Die alte Madame
Die alte Madame erscheint mit den ersten warmen Tagen des Frühlings. Lächelnd vor sich hin läuft sie die Wege des Parks entlang, vorbei an spielenden Kindern und so manchen Eltern, die noch etwas verkrampft ihre Gesichter der sparsamen Sonne entgegenstrecken. Diese alte Frau ist unmöglich zu übersehen- wegen ihrer Kleider, die an Kostüme der früheren Filmdivas erinnern, ihres theatralisch aufgemalten Gesichts und rotgefärbten Haaren, immer zu einer ausgefallenen Frisur verarbeitet und wegen dem vielen Schmuck, der schwer ihre Ohrläppchen, ihre Arme und das faltige Dekolleté zieren. Den Namen "die alte Madame" bekam sie von anderen Parkbesuchern, die Tag für Tag vom Frühling bis in die späten Herbsttage ihr Kommen und Gehen beobachten. Sie wurde fast zu einem Maskottchen des Parks, zu einer etwas verrückten liebenswerten Attraktion, man war fast stolz so etwas einzigartiges zu besitzen. Wenn Fremde in den Park kommen, erklären die Alteingesessenen den stauenden: " Das ist nur unsere alte Madame, nette Frau, nicht ganz bei Trost aber harmlos." Manchmal kommen benachbarte Jugendliche in den Park. Sie sind laut, lachen und machen es sich auf dem Rasen bequem. Mütter betrachten ihren Einzug als ein feindliches Eindringen blicken unzufrieden in ihre Richtung, voller Sorge um ihre Mattias`s und Lisa`s. Diese Jugendlichen mögen die alte Madame. Sie geben sich cool, wenn sie ihr laut Grüße zurufen und winken übermäßig. Aber sie grüßt niemals zurück, sie scheint mit ihren Gedanken ganz wo anders zu sein. Nur einmal geschah etwas, was sie aus ihren Träumen erwachen ließ. Einem Mann wurde seine Tasche gestohlen. Er saß, so friedlich in seine Zeitung versunken, daß sich jemand einen Spaß mit ihm erlaubte. Plötzlich flitzte etwas an seiner Bank vorbei, und als er sich fragend umschaute, hatte er nur noch eine rennende Figur gesichtet, mit seiner Habe unter dem Arm. " Halt, Stop "- schrie er hilflos hinterher, und dann rannte er selbst los, doch der Dieb war schon über alle Berge- zwischen den dichten Bäumen verschwunden. Nur ein paar Menschen hoben erstaunt ihre Blicke, und die Jugendlichen auf dem Gras blickten zu ihm rüber. Sauer uns verzweifelt schaute der Mann um sich, und ein Verdacht schoß im durch den Sinn. " Einer von diesen Nichtstuern war's, ganz sicher". Wütend bewegte er sich auf sie zu. "Das war doch einer von euch, gebt `s zu!"- rief er und schwang erregt mit den Armen. "Man, wir haben doch nichts getan"- sagte friedfertig einer von ihnen, andere gaben ihm zustimmend recht- "keine Ahnung wer das war!" "Ihr könnt mich doch nicht veräppeln, ihr"- er schnappte gerade nach Luft um einen geeigneten Ausdruck für seine Entrüstung zu finden als er ein Mädchen sah, das in dem Moment auf das Grüppchen zukam, mit einer Tüte in der Hand und ihre Freunde lässig grüßte. " Ah,"- triumphierte der Mann, und packte das Mädchen fest am Arm- "jetzt geht `s zur Polizei, mein Fräulein, ich wird `s euch zeigen, unbestraft lasse ich `s nicht durchgehen!" Das Mädchen versuchte seinem Griff zu entkommen, sie habe keine Ahnung was er will, loslassen solle er sie! Einige andere Jugendliche sprangen auf und standen unsicher und eingeschüchtert umher. Der Mann zerrte das Mädchen währenddessen unbeirrt weiter, ihre Stimme klang ängstlicher, sie war dem Weinen nahe. Manche anderen Spaziergänger gaben Unmutsäuserungen von sich. Diese waren still und unsicher. "Los lassen!!!". Ein harter Schlag traf den Mann auf den Kopf. Noch lange wurde diese Geschichte im Park erzählt. Manch einer beschämt über die eigene Untätigkeit, manch einer mit Erstaunen, aber alle erinnerten sich gut an den Zorn im Gesicht der alten Madame, an die Entschlossenheit ihrer Stimme, den Stock in den zittrigen Händen. Los lassen!!!