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Die böse 3

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01.05.2002
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Die böse 3

Die böse 3

Dabei hatte es Frau Sahmbeck doch nun wirklich oft genug wiederholt: „Das Wort ‚Spiel’ schreibt man mit ‚ie’, obwohl man das e nicht hören kann, und mit ‚Sp’, obwohl man es eigentlich wie ‚Schp’ spricht.“

Das war eine Menge auf einmal gewesen, was sie sich hatten merken müssen. Doch Fabian, der Diktate eigentlich nicht besonders leiden mochte, hatte es sich sorgsam eingeprägt. Er besuchte die 2c der Grundschule Lauberborn, wo an diesem Vormittag ein ebensolches Diktat auf dem Plan gestanden hatte.

Nun wuselnden die Schülerinnen und Schüler laut schnatternd zur Ausgangstür. Auf den Gong wartend, der sie endlich in die verdiente Pause entlassen würde, bildete sich eine Traube von Schülern mit erleichterten Mienen. Nur einer schien angespannt, Fabians bester Freund Phillip: „Du, Fabi. Wie schreibt man noch mal ‚Spiel’?“ Fabian fasste sich an den Kopf: „Na mit ‚ie’ und ‚Sp’, so, wie Frau Sahmbeck es uns immer wieder erklärt hat!“ Im Rechnen war Phillip gut, dachte Fabian. Und auch auf dem Sportplatz lief er meistens vorne weg. Aber wie konnte er das vergessen haben, trotz der fast langweilig werdenden, auffälligen Wiederholungen?
„Okay“, nuschelte er bloß, während er sich durch die Traube zurück zum Lehrerpult kämpfe. Fabian war verblüfft. Er hatte gedacht, Phillip hätte dies bloß gefragt, um sicher zu gehen, im Diktat das richtige geschrieben zu haben.

Stattdessen ging er direkt zu Frau Sahmbeck. Fabian hatte sich an der Wand entlang an seinen Mitschülern vorbei gemogelt und konnte das Geschehen nun gut beobachten. „Frau Sahmbeck?“, begann Phillip mit der selben Aufregung, die er bei Fabian an den Tag legte: „Kann ich bitte noch mal meine Arbeit bekommen? Mir ist eingefallen, dass ich einen Fehler gemacht habe.“
Frau Sahmbeck musterte ihn kritisch. Nach einem Seitenblick auf die vielen Kinder an der Tür, schaute sie ihm tief in die Augen: „Ja, aber nur wenn du mir schwörst, dass du keinen deiner Klassenkameraden gefragt hast.“
„Hab’ ich nicht.“

Fabian konnte es nicht glauben. Er hatte noch nie bei einer Arbeit geschummelt. Nun fühlte er sich schuldig und wusste nicht, was er tun sollte. Fast hätte er einem erstem Drängen nachgegeben und Frau Sahmbeck alles gestanden. Aber dann war er doch lieber in die Pause geeilt, wo er entschied, dass ganze lieber für sich zu behalten. Er ging zu Phillip, der zufrieden an einem Salamibrot herumbiss.
„Warum hast du geschummelt?“
„Damit meine Note besser wird.“, Phillip ließ das scheinbar völlig kalt.
„Aber das ist doch... nicht richtig.“ Fabian war wie vom Donner gerührt. Er fühlte sich zu seiner Lehrerin nicht hingezogen, wie er es in schlechten Disney Zeichentrickfilmen gesehen hatte, wo ein Schulkind mal versehentlich „Mama“ zu seiner Lehrerin gesagt hatte. Das fand er albern. Aber er verstand Frau Sahmbeck doch als Autoritätsperson, gerecht und klug. Eine Person, die man mit Respekt behandelte.
Phillip sah, dass es Fabian ernst war: „Sag es bloß nicht. Man verpetzt Freunde nicht.“

Man petzt nicht, aber man schummelt auch nicht, geriet Fabian ins Grübeln. Er setzte sich neben Phillip und war doch ganz woanders. Man siezt Frau Sahmbeck und duzt sie nicht, man ist still, wenn sie wirklich böse wird und man glaubt ihr, wenn sie einen Fehler korrigiert. Aber wo lag der Fehler in dieser Situation?
Ein paar Tage später stellte sich heraus, dass Phillips Diktat besser war, als Fabians. Unterm Strich hatte Phillip weniger Fehler gemacht. Zu Hause musste Fabian die Groß- und Kleinschreibung üben. Seine Mutter fand, dass Schule sehr wichtig war. Deshalb half sie ihm bei seinen Hausaufgaben, wo immer sie konnte. Die 2-, die er nach Hause gebracht hatte, war für sie keine Katastrophe, aber doch eine Warnung gewesen, mal wieder etwas mehr für die Schule zu tun.
„Der Bär“, las sie vor. Bären kann man anfassen, dachte Fabian, und schrieb das Wort groß.
„Mama, ich hab ne Frage“, sie hatten nun schon 30 Minuten geübt und er wollte gerne raus, Fußballspielen. Doch das würde ihm keinen Spaß machen, wenn er seine Grübeleien nicht los würde.
„Wenn ich zufällig bei jemandem eine Antwort sehe, die mir nicht einfällt, in meinem Test. Darf ich sie dann schreiben?“
„Du darfst nicht schummeln“, sagte sie streng. Und so meinte sie es auch. „Aber wenn du etwas zufällig aufschnappst und denkst, dass du selbst nicht drauf kommst, dann schreib es ruhig. Aber vertrau erst mal immer deinem eigenen Wissen.“
Er hatte das extra etwas so formuliert, dass sie ihn nicht durchschaute. Witterte seine Mama eine Spur, so fragte sie ihn aus, bis die Wahrheit zum Tageslicht kam. Und er hatte Angst hat, sie würde Phillips Mutter anrufen.
Danach durfte er Fußballspielen.

Rechnen gehörte noch nie zu Fabians Lieblingsfächern. Und die Brüche waren besonders gemeine Biester. Trotzdem hatte er bei dem Test, der einige Wochen später stattfand, ein gutes Gefühl. Bei der letzten Aufgabe stutzte er jedoch.

Aufgabe für Schlaubis:
3 : 3 + 3 : 3 + 3 : 3 : 1 = __________​

Punkt- vor Strichrechnung, das wusste er genau. Aber was mit den beiden Brüchen in Folge anstellen?
„Für Schlaubis: 3!“, raunzte ihm Phillip zu.
Fabians Pulsschlag erhöhte sich. Hatte Frau Sahmbeck etwas gesehen? Anscheinend nicht, sie beantworte Kevin gerade eine Frage, tief über seinen Tisch gebeugt und am anderen Klassenende. Fabian versuchte auf sein eigenes Wissen zu vertrauen. Aber er hatte ja noch gar nicht angefangen, über die Aufgabe tiefergehend nachzudenken. Nun sah er nur noch eine große 3 dort, wo Frau Sahmbeck immer Platz für ihre Lösungen ließ.
Er ließ sich nichts anmerken und schrieb die Zahl hin, die Phllip ihm zugeflüstert hatte. Sie erhoben sich gleichzeitig, als hätten sie sich abgesprochen, und das war Fabian sehr unangenehm. Dieses mal durften sie leise das Klassenzimmer verlassen, da es die letzte Stunde war.

Am nächsten Tag hatte Fabian die böse 3 bereits vergessen, als Phillip und er unter strengen Blicken von Frau Sahmbeck nach der zweiten Stunde zum Pult zitiert wurden. Kevin, der Besserwisser, fragte schelmisch „Na, was habt ihr ausgefressen?“, bevor er auf den Pausenhof lief.
„Gute Frage“, nahm ihre Lehrerin den Faden auf. Normalerweise, dachte Fabian für sich, hätte sie Kevin dafür zurechtgewiesen. Er fand das sehr unfair.
„Gute Frage, erklärt ihr es mir.“ Sie legte ihnen ihre beiden Rechentests vor die Nase.
„Identische Antworten, eigentlich beides 2+. Alles richtig bis auf die dritte Aufgabe. Da habt ihr zufällig“, das sagte sie in einem Ton, den Fabian nicht zuordnen konnte, „da habt ihr zufällig beide das hinterste Malzeichen übersehen. Und dann natürlich die letzte Aufgabe: Keine Rechenschritte, keine Notizen. Obwohl dein Test“, sie zeigte auf Fabians Arbeitsblatt, „ansonsten damit übersät ist.“
Da erst erkannte Fabian, was Phillip schon früher gesehen haben musste: eine große rote 6, neben einer ausgestrichenen 2+. Phillips Eltern, so viel wusste Fabian, nahmen die Schule noch ernster, als seine Mama. Phillip schluchzte. Fabian schämte sich. Beide entschuldigten sich und gelobten Besserung. Phillip, weil er nur an seine wütende Mutter denken konnte. Fabian, weil er sich gerecht dafür bestraft hielt, was beim Diktat geschehen war. Er beschloss, nach Möglichkeit nicht wieder zu schummeln.

 

Also, zunächst hast du einmal einen Namendreher drin:

„Für Schlaubis: 3!“, raunzte ihm Phillip zu.
und dabei ist es doch Christian, der das sagt , oder?
An und für sich krankt die Geschichte meiner Meinung nach am Beginn, nämlich an der Reaktion der Lehrerin: nach Ende einer Arbeit darf bestimmt kein schüler etwas korrigierewn - zumal selbige Lehrerin später regelrecht überkritisch ist, als es um die Mathetests geht.

Dein Stil gefällt mir, er ist meistens kondgerecht, ohne belehrend zu wirken angesichts des von dir aufgegriffenen Themas.
Ob die Lehrerin solche Tests wirklich gleich mit sechs bewerten darf/würde, weiss ich nicht, erscheint mir bei Grundschülern auch etwas hart.

Dennoch: der Gewissenskonflikt ist guter Stoff!

 
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Ein guter Einwand. Ich habe nicht näher darüber nachgedacht, da es auf einer wahren Begebenheit beruht. Zwar kann ich mich nicht mehr an Fach und genaue Frage erinnern, aber mein Grundschulfreund durfte den Test zurück bekommen. Der Rest ist erfunden. Mir war es damals ziemlich schnubbe.

Ich fand das Ende holprig und die 6 wesentlich unrealistischer. Aber mir fiel nichts besseres ein, um diesen belehrenden, moralischen Dreh hinzubekommen. Denn dieser Teil ist leider auch erfunden. ;) Vielleicht sollte man alles aus dem autobiographischen ziehn.

Danke für deine Kritik. :)

PS: Aus Phillip wurde irgendwann Christian, weil der gute Junge tatsächlich so hieß. ;) Wird verbessert.

 

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