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Die andere
Die Andere
Die Andere dort hinten sieht aus wie ich. Da, in der hinteren Ecke des Restaurants. Nein, sie sieht nicht nur aus wie ich, sie könnte sogar meine Zwillingsschwester sein. Ich lächle ihr zu. Sie lächelt zurück. Zeitgleich. Soll ich hingehen? Vielleicht. Sie macht den gleichen überlegenden Blick wie ich. Sie möchte, dass ich komme. Oder doch nicht? Was, wenn ich sie falsch verstanden habe?
Aber hallo sagen schadet doch nichts, oder?
Nur, wenn ich jetzt den Tisch verlasse, bin ich vielleicht nicht da, wenn mein Fisch kommt. Sollte ich das wirklich riskieren? Immerhin warte ich schon fast eine halbe Stunde auf mein Essen.
Auf der anderen Seite.... Was, wenn sie vielleicht wirklich meine Zwillingsschwester ist? Eine von der ich nichts wusste? Sollte man da vielleicht nicht hallo sagen?
Obwohl... da kommt gerade der Kellner mit dem Fisch. Zwillingsschwesterchen muss warten. Jetzt darf ich es bloß nicht vermasseln. Die Menschen an meinem Tisch waren so nett zu mir, die werden mir bestimmt ein Stückchen abgeben. Die Kinder vor allem. Kinder sind eine leichte Beute. Immer schön schnurren und schon hat man sich sein Abendessen verdient. Nur der Kellner. Der darf mich nicht sehen. Sonst ist es aus. So schnell wie möglich verstecke ich mich unter der Bank.
„Du Dreckskatze!“ Oh, oh. Zu spät. Er hat mich gesehen. Tür, Tür, ich muss zur Tür. Der Fußtritt verfehlt mich um wenige Zentimeter, aber ich habe es geschafft, ich bin draußen. Nur der Fisch, der ist drinnen. Genauso wie meine Zwillingsschwester. Ob er sie wohl gesehen hat? Vielleicht hat er sie sogar erwischt? Sollte ich ihr da nicht helfen?
Nur gleich los stürmen, das darf ich nicht. Ich muss auf den richtigen Moment warten. Ansonsten trifft er mich diesmal wirklich. Ruhe bewahren. Vorsichtig wage ich mich wieder in Richtung Tür. Zu dumm, dass ich zu klein bin, um durch das Fenster zu schauen. Erst einmal den Kopf vorstrecken. Der Gästeraum scheint kellnerfrei zu sein. Die Luft ist rein.
Da, die Andere ist noch da. Genau dort, wo sie vorher war, in der hinteren Ecke des Raumes. Ich lächle sie an. Sie lächelt zurück. Diesmal gehe ich hin. Sie kommt auf mich zu.
Ich beginne zu rennen. Schneller, schneller. Sie kommt näher. Ich will sie mit einem kräftigen Stupps begrüßen. Doch sie ist kalt. Glasscherben klirren. Blut klebt an meiner Nase. Die Gäste schreien auf. Die Andere ist weg und mit ihr die zweite Hälfte des Raumes. Doch ich habe keine Zeit, mich darüber zu wundern, denn schon höre ich die Schritte des Kellners hinter mir.
„Du Dreckskatze!“ Mit einem Fußtritt fliege ich durch die Tür.