Mitglied
- Beitritt
- 25.08.2001
- Beiträge
- 3
Die Bäume erinnern sich
Ich stehe an der Schwelle zum Garten, es ist Nacht und ich höre dem Wind zu, wie er die Bäume bewegt. Es ist ein intensiver, klarer Wind, der irgendwie einen anziehenden Duft mit sich führt. Ich will die Tür schließen, doch eine Katze huscht an mir vorbei und gibt mir den Impuls, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich höre..., ich rieche..., sitze ganz still...,bis ich die Kraft erneut spüre, aber um einiges intensiver. Sie ruft mich zu sich, einen Moment Stille, ich folge ihr.
Der erste Schritt vor die Tür, ich höre eine andere Katze schreien, folge ihr, springe über einen Zaun und sehe ihr Betteln, von irgend jemandem ins Haus gelassen zu werden, ihr Wille ist stark so dass es nicht länger als 2minuten dauert, bis ihr Eintritt gewährt ist.
Es treibt mich nach Süden, und bald verlasse ich die beleuchteten Strassen und tauche ein in eine völlig andere Welt. Ich bin angezogen von einem Baum, als Kind wollte ich immer auf ihn klettern, doch seine Äste waren stets zu hoch. Meine Hand liegt auf seiner Haut und er bewegt sich leicht im Wind. Ich erinnere mich an das Gefühl, das ich als Kind hatte, wenn ich ihn betrachte...
Einen Moment ruhe und es ruft mich ein anderer Baum. Ich laufe, erinnere mich an einen dritten. Begrüße ihn und stehe nun vor dem zweiten. Er ufert in einen kleinen Teich. Es ist ein Baum mit sehr langen, dünnen Ästen bis zum Boden. Es ist wie eine Art Magnet den ich spüre, der meinen Bauch anzieht, bis ich ihn gepresst an mir fühle. Er lebt und lässt es mich wissen. Ich stelle ihm eine Frage, erhalte eine Antwort. Zögere doch einen Moment, da ich mir nicht sicher bin, ob seine Antwort eine Freigabe oder eine Verneinung ist. Er spürt mein Zögern und zwei Vögel- die anscheinend die ganze Zeit unbemerkt über mir waren- entreißen sich den Ästen über meinem Kopf. Ein altbekanntes Problem von mir, so daß ich nun die Antwort verstehe. Ich bedanke mich und die Reise geht weiter.
Ich laufe ein Stück auf einem Feldweg, sehe nebenbei noch ein Wahlplakat der CDU, lasse mich nicht ablenken und habe nun einen freien Blick mehrere Kilometer weit. Ich verlasse den betonierten Weg und spüre nun das nasse, weiche Gras unter meinen Füßen. Um so weiter ich mich von der Zivilisation entferne um so mehr spüre ich die Kraft. Der Wind ist heftiger geworden und ich bleibe stehen, drehe mich um und muß mich konzentrieren nicht umzufallen. Ich spüre die Stimme der Natur und wie die Elemente sich um mich herum bewegen. Es ist eine ständige, höchst subjektive Kommunikation zwischen ihr und mir. Sie treibt mich weiter und lässt mich über eine große Wiese laufen. In einiger Entfernung sehe ich eine lange Baum- Reihe, eine Art Wand, die mich vor dem hier und dem dahinter trennt. Ich spüre eine leicht Angst zwischen mir und dieser Barriere. Ich laufe diagonal (süd/östlich) auf sie zu und erkenne dann etwas in nordöstlicher Richtung aufschimmern. Eine Art Haufen von Holzstäben liegt auf dem Boden, die in alle Richtungen Zeigen, ich weiß nichts damit anzufangen. Laufe intuitiv nach Süden, direkt auf die Barriere zu. Die Energie wird größer, mit jedem Schritt den ich mich ihr nähere. Dann....bin ich in ihr. Es ist ruhig... Ich laufe nach links, rechts und spüre sie hinter mir. Ich springe über eine Pfursche in der sich das Wasser gesammelt hat und bin durch.. Auf der anderen Seite. Ich denke darüber nach, daß es immer noch etwas dahinter gibt.
Der Wind reißt mich wieder mit. Ich laufe nach Osten und stoße auf einen Weg, der in Südlicher Richtung sich sehr lange zeit erstreckt. Ich laufe eine Zeitlang auf ihm, doch ist ein komisches Gefühl in mir, wie eine dunkle macht. Bevor ich anfangen kann mir darüber Gedanken zu machen, bekomme ich einen heftigen Windstoß von rechts und finde mich nun auf dem Weg quer über einen Acker, der voller tiefem Matsch ist. Der Boden ist sehr weich, gibt nach, und macht die dazugehörigen Geräusche.
Ich ziehe meine Hose hoch und spüre mit jedem Schritt, wie meine Füße schwerer werden, und ich langsamer. Doch zu spät ist es um umzukehren. Der Wind von hinten wird immer heftiger und ist nun so laut, daß ich nichts mehr anderes höre. Ein leichtes Gefühl von Panik kommt in mir hoch. Ich drehe mich um und atme tief durch...Der Wind peitscht um meine Ohren, ich habe das Gefühl, als ob die Natur schreien würde. Es ist kaum auszuhalten, doch ich beruhige meinen Geist und schaffe es immer mehr die Kraft zu akzeptieren, bis ich zu einem Teil von ihr werde. Sie durchströmt mich und ich traue mich nicht mich zu bewegen, bis ich etwas anderes höre. Um so mehr ich mich darauf konzentriere, um so mehr kristallisiert sich heraus woher das Geräusch kommt. Ich laufe weiter durch den Matsch, setze meinen Weg fort und es wird immer lauter. Mit jedem Schritt wird es intensiver. Ich weiß nicht was es ist, aber ich sehe etwas weißes im Feld was sich heftig im Wind bewegt. Ich laufe weiter, getrieben voller Neugierde und Demut sehe ich nun wieder einen Weg vor mir, der den meinen kreuzt. Ich halte inne, schaue mich um und sehe, höre, spüre nun die Kraft an diesem Mystischen Ort. Weiße Plastikplanen, die sich über das Feld erstrecken bewegen sich aggressiv im Rythmus der stürmischen Natur. Und wieder stehe ich wie angewurzelt da und traue mich nicht auch nur den kleinsten Gedanken zu kreieren. Es ist wie eine Art schreien in dir und überall um dich herum. Du fühlst, daß sie weiß das du da bist und es dich wissen lassen will. Eine sehr eigenartige, aber dennoch sehr kraftvolle Kommunikation.
Ich bin nun auf einem Weg der gut ausgebaut, Richtung Osten führt, so daß ich meine Reise nun mit erhöhtem Tempo fortsetzen kann. Nach einigen hundert Metern sehe ich ihn.. Derjenige, der mich gerufen hat, der mir sein Leid mitteilen will..
Ein Baum am Wegrand... Ich gehe zu ihm, stolpere und falle ihm praktisch in die Arme. Halte ihn fest... Flashback... Erinnerungen kommen hoch. Als Kind bin ich oft auf ihn geklettert und habe damals bemerkt, daß in ihm Metallstangen steckten. Stangen um besser auf ihn drauf klettern zu können. Auf einmal fängt der Wind wieder an zu schreien. Er schreit mich an, ich gehe zwei Schritte zurück und sehe etwas neben ihm schimmern, komme näher und fasse auf einen abgesägten jungen Baum.. Ich spüre sein Leid und seine Aggressionen, halte mich an ihm fest, um ihm mein Verständnis mitzuteilen. Doch sein Schmerz ist zu groß. Er will das ich gehe und das Kollektiv um ihn herum auch. Ich verabschiede mich in Demut und trete meine Rückreise an.
Ich laufe und laufe. Die Natur zieht sanft an mir vorbei, es scheint so als würde nicht ich mich fortbewegen, sondern alles um mich herum. Der Himmel klärt sich über meinem Haupt und ich erkenne immer mehr Sterne. Auf einmal packt mich ein inneres Gefühl, ich bleibe stehen, drehe mich um, sehe nach oben und transformiere zu einer Salzsäure. All meine Sinne konzentrieren sich auf die Wolkenformation über mir. Ich atme ein und atme aus... Die Stille durchströmt meinen ganzen Körper. Fasziniert sehe ich mich selbst mit offenem Mund dort stehen mit dem Blick zu den Wolken und kann nicht begreifen, was ich dort sehe. Eine Art Gestalt über mir, es sieht aus wie die Umrisse eines Magiers, der auf mich herab blickt. Mit beiden Armen weit geöffnet schwebt er für mehrere Momente über mir. Dann merke ich, wie mein Gesicht sich wieder entspannt... Ich laufe weiter und spüre einen Gedanken in mir: Daß ich die nächsten 3 Jahre überleben werde, kann ich nicht sagen, auch nicht die nächsten 2 Minuten. Doch was ich sagen kann, ist das ich keine Angst zu haben brauche vor dem was ich bin. Die Kraft durchfließt mich und ist ein Teil von mir, so wie auch ich ein Teil von ihr bin. Habe keine Angst vor dir selbst, dann brauchst du auch keine Angst vor der Welt zu haben.
Ich trete über die Schwelle und befinde mich wieder in der Zivilisation, im Reich der Menschen, doch mit einem neuen Blick und einem neuen Gefühl.