Die üblichen Geräusche...
Die üblichen Geräusche und Begebenheiten sind es, die mir ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Das Ticken der Uhr, einzelne Tropfgeräusche im Badezimmer und das Hecheln meines Dackels. Ich blicke von meiner Vortagszeitung auf. Udo liegt mit Atemnot zu meinen Füßen, der Wasserhahn ist immer noch kaputt und die Uhr bleibt öfters stehen.
Langsam senke ich die Augen, wende mich vorsichtig meiner Lektüre zu. Ich wage es nie, die Zeitung noch am selben Tag zu lesen, über die ganzen frei herumlaufenden Mörder, Vergewaltiger und Perversen. Am nächsten Tag ist es vorbei und dann kann ich erst die Nachricht vertragen. Ich kann wieder sicher schlafen, mir wird seltener schwarz vor Augen.
Ein Kälteschauer trifft mich unvermittelt, ich ringe nach Luft. Die bekannte Dunkelheit vernebelt mir den Blick. Hilflos kralle ich mich an der Sessellehne fest. Plötzlich spüre ich ein altbekanntes Gewicht auf meinem Schoß, eine wohlige Wärme durchdringt mich. Als ich eine raue Zunge auf meinem Handrücken spüre, kann ich mich allmählich aus der Erstarrung lösen und ich streiche über das borstige Fell meines Hundes.
Die Hausschlappen verursachen ein schlurfendes Geräusch, als ich, mit dem Tier im Arm den Flur entlang wanke und vor der Haustür kurz anhalte um das Sicherheitsschloss zu überprüfen. Sabinchen kommt heute wohl nicht mehr. Meine kleine Nichte erledigt meine Einkäufe, da ich ihr gesagt habe, ich sei zu alt dafür. Entweder hat sie das geglaubt oder das Geld war zu verlockend. Mir soll’s gleich sein, hauptsache, ich muss nicht hinaus in diese tödliche Welt.
Ich halte verwundert die Luft an: Das Schloss war geöffnet! Auch nach einigen Minuten gespannten Horchens kann ich keine Merkwürdigkeiten feststellen. Meine Unvorsichtigkeit wurde wohl nicht bestraft. Erleichtert gehe ich ins Schlafzimmer, denn es ist schon spät. Zu spät für eine routinebewusste Frau wie ich. In Gedanken male ich mir schon den morgigen Tag aus. Ob ich wohl noch meinen Hund waschen kann? Wie auf Kommando spüre die gewohnte Nässe auf meiner Hand, die am Bett herunterhängt. Das rhytmische Lecken meines Hundes, der unter dem Bett liegt, schläfert mich ein, begleitet von dem Ticken der Uhr und dem Wasserhahn.
Mitten in der Nacht schrecke ich hoch. Stille. Vollkommene Stille. Ich keuche und ringe nach Luft. Meine Hand wandert automatisch unter das Bett. Auch mein Hund hat etwas bemerkt- er leckt anders als sonst. Zitternd stehe ich auf. Ich fühle den schwarzen Schleier vor meine Augen senken, doch ich zwinge mich dazu, die Kontrolle nicht zu verlieren. Barfuss wanke ich den Flur entlang. Mitten im Gang bleibe ich stehen und fange an zu husten und zu würgen. Doch dann höre ich ein leises Geräusch, kaum zu erkennen. Kleine Tropfen scheinen im Badezimmer herabzufallen. Erregt laufe ich zu der Geräuschquelle hin, denn ich weiß, dass ich bei dem Geräusch sicher sein werde.
Doch als ich auf die Schwelle treten will, falle ich unwillkürlich hin. Ticken. Die Wohnzimmeruhr hat wieder angefangen zu schlagen. Nun kann ich nicht mehr verhindern, dass mir schwarz vor den Augen wird. Zusammengekrümmt liege ich auf den Boden und zittere.
Auf einmal wird mir alles klar. Das war alles eine Illusion. Ich habe mir alles eingebildet. Es ist alles normal! Meine Symptome gehen vorbei und ich strecke meine Hand zum Waschbecken um mich hochzuziehen. Dabei fällt mein Blick in die Duschkabine. Ein Blick, der meinen Herzstillstand zur Folge hat.
In der Dusche dreht sich der Dackel erhängt um seine eigene Achse, während Blutstropfen aus seiner Kehle langsam den Weg zum Boden finden. Auf dem Spiegel steht mit seinem Blut geschrieben: „Mörder können auch lecken.“