganzes Leben. Dann versteht ihr, wie ernst die Bedrohung für uns wirklich ist.“
Ein lautes Stimmengewirr erhob sich und nach einiger Zeit meldete sich Tambour zu Wort, der Vertreter der Füchse. Er beschwor die anderen, nicht an den Aussagen des Wolfes zu zweifeln und die Bedrohung durch die Ziegen ernst zu nehmen. Er selber habe schon von Verwandten in anderen Waldgebieten gehört, die vor solchen giftigen Ausscheidungen hatten fliehen müssen. Die anderen Tiere verstummten eingeschüchtert. Nun erhob sich Graubart wieder und rief: „Ich und meine mutigsten Mitstreiter sind bereit, dieser Gefahr zu trotzen und die Ziegen von hier zu vertreiben.“
Schon wollte sich der Fuchs wieder erheben, da röhrte der alte Hirsch aus der hintersten Ecke der Lichtung: „Wer sagt uns denn, dass du nicht nur die Ziegen fressen willst? Ich habe noch nie von einer solchen Bedrohung gehört. Daher schlage ich vor, dass sich eine Abordnung von uns zu den Ziegen begibt und deine Anschuldigungen überprüft.“
Graubart blickte giftig zum Hirsch und zischte: „Der nächste Winter wird dir schon zeigen, wie stark du wirklich bist.“
Laut antwortete er: „Ich bin dafür, so schnell wie möglich der Bedrohung Herr zu werden. Wenn man aber hier an meinen Worten zweifelt, so können wir gerne eine Abordnung zu den Ziegen schicken.“
Er sandte ein grimmiges Knurren zu den Vertretern der Hasen und Maulwürfe, dass diese vor Angst zu schlottern begannen, und sprach: „Ich schlage Hase und Maulwurf vor, um unsere friedlichen Absichten zu unterstreichen. Geht hin und untersucht, ob ich die Wahrheit gesprochen habe. Und Gnade euch Gott, ihr seid nicht gründlich genug.“
Hase und Maulwurf liefen zu den Ziegen und untersuchten deren Hinterlassenschaften. Sie fanden zwar, dass diese auf das Übelste rochen, konnten aber keine Giftigkeit feststellen. Da sie Mitleid mit den vielen Ziegen und ihren Jungen hatten, aber auch den Wolf nicht verärgern wollten, rieten sie ihnen, ihre Hörner zu stutzen. Sie forderten alle Ziegen auf, so weit wie möglich auf jede Ausscheidung zu verzichten, um nicht unnötig den Wolf zu reizen. Also ließen sich die Ziegen ihre Hörner absägen und unterdrückten ihr Knödeln so heftig, dass sich ihre Gedärme schon aufblähten.
Ängstlich liefen Hase und Maulwurf zum Wolf zurück und berichteten, sie hätten leider noch keinen endgültigen Beweis für die Giftigkeit der Ausscheidungen gefunden, doch bis zum Abschluss ihrer Untersuchung seien die Ziegen bereit, auf ihre Hörner zu verzichten und würden zukünftig keine Köttel mehr über die Wiesen verstreuen.
Da wurde Graubart furchtbar zornig, schrie und grollte, dass diese Versammlung unfähig sei, die wirkliche Bedrohung durch die Ziegen zu erkennen. Er rief alle Wölfe und Füchse hervor, die sich in der Nähe der Lichtung versteckt gehalten hatten, und sie marschierten gemeinsam aus dem Wald.
Die Zurückgebliebenen blickten sich ängstlich um. Manche hofften, dass es Wolf und Fuchs gelingen möge, die Gefahr vom Wald abzuwenden, andere wiederum schüttelten nur den Kopf.
Nach einer Weile war lautes Schreien und Blöken zu hören. Dann wurde es sehr still und alle warteten unsicher ab. Endlich erblickten die ersten die Vorhut der Wölfe, die mit blutigen Schnauzen und prall gefüllten Mägen schwerfällig heimkehrten. Und ein erleichteter Jubel brach aus, war doch die Bedrohung des Waldes erfolgreich abgewehrt worden. Die Tiere feierten drei Tage und Nächte ihre Rettung und sangen Lieder über den Heldenmut von Wolf und Fuchs. Nur der alte Hirsch blieb den Feierlichkeiten fern und führte seine Familie tiefer in den Wald hinein.

 

Hallo Joh,

zunächst einmal finde ich, daß Deine Geschichte - trotz der Gesellschaftskritik, die darin versteckt sein mag - eher in einen anderen Bereich gehört. Ich hab anfangs sogar an ein Märchen gedacht, finde, daß sie in "Fantasy/Märchen" auch besser aufgehoben wäre.
Dein Stil gefällt mir gut, das will ich vorwegnehmen; die Geschichte ist meiner Meinung nach flüssig und angenehm geschrieben und ich wollte auch wissen, wie sie ausgeht. Da komme ich auch zum ersten Bemängelungspunkt; der Schluß ist vorhersehbar, wirkt auf mich etwas plump. Man kann ihn sich gleich denken, daher habe ich die ganze Zeit auf irgendeine Pointe gehofft...
Die Handlung ist seltsam. Anfangs fand ich sie gar lustig, dann konnte ich mich an sie gewöhnen. Bis auf den Schluß habe ich daran auch nichts auszusetzen. Find sie ganz okay... :) Die Versammlung der Waldtiere hat mich ein bißchen an Mowglie erinnert (oh, ich hoffe, ich hab das jetzt richtig geschrieben... Ist schon spät... ;)) und das hat alte Kindheitserinnerungen in mir hervorgerufen... :) Du hast auch eine lebendige Sprache, die die Atmosphähre verstärkt hat.
Mit der Aussage Deiner Geschichte hadere ich noch ein bißchen... Ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel... ;) Einerseits glaube ich zu erkennen, daß es im Grunde genommen um die Versammlung geht, weniger um die Problematik; Du willst vielleicht sagen, daß sich die Tiere anfangs eingefunden haben, um gemeinsam zu beratschlagen, was bei einer Gefahr zutun ist. Wie sie gemeinsam vorgehen sollten, in ihrem Sinne und im Sinnen der Allgemeinheit. Dann aber fangen die Stärkeren (Wölfe und Füchse) an, die Justiz unter ihre Tatzen zu reißen (wenn ich das so sagen darf) und die anderen Tiere ziehen sich allmählich zurück... Darin steckt natürlich auf den Menschen übertragen auch Gesellschaftskritik. Nur, daß ich denke, daß es beim Menschen eher andersrum geschehen sein könnte; zuerst Justiz des Stärkeren und dann gemeinschaftliche Versammlungen... ;)
Der Titel hat mich etwas an ein für mich damals traumhaftes Buch von Wolfgang Hohlbein erinnert... Alles in allem ist Dir die Geschichte wirklich gelungen.

Gruß,
stephy

 

Hallo stephy,

für den "plumpen" Schluß kann man mich leider nicht verantwortlich machen, den haben G.(W).B. und T.B. zu verantworten. Allein der Hirsch (unbenannt) entspringt meiner Hoffnung auf die menschliche Vernunft. Da die Geschichte einen aktuellen Bezug hat, fürchte ich, dass nicht Recht oder Gemeinschaften die Stärkeren sind, sondern die "Gierigsten".

Nächtlicher Gruß

Joh

 

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