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Die Abwrackprämie

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20.03.2009
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Die Abwrackprämie

"Grüss Gott, ich würde gern dieses Auto kaufen."

"Oh, kein Problem. Haben Sie schon die Abwrackprämie beantragt ?"

"Ich dachte, das mache ich hier bei Ihnen? Geht das denn nicht?"

"Leider nein. Da müssen Sie ins Internet."

"Internet? Wie komme ich denn da hin?"

"Sie sind lustig. Aber einen Führerschein haben Sie schon - oder?"

"Ja, natürlich, seit 55 Jahren. Also wie komme ich jetzt zum Internet? Können Sie mir das mal auf einem Stadtplan zeigen?"

"Internet ist hier in diesem Computer drin."

"Ach."

"Ja - und wenn unser Administrator nicht in Urlaub wär, dann könnten wir das Formular jetzt gleich ausfüllen."

"Hat denn der A, der A, der Administer, äh, der Adkastrator, der Administrant das Internet mitgenommen?"

"Nein , das Internet ist immer da, aber ich komm nicht rein. Das ist aber auch gar nicht so schwer, das Ganze. Passen Sie mal auf! Als erstes brauchen Sie einen Computer. Mit Tastatur, Monitor, Maus, und am besten noch einen Drucker. Den kaufen Sie in einem dieser Computershops, hier in dieser Strasse. Achten Sie drauf, dass das Motherboard in der Firmware schon den Interpreter für Dynamic MXLA drin hat, dann sind Sie besser für die Zukunft gewappnet."

"Das Mutterbrett?"

"Details, wahrscheinlich ist es schon ein Standard."

"Und dann kann ich das Auto kaufen?"

" Gemach,Gemach. So schnell schiessen die Preussen nicht. Jetzt kaufen Sie sich eine Computerzeitung mit einer CD drin. Eine CD, auf der ein Internetprovider seine Dienste anbietet. Am besten beantragen Sie einen DSL Anschluss bei Ihrem Telefonanbieter."

"Wir haben kein Telefon. Das ist mir zu unpersönlich."

"Prima, dann können Sie gleich alles aus einer Hand bestellen. Wenn dann der Splitter eingetroffen ist - der kommt meistens lange nach dem DSL Modem - dann installieren Sie die Software des Providers und gehen einfach online."

"Wie lange muss ich denn auf den Splitter warten?"

"Das dauert nicht lange. Also meiner war schon nach 4 Wochen da. Wissen Sie, heute geht alles JustInTime."

"So ein Splitter hat ja eine längere Lieferzeit, als ein Auto. Ist das was kompliziertes?"

"Nein. Das ist nur eine Plastikbuchse. Aber der Zeitverzug ermöglicht den Technikern das Netz nachzurüsten. Sonst gibt es einen Datenstau."

"Das wäre ja dann so, als ob Sie mir das Auto erst liefern, wenn es einen neuen Parkplatz gäbe."

"Genau. Raffiniert - gell. Und keiner merkts."

"Soll dieses Formular die Verteilung der Abwrackprämie auch verzögern?"

"Wollen Sie mir das jetzt vielleicht unterstellen?"

"Nein, Ihnen nicht. Und wann liefern Sie jetzt das Auto?"

"Na, Sie können ganz schön ungeduldig sein. Nehmen Sie sich mal ein bisschen Zeit, geniessen Sie mal die technischen Errungenschaften. Sie scheinen mir sowieso etwas altbacken - wenn ich das mal sagen darf. Ich habe es Ihnen schon erklärt, wenn Sie aufgepasst hätten, wüssten Sie es. Sie gehen ONLINE auf die Seite der Abwrackprämie."

"Ach, ONLINE."

"Ja. Dazu nehmen Sie einen Browser, mit dem Sie gut surfen können."

"Ich habe noch eine Surfausrüstung in meiner Garage. Aber im Winter surfen geht in meinem Alter nicht mehr. Kann man das Auto nur kaufen, wenn man Extremsportler ist?"

"Sie sind schon ein lustiger Kauz. Wie haben Sie es überhaupt geschafft, so alt zu werden - ohne Internet? Ich empfehle Ihnen jetzt einfach nur zuzuhören. Mit dem Browser surfen Sie auf die Homepage von dieser Abwrackprämie. Das können Sie relativ einfach rausgoogeln."

"Rauskugeln? Sie machen sich über meine Figur lustig. Ich bin nicht dick. Das ist Wasserleibigkeit. Einmal Saune und ich seh aus, wie vor 30 Jahren."

"Klar, wenn Sie 20 Tage in der Sauna drin bleiben schon. Aber konzentrieren wir uns wieder auf das Internet. "

"Bitte!"

"Wenn Sie dann den Link gefunden haben - Doppelklick. Jetzt erscheint das Formular."

"Ach, das ging aber jetzt schnell."

"Naja - jetzt kommt der Drucker ins Spiel. Drucken Sie das Formular aus. Jetzt können Sie es ausfüllen. Es ist nämlich in PDF. Der Vorteil ist, dass es readonly ist. Der Nachteil - Sie können es nicht online editieren. Dann scannen Sie das Formular. Achten Sie unbedingt darauf, dass der Drucker ein Multifunktionsdrucker ist. Wenn Sie das Formular eingescannt haben und gespeichert haben, dann schicken Sie es per Email an die Regierung. Ich glaube, ich habe noch nicht erwähnt, dass Sie sich einen Emailaccount einrichten müssen. Aber das ist selbsterklärend. Glauben Sie mir das."

"Also ich glaube, ich muss mir das mit dem Auto erst nochmal überlegen. "

"In Ordnung. Bei uns ist der Kunde König. Also wenn Sie mal wieder ein Auto brauchen - ich berate Sie gerne."

 

>"Sie sind schon ein lustiger Kauz. Wie haben Sie es überhaupt geschafft, so alt zu werden - ohne Internet? ..."<

Hallo gdeki,

auch mich reißt der Dialog nicht vom Hocker, wirkt auf mich eher wie ein verkapptes Verkaufsgespräch. Ich bin davon überzeugt, dass man auch ohne Internet zurechtkäme. So hab ich für mich vor ca. 1/2 Jahr das Handy abgeschafft.

Ich denke, die Geschichte gewönne, wenn es nicht um das geliebte, etwas betagtere Automobil, sondern um unsere Alten ginge: eine Abwrackprämie zur Entlastung der BfA, LVA und aller sich am freien Markt verzockt-habenden privatwirtschaftlichen Anbieter der "Altersvorsorge" und zwar per Schneckenpost, ist doch die Deutsche Post für die gesetzl. Rentenauszahlung zuständig. Gleichzeitig könnte man sich Anrecht(e) auf ein Patenkind in fernen Landen erwerben oder gar herkommen lassen ...

"Zynisch!", hör ich schon jemand rufen - aber was ist denn die Wirklichkeit?

Gruß

Friedel

 

Hallo gdeki,

ich kann mich leider nur rueganerin und Friedel anschließen, mir hat diese Geschichte auch nicht sonderlich gefallen.

Zum einen liegt es bestimmt daran, dass mir der Begriff "Abwrackprämie" inzwischen dermaßen zum Hals heraushängt, ich's bald nicht mehr hören kann.
Zum anderen hat mich aber auch Deine Dialoggeschichte nicht überzeugen können.

Natürlich wird es - vor allem ältere - Menschen geben, die mit der Computerei nichts anfangen können, weder Internet noch PC haben, aber auch kein Telefon? Das ist mE heutzutage eher unwahrscheinlich und selten zu finden.

Aber von dem mal ganz abgesehen, habe ich den Dialog eher lustlos gelesen. Zum Glück war er nicht allzu lange.

Schade, trotzdem liebe Grüße
Giraffe.

 

Danke erstmal für die Kritik,

hallo Giraffe, FriedRichard und Riganerin,

erstmal Dank für die Kritik. Wenn ich auch mit Pauken und Trompeten durchgefallen bin...

Schade, ich dachte ich kann es rüberbringen, wie überflüssig die Technik ist, wie wir mit Formularen und Klugschwätzern übersäht sind, wie wir wollten wenn wir könnten ... ist mir aber nicht gelungen.

Vielleicht war ich nicht bissig genug aufgelegt, als ich geschrieben habe ...

Ich lass es jetzt so mal stehen, als abschreckendes Beispiel :-) in der vagen Hoffnung dass noch jemand für mich eine Lanze bricht.


LG gdeki

 

Hmmm nun also - Lanze brechen nicht, aber sooo schlecht fand ich das Ding nun nicht. Erfreulich, es hat ein relevantes aktuelles Thema - und das auch auf den Punkt gebracht; es wird einfach bei dieser "Geschichte" vorausgesetzt, dass jemand mit Internet vertraut ist. Und das ist, demokratisch gesehen, eine Frechheit.

Lg,
Flic

 

Hallo Gdeki,

als Satire funktionierts schon. Als Kurzgeschichte allerdings, find ichs nicht so berauschend. Würdest du das ganze noch in einen textlich interessanteren Rahmen bringen, würdest du, denke ich, mehr erreichen. bei mir zumindest.

soweit meine bescheidene Meinung

besten Gruß
krilliam Bolderson

 

Da ich seit 2 Monaten auf mein neues Auto warte und ich mich für ein paar Minuten von der Arbeit ablenken wollte, hat es mich gereizt die Geschichte jetzt noch zu lesen. Vielleicht kein Meisterwerk, aber da ich im Thema drin bin, hab ich meinen Spaß gehabt. Außerdem mag ich Dialoge. Und über die Frage, wie eigentlich ein Rentner ohne Internet, der nicht den oft sehr teueren Service des Autohauses nutzen will, in den Genuss der Abwrackprämie kommen will, habe ich mir auch schon manchmal Gedanken gemacht.

Zum Datum der Veröffentlichung der Geschichte war sie teilweise schon überholt: Die Anträge werden jetzt direkt online gestellt und soweit ich weiß, braucht man die PDF-Datei nicht mehr per Post los zu schicken.


Könnte Sauna heißen..?

 

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