Die andere Seite des Krieges
Es fällt ihm nicht leicht jeden Morgen so früh aufzustehen. Doch mit zwei Kindern zuhause hat er keine Wahl. Frühstück vorbereiten, Kinder anziehen und in den Kindergarten bringen. Dann auch noch zur Arbeit. Es nervt ihn, jeden Tag das Gleiche tun zu müssen, alleine, ohne sie. Er vermisst den Klang ihrer Stimme, ihr lautes aber sinnliches Lachen. Er fragt sich, ob sich das jemals ändern wird, ob er für immer traurig und genervt zur Arbeit gehen wird. Traurig wegen ihr und genervt von seinen Mitarbeitern, die nichts besseres zu tun haben als ihm zu erzählen, wie großartig es doch gerade bei ihnen läuft. Er will nur das, dass aufhört, will nicht mehr zur Arbeit gehen und nur noch zu Hause im Bett liegen. Manchmal kommt es ihm so vor, als ob das Bett noch nach ihr riecht. Obwohl er weiß das, dass kaum noch möglich ist nach fast einem Jahr.
Mit den Gedanken noch ganz woanders begrüßt er seine Kollegen. Ob seine Kinder sie wohl auch so sehr vermissen? Sie rede kaum noch darüber, als ob sie sich daran gewöhnt hätten. Das kann er nicht, wird er nie können. Es macht ihn alles so unendlich traurig.
Er wird von einem Kollegen aus seinen Gedanken gerissen und ist auch froh darüber. Er soll seinen letzten Artikel abgeben. Es geht um Krieg. Wie sehr er sich doch wünscht das es nicht so wäre, dass er nie auch nur einen Gedanken an den Krieg verloren hätte. Aber dann müsste er über etwas anderes schreiben und wenn er das täte, hätte er sie nie kennengelernt, hätte nie erfahren wie es für sie ist, hätte nie dieses Foto von ihr gemacht, dass jetzt über dem Bett im Schlafzimmer hängt und wäre nicht Vater von Zwillingen auf die er so unglaublich Stolz ist.
Er ist froh darüber sie kennengelernt zu haben. Er kann nicht ohne sie, er liebt sie, das wusste er sofort.
Er schreibt seinen Artikel. Langsam und routiniert. Er weiß genau was er schreiben wird, als Kriegsjournalist hat er schon viel gesehen. Er wird schon wieder aus seinen Gedanken gerissen. Die Tür zu seinem Büro öffnet sich und er strahlt über das ganze Gesicht, kann nicht mehr aufhören zu lächeln. Sie steht da. Mitten im Türrahmen, bei ihm auf der Arbeit. Sie ist zurück.