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Die alten, bösen Lieder

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05.10.2016
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Die alten, bösen Lieder

Die alten, bösen Lieder
Es ging nicht von heute auf morgen. Es kam allmählich, dass er beim Singen immer mehr Kraft aufwenden musste, um die Leichtigkeit in einem Ton zum Klingen zu bringen, die für ihn früher selbstverständlich war. Und dabei war es diese Leichtigkeit, die ihn als Sänger so besonders machte. Eine Agilität, eine Behändigkeit in der Gestaltung von Melodien in weit gespannten Bögen, in allen Lagen seiner Stimme, der technisch scheinbar keine Grenzen gesetzt waren und vor der die Fachpresse regelmäßig anbetend auf die Knie fiel. „Der Tenor des Jahrhunderts“ konnte man überall lesen, „Das Stimmwunder“, oder schlicht und einfach „Der Sänger“. Und es war völlig klar, dass man damit ihn meinte, ohne seinen Namen nennen zu müssen.
Kometenhaft war sein Aufstieg. Nach seinem vielumjubelten Debut als Tamino am Staatstheater Stuttgart, wo er für einen erkrankten Kollegen einsprang, standen ihm weltweit die Türen offen. In einer für ihn atemberaubenden Geschwindigkeit nahm seine Karriere ihren Lauf. Paris, London, New York, man huldigte ihm, wohin er kam.

Wenn er anfangs noch vorsichtig und zurückhaltend auf der Woge seines Erfolgs ritt, gewöhnte er sich doch bald an frenetischen Applaus, an die Wellen der Begeisterung, die er dankbar entgegennahm, genoss das Tuscheln der Frauen, wenn er am Bühnenausgang an ihnen vorüberging, und sammelte ihre bewundernden Blicke.
Die Intensität seiner Ausstrahlung spürte er ganz besonders in den Proben, während derer die Konzertsäle leer blieben und sich nur wenige Hausbedienstete in den Rängen aufhielten. An den Gesichtern, den Augen, den offenen Mündern dieser Wenigen seine Wirkungsmacht abzulesen, brachte ihm eine ungeheuere Genugtuung. Und sie ergaben sich seinen Tönen, seinem Gesang, der aus einer anderen Welt zu kommen schien, wie gezähmte Tiere, ließen sich von ihm willenlos im Kreis drehen und aus dem hellsten Licht in tiefe Dunkelheit stürzen.
Und dabei war er im Ausdruck von einer sonderbaren Kühle, um nicht zu sagen Steifheit. Niemals gab er sich den Rollen ganz hin. Immer herrschte eine klare Distanz zwischen ihm und den Figuren, die er verkörperte, ohne dass dies der Begeisterung für ihn einen Abbruch tat. Vielleicht nährte es sogar die Sehnsucht der Zuhörer, weil es ihn wie ein Ideal, wie eine heilige Ikone des Gesangs erscheinen ließ, die unmittelbar in das Herz traf aber doch unterreichbar war.

In einem kleinen Konzertsaal in der deutschen Provinz begann es dann. Ein finanzstarker Sponsor der Region hatte zu einem Konzert vor ausgewähltem Publikum geladen. Man wünschte die „Dichterliebe“. Wie oft hatte er diesen Liederzyklus gesungen. Er konnte ihn im Schlaf, er war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Im zwölften Lied „Hör ich das Liedchen klingen, das einst die Liebste sang, so will mir die Brust zerspringen … Schmerzensdrang …“. Kaum, dass er „-springen“ und „-drang“ als höchsten Endpunkt der Melodie noch herauswürgen konnte.
Er hatte in den Wochen davor immer wieder kleine Unsicherheiten bemerkt. Ein spröder Ton hier, ein fast unmerkliches Zittern da. Wie bei Sängern üblich, hatte er eine ganze Litanei an Ursachen zur Begründung parat: das Wetter, zu scharfes Essen, schlecht geschlafen oder ein Whisky zu viel in der letzten Nacht. Aber dieser Moment ließ keinen Zweifel zu. Ein zunehmender Kontrollverlust über sein Stimmorgan bahnte sich an und machte sich ab diesem Konzert immer mehr bemerkbar.
Er, der immer alles zu beherrschen wusste, dem jede Schattierung, jede Farbe der Stimme in allen möglichen Nuancierungen zur Verfügung stand, hatte Angst.

Vor den Auftritten stellten sich nun regelmäßig Panikattacken ein, Schweißausbrüche, unkontrollierbares Zittern und ein beschleunigter Puls. Symptome, die er aus seiner Anfangszeit kannte, die sich aber mit steigernder Routine rasch gelegt hatten. Mehr und mehr kam ihm jetzt die Unbeschwertheit abhanden, mit der er früher in der Garderobe mit den Sängerkollegen herumgealbert hatte bis kurz vor dem Auftritt. Immer war er charmant, gesellig, zu einem Scherz aufgelegt gewesen. Und die sonst oberflächlichen, affektierten Begrüßungsrituale der Theaterleute mit ihrem „Bussi hier“ und „Liebling da“ waren bei ihm ehrlicher, tiefer und von einer echt empfundenen Zuneigung geprägt. Nichts davon blieb. Sein Umgang wurde starr und befangen.

Im Kollegenkreis wurde seine Wesensveränderung bald bemerkt. Die stimmlichen Einschränkungen hielten sich, bis auf den peinlichen Unfall in der Dichterliebe, zunächst noch in Grenzen, und seine Vorzüge überwogen bei weitem. Mit Befremden allerdings nahm man seine sich einstellenden zwanghaften Verhaltensweisen wahr, mit denen er versuchte, die Kontrolle über das Geschehen zu behalten.
So hatte er die irrationale Vorstellung entwickelt, sich bei Liederabenden dem Klavier immer von links nähern zu müssen. Lag der Bühneneingang, wie in vielen Konzertsälen, rechts, vollzog er zuerst eine umständliche Prozession an der Bühnenwand entlang und umrundete dann das Instrument, bis er schließlich an seinem Platz stand. Den irritierenden Eindruck, den der spiralförmige Kreisgang beim Publikum hinterließ, nahm er in Kauf.
War er in der Garderobe allein, verbeugte er sich beschwörend dreimal vor dem Spiegel und sprach sich ein Mantra in fünffacher Wiederholung vor: „Immer schön locker bleiben, immer schön locker bleiben …“. Dabei streckte er für jede Phrase einen Finger aus. Wenn er unsicher war, ob er die richtige Anzahl ausgeführt hatte, begann er das Ritual von neuem. Mit der Zeit kam es öfter vor, dass er aus seinem Zimmer zur Vorstellung geholt werden musste, weil er sich häufig verzählte und das unwürdige Spektakel immer und immer wieder von vorne begann.
Zu einer geradezu unappetitlichen Gewohnheit wurde sein „Einrotzen“, wie er es für sich selbst nannte. An der Bühnentür angekommen, hielt er sich zu Beginn noch heimlich, doch später ganz unverhohlen und zum Entsetzen der Türsteherinnen, das rechte Nasenloch zu und schnaubte durch das linke wie ein Stier, bevor er in die Arena gejagt wird. Den Vorgang wiederholte er dann in umgekehrter Reihenfolge.
Zuletzt griff er noch auf eine Strategie zurück, die er oft in seiner Schulzeit angewendet hatte. Bei der Rückgabe von Klassenarbeiten hatte er dort immer die besten Schüler der Klasse imitiert, ihre Körperhaltung angenommen, war genau ihrer Gestik gefolgt und hatte sie nachgemacht. Seine widersinnige Hoffnung war es, dadurch Anteil an den Fähigkeiten der Mitschüler zu erhalten und auf eine schlechte Note im Nachhinein Einfluss nehmen zu können. Auf der Bühne verlor er durch den Einsatz dieser Technik zunehmend seine Identität, weil er vor allem jüngere Sängerkollegen in ihrem Habitus täuschend echt kopierte. Schlenderten sie lässig am Bühnenrand vorbei, betrat er das Podium im gleichen Schritt, bei athletischen Gesangspartnern mit breitem Rücken zog er die Schultern nach oben und ging mit eingezwicktem Kopf und stampfenden Schritten hinaus, ja sogar Sopranen begann er auf eine völlig unpassende Art mit wippendem Gesäß und auf Zehenspitzen zu folgen. Er war zu einer Karikatur geworden. Nichts erinnerte mehr an seine frühere Strahlkraft.

In seiner Verzweiflung suchte er unzählige Gesangslehrer auf, um mit einer vielleicht neuen Methodik seine Probleme in den Griff zu bekommen. Alte Lehrerinnen, die allesamt ehemalige Opernsängerinnen gewesen waren und nun als hartherzige und gefürchtete Stimminstanzen Ratschläge erteilten, saßen in ihren wuchtigen Wohnzimmersesseln und krähten im Greisensopran entsetzliche Töne, um ihm zu demonstrieren, dass er seine Stimme aus der Ferne zu sich herholen solle, die Töne einfangend, sie empfangend, wie ein Geschenk. Sein Versuch, in der Essener Philharmonie den Ton von der hintersten Tür des Saals zu sich herzuholen, geriet allerdings zu einem verzweifelten Gezerre. Der Ton löste sich einfach nicht von der Tür und er konnte von Glück sagen, dass im Schlusssatz von Beethovens 9. Sinfonie, die er dort sang, das Solistenensemble ein unerträgliches Geplärr aus „Freude schöner Götterfunken“ anstimmte, dass sein in höchstem Maß geknödelter und gepresster Ton nicht arg ins Gewicht fiel.

In der Salle Gaveau, an der Rue de la Boétie, einer der besten Adressen für klassische Musik in Paris, wollte er dieses für ihn immer unerträglichere Schauspiel beenden. Er hatte genug. Er konnte nicht mehr. In seine immer komplizierter werdenden Zwangshandlungen verstrickte er sich dermaßen, dass er kaum mehr wusste, wer er war. Seine Vorstellungen waren zu kümmerlichen Reflexen verkommen, in denen er nur noch unter Anstrengung das abrufen konnte, was ihm, dem Wundersänger, einst mühelos zuflogen war. Das musste nun ein Ende haben. Er liebte diesen Konzertsaal, weil er trotz der beachtlichen Kapazität von mehr als tausend Zuhörern, im schlichten Weiß der kühlen Architektur eine intime Note hatte. Dichterliebe, Schumann, Heine, das sollte der Abschluss sein. Am ersten Tag der Ankündigung war die Vorstellung ausverkauft. Sein Ruf war noch intakt.

Im Hotel hatte er kurz vor dem Auftritt noch eine Dusche genommen. Auch dies eine mittlerweile zum strengen Ritual gehörende Handlung, eine rituelle Waschung sozusagen, während der er versuchte, durch die tiefe Inhalation des Wasserdampfs seine Stimmlippen zu befeuchten und elastisch zu machen. An diesem Abend intensivierte er die Zeremonie dergestalt, dass er den Wasserstrahl direkt auf den geöffneten Mund richtete und röchelnd den Anfang der Bildnisarie aus Mozarts Zauberflöte, seines einstigen Bravourstücks, in den Schwall gurgelte: „Dies Willnis is beschauern schöön …“.

In der Tat hatte er den Eindruck, dass die anstrengende Wasserkur einen gewissen Effekt auf sein Organ zu haben schien. Seine Einsingübungen in der Garderobe gelangen freier und gelöster als sonst. Der Übergang aus dem Brust- in das Kopfregister, das am meisten unter der Veränderung gelitten hatte und immer wieder peinvolle, jodelartige Brüche verursachte, schien ausgewogen und gut geschmiert. Freilich aber nur unter Einsatz einer Hilfsspannung, die er als letztes Mittel erst seit ein paar Tagen praktizierte. Um seinen Vokaltrakt halbwegs von Muskelverkrampfungen frei zu halten, verlagerte er die Spannung auf andere Körperregionen, die nicht unmittelbar an der Tongebung beteiligt waren. Er ballte dabei die Faust mit aller Kraft zusammen und bohrte sich unter Schmerzen die Fingernägel in die Handinnenfläche.
Sobald er die Bühne betreten hatte, das vollbesetzte Parkett und die Ränge im Blick, und sich nichts mehr, nichts sehnlicher wünschte, als hier und jetzt einen für alle unvergesslichen Abgang seiner Karriere zu feiern, beschloss er, zur Sicherheit diese Ersatzspannung auf den ganzen Körper auszuweiten. Der Pianist spielte die melancholische Einleitung des ersten Lieds und seine Stimme löste sich wie in alten Tagen aus der Klavierkantilene „Im wunderschönen Monat Mai“, während sich seine Finger wie Schraubstöcke in das Holz des Flügelrandes krallten. Die Melodie führte höher und höher zum „… die Liebe aufgegangen…“, und die Linie gelang ihm traumwandlerisch sicher in einer selten gehörten stimmlichen Vollendung. Ein Seufzer ging durch den Saal und niemand im Publikum bemerkte, dass er neben der Hand nun auch die Oberschenkel, sein Gesäß, die Bauch- und Rückenmuskulatur aufs Äußerste angespannt hielt. In absoluter Regungslosigkeit und unter Aufwand aller ihm zur Verfügung stehenden körperlichen Kräfte ließ er so alle sechzehn Lieder folgen.
Zementiert wie ein Monument, die Endgültigkeit seines Auftritts vor Augen, beschloss er nun, stimmlich an die Grenzen des Ausdrucks zu gehen. Wie oft hatte er sein künstlerisches Credo verkündet, dass er nur ein Medium sei, durch das die Musik hindurchfließe. Eine wirkliche Beteiligung im persönlichen Sinn verbiete sich für Sänger, für Schauspieler. „Du darfst nicht deine Rolle leben, das machen Dilettanten.“ Das war sein Leitspruch. Schlackenlos, bis zur abgeklärten Kühle solle eine Interpretation, solle die Kunst überhaupt sein. Weil Subjektivismus sie erschlägt, sie verhüllt in einem Sammelsurium aus Tand und Schnörkeln. Das hielt er mit der Sprache ebenso, weshalb ihm die wortkargen Autoren besonders lieb waren. Die blumigen, sich in weiten Satzgebilden verlierenden Romanciers waren ihm zuwider.
Gleichzeitig spürte er an diesem Abend, dass diese Kühle, die Objektivität, für die er so bewundert wurde, weil sie so viel Freiraum für den Zuhörer offen ließ, für ihn auch ein Schutz war. Ein Schutz vor der überwältigenden Macht der Musik, der Lieder, die ihn ohne diese Abschirmung überrollt hätten.
Aber das sollte jetzt anders sein.

Das Bemühen um den schönen Ton, die sichere Distanz ließ er nun fahren. „Ich grolle nicht“, das neunte Lied im Zyklus, steigerte er zum rasenden Wutrausch, in dem er seine Lautstärke an die Grenzen trieb bis zur bewussten Scheußlichkeit. Ersterbend, fast geflüstert und am Ende ganz ohne Stimme das Zwölfte: „… dort löst sich auf in Tränen mein übergroßes Weh …“, in dem sein Tenor erlosch und nur der Pianist das fragile Klanggewebe zu Ende brachte. In einem letzten Kraftakt, einem finalhaften Aufbäumen, beschwor er im abschließenden Lied sein eigenes Ende herauf: „Die alten, bösen Lieder, die Träume, bös‘ und arg, die lasst uns jetzt begraben, holt einen großen Sarg“. Und der Sarg, in den er die alten, bösen Lieder im Gedicht legte, war auch seiner. Der Sarg für seine Stimme, die er jetzt, nachdem er sie an diesem Abend zu seiner eigenen gemacht hatte, zur Ruhe legte. Den letzten Vers, „Wisst ihr, warum der Sarg wohl so groß und schwer mag sein?“, sang er nicht mehr. Er schluchzte ihn stockend in seine Tränen, die weder er, noch die Zuhörer zurückhalten konnten: „Ich senkt‘ auch meine Liebe und meinen Schmerz hinein.“

Der letzte Ton war verklungen und es blieb still. Es blieb einfach still. Für alle war absolut klar, dass das eben Gehörte keinen Beifall vertrug. Es war ein persönlicher Abschied, ein Trauergesang zu einer Beerdigung. Und bei Beerdigungen wird nicht geklatscht. Er empfand das genauso, wie er da so regungslos am Flügel stand. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Sein Arm war am Flügel wie eingefroren und seine Füße spürte er nicht. Schritte waren in der im Krampf nun völlig fixierten Muskulatur unmöglich. Die Menschen blieben gelassen und ruhig auf ihren Stühlen sitzen. Minutenlang. Niemand sprach. Sanitäter betraten schließlich die Bühne. Wie einen zu Eis erstarrten Bergsteiger, geborgen aus einer Gletscherspalte, legte man ihn auf eine Bahre und trug ihn aus dem Saal durch die Stuhlreihen hindurch, wobei er den Arm, der völlig versteift war, nach oben ausgestreckt hielt. Die Menschen nickten ihm zu, manche berührten demutsvoll die emporragende Hand oder strichen über seinen Kopf. „Es ist gut jetzt, jetzt ist es gut“, gab er beruhigend zurück.

 
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Lieber rieger,

das ist stilistisch toll geschrieben, wirklich. Sprachlich sicher, schön zu lesen. Aber für den Inhalt bin ich vielleicht nicht die richtige Leserin. Was da mit ihm und seinem Gesang passiert, das ist bis ins Detail anschaulich beschrieben. Berührt hat es mich nicht. Ich habe ihm bei seiner sich verschärfenden Krise eher zugeschaut, wie man eine Ameise betrachtet, die sich mit einer Fichtennadel abplagt - distanziert. Schon zuvor hatte ich Probleme zu verstehen, dass er trotz seiner inneren Distanz Erfolge feiert. Und ich verstehe auch nicht wirklich, was mir die Geschichte eigentlich sagen will, tut mir leid.

Noch eine Kleinigkeit: Begann es nicht schon vorher, wenn ihm doch bereits kleine Unsicherheiten aufgefallen waren?

In einem kleinen Konzertsaal in der deutschen Provinz begann es dann.
Er hatte in den Wochen davor immer wieder kleine Unsicherheiten bemerkt.
Viele Grüße,

Eva

 

Liebe Eva,
besten Dank, dass Du Dich durch den dicken Text gelesen hast. Der Vergleich mit der Ameise ist sehr anschaulich, da kann ich viel damit anfangen. Was soll der Text eigentlich sagen? Dieses Verstricken in Zwangshandlungen, wenn etwas aus der Spur läuft, vielleicht. Den Prozess darstellen, den Strudel, in den man gerät, wenn Sicherheiten wegfallen, die bis dahin verlässlich waren. Wenn irrationales Denken das Ruder übernimmt. Und das verbunden mit dem Spannungsverhältnis zwischen Rolle leben und Rolle zeigen, das sich für darstellende Künstler ergibt. Ja, das war wohl die Intention. Aus meiner Erfahrung muss Distanz eines Sängers oder Schauspielers seinen Erfolg nicht schmälern, im Gegenteil. Die Unerreichbarkeit und Objektivierung einer Kunstfigur kann faszinieren. Klar, berühren soll sie einen schon irgendwo, sonst kann man sich auch in den Kühlschrank hocken. Das ist mir jetzt bei Dir nicht gelungen. Dann war Dein Lesedienst eine Müh' und Arbeit und umso mehr bedanke ich mich!
Herzlich
rieger

 

Hallo rieger!

Mir geht es ganz ähnlich wie Eva. Bis zum vierten Absatz haben mich dein Stil und deine Sprache wahrhaft mitgerissen. Im fünften Absatz habe ich dann den Faden leider komplett verloren. Das mag zum Einen an der Thematik gelegen haben, die mich aber zu Beginn auch nicht in meiner Begeisterung für deinen Text bremsen konnte. Ich denke eher, dass es an der etwas ausufernden, sehr detaillierten Beschreibung seines inneren Konflikts liegt. Auch das Fehlen von Dialogen - oder zumindest eines mit sich selbst geführten Widerstreits - hat mich irgendwann abdriften lassen.
Dafür, dass ich bis zum Schluss weitergelesen habe, wurde ich schließlich aber belohnt. Das Ende finde ich sehr berührend. Hier kommt endlich die Emotion, die ich weiter oben noch nicht empfinden konnte. Ich persönlich fände es gut, wenn du den Mittelteil etwas überarbeiten würdest. Den Anfang und den Schluss finde ich großartig!

Liebe Grüße
Jane

 
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Lieber rieger,
sprachlich sauber und ideenreich formuliert. So begegnet mir deine Geschichte. Abgelenkt war ich beim Lesen mehrmals, weil ich mir überlegte, wo ich deinen Stil einzuordnen hätte. Irgendwie erste Hälfte des 20. Jahrhunderts; ständig hatte ich einen Erzähler dieser Zeit in meinem Ohr. Und auch die Thematik scheint mir in diese Zeit zu gehören, nicht ins 21. Jahrhundert. Natürlich gibt es auch heute noch Liederabende, aber es ist doch seltener geworden, dass wir einen Tenor so kennzeichnen:

Der Tenor des Jahrhunderts“ konnte man überall lesen, „Das Stimmwunder“, oder schlicht und einfach „Der Sänger“.

Und auch dieser Satz gehört wohl eher in die Zeit des letzten Jahrhunderts:

Die Intensität seiner Ausstrahlung spürte er ganz besonders in den Proben, während derer die Konzertsäle leer waren und sich nur wenige Hausbedienstete in den Rängen aufhielten

Aber sei’s drum. Dein Text erscheint mir wie aus einem Guss und ich spüre, dass du dir mit jedem Satz sehr viel Mühe gegeben hast. Da sitzt jedes Wort und alles liest sich sehr angenehm – wenn da nicht der Inhalt wäre. Der hat es mir nicht immer leicht gemacht, deiner Geschichte zu folgen und an ihr zu bleiben. Ich habe von Musik recht wenig Ahnung, kenne das eine oder andere Stück, das du erwähnst, aber die Feinheiten von all dem, was du da ausführlich beschreibst und unterscheidest, erreichten mich leider nicht.

Was ist also passiert in deiner Geschichte? Mal sehen, ob ich sie überhaupt richtig verstanden habe?

Ein gefeierter Tenor bemerkt, dass seine Stimme schwächer wird.

Er hatte in den Wochen davor immer wieder kleine Unsicherheiten bemerkt. Ein spröder Ton hier, ein fast unmerkliches Zittern da.

Das führt zu verschiedenen Zwangshandlungen, die du uns ebenfalls ausführlich beschreibst.

Und dann der Bruch, die Wende, die Katastrophe (wenn ich auf der Bühne bleibe):

Aber das sollte jetzt anders sein.

Er gibt den Kampf auf und beendet seine Karriere, indem er seine eigene künstlerische Beerdigung inszeniert:

„Die alten, bösen Lieder, die Träume, bös‘ und arg, die lasst uns jetzt begraben, holt einen großen Sarg“.

Am Ende trägt man ihn folgerichtig auf einer Bahre aus dem Konzertsaal.

Mich lässt deine Geschichte ziemlich zwiegespalten zurück. Zum einen bewundere ich deinen sauberen und eloquenten Stil, zum anderen kann ich mit deiner sehr breit erzählten Handlung nicht so recht etwas anfangen. Das liegt vielleicht auch daran, dass du erzählst, einfach nur erzählst in einem fast immer gleich bleibenden Rhythmus, ohne Höhen und Tiefen, ohne Spitzen oder Dissonanzen. Vermutlich deshalb erreicht mich die Tragik des Geschilderten nicht. (Ich kann wirklich nicht genau sagen, warum es so ist.) Irgendwie wird meine Gefühlsebene von dem, was du schilderst, nicht berührt. Möglicherweise habe ich Hinweise übersehen, weil ich an manchen Stellen oberflächlicher gelesen habe, weil mich die Einzelheiten, die sich eher an Kenner richten, nicht interessierten.

Zum Schluss noch ein paar Kleinigkeiten, die ich mir notiert habe:

die unmittelbar in das Herz traf aber doch unterreichbar war.

In der Salle Gaveau(,) an der Rue de la Boétie, einer

Weil Subjektivismus sie erschlägt, sie verhüllt in einem Sammelsurium aus Tand und Schnörkeln.

Bist du sicher, dass deine Leser deinen Protagonisten hier verstehen werden?

Den letzten Vers „wisst ihr, warum der Sarg wohl so groß und schwer mag sein?“ sang er nicht mehr.

im schlichten weiß der kühlen Architektur

Lieber rieger, mit deiner Geschichte als Kurzgeschichte tue ich mich schwer. Ich lese sie wie eine Erzählung aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sie scheint mir geschrieben für Leute, die nicht nach einem Spannungsbogen suchen, nicht gefühlsmäßig in das Geschehen gezogen werden möchten, die sich Zeit nehmen und erst beim Nachsinnen über das Erzählte die Tragik deines Sängers erfassen und sie auf sich wirken lassen.

Auch ich möchte mir Zeit lassen und deine Geschichte in den nächsten Tagen noch einmal lesen. Vielleicht begegnet sie mir dann anders?

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo rieger

ich habe zwar nicht viel Zeit, aber ich schalte mich trotzdem mal kurz dazu.
Die Thematik finde ich ansprechend, die gemächliche Entwicklung der Handlung eigentlich auch.
Insgesamt ist mir der Text aber zu berichtend, und dabei zu gewissenhaft. An nicht wenigen Stellen, finde ich, teilst du Einzelheiten mit, die ein Leser gar nicht wissen muss.

Zwei Beispiele:

Man wünschte die „Dichterliebe“ von Schumann nach Gedichten von Heine.
Heine kann weg - es gibt keine zweite Dichterliebe von Schumann. Schumann kann, würde ich sagen, auch weg, "Dichterliebe" reicht. (Man sagt ja auch nicht: "Schatzi, ich hab Opernkarten mitgebracht: Die Zauberflöte von Mozart." A propos: den Mozart hinter der Zauberflöte würde ich demnach auch streichen.)

In seiner Verzweiflung suchte er unzählige Gesangslehrer auf, um mit einer vielleicht neuen Methodik seine Probleme in den Griff zu bekommen.
An dieser Stelle habe ich gedacht: Lieber wäre es mir, einen dieser Gesangslehrer zu sehen. Zeig uns doch in einer Episode, was der Sänger da erlebt. Dann bekommen wir obendrein sogar die Verzweiflung zu sehen - zwei Fliegen mit einer Klappe! (Du kannst ja dann immer noch schreiben, dass es der hundertste ist, bei dem er Rat sucht oder so.)

Auch sonst gibt es immer wieder Erklärungen, die ich zwar nicht unbedingt überflüssig finde, aber zu umständlich eingefügt. Wieder ein Beispiel:

Die Intensität seiner Ausstrahlung spürte er ganz besonders in den Proben, während derer die Konzertsäle leer waren und sich nur wenige Hausbedienstete in den Rängen aufhielten. An den Gesichtern, den Augen, den offenen Mündern dieser Wenigen seine Wirkungsmacht abzulesen, brachte ihm eine ungeheuere Genugtuung.
Im Grunde wäre wahrscheinlich auch hier der zweite Satz ausreichend, eventuell mit einer knappen Ergänzung. Ich könnte aber nachvollziehen, wenn du auch das erste Bild behalten willst. Aber dann: "die Intensität seiner Ausstrahlung"! Das klingt doch nicht...

Die Figur zeichnest du rund, finde ich. Die Zwangshandlungen,der steife Arm und verschrobene resignierte Ende, das passt zusammen. Man kann gut zuschauen, wie sich die Schlinge zuzieht und der Mensch nur hilflos im Kreis rennt. Die Bilder fehlen ja nicht, aber du hast sie über die Länge hin öfter als nötig zugedeckt.

Wie gesagt: Länger geht's gerade leider nicht. Vielleicht kannst du trotzdem was damit anfangen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
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Besten Dank, liebe janehumphries!
Im Mittelteil rumstreichen ist keine schlechte Idee!
Herzlich
rieger

Lieber barnhelm,
ja, das klingt natürlich so nach dem behäbigen Stil vergangener Tage, da hast Du völlig Recht. Und es ist auch ein ziemlich abgedrehtes Thema, so intern und vielleicht etwas gestrig, oder gar nicht etwas, sondern ziemlich. Von daher besten Dank, dass Du Dich da durchgewuselt hast.
Die Umständlichkeit im Ausdruck, die Du anführst, ist dem auch geschuldet. Danke für die Hinweise und die Geduld, dass Du Dir das nochmal antun willst!
Herzlich
rieger

Damit kann ich, erdbeerschorsch, ein Menge anfangen. Ich war selbst unsicher wegen der ausufernden Schilderungen. Da ist sicher weniger mehr und die Umständlichkeit hat auch barnhelm angesprochen. Da ist auf alle Fälle Streichbedarf. Witzig: das mit den Gesangslehrern habe ich mir auch gedacht, es aber dann doch so allgemein gelassen.
Besten Dank für den gar nicht unausführlichen Kommentar!
Herzlich
rieger

 

Hallo rieger,
leider bin ich ziemlich grippegeschwächt und kann nicht so ausführlich schreiben. Zu deinem Text habe ich spontan gedacht: So schön und fesselnd kann Tell sein! Erinnert mich an den Stil von Novellen, hatte so richtig Kopfkino und habe mit deinem Helden gelitten.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,
über Deine Compassion mit dem armen Sänger freue ich mich sehr! Vielen Dank fürs Lesen. Und das mit Grippe! Dafür von meiner Seite aus eine ebensolche Menge Mitgefühl und herzliche Genesungswünsche!
rieger

Hallo Ronnie,
stimmt, das kann man tatsächlich aus dem Text nicht ersehen. Ich weiß es selbst auch nicht, um ehrlich zu sein. Aber da könnte man tatsächlich noch Gründe liefern. Drogen passen bei einem klassischen Sänger vielleicht nicht so gut. Vorzeitiges Altern? Eine Bindegewebsschwäche? Eine Stimmbandlähmung nach einem Stimminfarkt oder einem Schlaganfall? Hm, ich überlege mal, was plausibel wäre.
Vielen Dank jedenfalls für die Anregung und freut mich, dass es Dir im Ganzen gefallen hat!
Herzlich
rieger

 

Hallo rieger,

den Niedergang eines Gesangstalent hast Du anschaulich dargestellt. Aber es kommt, meines Erachtens, leider die Verzweiflung über seine Veränderung nicht richtig zum Ausdruck, oder ich habs beim Lesen nicht richtig gespürt. Vielleicht kannst Du da noch etwas nachlegen...

VG
PeterMa

 

Hallo PeterMa,
schön, dass Du die alte Geschichte gelesen hast!
Vielen Dank auch für die Anregung. Ich kann erst nachlegen, wenn sich das Jahr gelegt hat. Momentan liegt zu viel an. Mal sehen, was 2017 bringt.
Beste Grüße
rieger

 

Hallo rieger,

bitte räume doch dieser eindrucksvollen Geschichte ein wenig Platz ein im neuen Jahr. Ich bin gerade zufällig draufgestoßen und finde die sprachliche Brillanz sehr wohltuend.

Mich erinnern Thema und Duktus irgendwie an Thomas Mann, vor allem das Verhältnis des Künstlers zu seiner Kunst. Ich glaube, bei Interpreten ist das noch einmal besonders, da sie ja ein fremdes Kunstwerk sich aneignen müssen, womöglich sich gegen die Einvernahme wehren, auf Distanz setzen. Das ist jetzt aber nur ein ganz spontaner Gedanke von mir.

Ich hoffe sehr, du widmest dich dem Text noch einmal. Mich hat dieses Künstlerportrait richtig fasziniert.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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„Am Tag, an dem das verschwand,
da war die uft vo Kagen.
Den Dichtern, ach, verschug es gatt
ihr Singen und ihr Sagen.
Nun gut. Sie haben sich gefasst.
Man sieht sie wieder schreiben.
Jedoch:
Soang das nicht wiederkehrt,
muss aes Fickwerk beiben.“
Robert Gernhardt​

Und dabei war er im Ausdruck von einer sonderbaren Kühle, um nicht zu sagen Steifheit. Niemals gab er sich den Rollen ganz hin. Immer herrschte eine klare Distanz zwischen ihm und den Figuren, die er verkörperte, ohne dass dies der Begeisterung für ihn einen Abbruch tat. Vielleicht nährte es sogar die Sehnsucht der Zuhörer, weil es ihn wie ein Ideal, wie eine heilige Ikone des Gesangs erscheinen ließ, die unmittelbar in das Herz traf aber doch un[...]erreichbar war.

Darf einer aus Ironien, gegen dessen Stimmakrobatik Dylans Sangeskunst dem Bel(l)canto eines Caruso näher steht, als eben dieser Ironier der Polyphonie des Waschbrettes nahekommt mit / im monoTon? Der zudem Distanz wahrt zu seinen eigenen wie fremden Personen, seien sie fiktiv oder real, von einer "sonderbaren Kühle", als hätte er das Temperament eines Kühlschranks.

Klar, darf er!, wohlwissend, dass in allen und mit allen Fertigkeiten/Talenten irgendwann der Zenit erreicht und i. d. R. überschritten wird und es buchstäblich mit den Talenten abwärts geht. Da ist es gut zu wissen, wann man abtreten soll. Da muss ich wieselmausund PeterMa danken, diesen feinen Text vorm Ertrinken im Challenge bewahrt zu haben. Fein, weil ich aufgrund der behutsam eingesetzten Ironie und der eher zeitlosen als alten Sprache für eine gelungene (Künstler)Erzählung von fiktiver Biografie bis hin zu satirischen Ansätzen sehe, die noch eines gewissen Feinschliffs hinsichtlich nachweisbarer Flusen und einem unnötigen Hang, sich dem Diktat der Hilfsverben zu beugen.

Beispiele der Trivialitäten in der Reihenfolge ihres Auftritts

Und dabei war es diese Leichtigkeit, die ihn als Sänger so besonders machte.
Warum das trivialisierende „machen“, wenn diese Leichtigkeit ihn besonders „auszeichnete“ / “hervorhob“

Auf die Schulgrammatik – die ja nicht falsch ist – kann, wie hier, gelegentlich verzichtet werden, ohne dass die Zeitenfolge zu scha(n)den käme

Kometenhaft war sein Aufstieg gewesen.
m. E. kann (muss aber nicht, wohl gemerkt) das gedoppelte „sein“ um sein Partzip halbiert werden.
Im „gewesen“ schwirrt so was wie „verwesen“ mit, und dass der Gipfel erreicht, der Höhepunkt der Karriere schon überschritten ist, steht doch hier schon außer Frage.

Beim Korrekturlesen des eigenen Komms küsst mich in der Muße bei der Aktuellen Stunde eine Muse: Warum nicht die Ellipse"Kometenhaft, sein Aufstieg!", als Symbol, wie schnell dieser Aufstieg, die Zeit vom Berg aus vergeht, verfliegt geradezu. Die Zukunft verkürzt sich in dem Maße, wie die Vergangenheit wächst.

Auch hier

Nach seinem vielumjubelten Debut als Tamino am Staatstheater Stuttgart, wo er für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war, standen ihm weltweit die Türen offen.
Kann m. E. schadlos auf die zusammengesetzte Zeit verzichtet werden. In den darauf folgenden Sätzen geht‘s doch auch ohne Hilfsverb (beim übernächsten Satz „ritte“ es auch wieder ganz gut ohne ...)

, genoss das Tuscheln der Frauen, wenn er am Bühnenausgang an ihnen vorüberging[,] und sammelte ihre bewundernden Blicke.
(die Konjunktion ersetzt nicht das Komma am Ende des Nebensatzes, sondern verbindet gleichrangige Satzteile zu den Frauen

Die Intensität seiner Ausstrahlung spürte er ganz besonders in den Proben, während derer die Konzertsäle leer waren und sich nur wenige Hausbedienstete in den Rängen aufhielten.
besser vllt. "leer blieben"

Hier behaupten die Auslassungspunkte, am vorhergehenden Wort fehlte mindestens ein Buchstabe, was natürlich nicht stimmt (da wäre aber auch die schlichte Ästhetik des Apostrophs rationeller und deutlicher. Also besser eine Leerstelle zwischen letztem Buchstaben und den Punkten. Zudem ersetzen die Auslassungspunkte den abschließenden Punkt, nicht aber Frage- oder Ausrufezeichen)

: „Immer schön locker bleiben, immer schön locker bleiben[...]…“[...]

, was ihm, dem Wundersänger, einst mühelos zu[ge]flogen war.

Hier noch eine gelungene Darsellung der Distanz auch zu unserer Kunst
„Du darfst nicht deine Rolle leben, das machen Dilettanten.“ Das war sein Leitspruch. Schlackenlos, bis zur abgeklärten Kühle solle eine Interpretation, solle die Kunst überhaupt sein. Weil Subjektivismus sie erschlägt, sie verhüllt in einem Sammelsurium aus Tand und Schnörkeln. Das hielt er mit der Sprache ebenso, weshalb ihm die wortkargen Autoren besonders lieb waren. Die blumigen, sich in weiten Satzgebilden verlierenden Romanciers waren ihm zuwider.

In einem letzten Kraftakt, einem finalhaften Aufbäumen[,] beschwor er im abschließenden Lied sein eigenes Ende herauf
Der „Einschub“ wird von Kommas umschlossen … Wie auch alsogleich hier
Den letzten Vers[,] „Wisst ihr, warum der Sarg wohl so groß und schwer mag sein?“[,] sang er nicht mehr.

Und noch etwas Gefälliges für mein schwaches Augenlicht
Zu einer geradezu unappetitlichen Gewohnheit wurde sein „Einrotzen“, wie er es für sich selbst nannte. An der Bühnentür angekommen, hielt er sich zu Beginn noch heimlich, doch später ganz unverhohlen und zum Entsetzen der Türsteherinnen[,] das rechte Nasenloch zu und schnaubte durch das linke wie ein Stier, bevor er in die Arena gejagt wird. Den Vorgang wiederholte er dann in umgekehrter Reihenfolge.

Schau einfach noch mal durch, auf unnötige Hilfsverben und Zeichensetzung oder von mir übersehene Flusen.

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch schöne Tage diese Tage wünscht!

 

Hallo wieselmaus ,
mich freut das sehr, dass Du zufällig drübergestolpert bist und das Stolpern nicht bereuen musstest.
Ja, klar. Thomas Mann hat sich mehrmals mit der Künstlerproblematik beschäftigt, speziell mit Musikern in den Buddenbrooks und im Doktor Faustus ganz besonders. Da hat der Duktus, wie Du sagst, wahrscheinlich schon ein wenig abgefärbt.
Dein spontaner Gedanke trifft es ganz genau: In der darstellenden Kunst ist der Distanzbegriff sehr wichtig und vieldiskutiert. Unter Sängern gibt es ungemein wirkungsstarke Interpreten, die sich eher als Sprachrohr des Werks verstehen, als Medium, durch das ein Lied hindurchfließt. Ihr Auftreten hat eben eine fast unheimliche Kühle, die aber total faszinieren kann. Aber auch leidenschaftliche Ausbrüche sind bei ihnen immer kontrolliert und geformt. Den Gegenpol bilden Hasardeure, die aufs Ganze gehen und im Moment der Aufführung Rollen leben in allen Höhen und Tiefen. Den Typus dürfte es im professionellen Bereich kaum geben, weil eine gewisse Distanz zur schöpferischen oder nachschöpferischen Tätigkeit immer dazugehört. Aber sicher gibt es Künstler, die sich dem Typ annähern. Nietzsche hat dafür die schönen Begriffe des Apollinischen und Dionysischen entworfen, die in den beschriebenen Positionen enthalten sind. Besonders gibt es diese Fragestellung im Liedgesang. In der Oper vielleicht weniger, weil sie grundsätzlich leidenschaftlicher angelegt ist als das lyrische Lied.
Gegen Einvernahme wehren, genau das ist auch eine grundlegende Einstellung. Das gilt ja auch, denke ich mal, gegenüber eigenen Texten. Gut hat es da der Rezipient. Er kann hemmungslos schwelgen, angeekelt oder fasziniert sein. Der darf das.
Gib mir bitte noch einen Hinweis, wie Du das meinst:

Ich hoffe sehr, du widmest dich dem Text noch einmal.
Beste Grüße und frohe Weihnachtstage!
rieger


Hallo Friedrichard,
ich liebe Robert Gernhardt. Das Gedicht kannte ich nicht und ich habe mich gerade schiefgelacht. Wunderbar. Und wunderbar passend für den Text, in dem auch etwas Elementares abhanden kommt. Deine Beurteilung "zeitlos" statt "alt" freut mich. Tatsächlich dachte ich am Schluss, dass die Sache doch etwas altbacken geraten wäre, fast eklektizistisch. Aber im Stilpluralismus der Postmoderne hat vielleicht auch diese Sprache ihren Platz und wirkt im besten Fall zeitlos, wie Du schreibst.
Eigentlich hatte ich den Text schon zu den alten Liedern abgelegt. Aber Deine ausgefeilte Textkritik, die so unterhaltsam wie gerechtfertigt ist, spornt mich jetzt doch an, mich nochmal an ein Feintuning zu begeben. Weihnachten, das Fest der Termine. Ich hechle hinterher. Aber zwischen den Zeiten wird Zeit sein.
Sehr herzlich und frohes Fest!
rieger

 

Hallo rieger,
jetzt bin ich aber grad richtig froh, dass irgendjemand diese Erzählung wieder hervorgeholt hat. Was für ein wunderbarer Text. Er fasziniert mich mit seiner Sprachgewalt, seiner Genauigkeit und der eigenartigen Gewichtung des Inhalts.

Ich weiß nicht, was es ist, was mich so fesselt. Es ist weniger das Schicksal des Mannes als die Exaktheit, mit der du das Sterben seiner Stimme beschreibst und das, was es an Zwangshandlungen bei ihm auslöst - es ist quälend und packend zugleich, wie du den Kampf um seine Stimme beschreibst, es ist distanziert, ja, aber soll es das denn nicht auch so sein? Der Text handelt hier von Distanz, von dem Abstand des Mannes zur Musik. Er will sich nicht den Liedern hingeben, erst am Ende, wenn er es doch tut, um ein letztes Mal seine Stimme hören zu lassen, da gibt er die Distanz auf. Und entsprechend hast du deinen Text auch gewichtet.
Mich beeindruckt das, wenn du den Kampf, der ja distanziert geführt von ihm, so beschreibst, mit der Exaktheit, dem Ausprobieren, dennoch spürt man dass es ein Ringen ist und dann natürlich das emotional berührende Ende, wenn er seine Stimme nur dadurch für einen letzten Augenblick halten kann, indem er sie zu seiner ureigenen Stimme macht, seine Angst und Distanz vor der Musik aufgibt. Dann sind sie endlich eins geworden, Stimme und Mensch, für einen allerletzten Moment.

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht so viele Leute gibt, die mit diesem Text mitgehen wollen, ich kann das auch gut verstehen, das würde mir bei einem anderen Thema wahrscheinlich auch so gehen, wenn ich einen Text in dieser Exaktheit und Detailgenauigkeit lesen würde. Ich würde das Risiko trotzdem eingehen. Dein Text hat amS etwas sehr Eigenständiges und Individuelles.
Vielleicht berührt mich das, weil ich selbst Musik mache, auch etwas Stimmtraining betreibe und in einem Chor geduldet :) werde, und entsprechend dieses Ringen um den Ton auf irgendeine Weise nachvollziehen kann. Ich glaube schon, dass man hier mehr noch als in anderen Geschichten mit dem Thema vertraut sein muss, um es genießen zu können. Aber warum nicht? Das macht deine Erzählung ja nicht weniger kostbar.
Auf mich hat dein Erzählen, denn szenisch schreibst du (fast) gar nicht, was auch keine Kritik, sondern einfach nur eine Feststellung sein soll, den Eindruck gemacht, du beschreibst weniger einen Menschen, als eine Stimme, die in einem Mann steckt, und einen Mann, der das Pech hat, mit einer wunderbaren Stimme gesegnet zu sein. Eine Hülle und ein glänzender Schatz, der irgendwann beschließt, die Hülle zu verlassen, doch die Hülle will ihn nicht einfach so gehen lassen. Ich finde das einen faszinierenden Effekt - es entsteht eine Distanz dadurch, aber ich finde die Distanz hier genau richtig. Nicht jeder Text MUSS unbedingt Nähe und Identifikation erzeugen, das ist jedenfalls meine Sicht der Dinge. Und du gibst diese Distanz in dem letzten Moment deiner Erzä#hlung auch auf.
Auch die Genauigkeit deiner Beschreibungen, des Niedergangs von Sänger und des Weggehens seiner Stimme ist wie gesagt für mich hier angemessenes Mittel.

Klar, vielleicht gibt es Stellen im Text, wo man kürzen oder ein bisschen Redundanz herausnehmen kann, das müsste man im einzelnen sehen. Aber da geht ja immer was.
Aber sonst wäre ich ein kleines bisschen vorsichtig mit dem Überarbeiten. Ich weiß, meine Vorkommentatoren gehen meist in eine andere Richtung als ich, aber ich denke, manchmal ist es ja auch eine Entscheidung für sich selbst, was man mit seinem Text will - welche Wirkung man erreichen wollte, welches Ziel.
Und wenn du zum Beispiel den Sänger mehr als Identifikationsobjekt beschreiben willst, indem du seine Verzweiflung, seine Trauer spürbar machst, probiere das aus, aber schmeiß diese Version hier mit ihrer Distanz, die für mich so saugut zum Inhalt passt, nicht gleich über Bord, sondern heb es dir auf und vergleich immer mal wieder.
Ich schließe meinen Kommentar jetzt einfach mal mit dem, was ich nicht tun würde.
Ich würde dem Weggang der Stimme keinen Grund nachträglich einbauen. Ich weiß nicht, ich finde das so viel besser, dem Sänger passiert etwas, das er selbst nicht durchschauen kann, sein innerer Schatz hat beschlossen, ihn zu verlassen. Wenn du eine Krankheit nennen würdest, einen Tumor, Stimmbandknötchen, zu viel Alkohol oder Nikotin ganz egal, dann verändert sich die Gewichtung deines Textes. Die Stimme hat dann weniger Eigenständigkeit, ihr Sterben wird etwas Normales, Natürliches. Hier hat das Sterben der Stimme, sein Kampf um sie mit seiner endlichen Hingabe an sie, ja fast etwas Mythisches. Ich würds also grad so lassen, keinen Grund für das Schwinden seiner Stimmkraft nennen.
Und ich würde auch rein prinzipiell gesehen nicht von der Distanz und Genauigkeit lassen, wenn du den Text mal auf Wiederholungen oder überflüssige Infos durchgegangen bist. Für mich gehört die Distanz zu der Erzählung notwendig dazu. Wie auch das Verschmelzen am Schluss. Dein Stil ist dort distanziert, wo der Blick auf die Figur des Sängers und das Geschehen, auf seinen Kampf auch inhaltlich distanziert sein sollen.
Jetzt hast du es. Kannst es drehen wie du willst. Jetzt wird es nach der Überarbeitung einerseits jemanden geben, der unzufrieden ist mit deinem Text. Aber andererseits auch zufriedene Leut.
Also kannst auch grad machen was du willst - aber das kann man beim Schreiben ja eh immer. :)
Dankeschön für diesen großartigen Text. Mein Hütchen hättest du.
Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe rieger,

die schnelle Novak hat mir doch tatsächlich die Gedanken geraubt, die ich dir als Begründung schicken wollte, warum dein Text nicht in der Versenkung verschwinden sollte.

Aber der Reihe nach.

Mir hat gefallen, wie schwierige Sachverhalte in eleganter, elaborierter sprache vermittelt werden können. Präzision ist so ein Leseeindruck, der mich begleitet hat. Und natürlich Kompetenz, was den Inhalt angeht. Er ist, wie Novak sagt, sicher leichter zugänglich, wenn beim Leser eine gewisse Nähe zum Sujet besteht. Die Ausführlichkeit stört mich nicht. Also plädiere ich für ganz behutsame Kürzungen, falls du es selber als sinnvoll empfindet.

Der Text bietet aber auch noch direkte Bezüge zu dem, was wir als Wortkrieger hier im Forum tun und wie wir es tun.

Du führst Nietzsches Wortpaar "dionysisch" und "apollonisch" an. Mich erinnert diese Bezeichnung für den Zugang zum Künstlerischen an ein anderes Wortpaar von Schiller in seinem Essay "Über naive und sentimentale Dichtung". Auch dort geht es um den Zugang zur Kunst, und zwar zur Dichtkunst. Ich erinnere mich noch (vor ca. 55 Jahren), wie wir leidenschaftlich mit unserer Deutsch-Lehrerin gestritten haben, wer den nun der bessere Dichter sei, Schiller oder Goethe. Jung, wie wir waren, standen wir natürlich auf Schillers "Räuber" und "Kabale und Liebe", mit Goethes "Wahlverwandtschaften" und "Wilhelm Meister" konnten wir dagegen herzlich wenig anfangen (Anders natürlich der unsterbliche "Werther").

Hier im Forum sehe ich manchmal auch streiten über Identifkation mit den Protagonisten, Sympathie, der Aufforderung, "dahin (zu folgen), wo es weh tut ..." jimmysalaryman und anderen, die man wegen ihrer Sprödigkeit und /oderSachlichkeit schätzt.

Wenn ich genau hinschaue, hat das sehr viel zu tun mit den Kriterien, die Nietzsche und Schiller formuliert haben.

Also ein interessantes Diskussionsfeld, aber ich kann nicht einschätzen, ob sich hier im Forum genügend Interessenten finden, die dies in einem eigenen Treath verfolgen wollten.

Daher finde ich es, wie eben auch Novak, gar nicht nötig, nach Ursachen zu forschen, warum jetzt der Stimmverlust sich ankündigt. Ich stimme hier auch mit @ Friedrichard überein, dass irgendwann der Zenit erreicht und ... überschritten wird.

In der Weihnachtshektik ein schöner Text, der zu "essentials" des Schreibens zurückführt, dafür danke ich dir. Vielleicht geht ja die Diskussion weiter.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Novak,
was hier an Textkritik geleistet wird, fasziniert mich immer noch als Novize. Ich muss gestehen, jetzt gerade, wo sich vorweihnachtliche Termingeschäfte häufen, bringt es mich zeitlich recht in Bedrängnis. Auf den Kommentar muss ich aber einfach gleich antworten. Zuerst ist es ein überraschendes Revival des Textes, den ich schon ad acta gelegt habe. Umso mehr bin ich fast überrumpelt von der so positiven Reaktion darauf. Vor allem liegt es daran, was Du festgestellt hast: Dass es sich um eine im Sujet recht exklusive Geschichte handelt, mit der vielleicht Leute weinger was anfangen können, die klassische Musik nicht kennen. Das schränkt schon ein. Von daher dachte ich mir, ja, das ist schon ein wenig eine abgekapselte Welt, zu der nicht alle Zugang haben. Und Liedgesang ist auch innerhalb der Klassik eine Randnische mit einem Insider-Publikum. Umsomehr freut es mich, dass das bei Dir so gut angekommen ist. Ich werde, wenn Zeit ist, ein wenig Friedels Vorschläge zur Grammatik durchleuchten, die unabhängig von der Textaussage sind.
Auf dem Weg auch gleich: Du hast Dir so viel Mühe gemacht, auch noch den Challange-Text zu kommentieren gegen Dein ursprüngliches Gefühl in einer Länge, die an den besprochenen Text heranreicht! Und da ist ein Ausrufezeichen mehr als nötig. Das sind ungeheuer profunde Gedanken und sehr bedenkenswerte Ausführungen, die ich natürlich nicht unkommentiert lassen kann. Demnächst dazu!
Sehr herzlich
rieger

Liebe wieselmaus,
das sind hochinteressante Gedanken, die sicher an die Grundfesten künstlerischer Produktion rühren. Das Verhältnis von Inspiration und nachfolgender Formung ist da vor allem in dem Begriffspaar des Apoll und des Dionysos im Spiel und da sehe ich eine deutliche Parallele zu diesem Forum: Was als Einfall aus der Sphäre das Chaotischen und Unterbewussten reinfliegt kann im Licht der Kritik zu einer Form kommen, die im besten Fall allgemeingültig ist.
Beste Grüße
rieger

 

Hallo Riegel,

ich habe deine lange Kurzgeschicht in einem Atemzug durchgelesen. Trotz Mangels an Ereignishaftigkeit in deiner Geschichte, durfte ich feststellen, dass sie an sich ein großes Gedicht ist. In vielen (Ab)Sätzen war die schöne Melodie seines handfesten Schreibstils nicht zu überhören. Leider waren das Lyrische, diese Poesie, die die Ereignislosigkeit in der KG gut wett machen konnten - aus meiner Sicht - hier und dort durch unnötige prosaische Zeit- und vor allem Ortsangaben verstört.

Außerdem hörte ich aus der Stimmer des Erzählers heraus, dass er gewisse Symphatie zu dem Protagonisten hatte, zu seinem "Untergang". Das war eine weitere geladene Stimme in diesem "poetischen" Text, die mich etwas abgelenkt hat!

Dankend gelesen!

 

Hallo Herr Schuster,
freut mich, dass Du das Poetische in der Geschichte rausgelesen hast. Die Zeit- und Lokalangaben sind halt dazu da, um die Sache irgendwie zu verorten, um sie eben nicht nur Poesie im Niemandsland sein zu lassen, sondern einen nachvollziehbaren, realen Hintergrund zu konstruieren zur Grundproblematik des Verlusts einer künstlerischen Ausdrucksfähigkeit.
Den zweiten Absatz verstehe ich nicht ganz. Ja, eine Lust an der Darstellung des Untergangs, wie Du schreibst, ist schon da. Eine gewisse Versessenheit vielleicht, der Sache ganz genau auf den Grund zu gehen, ohne an ein Ende zu kommen. Und das Ende oder die finale Lösung ist schließlich für ihn, alle Sicherheiten fahren zu lassen und sich ganz sich selbst hinzugeben in einem Schwanengesang. Also, vielleicht magst Du das auch nochmal kurz klären, wie Du das gesehen hast. Besten Dank für Deine Zeit und
Herzlich
rieger

 

Hallo rieger,

die ist wahrscheinlich längst tief unten in der Schublade? Egal. Ich hab's gerade gelesen und mir hat's gefallen! Ist mal was anderes. Zum einen die Thematik, zum anderen die Art, wie hier erzählt wird!

Und die sonst oberflächlichen, affektierten Begrüßungsrituale der Theaterleute mit ihrem „Bussi hier“ und „Liebling da“ waren bei ihm ehrlicher, tiefer und von einer echt empfundenen Zuneigung geprägt. Nichts davon blieb.

Das hast du schön beobachtet!

An diesem Abend intensivierte er die Zeremonie dergestalt, dass er den Wasserstrahl direkt auf den geöffneten Mund richtete und röchelnd den Anfang der Bildnisarie aus Mozarts Zauberflöte, seines einstigen Bravourstücks, in den Schwall gurgelte: „Dies Willnis is beschauern schöön …“.

Für so etwas bin ich immer zu haben: Die sogenannte ernste Musik ... :lol: So ähnlich wie "Läuse Flöhe meine Lieder" ...

Den letzten Vers, „Wisst ihr, warum der Sarg wohl so groß und schwer mag sein?“, sang er nicht mehr. Er schluchzte ihn stockend in seine Tränen, die weder er, noch die Zuhörer zurückhalten konnten: „Ich senkt‘ auch meine Liebe und meinen Schmerz hinein.“

Da tut sich eine schöne Parallele auf mit dem Text des letzten Liedes aus diesem Liederzyklus, das gleichzeitig der Geschichte ihren Titel gibt.

Wie einen zu Eis erstarrten Bergsteiger, geborgen aus einer Gletscherspalte, legte man ihn auf eine Bahre und trug ihn aus dem Saal durch die Stuhlreihen hindurch, wobei er den Arm, der völlig versteift war, nach oben ausgestreckt hielt. Die Menschen nickten ihm zu, manche berührten demutsvoll die emporragende Hand oder strichen über seinen Kopf. „Es ist gut jetzt, jetzt ist es gut“, gab er beruhigend zurück.

Wieder gut beschrieben. Gut, der ausgestreckte Arm, herrje, da muss ich versuchen, Erinnerungen an finstere Kapitel der deutschen Geschichte wegzuschieben. Ob es den braucht, weiß ich wirklich nicht. Er steigert vielleicht die Szene in ihrer Intensität. Mich lenkt er ab.

Perfekt, dass es keinen medizinischen Erklärungsversuch gibt für das, was da passiert!

Alles andere gefällt mir: die Gletscherspalte und das, was er ganz zum Schluss sagt. Ich denke, er hat das Schlimmste schon überstanden. Er hat das ja die ganze Zeit antizipiert. Und nun ist es endlich eingetreten. Es ist vorbei.

Und ist es nicht ironischerweise oft so, dass derjenige, der gerade auf der Trage liegt, noch versucht, sein Umfeld zu beruhigen und zu trösten?

Man wünschte die „Dichterliebe“ von Schumann nach Gedichten von Heine.

Ich hab gesehen, das wurde dir schon ans Herz gelegt, "nach Gedichten von Heine" zu streichen. Ich kann nur sagen, ich empfinde es genauso: Es ist Infodumping.

Aber das tut deiner schönen Geschichte keinen Abbruch. Vielen, vielen Dank dafür! :)

LG, Anne

 

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