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Die Antwort
Schweißüberströmt wacht er auf. Nacht umhüllt ihn, finster, aber nicht still. Gellende Schreie zerschneiden das Schwarz und bohren sich in sein Herz, wie Messer, scharf und ängstigend. Verzweifelt drückt Ben seinen Teddybär an sich. Er weiß, dass er eigentlich schon zu alt für das Kuscheltier ist, aber dieser scheint ihm das einzige Geschöpf zu sein, das ihn versteht, mit ihm leidet.
Die schmerzverzerrten Schreie hallen in seinem Kopf wieder; ein nicht verklingenes Echo. Angst.“Mama, wo bist du......?“
Er weiß, was folgen wird. Zu oft schon hat er Nächte wie diese erlebt und zu oft ist die verzweifelte Hoffnung, dass alles wieder gut wird zerplatz, wie eine schillernde Seifenblase. Erst die polternden, schwankenden Schritte auf den Dielen im Flur, die Tür wird aufgestoßen werden und er wird seine dunkle Silhouette gegen das grelle Flurlicht erkennen können. Genau sieht er ihn vor sich, wie sich über ihn beugt. Seine roten, geschwollenen Augen, seinen grausam verzerrten Mund. Schon hört er die lallende Stimme: „Und du kleiner Hosenscheißer willst mein Sohn sein? Hä?“ und dann mit wutverzerrter sich überschlagender Stimme:“ Du willst mein Sohn sein? Los, antworte schon!“
Er kennt das Gefühl des heißen, von Rum und Wodka getränktem Atem im Gesicht und den Schmerz, der seinen Körper durchflutet und zum Bersten bringen zu scheint, wenn seine Fäuste gnadenlos und grausam auf ihn nieder sausen. Immer und immer wieder. Genau kennt er das Gefühl von Wehrlosigkeit, Verzweiflung und Wut in diesem Moment, doch auch die Erleichterung. Die Gewissheit, dass wenigstens seine Mutter für diese Zeit sicher ist.
Er wartet, wartet darauf, dass die Schreie seiner Mutter verstummen, wartet auf die Schritte im Flur. Doch sie bleiben aus. Die Augen seines Teddybären scheinen ihn zu fixieren. Wo ist der gewohnte, gutmütige Ausdruck in den runden Knopfaugen? Plötzlich scheint das Gesicht des Bärens nur noch Bosheit und Grausamkeit auszustrahlen. Seine Augen scheinen ihm mit Hohngelächter entgegenzuschleudern: „...mein Sohn sein? Los, antworte schon!“
Er packt den Bären, würgt ihn, zerrt an seinem Kopf, bis weiße Füllwatte hervorquillt. Dann erst schmeißt er ihn von sich, mit aller Kraft.
Wieder Schreie. Wo bleiben die Schritte? Ein verzweifelter Schrei in seinem Kopf und immer schmerzverzerrter und gellender werdende Schreie seiner Mutter. Jeder lässt ihn aufs neue zusammenfahren, jeder ein tieferer Stich ins Herz. Angst bemächtigt sich seiner. Doch schon im nächsten Moment wird diese wieder von Wellen heißen Zornes überflutet. Warum müssen seine Mutter und er so leiden? Immer wieder schweift sein Blick zwischen dem zerschundenen Teddybär und dem massiven Hockeyschläger hin und her und langsam formen sich Wut und Angst in kalte Entschlossenheit.