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Die Achtbeinige

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18.04.2015
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Die Achtbeinige

Die Achtbeinige

Es war nicht das erste Mal, dass Jeremias Brandner zu einem Einsatz dieser Art gerufen wurde. Wenn er jene Zeit hinzurechnete, in der er für die Stadt die Abwasserkanäle von Ratten gesäubert hatte, hatte er weit über vier Jahrzehnte als Kammerjäger auf dem Buckel. Auch der Auftraggeber war ein alter Bekannter. Das Naturkundemuseum in der Senkenberggasse. Mit seinem feuchten Kellern und modrigen Mauern gehörte es schon seit vielen Jahren zu seinem festen Kundenstamm.
Dieses Mal musste das Ungeziefer dort besonders heftig zugeschlagen haben. Aus sicherer Quelle wusste er, dass die gesamte Konkurrenz der Stadt sich an der Säuberung des Gebäudes die Zähne ausgebissen hatte.
Nun war er gefragt. Wie üblich erinnerte man sich seiner besonderen Fähigkeiten erst zum Schluss. Dann, wenn alle gängigen Methoden versagt hatten. Wenn es darum ging, das Übel mit härteren Mitteln an der Wurzel zu packen. Doch im Grunde genommen war es gut so. Sollte er erfolgreich sein, und daran bestand nicht der geringste Zweifel, spränge für ihn dabei ein ordentlicher Bonus heraus.
Vor dem Lieferanteneingang der Anlage wartete ein hagerer Mann mit Bart auf ihn. Kaum hatte Jeremias seinen blauen Transporter rückwärts in die Einfahrt gesetzt, eilte der Mann auf ihn zu und gab ihm Zeichen, Jeremias solle ihm möglichst unauffällig in das Innere des Gebäudes folgen. Was Jeremias für übertrieben hielt, denn er war Profi und weder sein Auto noch seine Kleidung verrieten etwas über den Grund seines Besuchs.
Der Herr stellte sich als Doktor Knechter vor, Kurator des Museums. In flinken Schritten, so als könne der Kampf gegen das Ungeziefer nicht mehr länger auf sich warten lassen, führte der Doktor ihn durch die hohen Hallen. Obwohl Jeremias ein hart gesottener Bursche war, schauderte es ihm jedes Mal bei den exotischen Lebewesen in den mit Schaukästen gesäumten Räumen. Es war, als könne er die Blicke der ausgestopften Tiere in seinem Nacken spüren. Als warteten sie nur darauf, sich zu rächen. Rache zu nehmen für die unzähligen Kreaturen, die er zeit seines Lebens schon gejagt und liquidiert hatte.
Knechter blieb in einem der Korridore stehen und deutete auf einen abgedunkelten Raum schräg gegenüber. »Genau hier, zwischen den Exemplaren unserer Nasssammlung haben wir sie zuerst bemerkt«.
Die Nasssammlung war das Prunkstück des Museums. Eine gewaltige Vitrine, in der aberhunderte zylinderförmiger Behälter untergebracht waren. Jeremias trat näher und ließ seinen Blick schweifen. Jeder einzelne dieser Zylinder enthielt ein Exponat, ein Geschöpf, irgendwo und irgendwann in einem Winkel dieser Welt gefangen und anschließend für die Ewigkeit in einer honigfarbenen Flüssigkeit konserviert. Inmitten der bizarren Sammlung lebloser und aufgequollener Kreaturen in ihren gläsernen Särgen fragte er sich ernsthaft, ob ihn Knechter nicht geradewegs in das Labor eines wahnsinnigen gewordenen Wissenschaftlers geführt hatte.
Der Kurator drückte ihm eines der Ausstellungsstücke in die Hand. Das in Alkohol präparierte Wesen im Inneren des Glases hatte Ähnlichkeit mit einem Aal, dem auf wundersame Weise sechs Beine gewachsen waren. Jeremias drehte den Behälter bedächtig in seinen Händen und hätte ihn beinahe fallen gelassen. Die etwa vier Zentimeter lange Schabe auf der Rückseite des Gefäßes war zwar genauso tot wie das Exponat im Inneren, hatte ihm jedoch einen gehörigen Schrecken eingejagt.
Der Doktor grinste breit, als er in Jeremias erschrockenes Gesicht sah. »Ein besonders schönes Exemplar einer Periplaneta Americana. Auch bekannt unter der Bezeichnung Amerikanische Schabe. Davon haben wir in unserem Gebäude noch jede Menge.«
»Das glaube ich ihnen gerne«, keuchte Jeremias. »Diese Biester sind alles andere als selten. Die werden sobald nicht aussterben.«
»Wem sagen sie das«, antwortete Knechter. »Wie man diese Schädlinge aber am besten beseitigt, davon verstehen wir jedoch nichts. Das ist ihr Geschäft.«
Jeremias Blick wanderte durch den Raum. »Für die Raumecken nehme ich das Aeroxon. Mit dem Druckstäuber komme ich damit in jede Ritze. Und für die Vitrine habe ich extra ein paar Dosen DELTAKILL-T mit im Gepäck. Dieses Mittel verdunstet, ohne Spuren an ihrem kostbaren Mobiliar zu hinterlassen. Zusätzlich werde ich einige meiner speziellen Köder-Fallen installieren. Das sollte fürs Erste reichen.«
»Schön, dass sie gleich wissen, welche Maßnahmen zum Erfolg führen«, sagte der Doktor. »Die Schaben müssen weg. Wir können uns keine Negativpresse leisten. Offiziell wird das Gebäude zurzeit renoviert. Höchstens eine Woche billigt man uns dafür noch zu. Sollten wir dann nicht wieder öffnen können, werden uns die finanziellen Mittel radikal gekürzt. Das wäre das Ende des Museums.« Knechter hob den Daumen »Ich lasse sie jetzt in Ruhe arbeiten. Sie wissen nun, was auf dem Spiel steht.«
Jeremias fühlte sich, als hätte der Kurator ihm einen Mühlstein um den Hals gelegt. Diese Rede hätte sich Knechter ruhig sparen können. Eigentlich mochte er seinen Job. Ja, er war geradezu darauf versessen, die Schaben bis auf die Letzte auszulöschen. Was er jedoch aus tiefstem Herzen verabscheute, war Zeitdruck. Verärgert eilte er zu seinem Fahrzeug und wuchtete einen mit einer klaren Flüssigkeit befüllten Kunststoffkanister aus dem Heck des Wagens.

Sie zog ihre langen schwarzen Beine an ihren Körper heran. Sie hatte die Schaben ausrücken lassen. Sie hatte ihnen das Kommando erteilt und die Kakerlaken hatten ihre Stellungen bezogen. Seit ewigen Zeiten war es so gewesen; die Achtbeinige befahl, und ihre Untertanen gehorchten.
Die Achtbeinige spürte es tief in ihren alten Eingeweiden; er hatte den Köder geschluckt. Von nun ab gab es kein zurück mehr. Wie viele Jahre schon musste sie die Schmach ertragen, die er ihr und ihresgleichen zufügte. Doch dies war bald Vergangenheit. Sie hatte einen Plan geschmiedet. Hier, im Verborgenen. Die Schaben sollten nur die Vorhut sein.

Ein leichter Druck auf den Auslösehebel und ein feiner Strahl Aeroxon trat aus der Düse des Druckstäubers. Jeremias liebte das leise Zischen der Düse. Meter um Meter bahnte sich die metallene Spitze ihren Weg entlang der Ecken und Kanten. Als erfahrener Kammerjäger bräuchte Jeremias kaum mehr als drei weitere Stunden, um das Areal vollständig vom Ungeziefer zu reinigen. Danach würde er seine Sachen packen und das Gift über Nacht in die Mauern einziehen lassen. Am nächsten Tag bräuchte er dann nur noch die verendeten Schaben vom Boden aufzulesen.

Die Schabe, die Jeremias am nächsten Morgen aus einer Ritze kratzte, hatte im Todeskampf ihre Gliedmaßen an den Chitinpanzer herangezogen. Eine Wirkung des Gifts, das über Nacht durch die Fugen gegast war. Verächtlich warf er das verendete Tier in den gut gefüllten Blecheimer. Nicht, dass die Ausbeute schlecht gewesen wäre. Einige Hundert Kakerlaken hatte er an diesem Morgen schon aufgelesen. Aus seiner langjährigen Erfahrung konnte er abschätzen, dass er diesen Kampf gewonnen hatte.
Er hätte zufrieden sein können.
Neben den Schaben lag noch ein weiteres Insekt auf dem Boden. Jeremias griff er mit der Spitze seiner verchromten Zange danach. Dieses Tier war weitaus größer und besaß zudem Flügel. Behutsam drehte er es vor seinen Augen. Es sah aus wie eine asiatische Riesenhornisse. Obwohl er diese Art nur aus Büchern kannte, gab es daran keinen Zweifel. Doch wie um alles in der Welt kam so eine Hornisse in das städtische Museum? Ob es durch eines der Präparate mit eingeschleppt worden war? Das wäre die einzig logische Erklärung. Wie auch immer, der Fund verdarb ihm gründlich die Stimmung. Denn er wusste nur zu gut; Hornissen kamen niemals einzeln vor.

Träge vergingen die Stunden in der Dunkelheit. Träge wie die Tropfen, die durch die Decke der Kanalisation sickerten und an den Wänden herabrannen. Sie spürte, dass es an der Zeit war. Bald schon würde sie ein weiteres Mal ihre Fänge nach ihm ausstrecken. Bald schon würde ihre nächste Streitmacht ins Feld führen. Und diesmal sollte er auf der Hut sein. Diesmal waren sie bewaffnet.

Das Geräusch eingerosteter Angeln hallte an den Wänden wider, als Jeremias die Kellertür zum Fundus öffnete. Wie gut, dass er für die meisten Türen des Museums seine eigenen Schlüssel besaß. Die hatten sich über die Jahre hinweg an seinem Schlüsselbund angesammelt. Doch das musste Knechter nicht wissen. Es war sowieso besser, wenn der Kurator oben in seinem Büro über irgendwelche Papierstapel hockte und ihn in Ruhe arbeiten ließ. Jeremias hatte es noch nie gemocht, wenn sich seine Kundschaft zu sehr für seine Arbeit interessierte.

Das kalte Licht der Neonbänder startete automatisch nach den ersten Schritten. Der Geruch feuchten Moders schlug Jeremias entgegen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er genau hier, hier unten in den Kellern des Museums, auf das Nest der Hornissen stoßen würde. Er schritt den Gang ab und leuchtete mit dem Handscheinwerfer in die Winkel und Nischen. Zu seiner Überraschung sah er jedoch kaum Ungeziefer. Nur hier und da erwischte er einen Weberknecht oder ein paar Silberfischchen, die aufgescheucht durch den hellen Lichtstrahl seiner Lampe in den nächsten Spalt huschten. Just wollte er umkehren, als ein markantes Brummen ihn zusammenzucken ließ.
Schritt um schritt ging er rückwärts zum Eingang zurück. Er versuchte, flach zu atmen, wusste er doch, dass der menschliche Atem diese Tiere geradezu anzog. Er machte einen plötzlichen Schwenker mit dem Scheinwerfer - und sah den ersten fliehenden Schatten. Das Vieh war kaum zu übersehen. Die pechschwarze Hornisse, die dort die Decke entlang brummte, war mindestens daumendick und gut fünf Zentimeter lang. Sofort war ihm klar, dies würde ein harter Kampf für ihn werden.

Jeremias trug den letzten Teil seiner Ausrüstung die Kellertreppe hinab, öffnete die Tür zu einem Vorratsraum, den er sich in den letzten Stunden zu seinem provisorischen Quartier umgebaut hatte, und sortierte den Vollschutz aus weißem Polyester in eines der Holzregale ein. Der Anzug war eine Maßanfertigung und bestand aus einem stabilen sowie reißfesten Material. Ihn würde er auf jeden Fall benötigen, sollten die Insekten so aggressiv sein, wie er befürchtete. Auch würde er sein Atemschutzgerät brauchen, dass er vor Jahren zu einem Spottpreis der ortsansässigen Feuerwehr abgekauft und anschließend für seine Zwecke umgerüstet hatte. In den langen und engen Kellern wäre es sonst unmöglich, mit Gift oder Rauch zu arbeiten. Das wäre glatter Selbstmord. Er schaute sich um. In den letzten drei Stunden hatte er diese und weitere Geräte aus seinem Geschäft nach hierher transportiert. Das Lager seiner Firma war beinahe leer geräumt.
Der Kampf konnte beginnen.

Der Schweiß tropfte ihm stetig in den Nacken. Auch wenn der Vollschutz trotz seiner Festigkeit erstaunlich leicht war, so steckte er doch in einer Luft undurchlässigen Montur, die seine Bewegungsfreiheit spürbar einschränkte. Bei jedem einzelnen Schritt spürte er den Puls in seinen Adern. Er zwang sich zur Ruhe und arbeitete sich weiter Meter um Meter durch das lange Kellergewölbe voran.
Beinahe war er am Ende des Korridors angelangt, als erneut eine Hornisse über seinem Kopf brummte. Jeremias blickte nach oben, nahm eben noch wahr, wie das Insekt hinter einer der Neonröhren verschwand.
Daran hatte er noch gar nicht gedacht! Mit dem Lichtstrahl seines Scheinwerfers fuhr er über das Leuchtenband an der Decke - und stoppte abrupt. Unterhalb der Abdeckbleche, in einer Fuge unter den Elektroleitungen, wimmelte es nur so von kleinen braunen Körpern. Diese schlauen Biester hielten sich doch tatsächlich in den Lampen versteckt!
Er schloss sein Helmvisier und schaltete das Atemgerät ein. Immerhin, die Hornissen machten keine Anstalten, ihn zu attackieren. Er richtete die Augen auf das Lampenband über seinem Kopf und schritt vorsichtig über den Gang. Der Gang endete jedoch nicht nach ein paar Metern, wie er zuvor dachte, sondern zweigte abrupt nach rechts ab. Jeremias leuchtete um die Ecke - und wurde fündig.
Das Nest war so groß wie ein Ballon!
Jetzt, wo der Anzug ihn komplett von der Außenwelt abriegelte, spürte er, wie ihm der Schweiß aus jeder Pore ran. Das Summen und Brummen der Hornissen vernahm er nur noch gedämpft. Dafür hörte er seinen eigenen Atem in den Ohren rasseln. Er bewegte sich schwerfällig wie ein Taucher. Sein Puls raste. Lange würde er das nicht aushalten.
Er musste handeln.
Rasch griff er nach dem flaschenförmigen Behälter mit dem Giftschaum, drehte den Messinghahn auf, warf sich die Apparatur über die Schulter und nahm die Schaumlanze auf. Das Gerät hatte er eigens für seine Zwecke umgebaut. Eine Spezialdüse am Ende der Lanze erhöhte noch einmal die Reichweite und erlaubte es ihm, aus sicherer Entfernung zu arbeiten.
Natürlich wusste er, dass Hornissen unter Naturschutz standen, dass man sie nur unter bestimmten Bedingungen entfernen durfte, und auch nur dann, um sie woanders wieder auszusetzen. Doch solche Dinge hatten ihn nie interessiert. Für ihn waren sie nur Schädlinge. Lästiges Ungeziefer, das es zu vernichten galt, solange noch Zeit dafür war.
Kaum hatte er sich auf das Nest zubewegt, als er einen stechenden Schmerz an seinem rechten Bein spürte. Konnte das sein? Konnte das wirklich sein? Eines dieser Biester hatte es wahrhaftig geschafft, sich mit seinen scharfen Kauwerkzeugen durch den dichten Stoff zu fressen! Blitzschnell schlug er die Hornisse von seinem Anzug. Wut kochte in ihm hoch. Gleichzeitig merkte er, wie er durch seinen Zorn den Zorn des gesamten Staats dieser riesenhaften Insekten auf sich zog.
Er biss die Zähne zusammen und drückte den kleinen roten Hebel der Lanze bis zum Anschlag durch. Ein Strahl giftigen Schaums schoss heraus. Die klebrige Masse hüllte das Hornissennest im Nu ein. Der Spezialschaum trocknete auf der Stelle und verwandelte das Nest der Tiere in ihr sicheres Grab.
Immer mehr Hornissen kreisten um seinen Kopf, er spürte ihre Erregung, sah, wie sie sich aus allen Richtungen auf ihn stürzten, wie sie an seiner Montur klebten, wie sie sich durch seine Kleidung fraßen, wie sie sich bis auf seine nackte Haut durchbissen.
Rückwärts taumelte er dem Ausgang entgegen, versuchte die Schmerzen, die vielen Stiche und Bisse, zu ignorieren. Seine Kraft ließ spürbar nach. Sein Atemgerät engte ihn ein, er bekam kaum noch Luft. Wieder und immer wieder schoss die Lanze giftigen Schaum. Auf die Leuchtbänder, auf die Wände, auf alles, was sich bewegte. Endlich erreichte er den Ausgang. Mit letzter Kraft warf er sich gegen die schwere Eisentür, torkelte aus dem Gang, schmiss die Tür hinter sich zu, riss sich den Helm vom Kopf, glitt zu Boden und atmete tief durch.
Nur wenige der Insekten hatten den Weg nach draußen gefunden, die sich bald darauf in die Weiten des Museums verzogen. Sie zu verfolgen wäre sinnlos. Er wusste, dass es unbedeutende Arbeiterinnen waren, die ohne ihre Königin und ihr Nest bald von selbst abstürben.
Sein Vollschutz hatte erheblich gelitten. Nachdem er zu seinem Quartier zurückgekehrt war, überprüfte er den Anzug. Er zählte über zwanzig hineingebissene Löcher. Genauso viele Stiche und Bisse hatte seine Haut davongetragen. Obwohl er sie umgehend mit Heilsalbe behandelte, brannte sie wie Feuer. Er beschloss, sich auf seinem Feldbett bis zum morgigen Tag auszuruhen. Für heute war es genug. Die Menge an Giftschaum, die er in den fensterlosen Kellergang hineingepumpt hatte, hätte ausgereicht, eine ganze Kompanie zu vergiften. Bis morgen früh hätte sich das Gift jedoch so weit abgebaut, dass er, ausgerüstet mit seinem Atemschutz, den Korridor wieder betreten konnte.

Es war, als könne sie ihn riechen. Als könne sie seine Ausdünstungen wittern. Sein Odeur, das wie ein feiner Schleier durch die Hallen zog. Der Hauch der Pheromone, die getrieben durch Angst und Zorn aus seinem Körper strömten und sich in alle Winde verteilten. Für sie war es wie ein Konzert aus Düften. Verzückt schob sie eines ihrer borstigen Beine aus dem dichten Kokon. Sie wusste, er konnte nicht mehr zurück. Er käme wieder. Und bald schon würde er in ihrer sicheren Falle zappeln.

Er öffnete die Tür nur einen Spalt und spähte in alle Ecken. Obwohl er wusste, dass nichts die gestrige Giftattacke überlebt haben konnte, saß ihm doch die Furcht im Nacken. Die Furcht, jenes Brummen würde erneut hinter der Stahltür auf ihn lauern, nur um sich ein weiteres Mal auf ihn zu stürzen.
Seine Muskeln waren angespannt. Sollten die Viecher plötzlich wie aus dem Nichts vor seinen Augen auftauchen, stieße er das Türblatt in Sekundenschnelle zurück in die Zarge. In solchen Momenten verdrängte sein Instinkt jegliches rationale Denken.
Doch es herrschte Stille.
Er zuckte zusammen, als sich das Leuchtenband über seinem Kopf einschaltete und das verheerende Ausmaß der gestrigen Schlacht in ein fahles weißes Licht tauchte. Es mussten Tausende sein. Über den Korridor verteilt lagen Tausende kleiner lebloser Körper. Mit der Schuhspitze stieß er gegen eines der Insekten. Das schwarze Ding war starr wie ein toter Ast.
Er machte einen Schritt nach vorne. Der Chitinpanzer einer der Hornissen knackte unter seiner Stiefelsohle. Am liebsten hätte er sie alle zertreten, wäre wie ein kleines Kind auf den toten Körpern herumgesprungen, um diese Plage ein für alle Mal unter seinen Füßen zu zermalmen. Doch er beherrschte sich, dachte daran, dass der Keller nach wie vor bis oben hin voller giftiger Gase sein musste, und setzte seinen Atemschutz auf.
Bis zum Ende des Ganges waren es kaum fünfzig Meter. Komisch, gestern war ihm der Korridor erheblich länger vorgekommen. Kurz vor dem abzweigenden Kellerraum schaltete er seinen Scheinwerfer ein. Der helle Lichtkegel beleuchtete das Nest, dass nun aussah wie ein toter brauner Klumpen. Vorsichtig ging er darauf zu, beäugte es eingehend, ob sich nicht doch noch aus irgendeiner Ritze gierige schwarze Fühler streckten.
Dann plötzlich gab der Boden unter seinen Füßen nach.

Der Scheinwerfer glitt ihm aus der Hand. Noch einmal zuckte ein Lichtstrahl quer durch den Raum, dann barst das Glas und das Licht erlosch. Er selbst wirbelte durch die Luft und schlug auf etwas Weichem auf. Eine Schrecksekunde später rappelte er sich auf die Beine und versuchte, sich zu orientieren. Der karge Schein der Kellerleuchten drang durch die Einsturzstelle zu ihm nach unten. Er musste knapp drei Meter tief gefallen sein. Was ihn hatte so weich fallen lassen, war nichts anderes gewesen als der unter seinen Füßen zusammengebrochene Holzboden. Er hätte sich alle Knochen brechen können. So aber schien er sich bis auf ein paar Prellungen keine weiteren Verletzungen zugezogen zu haben.
Die Dielen waren durch Aufprall geradezu pulverisiert worden. Er griff nach einem Reststück vor seinen Füßen. Er ließ sich zusammendrücken wie faules Papier. Dass der älteste Trakt des Museums aus Holz bestand, wusste er. Aber konnten die Bohlen deswegen so morsch sein? Seltsam, das Holz der senkrechten Stützbalken war bestens in Ordnung. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, dass dies das Werk von Termiten war. Diese Tiere waren Zellulosefresser und konnten mit ihren scharfen Mundwerkzeugen in kürzester Zeit ganze Baumstämme zerlegen. Aber von Termiten in dieser Region hatte er noch nie etwas gehört. Wie auch immer, jetzt galt es erst einmal, zurück nach oben zu gelangen.
Nachdem sich seine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schaute er sich um. Er befand sich in einem gewölbeartigen Schacht. Er spürte einen Luftzug und ertastete bald schon die Randsteine eines Durchgangs. Die Luft daraus roch nach Unrat. Das hier musste ein ehemaliger Abwasserkanal sein. In seiner jetzigen Situation, ohne Licht und bar jeder Ausrüstung, würde er sich hüten, den Weg durch den Kanal zu nehmen. Doch wie sollte er nur hier wieder nach oben kommen? Ein betagtes Pumpengestell am Rande des Stollens erregte seine Aufmerksamkeit. Möglicherweise konnte er es als Leiter benutzen.
Kaum hatte er das Gestell unter die Einsturzstelle gewuchtet, als es hinter ihm quiekte. Das Geräusch fuhr ihm durch Mark und Bein. Wie oft hatte er es schon gehört! Eigentlich brauchte er sich gar nicht erst umzudrehen, was er instinktiv tat und just auf eine Schar Ratten blickte, die aus jenem Stollen huschten, in dem er eben erst seinen Kopf gesteckt hatte. Aggressiv waren die Biester, schossen sofort auf ihn zu. Bestimmt waren sie bis auf die Knochen ausgehungert.
Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit erklomm er seine provisorische Leiter, die just in dem Moment unter seinen Füßen wegbrach, als er mit einer Hand festen Halt am Durchbruch fand. Instinktiv schoss seine andere Hand nach vorne und bekam gerade noch den Rand des Bodens zu fassen. Plötzlich spürte er einen scharfen Biss in seiner linken Wade. Der Schrecken jagte so viel Adrenalin durch seine Adern, dass er aus dem Durchbruch hechtete und bäuchlings in den toten Hornissen landete. Die Ratte, die ihm den Biss zugefügt hatte, wurde vor ihm auf dem Rücken geschleudert. Das pelzige Tier ruderte mit seinen kurzen Beinchen, drehte sich blitzschnell wieder auf seine Füßchen und sprang quiekend in den Schacht zurück.

Die Jodtinktur brannte fürchterlich, als er sie auf die offene Wunde träufelte. Doch es musste sein. Wer weiß, welche Seuche er sich sonst einfinge. Nachdem er zurück in sein Quartier gehumpelt war, hatte er sofort nach dem Erste-Hilfe-Set gegriffen, die Hose an der Bissstelle aufgeschnitten und die Wunde ausbluten lassen.
Als er sich den Verband anlegte, kochte ein weiteres Mal die Wut in ihm hoch. Was war hier nur los? Dieses verflixte Gebäude war geradezu von Schädlingen durchsetzt! Am besten wäre es, wenn man es bis auf die Grundmauern niederbrannte. Vielleicht sollte er Knechter diesen Vorschlag unterbreiten? Er musste lachen, als er an den Kurator dachte, der zwei Etagen über ihm seelenruhig in seinem Büro saß, und von alldem nichts mitbekam. Er dachte nach. Im Grunde genommen war sein Gedanke alles andere als lächerlich.

Jeremias zog die letzten Schrauben an dem Stahlgerüst fest, an dessen Streben vier wuchtige Baustrahler ihr grelles Licht in den Abwasserstollen schickten. Er nahm sich einen der beiden Benzinkanister, die er zuvor am Rand des Durchbruchs abgestellt hatte, und betankte damit seinen Unkrautbrenner. Dann schnallte er sich das Gerät, das er für solche Fälle speziell präpariert und umgebaut hatte, auf die Schultern. Er schob die Aluminiumleiter aus, stellte sie in den Durchbruch und stieg hinab in die Tiefe.
Keine Ratte weit und breit. Das helle Licht musste die Tiere verscheucht haben. Vor dem Stollen blieb er stehen, setzte sich die Atemmaske auf das Gesicht und gab einen ersten Feuerstoß. Eine gut vier Meter lange Stichflamme schoss aus dem Metallrohr des Brenners und versenkte die Fäulnis in den Ritzen des Mauerwerks. Bleierner Dampf stieg auf und vernebelte die Sicht. Trotzdem wagte er sich tiefer in den Stollen hinein. Die Wucht der Flamme hatte ihm ein Gefühl von Macht und Stärke gegeben.
Nach wenigen Metern stieß er auf einen Seitenarm der Kanalisation. Sollte er sich da hineinwagen? Nein, besser war es, den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Er wusste, wie schnell man sich in dem dichten Netzwerk der Kanäle verlaufen konnte. Er jagte einen Feuerstoß in den Seitenarm und folgte weiter dem Hauptgang.
Ein Quieken hallte an den Tunnelwänden wider. Reflexartig gab er einen weiteren Feuerstoß aus seinem Brenner. Wie gerne hätte er diese Nager geröstet! Denn offensichtlich hielten sie ihn zum Narren. Im orangefarbenen Schein der Flamme zeigte sich kein einziges dieser Tiere.
Jeremias keuchte, der Schweiß kroch ihm aus den Poren und er fühlte sich schwindelig. Der Rattenbiss setzte ihm mehr zu, als er geglaubt hatte. Einen Augenblick hielt er inne. Er musste sich zusammenreißen, er wollte dieses Ungeziefer unbedingt vernichten! Am besten war es, rasch zuzuschlagen. Rein in den Tunnel, den Flammenwerfer sein Werk verrichten lassen und dann nichts wie weg! Nur schnell raus aus diesem verfluchten Gebäude! Jeremias kniff die Augen zusammen und schritt voran. Eine weitere Feuersalve jagte aus seinem Werfer. Dann noch eine und noch eine. Begleitet vom Quicken der Ratten, die einfach nicht auftauchen wollten. Als ob sie ihn verhöhnten. Überhaupt verhielten sich die Schädlinge in diesem Gebäude, als seien sie verhext. So ein aggressives und zugleich raffiniertes Verhalten hatte er noch nie erlebt.

Es war angerichtet! Ihre Untertanen hatten ganze Arbeit geleistet. Auch wenn ihre Verluste zahlreich waren. Doch darum hatte sie nie etwas gegeben. Einzig und allein das Ergebnis zählte. Und das Ziel war näher als je zuvor. Gemächlich tasteten sich ihre acht langen Beine entlang der Tunneldecke und hoben ihren schwarzen Körper empor. Ihr Leib vibrierte vor Erregung.

Der Stollen mündete in ein Sammelbecken. Von hier aus zweigten zahlreiche weitere Gänge ab. Es ängstigte ihn, in so viele finstere Röhren zu schauen. Nicht auszumalen, was sich darin alles verbergen konnte. Doch zumindest war das Sammelbecken ausreichend groß und somit gut überschaubar. Er positionierte sich in die Mitte und horchte in die Stille.
Das Quieken kam näher. Und nicht nur das. Es quiekte nun aus allen Richtungen! Diese verdammten Biester! Sollten sie ihn etwa in die Falle gelockt haben? Das war doch unmöglich! Noch während er darüber nachdachte, ob dies wahrhaftig sein könnte, tauchten Dutzende spitzmäuliger Nager aus den Röhren auf und stoben auf ihn zu.
Er drehte sich im Kreis, jagte einen Feuerstoß nach dem anderen auf die Ratten, versenkte ihre Felle, ihr Fleisch. Die Hitze brannte ihm durch den Anzug. Ruß, Hitze und Schweiß setzten sich auf das Visier seines Atemschutzes. Er konnte kaum noch schauen. Jeremias riss sich die Maske vom Kopf. Ein bestialischer Gestank, eine Mischung aus dem Geruch verkohlter Kadaver, Unrat und verbrannten Gasen drang ihm in Mund und Nase. Doch es war ihm egal. Er gab weitere Feuerstöße, schoss immer weiter.

Erst jetzt bemerkte er den stechenden Benzingeruch und schaute an sich herab. Eines dieser Viecher hatte den Schlauch seines Flammenwerfers angebissen! Kraftstoff tropfte auf seine Hose und auf seine Stiefel. Bald schon würde er in einer Pfütze aus Benzin stehen.
Kaum hatte er sich das Gerät vom Leib geschnallt und im weiten Bogen von sich geworfen, als der Raum um ihn herum in Flammen aufging. Gleißende Feuerwalzen krochen über die Wände, waberten durch den Stollen, Wucht und Hitze trafen ihn und warfen ihn zu Boden.

Schmerz. Es spürte nur noch Schmerz. Seine Ohren dröhnten. Er konnte kaum mehr atmen. Giftige Dämpfe setzten sich in seine Lunge. Mühsam hob er den Kopf. Das Feuer war erloschen, doch nach wie vor züngelten bläuliche Flammen aus den Trümmern und hüllten den Raum in ein gespenstisches Licht. Er hob den Kopf ein weiteres Stückchen an, wollte aufstehen, doch er spürte seine Beine nicht.
Die Ratten waren weg. Möglicherweise hatte die Explosion sie alle erwischt. Doch eher hatten sie Reißaus genommen. Schlaue Viecher, dachte er. Das würde er am liebsten auch tun.
Am Rande des Beckens nahm er eine Silhouette wahr. Das, was dort gerade aus einer der Röhren trat, konnte unmöglich wahr sein. Dem Umriss nach zu urteilen, hatte das Biest acht Beine und war so groß wie ein Kalb.
Das Ding bewegte sich, kam auf ihn zu. Sicher narrten ihn nur seine Sinne. Das war einfach nicht möglich! Eine gewaltige Spinne kroch auf ihn zu! Warum nur musste sich sein gepeinigtes Hirn solch einen Albtraum einfallen lassen?

Dieses schwarze Monster biss ihn! Der Biss schmerzte fürchterlich und war bittere Realität! Er spürte, wie das Gift sich in seinem Körper ausbreitete und seine Glieder lähmte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf einen wuchtigen Leib, aus dem ein seildicker Faden schoss, starrte auf armdicke behaarte Beine, die ihn geschickt in die Spinnenseide einwickelten. Jeremias Luft reichte eben noch für einen letzten Stoßseufzer.

Dann hüllte ihn die Dunkelheit für immer ein.

 

Hallo Feuerwalze,

es freut mich, dich mit meiner Geschichte gut unterhalten zu haben.
Du findest Jeremias Brandner nicht sonderlich symphatisch und möchtest ihn deswegen noch ein wenig mehr leiden sehen? Dank deines Hinweises wird mir für ihn bestimmt noch etwas einfallen.

Gruß Wilbert

 
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Hallo Wilbert,

Es war nicht das erste Mal, das Jeremias Brandner

Das/s-Fehler gleich zu Beginn ist schon ein Rausschmeißer. Namen sind so ... ist es zu Hans-Meier-mäßig, sind sie schnell vergessen, aber Jeremias klingt echt beknackt (Sorry an alle mitlesenden Jeremiasse – es geht hier nur um den Sound innerhalb der Geschichte).


Nein, ein Anfänger war er beileibe nicht.

Text auf Füllwörter flöhen: Er war kein Anfänger.


Das um die Jahrhundertwende im Jugendstil erbaute Naturkundemuseum

Informationen großflächiger verteilen (Das Museum in der ...gasse), sonst kommt der Text ins Stolpern.


Dieses Mal musste es das Museum

Museum war gerade erst, klingt nicht schön. Diesmal hatte das Ungeziefer offenbar besonders heftig zugeschlagen.


Wie üblich erinnerte man sich seiner besonderen Fähigkeiten erst zum Schluss. Dann, wenn nichts anders mehr ging.

anderes. Den Inhalt musst du erklären. Am besten mit einem Beispiel. Sind seine Methoden so unorthodox? Musste der Mensabetrieb in der Uni mal drei Monate ausgesetzt werden, weil er Chemiezeugs benutzt, das selbst in China auf der schwarzen Liste steht?


Vor dem Nebeneingang, einem geschwungenen mahagonifarbenen Holztor

Das ist ungenau, weil das Tor nicht der Eingang ist. Der liegt dahinter.


blauen Van

Lieferwagen, Firmenwagen, Kombi mit Firmenlogo auf den Türen


er möge ihm unauffällig in das Innere des Gebäudes folgen

der Kammerjäger, sonst ist das „er“ an dieser Stelle schwer zuzuordnen.


Was Jeremias für völlig überflüssig hielt, denn er war Profi und weder sein Auto noch seine Kleidung verriet irgendetwas über den Grund seines Besuchs.

Verrieten. Und warum überflüssig? Ist er eingeschnappt, weil er sich für unauffällig hält und der hagere Bartträger sofort weiß, worum es geht? Das müsste dann anders formuliert werden (überrascht).


den frisch ernannten Kurator des Museums

der frisch gebackene Bäckerlehrling … Er stellte sich als Dr. Knechter vor, Kurator des Museums.


keine Minute mehr länger auf sich

mehr raus


Obwohl Jeremias ein hart gesottener Bursche war, schauderte es ihm jedes Mal bei den mit Berggorillas, Braunbären und Wölfen gesäumten Räumen.

Hart gesotten … das geht eleganter und weniger abgegriffen. Insekten und Kleintiere, bei denen es andere schauderte, ließen ihn kalt. Die ausgestopften Wölfe, Bären und Gorillas aber … für Jeremias waren sie der Stoff, aus dem Alpträume sind.


Rache zu nehmen für die unzähligen Kreaturen, die er zeit seines Lebens schon gejagt und liquidiert hatte.

Das ist ja dann so ähnlich wie in der Kakerlaken-Geschichte von Creepshow. Allerdings frage ich mich, warum Wölfe und Bären sich im Namen von Termiten u.ä. rächen sollten. Sind ja nun keine Blutsverwandten.


Die Nasssammlung des Museums war im Grunde genommen eine gewaltige Vitrine

Füllwörter! Besagte Sammlung war eine gewaltige Vitrine …


Es war geradezu gruselig.

Eine der wichtigsten Lehren, wenn man Gruselgeschichten schreibt. Schreib nicht, dass etwas gruselig ist. Das ist so, als wenn du im Agententhriller von einer „spannenden“ Verfolgungsjagd schreibst, anstatt zu BEschreiben, was da passiert. Dieser Das-ist-gruselig-Knopf sitzt da, wo auch der Das-ist-lustig-Knopf sitzt – bei jedem Menschen woanders. Beschreibe etwas, das du gruselig findest, und überlasse dem Leser die Entscheidung, ob er das auch so sieht.


ob ihn Knechter nicht geradewegs in das Labor Doktor Frankensteins geführt hatte.

Das ist albern. Zumal ich mich nicht an irgendwelche eingelegten Tiere erinnern kann. Aber das Buch liegt bei mir auch schon eine ganze Weile zurück.


Periplaneta Americana. Auch bekannt unter der Bezeichnung Amerikanische Schabe.

So reden Menschen nur in deutsch synchronisierten Fassungen von US-Filmen. Gibt’s diese Schaben in Deutschland überhaupt?


aber am besten beseitigt, davon verstehen wir jedoch nichts.

Aber und jedoch ist doppelt gemoppelt, Herr Dr. Knechter.


Und für die Vitrine habe noch ein paar

Fehlt was.


KPX500

Ausgedacht? Ja, oder? Wozu? Es gibt doch genug echte Vertilgungsmittel. Stichwort Glaubwürdigkeit. Recherchieren.


Höchstens eine Woche billigt man uns dafür noch zu. Sollten wir binnen einer Woche

Der Dr. Knechter wiederholt sich aber oft.


wünsche ihnen

I


Sie wissen nun, was auf dem Spiel steht.«
Jeremias fühlte sich, als hätte der Kurator ihm einen Mühlstein um den Hals gelegt. Diese Rede hätte sich Knechter ruhig sparen können. Eigentlich liebte er seinen Job. Ja, er war geradezu darauf versessen, die Schaben bis auf die Letzte auszulöschen. Was er jedoch aus tiefstem Herzen verabscheute, war Zeitdruck. Verärgert eilte er zu seinem Fahrzeug und wuchtete einen mit einer klaren Flüssigkeit befüllten Kunststoffkanister aus dem Heck des Wagens.

Mal zum Inhalt: Warum versaut ihm das so den Tag, dass der Knechter um die Existenz seines Museums bangt? Er bekommt sein Geld dafür, dass das Ungeziefer weg geht. Alles darüber hinaus kann ihm doch schnuppe sein.


Jeremias liebte das leise Zischen der Düse.

liebte ist vielleicht ein bisschen viel …


Es war, als wispere das Gerät. Als spräche es zu den Schaben. ’Weicht zurück ihr Kreaturen der Nacht, ihr Ausgeburten der Finsternis. Ihr habt eine Grenze überschritten, die ihr nicht hättet überschreiten dürfen. Hier herrschen wir, die Menschheit, die Zivilisation, der Geist Gottes! Ihr jedoch kriecht zurück in eure Löcher, krabbelt zurück in eure dunklen Ritzen’.

Das würde ich ersatzlos streichen. Du gibst die Geschichte an dieser Stelle komplett der Lächerlichkeit preis.


die metallene Spitze des Druckstäubers seinen Weg

Sorgfältigere Schlussbearbeitung. Die Spitze macht sich auf IHREN Weg.


Das Auflesen war für ihn ein besonderer Hochgenuss. Er nannte es, seine Ernte einfahren.

Auch das ist zu dick, zu viel … echt albern.


im Todeskampf auf groteske Weise ihre Gliedmaßen an den Chitinpanzer herangezogen

Grotesk … ich denke, den Anblick von vielbeinigen Insekten, die im Tod ihre Beine anziehen, hat jeder schon mal gehabt. Das ist ziemlich alltäglich.


Träge wie die Nässe, die durch die feuchte Decke

Bei Nässe ist klar, dass die Decke feucht sein muss. Und was macht träge Nässe aus?


Bald schon würde sie ihre nächste Streitmacht ins Feld führen.

Dieses militärische Vokabular macht die Stimmung kaputt. Auch wenn man bei Bienen und Ameisen ja soweit ich weiß tatsächlich von Soldaten spricht. Ich würde da eher was aus dem Bereich Jagd/Beutetier nehmen. Das ist … gruseliger. :)


Es quietschte markerschütternd, als er die Kellertür zum Fundus öffnete
Das Quietschen der Tür könnte in seinen Ohren dröhnen. Sowas ist immer spannender zu lesen, als wenn etwas einfach so ist.


Der Doktor war ein Wichtigtuer, der sich nur zu gerne ins Rampenlicht stellte.

Das weiß er, weil sie schon fast fünf Sätze miteinander gewechselt haben, oder was?


Feuchte abgestandene Luft sowie ein eigenartig modriger Geruch schlugen ihm entgegen.

Der Geruch feuchten Moders schlug ihm entgegen.


auf das Nest der Hornissen stoßen werde.

würde, wegen Präteritum.


Von jetzt auf gleich lagen seine Nerven blank.

Zwei Floskeln in einem Satz.


Es setzte seine Schritte vorsichtig, so als würde auch nur das leiseste Geräusch die Hornissen dazu veranlassen, sich mit einem Mal auf ihn zu stürzen.

Übererklärend, überflüssig. Er machte vorsichtige Schritte.


Verdammt - gegen derartige Kaliber musste er alles auffahren, was er hatte!

Würde ich streichen.


öffnete die Tür zu einem Vorratsraum, den er sich zu seinem neuen Hauptquartier umgebaut hatte

Okay, also … er als Kammerjäger war schon mal im Museum. Aber so regelmäßig, dass er da quasi sein eigenes Büro hat? Als Museumsdirektor würde ich den Anbieter wechseln.


Der Schweiß tropfte ihm unangenehm in den Nacken.

unangenehm raus. Die Leute, die das nicht als unangenehm empfinden, werden sich auch nicht davon überzeugen lassen, dass das da steht. Ist wie gruselig.


als er ein weiteres Mal das Brummen einer Hornisse an seine Ohren drang.

er raus


Er kam sich vor wie ein Taucher. Oder wie ein Astronaut auf dem Mond. Verdammt, wie schwerfällig der Anzug doch war! Er zitterte vor innerer Anspannung, sein Puls raste. Eines war ihm klar, lange konnte er es in der Montur nicht aushalten. Er musste schleunigst handeln.

Er bewegte sich schwerfällig wie ein Astronaut. Sein Puls raste. Lange würde er das nicht aushalten. Er musste handeln.


Sein Odeur, der

das


In solchen Momenten verdrängte der menschliche Instinkt jegliches rationale Denken.

Wer sagt das? Und warum?



Puh. Ich mag die Grundidee, dass ein irgendwie besessener Kammerjäger in den immer tiefer liegenden Gängen unter einem Museum seine Nemesis in Form einer Riesenspinne (vielleicht lieber Kakerlake oder Silberfisch?) findet. Das klingt zwar wie eine Variante der einen oder anderen Sache, die man bereits kennt (Nachtschicht, Es, Das Relikt), aber das ist ja nicht schlimm. Da kann ein feines, makabres Schauerstück von werden, ruhig mit überzeichneten Figuren, so Tim-Burton-Atmosphäre. Oder du nimmst den Stoff bierernst und guckst, was passiert. Also schon interessant. Allerdings musst du handwerklich noch ein bisschen was tun. Wie gesagt, Das/s-Fehler in Satz eins, da fragt man sich schon: Soll ich mir das antun? Würde schreiben, schreiben, schreiben und mir die Geschichte auf Wiedervorlage packen.


Grüße
JC

 

Hallo Proof,

vielen Dank dafür, dass du den Text so eingehend durchgesehen hast. Aus Zeitmangel habe ich erst jetzt die Möglichkeit gefunden, darauf einzugehen. Es ist eine Menge Kritik, die du an dem Text geübt hast. Doch sie ist gerechtfertigt.
Ich hatte den Text schon einmal überprüft und dachte, er sei okay. Leider fehlt mir zu meinen Geschichten generell ein geeigneter Testleser (Der hauptsächliche Grund, weswegen ich bei den Wortkriegern bin).
Den Text habe ich noch einmal überarbeitet und erneut eingestellt.

Grüße
Wilbert

 

Hallo Wilbert,

mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Interessant fand ich den Aspekt eines inteliigenten Ungeziefers, welches seine Armada unterschiedlichster Schädlinge zum Endkampf gegen den bösen Schädlingsvernichter ruft. Erinnert mich ein wenig an die diversen Rattenromane von James Herbert. Hin und wieder fehlt in dem einen oder anderen Satz ein Wort. Aufgefallen sind mir auch ein wenig die Namen der handelnden Personen, ich glaube, es ist generell schwierig, passende Namen zu finden, die nicht aufgesetzt klingen. Ansonsten: doch, hat was:)

 

Hallo Wilbert,

ich glaube, du gehörst noch zu den Neuen, daher von mir ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern!

Ein wenig Textarbeit vorneweg:

Anfangs berichtest du von Rattenbekämpfung in den Kanälen, erwähnst aber nicht, dass es im Museum nicht um Ratten, sondern um Schaben geht. Das wird erst sehr viel später klar und störte mich ein wenig, weil ich fest von Rattenbekämpfung ausgegangen war. Vielleicht wäre ein winziger Hinweis am Anfang nicht schlecht.

Schön, dass sie gleich wissen, welche Maßnahmen zum Erfolg führen«,

Sie

Das wäre das Ende des Museums.« Knechter hob den Daumen »Ich lasse sie jetzt in Ruhe arbeiten. Sie wissen nun, was auf dem Spiel steht.«

Bitte hinter Museum neue Zeile.


Ich bin ehrlich gesagt, nicht so die Horrorspezialistin, fand aber deine Geschichte gar nicht mal schlecht was den Spannungsaufbau anbelangt.

Imponiert hat mir das Fachliche, wobei ich nicht weiß, ob all die Fachausdrücke, die du verwendest, auch wirklich richtig sind. Aber es wirkt zumindestens ziemlich authentisch und genau darum geht es ja.
Du schaffst durch diese fachlichen Ausdrücke Realität und erzeugst Spannung, denn man bekommt das Gefühl vermittelt, alles könnte sich genauso abspielen.

Zwei Punkte sind mir allerdings aufgefallen, die mich stören.

Dein Protagonist ist charakterlich unaufgeräumt. Mir fehlen da die klaren Konturen. Was für ein Mann ist er? Hat er Eigenarten, ist er schrullig?
Fachlich versiert, das ist er fraglos. Aber er schwankt zwischen Furcht, Angst und Wut bzw. Ungehaltenheit und ich konnte in ihm leider keinen Menschen erkennen, der besondere Eigenheiten hat.
Ich habe seine Gefühle jeweils nicht nachvollziehen können.
Es geht ja darum, dass der Leser mitfiebern soll, quasi neben ihm stehend, ebenfalls sich gruseln soll.

Und das funktioniert leider nur eingeschränkt, weil mich die nicht zum Protagonisten passenden Gefühle störten und aus dem Thema brachten.
Er ist doch Profi, daher wird er mit Sicherheit keine Angst vor den Tieren haben, solange jedenfalls wie seine Werkzeuge ihm helfen.
Ich fände es gut, wenn man bei ihm so eine Steigerung in den Gefühlen erleben könnte. Zuerst Zuversicht und Selbstbewusstsein, dann erste Irritationen, weil es nicht so klappt wie er es sich denkt, ihm Dinge dazwischen kommen, die er nicht erwartet, dann weitere Verblüffungen und erste Unsicherheit, das erste Gefühl der Instabilität, erste Zweifel, ob er es wirklich schafft, dann erst folgen erste Angstgefühle.
Ich würde mich freuen, wenn du mehr Sorgfalt bei der Gestaltung deines Protagonisten walten lässt.

Und dann finde ich es irgendwie schade, dass diese Spinne auftaucht, ich hatte irgendwie etwas Besonderes erwartet. Klar, bei acht Beinen hätte ich mir sowas ja denken müssen und ich betone nochmals, ich bin kein Horrorspezialist, aber am Ende fühle ich mich etwas enttäuscht. Eine Lösung kann ich dir allerdings nicht anbieten.

Ich glaube, der größte Horror entsteht dann, wenn man in der Realität bleibt und alles genauso passieren kann, wie es dann in der Geschichte geschildert wird.


Trotzdem habe ich deine Geschichte gern gelesen.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo ueberbuecher,

vielen Dank für dein Feedback.
Die Kurzgeschichten von James Herbert kenne ich leider nicht.
Einem anderen Leser erinnerte die Geschichte an eine Story von Stephen King. Auch die kannte ich nicht. Aber ich habe mich gar nicht so sehr auf Horror festgelegt. Ich hatte einfach diese Idee gehabt und drauf los geschrieben.

Zu den Namen: Natürlich hatte ich zuvor so meine Gedanken zu den Namen gemacht. Jeremias Brandner klingt für mich schrullig und verschroben. Der Nachname weist auf den Ausgang der Geschichte hin. Auch der Name Knechter, finde ich, hört sich nicht gerade freundlich an.


Liebe Grüße
Christian

 

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