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Die Autobeziehung
Die Autobeziehung.
Mobil sein ist alles! Zu Fuß oder per Fahrrad reicht die Puste meist kaum bis zur Stadtgrenze. Bus, Bahn oder Flieger funktionieren prima von A nach B. Wollen wir aber einmal nach Y in die Walachei, dann wird es schon schwierig. Lange Rede, kurzer Sinn: "Ein Auto muß sein!" Weil wir aber Individualisten sind, so kommt natürlich nicht irgend ein Auto, sondern nur der speziell zu uns passende Wagen in Frage - versteht sich.
"Der Deutschen liebstes Kind" wird dann vom Händler gerne aus einer fast unübersehbaren Auswahl besorgt, und Reparaturwerkstätten sowie Tankstellen kümmern sich liebevoll um unseren Schützling. Man kann uns Deutschen zwar nachsagen, daß wir nicht besonders kinderlieb seien - autolieb sind wir in jedem Fall.
Gleich nach der Zulassung - natürlich mit persönlich ausgewählter Autonummer - dürfen Freunde, Nachbarn und Bekannte die Errungenschaft bewundern, ob sie nun wollen oder nicht. "Die Getränkedosenhalter sind doch toll?" oder "dabei verbraucht er nur acht Liter" unterstreichen das Gezeigte. Ein Auto ist schließlich nicht nur ein Auto, sondern auch ein Prestigeobjekt. Man zeigt, daß man erfolgreich ist, auch wenn die Karre weniger auf Rädern als auf Wechseln läuft.
Eine weitere psychologische Wirkung des Autos verändert bei manchen Zeitgenossen unverzüglich das Verhalten, sobald der Schlüssel im Zündschloß steckt. Zuhause ein Pantoffelheld, hier wird er zum Tiger. Anonym in seine Konserve verpackt zeigt er seinen Mitstreitern "was eine Harke ist". Wild gestikulierend mit "Vögelchen" oder "Effenbergfinger" wird eine Taubstummensprache zum Kommunikationsmittel, und Lichtzeichen oder Hupe verstärken das Ganze.
Automarken und -Typen gibt es ja reichlich, aber letztlich doch nicht genug, um die Individualität des Halters umfassend zu befriedigen. Ein ganzer Industriezweig kümmert sich um Kleber und Zubehör. Jäger, Segelflieger, Tennis- oder Golfspieler unterstreichen ihre Nobelkarosse mit zusätzlichen Attributen. Sie sagen uns damit, daß sie nicht nur erfolgreich, sondern überaus erfolgreich sind. Wenn das nicht reicht, haben wir da noch zusätzlich die "Sylt-Silhouette", und dann weiß jeder Bescheid! Die "gute Stube" wird auf die Straße verlegt, immer frisch gewaschen und mit einer Perserbrücke im Fond.
Ganz anders der Chaotentyp. Die "Friedenstaube", "Christus lebt", "Sponsored by Daddy" oder "Ich bremse auch für Tiere" signalisieren ganz andere Töne. Oft verdeckt der Kleber nur geschickt eine Roststelle, und die Kiste sieht wie ein Papierkorb aus. Der Wagen wird erst gewaschen, falls die Scheiben langsam blind werden, und eine Beule ist keine Staatsaffaire. Auch der Staubsauger kommt nur in Gang falls das Vehikel wirklich noch einen Käufer finden sollte. Kurzum, das Auto wird zum Fahren und zu nichts anderem genutzt.
Nun muß man wählen, ob man zum Prestige- oder zum Chaotentyp gehören will. Meist wird diese Entscheidung aber, je nach Veranlagung, automatisch getroffen. Ich bekenne mich offen zur Kategorie der Chaoten, denn mein Auto ist nur zum fahren da, und ich spare viel Geld, Zeit und Arbeit, "Bis dass der TÜV uns scheidet".
Zwischen den Extremen gibt es natürlich noch eine Vielfalt an automobilen Beziehungsnuancen. Irgendwo dazwischen passt wohl jeder hinein und die Autoindustrie ist mit uns im Großen und Ganzen recht zufrieden.
Die nette Nachbarin von meinem Freund Harry schießt allerdings den Vogel ab. Die hat nicht nur ein Auto, nein derer acht, und da sie keinen Führerschein hat, ist immer ein Chauffeur dabei. Ein Anruf genügt und schon steht der fahrbare Untersatz parat. Wenn Sie glauben, daß es so etwas nicht gibt, sicher gibt's das!
Zugegeben, eigentlich hat die ledige Erbtante überhaupt kein Auto. Dafür hat sie sich aber bei Nichten und Neffen nicht unerheblich beteiligt, und wer wagt dann 'nein' zu sagen.
"Ist gut Tantchen - 5 Minuten - ich komme gern!". (Grrrrrr)