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Die Angst vor dem Heiligen Krieg

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30.11.2003
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Die Angst vor dem Heiligen Krieg

Ich bin kein Mensch, der viel über Terrorismus weiß. Ich kenne den komplexen Aufbau der Gehimorganisationen nicht, ich weiß nur, dass es mir Angst macht.
Diese Angst, es könnte jeden Tag mich treffen.
Mich, als normalen Schüler, der eigentlich gar nichts damit zu tun hat.
Ich habe nichts mit dem Hass der Terroristen auf die westliche Welt zu tun und ich kann nichts dafür, wenn Politiker einen Krieg beginnen.
Ich bin nur ein Schüler, der vor alledem Angst hat.
Vor kurzem fuhr ich mit dem Zug nach Düsseldorf. Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht, die Beine hochgelegt und schmökerte in einem interessanten Buch, als ein Mann in meinen Blickwinkel kam.
Er hatte einen üppigen Bart und etwas schmuddelige Klamotten. Aber nicht der Bart machte ihn für mich verdächtig, sondern die Art wie er sich verhielt.
Immer wieder sah er sich um, ganz so, als fürchte er, bei etwas erwischt zu werden.
Ich bekam aufeinmal dieses seltsames Gefühl. Überall in mir breitete sich diese Vorahnung aus. Sie verkrampfte meinen Magen und benebelte mein Hirn.
Ich sah die aktuellen Bilder der zerstörten Züge in Madrid vor mir.
Und ich sah mich in meinem eigenen Zug um. Hinter mir saß eine Familie mit zwei Kindern.
Vor mir laß eine Studentin eine Zeitung.
Ich wollte nur noch raus aus diesem Zug. Ich malte mir sogar aus, wie ich dem Schaffner den Tipp gab:
„ Da vorn, der Mann an der Tür könnte ein Terrorist sein. Bitte schützen sie mein Leben.“
In meinem Kopf rasten die Gedanken. Beirrende und ergreifende Gedanken, die ich bisher noch nie so nah gefühlt hatte.
Ich konnte mir aufeinmal vorstellen, wie es zu dem Unglück in Madrid gekommen sein könnte.
Genau wie der Mann an der Tür, hatte sich auch ein Mann in Madrid in den Zug gestellt. Der Rucksack voller Sprengstoff.
Auch der Mann in meinem Zug hatte einen Rucksack neben sich stehen.
Ich wollte aufspringen und an der nächsten Station den Zug verlassen. Rennen, um mein Leben zu retten.
Doch ich besann mich, merkte aufeinmal wie absurd das Ganze war.
Würde anstelle des Mannes mit dem Vollbart und ganz offenbar islamischen Glaubens, ein Schwarzer oder ein Weißer stehen, hätte ich ihn je bemerkt?
Sicher hätte ich nicht gedacht in dem Rucksack befände sich Sprengstoff und der Grund warum er sich so mysteriös umschaute, war der, dass er seine Opfer unter die Lupe nehmen wollte.
Der Mann an der Tür sah mich an. Sah in meine panischen Augen und sah meine zitternde Hand.
Ich meinte in sein Hirn sehen zu können. Meinte zu wissen, wie sein Hass überquoll. Sein Hass auf mich und alle anderen westlichen Schüler, die den Reichtum dieser Gesellschaft genossen und obendrein noch ungläubig waren.
Ich bangte an jeder Haltestelle er möge aussteigen. Seinen mit Sprengstoff beladenen Rucksack mitnehmnen und mir die Sicherheit geben, heil aus diesem Zug zu kommen.
Ich war erleichtert wie nie zuvor, als ich die Schaffner sah. Fühlte mich erlöst von den innerlich zerreißenden Sorgen. Von dieser Angst, die ich zum ersten Mal so nah gespürt hatte.

Es stellte sich heraus, dass der Mann an der Tür keine Fahrkarte hatte.
Seine suchenden und ungewöhnlichen Blicke galten den Schaffnern.
Er hatte gehofft damit davon zu kommen, ohne Fahrschein zu reisen.
Er war nur ein harmloser Schwarzfahrer.
In seinem Rucksack befand sich nichts außer einer halbvollen Wasserflasche.

 

An sich ist an der Geschichte nichts auszusetzten. Flüssig und mit treffenden Worten beschrieben. Haut einem nicht grad von den Socken, aber ganz okay.

Das Gefühl kenne ich irgendwie ziemlich gut. Ich sitze da in diesem Zug und sehe diese Männer, die verkommene Klamotten tragen, nen zerzausten, schwarzen Bart haben und mit dunklen, kritischen Augen reinschau'n. Hab mir auch schon ausgemalt, so einer könnte so ne Art "Wirt" für einen Virus sein, könnte die chemische oder biologische - was auch immer - Waffe verbreiten und uns alle ausrotten. Obwohl das natürlich total absurd ist, kann niemand sagen, ob das nicht wirklich möglich wäre. Tja, ich glaube, uns bleibt nichts anderes übrig als einfach zu leben und es dem Schicksal (vorausgesetzt es gibt eins) zu überlassen.

Gruss, Clyan

 

Ja, aber ist es nicht erschreckend, wie wir jetzt alles nur noch dem "Zufall", " Gott" oder was auch immer, in so fern es etwas in der Art gibt, überlassen können?!
Wir können nichts tun, können nur hoffen, dass diese geistes Gestörten nicht uns treffen.
Ich glaube, davor fürchte ich mich am meisten.
Davor, dass es vielleicht irgendwann kommt und ich nichts tun konnte.

Lg, bluna

 

Tach zusammen,

danke, lieber tagträumer, genau mit dieser Aussage rang ich auch schon. Der Nachgeschmack. Bluärrggs, Xenophobie!

@ Bluna: Ich bin auch ziemlich beeindruckt davon, wie du dieses Misstrauen, dass unseren Alltag zusehens zermartert, zum Ausdruck gebracht hast. Niemand, sei er noch so aufgeschlossen, noch so belesen, noch so links oder einfach noch so gleichgültig, kann sich gegen solche Gedanken erwehren. Dabei sind sie völlig unsinnig, völlig engstirnig, naiv, kleingeistig und was einem noch so einfällt. Nur, weil jemand ein bisschen komisch aussieht... Moment, was heißt "komisch aussieht"? Nur weil jemand auf bestimmte Weise anders aussieht (nämlich wie ein Araber, der sich einen Bart stehen lässt) beginnen wir, uns von ihm ausgehende Gefahren zu erspinnen. Welch trauriger Zeitgeist! Liebe deinen Nächsten, aber nur den, der der Hautfarbe nach auch wirklich dein nächster Verwandter sein könnte und das Schweinefleisch nicht verschmäht, dass du ihm vorzusetzen gedenkst...

Wie tagträumer schon sagte, du gehst zwar auf die Absurdität dieser Paranoia ein und du erwähnst auch, dass dir diese Gedanken vielleicht nicht gekommen wären, wenn er NICHT muslimisch aussehen würde, aber irgendwie reicht mir das nicht. Dein Suspjekt (Synthese aus Subjekt und Suspekt) bleibt eine nicht ganz korrekte Gestalt (Schwarzfahrer)... Ein Rückfall? Er sieht komisch aus, also muss irgendwas an ihm dran sein? Zwar nicht das schlimmste, aber immerhin?

Immer locker bleiben, ich will dir nichts vorwerfen. Vorschlag: Wie wär's, wenn dein Verdächtiger Mitreisender noch größere Paranoia hätte als du? Entweder ist er gar kein Moslem, sondern vielleicht sogar Israeli (wenn er schon Östlich aussehen muss) oder er ist doch Moslem und fürchtet, dass jemand sich daran stören könnte und er selber Opfer des medial heraufbeschworenen "Kampfes der Kulturen" wird...

Multikulturelle Grüße

Artnuwo

 

Hallo zusammen,
erst mal danke für die Kritik.
Die Sache ist die, die Geschichte ist wahr. Also, sie ist mir wirklich passiert und so ungefähr waren meine Gedanken. Ich denke, ich wollte das Erlebnis gleichzeitig in einer Geschichte verarbeiten, als auch diese Paranoia beschreiben.
Das mit dem Schwarzfahrer war wirklich so.
Die Schaffner kamen von links und rechts, der Mann hatte keine Chance zu fliehen. Der Bundesgrenzschutz kam und er wurde in Köln vor dem Zug abgeholt.
Ich hätte das alles anders beschreiben können.
Aber dieser derartige Kontrast zwischen gemien gefährlichem Terrorist und harmlosen, vielleicht armen Schwarzfahrer war durch die Realität derart scharf hergestellt, dass ich es so in meiner Geschichte übernehmen wollte.
Liebe Grüße, bluna

 

Hi Zao,
ich denke da hast du großes Glück, dass du diese Angst nicht empfindest.
Aber ich muss dir in deiner Kritik doch widersprechen.
Ich gaube nämlich, dass der Protagonist sehr wohl reflektiert. Er reflektiert z.B., wie unsinnig sein Denken ist und wie absurd.
Aber es ist nicht leicht in einer solchen Situation Konsequenzen zu ziehen. Denn, hat man erst mal Angst, ist es sehr schwer um zu denken.
Deshalb habe ich die Geschichte einfach bei der Auflösung des Mannes belassen und bin nicht weiter auf die Gedanken des Protagonisten eingegangen.
Ich wollte euch (also dem Leser :)) Freiraum lassen was ihr Leser am Schluss über den Protagonisten oder die Situation denkt.
Klingt das einleuchtend?
Danke für deine Kritik, bluna

 
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Hallo Bluna,

wenn die Geschichte wahr ist, dann ist sie umso mehr prädestiniert für den Kaffeekranz, vor allem auch deswegen, weil Du das Ganze ziemlich wie eine Erlebnisnotiz - 'tschui! - daherklierst, ganz ohne Tiefe und sprachkünstlerische Gestaltung.

Außerdem hätte ich noch eine viel bessere Pointe. Es könnte nämlich rauskommen, dass ... Ach ich schreib Dir das am besten als PM.
EDIT: ... Aber da ich Dich weder via PM noch via eMail kontaktieren kann, müsste ich es hier schreiben... Hm?


FLoH.

 

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