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Die Anzahl der Nasenhaare

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28.11.2005
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Die Anzahl der Nasenhaare

Hallo,

Beim Niederschreiben einer Erzählung stolpere ich immer wieder über das Problem, nicht zu wissen, wie viel Beschreibung denn nun angebracht ist, speziell was das Äußere der Haupt-und Nebencharaktere betrifft, wie auch der Umgebung in der sie sich befinden.

Es gibt Autoren, die seitenlang beschreiben und die Handlung darunter ersticken, andere wiederum geben nur einen kleinen Einblick in den Ort des Geschehens.

Ich versuche einen einfachen, prägnanten und flüssigen Schreibstil zu entwickeln, weiß aber nicht wie viel Information erwünscht bzw. nötig für die Entwicklung der Handlung und der Charaktere ist.

Ich möchte allerdings auch nicht einfach einen veröffentlichten Autor kopieren, sondern meinen eigenen, individuellen Stil finden.

Was sind eure Erfahrungen mit diesem Problem und wie seid ihr damit umgegangen?

Sagen wir ein Mann hat sich mit einer Frau zum ersten Rendevous verabredet, das in einem noblen Restaurant stattfindet.
Die Beiden sitzen gerade bei Tisch und haben noch nicht bestellt.

Wie würdet ihr diese Szene beschreiben (die Räumlichkeiten, die anderen Gäste, das Paar, usw.)?

 

Die Anzahl der Nasenhaare sollte jedenfalls in keiner Geschichte fehlen! :lol:

Ich denke, generell kann man das nie sagen. Das kommt auf den Autor und seinen Schreibstil an, und auf die Art der Geschichte. Ist es, wie bei Deinem Beispiel eine romantische Geschichte, würde ich mehr beschreiben; das aber auch nur nebenbei, möglichst in die Handlung eingebaut, nicht als "Stefanie ist eine großgewachsene Frau mit langen schwarzen Haaren und dreißig Jahre alt". Etwa würde ich die von Dir skizzierte Restaurantszene nicht erst bei Tisch beginnen, sondern vorher schon Gelegenheiten zum Beschreiben nutzen z.B.:
"Franz greift verlegen in die linke Außentasche seines nachtblauen Sakkos, holt eine rote Krawatte hervor und bindet sie sich um den Hals. Jetzt gewährt ihm der Türsteher freundlich Einlass in diesen Gourmettempel aus grünem Samt und Gold. Seine Blicke suchen nach Mimi. Dass sie blonde, kurze Haare hat, schrieb sie, und dass sie ein violettes Kleid mit Perlenstickerei tragen würde. Doch bevor Franz sie erblicken kann, kommt schon der Ober und führt ihn, vorbei an einem knisternden offenen Kamin, zu dem Tisch in der Ecke dahinter. Da sitzt Mimi und strahlt ihn mit großen blauen Augen an."


Bei einer Geschichte, in der es um gesellschaftliche, psychologische oder philosophische Themen geht, finde ich die Beschreibung des Aussehens weniger wichtig. Bei Horror, Fantasy, SF, Spannung ergibt es sich wohl aus der Geschichte selbst. Geht es darum, daß jemand in einem finsteren Raum eingesperrt ist und verzweifelt versucht, rauszukommen, wird das Äußere eher egal sein, während ein plötzlich auf der Erde landender Außerirdischer doch genauer beschrieben werden sollte, wie auch die Gesichter der Menschen, die ihn sehen.

Einfach nach dem Gefühl gehen, wenns dann nicht paßt, sagen Dir das die Kritiker schon, dann kannst Du es immer noch ändern.
Erfahrungen sammeln - am besten eigene. ;)

 

Meiner Meinung nach ist es am besten, eine Geschichte so zu erzählen, wie Du einem Freund von einer interessanten Begebenheit berichten würdest.

Wer kennt schon die Anzahl der Nasenhaare einer Person? Gott? :)

 

Hallo Miller,
meiner Meinung nach solltest du die Details aus der Geschichte herausfließen lassen, ähnlich, wie Häferl es ja schon vorgemacht hat.
Es ist sicher gut, wenn du deinen Protagonisten bei der ersten Begegnung mit etwas seine subjektiven Eindrücke schildern lässt. Irgendwas wie "er fand, das Alien sah aus wie das Ding, das er in seiner Kindheit immer unterm Schrank vermutet hatte". Daraus kann der Leser zwei Informationen ableiten - erstens über das Aussehen des Aliens, zweitens über den Protagonisten selbst.

Teilweise braucht es sehr viele Informationen, damit der Leser sich etwas vorstellen kann, teilweise kannst du Klischees anreißen, ihnen widersprechen oder dich an ihnen entlanghangeln. "Die Frau sah aus wie ein Model - man konnte ihre Rippen zählen" oder so etwas.

Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man den Leser nicht in Details erstickt, sondern ihm nur Anhaltspunkte gibt. In einem Film bedient man den Zuschauer mit Bildern, in der Literatur macht er sich seine Bilder selbst. Diesen Vorgang kann und sollte man nur bis zu einem bestimmten Grad beeinflussen. Wenn man dem Leser zu wenig Details gibt, wird sein Bild von etwas dem des Autors komplett zuwiderlaufen. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass die Figur sich auf eine Art und Weise verhält, die dem Bild des Lesers widerspricht. Prompt wirkt die gesamte Story unglaubwürdig.
Wenn man dem Leser aber zu viele Details liefert - die Anzahl der Nasenhaare, dann wird er irgendwann anfangen zu überfliegen, wird von der Beschreibung gelangweilt sein. Es gilt, den Mittelweg zu finden.

Im Herrn der Ringe, der mir da mal als Negativbeispiel angegeben wurde, hast du immer 2/3 Beschreibung, 1/3 Handlung, und dieses Schema wiederholt sich. Das musste aber so sein, weil Tolkien das Genre erfunden hat. Heutzutage kann man Fantasy-Lesern getrost von hohen Hallen erzählen, und ihre Vorstellung wird das Bild dazu liefern. Das war damals, am Anfang des Genres, noch nicht möglich.

Wir haben den Vor- und den Nachteil, dass man alles in der einen oder der anderen Form schonmal gelesen hat. Das ist ein Nachteil, weil es einem schwer fällt, den Leser noch zu überraschen, und ein Vorteil, weil die Bilder bereits im Kopf des Lesers existieren und man sie sozusagen nur "anstoßen" muss...

hoffe, ich konnte dir irgendwie weiterhelfen mit meinem wirren Gerede :)
gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Miller,

nehmen wir mal deine Threadüberschrift und dann die von dir gewählte Situation.
Verläuft die Annäherung normal, ist die Anzahl der Nasenhaare eher unwichtig, stellen wir uns aber vor, die Frau hat ausgeprochen dichte und lange Haare in der Nase, die, wie bei älteren Männer manchmal, auch aus der Nase herauswachsen und den Mann immer, wenn er sie ansieht, irritieren oder zum Lachen bringen, dann kannst du zwar die Anzahl verschweigen oder zur Untersteichung etwas wie mindestens tausend Haare in der Nase erwähnen, aber dann haben diese Haare für die Interaktion oder Atmosphäre auch eine Bedeutung.
Es können auch Erinnerungen daran verknüpft sein, der Mann könnte der Frau unheimlich sein, weil die Haare in der Nase, sie an ihren Vater erinnern, wie er in ihrer Kindheit über sie stieg und mit der Nase immer in ihre Augen stach. Oder eine schöne Erinnerung, wenn sie sich daran erinnert, bei ihrem Opa auf dem Schoß gesessen, ihm eine Buntstift in die Nase gesteckt und daran die Nasenhaare, die so schon lang und dicht waren, aufgerollt zu haben.

Du merkst, worauf ich hinaus will? Nichts ist so absurd, dass man es nicht als Detail gebrauchen kann, um daran sentimentale, schreckliche oder auch komische Stimmungen aufzuziehen.

Lieben Gruß, sim

 

*Auchmeinensenfdazugeb*:

Die Frage ist einfach die, ob das Detail die Geschichte stützt. Mal angenommen, du lässt den Prot das Restaurant betreten und die Frau erblicken, dann beschreibst du die Dinge, die dem Prot ins Auge stechen. Deshalb wirkt es auch natürlicher, die Details in die Handlung einzuflechten, immer dann, wenn Bewegung da ist.

"Hallo." Ihre himmelblauen Augen strahlten, als hätten sie gerade das Paradies erblickt.
"H-hallo." Ihm stockte der Atem, als sie ihr perlmuttglänzendes Haar zurückstrich.

Ähm, na ja, du siehst, mein Genre ist es nicht. :D
Aber du verstehst, was ich meine? Zumindest sollten die Details etwas aussagen. Wenn du den Prot später wegen ihr amok laufen lässt, dann muss der Leser sich sagen: "Für die Schnitte würd' ich auch Leute kaltmachen." Dazu ist vielleicht nicht die Anzahl ihrer Nasenhaare wichtig ( zumal der Prot diese ja wahrscheinlich nicht wahrgenommen hat ), aber das, was er an ihr besonders aufreizend fand, schon.

Bei Landschaftsbeschreibungen ist es ähnlich: Wenn du meinst, dass die Handlung nur verständlich ist, wenn du auch die Atmosphäre eines Ortes einfängst, dann musst du die Details beschreiben, die die Atmosphäre betonen. Es können - und das ist ein Trick, auf den man nicht so leicht von allein kommt - gerade nebensächliche Dinge sein. Wenn du zum Beispiel einen Empfang am Hofe eines Adligen vor dem Dreißigjährigen Krieg beschreiben willst, brauchst du nur das Rasseln von Säbeln zu erwähnen, um die unterschwellige Anspannung einzufangen.

 

Hallo,

@all: Danke für eure Antworten, ihr habt mir sehr weitergeholfen.

Eine Frage, die zum Teil schon beantwortet wurde, hätte ich noch.

Von welchem Vorwissen seitens des Lesers kann man ausgehen?
Beschreibt man zum Beispiel einen Restaurantbesuch, wird es wahrscheinlich genügen, die Atmosphäre des Restaurants, seinen Stil, die vermutliche Zielgruppe zu beschreiben, da jeder Leser wissen wird, wie ein Restaurant aussieht.

Etwa:
Das junge Paar wurde herzlich von einer untersetzten Frau in rustikaler Kleidung begrüßt und an einen der drei Tische des Restaurants geführt.
Die freundliche Dame stellte sich als Besitzerin und Köchin des Etablissements vor.
"Können Sie uns etwas empfehlen?", fragte Thomas.
"Es steht zwar nicht auf der Speisekarte, aber wir haben am Nachmittag eine Lieferung frischer Austern bekommen. Ich kann ihnen damit ein wunderbares Gericht zaubern."
. . . . .

Ich denke, das wäre in diesem Fall genug Beschreibung, damit sich der Leser eine Vorstellung vom Restaurant machen kann, oder?

Schreibe ich zum Beispiel von der Landung auf einem unbekannten Planeten, werde ich wohl weiter ausholen , die Landschaft, den Himmel, die Atmosphäre, physikalische Besonerheiten usw. beschreiben müssen.

Etwa:

Senter war der erste Mensch, der Sinaria betrat.
Er setzte seinen Fuß auf den sandigen Untergrund.
Das grünstichige Violett des Bodens mutete bizarr an, als stünde er unter Drogeneinfluss.
Senter hob den Kopf zum Firmament.
Der Planet hatte keine Atmosphäre, er konnte direkt ins All sehen.
Er sah sich um, nahm aber keine Auffälligkeiten war.
In der näheren Umgebung gab es nichts, weder Leben noch Gestein, nur diesen seltsamen Sand.
Er wollte losgehen, um sich ein wenig umzusehen, war aber kaum fähig die Beine zu heben.
Der Planet schien eine extreme Gravitation zu haben.
. . . .

Ich würde jetzt noch auf die Gefühle Senters eingehen, etwaige Entdeckungen beschreiben, aber für eine Einführung in diese neue Welt würde dies genügen, oder?

 

Ich würde jetzt noch auf die Gefühle Senters eingehen, etwaige Entdeckungen beschreiben, aber für eine Einführung in diese neue Welt würde dies genügen, oder?

Ich denke schon. Du musst ja schließlich auch nicht gleich alles auf einmal beschreiben. Details kann man ja auch nach und nach in die Handlung einflechten.
Aber ich denke, generell sollte man sich auf sein Gefühl verlassen...

 

Das grünstichige Violett des Bodens mutete bizarr an, als stünde er unter Drogeneinfluss.
Bezüge solltest du bei den Beschreibungen natürlich bedenken. In diesem Satz steht der Boden unter Drogeneinfluss. ;)
Senter hob den Kopf zum Firmament.
und auch die Formulierung ist bei solchen Beschreibungen wichtig. In diesem Satz nimmt er seinen Kopf in die Hände und hebt ihn bis zum Himmel. Hat er so lange Arme?
Der Planet hatte keine Atmosphäre, er konnte direkt ins All sehen.
Wieder der Bezug. Der Planet hatte nach diesem Satz Augen, mit denen er direkt ins All sehen konnte und auch Auffälligkeiten wahrnehmen hätte können, wenn es denn welche gegeben hätte (nächster Satz)

Lieben Gruß, sim

 

lukas_iskariot schrieb:
die details beleuchten das ganze, wenn die details jedoch nur sich selbst beleuchten, schick sie zum teufel!
Absolut. In deinem Beispiel, Miller, würde ich nicht direkt sagen, daß das Restaurant ein nobles ist, sondern nur leise Hinweise geben mit Details wie zum Beispiel: Es gibt Damasttischdecke, Silberbesteck oder Sommelier kommt.

Dion

 

lukas_iskariot schrieb:
die details beleuchten das ganze, wenn die details jedoch nur sich selbst beleuchten, schick sie zum teufel!
Dieses Zitat werde ich mir in 500-Gramm-schwere Bleilettern gießen lassen und über meinem Monitor an die Wand dübeln! Amen!

 

Im Allgemeinen schrecke ich davor zurück gerade bei Personen zu viele Äußerlichkeiten zu erwähnen. Meistens beschränke ich mich auf einige wenige Infos, wie z. B. die Haarfarbe - die lasse ich auf ähnliche Art, wie die von Häferl beschriebene, in die Geschichte einfließen. Ich bin der Meinung, dass jeder Leser sich selbst ein Bild machen sollte. Es macht mir auch keinen Spaß, wenn ich eine ganz genaue Beschreibung einer Person lese (Und am Schlimmsten sind Einbandfotos etc. bei Büchern auf denen die Prot. abgebildet sind.)

Wenn etwas für die Geschichte speziell wichtig ist, z. B. ob die Prot. einen Minirock trägt, dann erwähne ich das auch - ansonsten nur dann, wenn es die Prot. charakterisiert.

Die Umschreibung der Umgebung ist sicherlich in manchen Fällen wichtig, wie z. B. in dem Inselbeispiel. Allerdings sollte man auch hier spärlich umgehen und die Infos nur nach und nach einbringen.

Wenn ich mir eine Geschichte nach dem Schreiben durchlese, fallen mir immer sehr viele solcher Details auf, die im Grunde genommen nur irgendeine Stimmung erzeugen sollen oder einfach nur unwichtig sind. Wenn ich die Geschichte ein paar Tage liegen lasse, schaffe ich es auch meistens, solche Dinge zu streichen.

 

was interessiert die farbe eines hemdes, wenn es zu nichts in bezug steht, wenn es nur die aussage macht, dass das hemd eben rot ist, obwohl es genauso gut blau sein könnte - wenn das hemd aber nur grün sein kann, wenn es einen grund gibt warum es nur und eben nur grün sein kann, dann interessiert es mich auch.
Farben des Gewandes kann man aber auch gut als (zusätzliches!) Mittel verwenden, um den Charakter darzustellen. Es ist ein Unterschied, ob jemand ständig in schrillen Farben herumrennt oder sein ganzer Kleiderschrank schwarz gefüllt ist. ;)

 

lukas_iskariot schrieb:
ich dachte, dass ich das zum ausdruck gebracht hätte.
Ja, hast du, sehr deutlich und auch gut begründet :zustimm:

Also ich denke je mehr du schreibst, um so mehr, wirst du auch lernen, die richtige Mischung aus Handlung, beschreibenden Details und den anderen Bausteinen einer Kg zu finden. Wenn du hier postest, wirst du dann auch an Hand der Kritiken merken, ob es passt oder nicht.

 

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