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Die Angst vor dem Heiligen Krieg
Ich bin kein Mensch, der viel über Terrorismus weiß. Ich kenne den komplexen Aufbau der Gehimorganisationen nicht, ich weiß nur, dass es mir Angst macht.
Diese Angst, es könnte jeden Tag mich treffen.
Mich, als normalen Schüler, der eigentlich gar nichts damit zu tun hat.
Ich habe nichts mit dem Hass der Terroristen auf die westliche Welt zu tun und ich kann nichts dafür, wenn Politiker einen Krieg beginnen.
Ich bin nur ein Schüler, der vor alledem Angst hat.
Vor kurzem fuhr ich mit dem Zug nach Düsseldorf. Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht, die Beine hochgelegt und schmökerte in einem interessanten Buch, als ein Mann in meinen Blickwinkel kam.
Er hatte einen üppigen Bart und etwas schmuddelige Klamotten. Aber nicht der Bart machte ihn für mich verdächtig, sondern die Art wie er sich verhielt.
Immer wieder sah er sich um, ganz so, als fürchte er, bei etwas erwischt zu werden.
Ich bekam aufeinmal dieses seltsames Gefühl. Überall in mir breitete sich diese Vorahnung aus. Sie verkrampfte meinen Magen und benebelte mein Hirn.
Ich sah die aktuellen Bilder der zerstörten Züge in Madrid vor mir.
Und ich sah mich in meinem eigenen Zug um. Hinter mir saß eine Familie mit zwei Kindern.
Vor mir laß eine Studentin eine Zeitung.
Ich wollte nur noch raus aus diesem Zug. Ich malte mir sogar aus, wie ich dem Schaffner den Tipp gab:
„ Da vorn, der Mann an der Tür könnte ein Terrorist sein. Bitte schützen sie mein Leben.“
In meinem Kopf rasten die Gedanken. Beirrende und ergreifende Gedanken, die ich bisher noch nie so nah gefühlt hatte.
Ich konnte mir aufeinmal vorstellen, wie es zu dem Unglück in Madrid gekommen sein könnte.
Genau wie der Mann an der Tür, hatte sich auch ein Mann in Madrid in den Zug gestellt. Der Rucksack voller Sprengstoff.
Auch der Mann in meinem Zug hatte einen Rucksack neben sich stehen.
Ich wollte aufspringen und an der nächsten Station den Zug verlassen. Rennen, um mein Leben zu retten.
Doch ich besann mich, merkte aufeinmal wie absurd das Ganze war.
Würde anstelle des Mannes mit dem Vollbart und ganz offenbar islamischen Glaubens, ein Schwarzer oder ein Weißer stehen, hätte ich ihn je bemerkt?
Sicher hätte ich nicht gedacht in dem Rucksack befände sich Sprengstoff und der Grund warum er sich so mysteriös umschaute, war der, dass er seine Opfer unter die Lupe nehmen wollte.
Der Mann an der Tür sah mich an. Sah in meine panischen Augen und sah meine zitternde Hand.
Ich meinte in sein Hirn sehen zu können. Meinte zu wissen, wie sein Hass überquoll. Sein Hass auf mich und alle anderen westlichen Schüler, die den Reichtum dieser Gesellschaft genossen und obendrein noch ungläubig waren.
Ich bangte an jeder Haltestelle er möge aussteigen. Seinen mit Sprengstoff beladenen Rucksack mitnehmnen und mir die Sicherheit geben, heil aus diesem Zug zu kommen.
Ich war erleichtert wie nie zuvor, als ich die Schaffner sah. Fühlte mich erlöst von den innerlich zerreißenden Sorgen. Von dieser Angst, die ich zum ersten Mal so nah gespürt hatte.
Es stellte sich heraus, dass der Mann an der Tür keine Fahrkarte hatte.
Seine suchenden und ungewöhnlichen Blicke galten den Schaffnern.
Er hatte gehofft damit davon zu kommen, ohne Fahrschein zu reisen.
Er war nur ein harmloser Schwarzfahrer.
In seinem Rucksack befand sich nichts außer einer halbvollen Wasserflasche.