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Dezemberabend

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03.05.2002
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Dezemberabend

Es war dunkel. Regen prasselte auf das alte Kopfsteinpflaster, und als er aus dem Fenster sah, bemerkte er viele Menschen mit vollen Einkaufstüten. Bei diesem Anblick musste er seufzen. Aus der Stereoanlage erklang leise Musik, doch sie schien nicht zu den hektischen Aktivitäten dort draußen zu passen. Sie war langsam, traurig, verkündete von einer schlimmen Zukunft. Die Melodien änderten sich, doch die Grundstimmung blieb die gleiche. Melancholie. Wie ein Rückblick in schönere Zeiten, so erschien es ihm.

Als spielte er eine Filmrolle. Er steht auf einer Klippe, blickt auf das Meer mit der untergehenden Sonne hinaus. Die Kamera fährt nah an sein Gesicht heran und anschließend kann man in schwarz-weiß-Bildern seine Gedanken sehen. Mit einem letzten Blick, wie zum Abschied dreht er sich dann um und schreitet seiner Zukunft entgegen. Die Kamera schweift über das Land, er ist nur noch ein dunkler Punkt, der immer kleiner wird und am Ende vollkommen verschwindet.

Eine Filmrolle... Einmal, vor langer Zeit, hatte jemand zu ihm gesagt, das ganze Leben sei für ihn nur ein Theaterstück, in dem er wechselnde Rollen annahm. Damals hatte er gelacht, aber hatte sie nicht Recht gehabt? Bei diesem Gedanken lief eine einzelne Träne sein Gesicht hinunter und fiel auf das Fensterbrett. In diesem Moment wurde die Musik lauter, sogar etwas optimistischer - doch dann war sie plötzlich zu Ende.

Stille. Die letzte aufkeimende Hoffnung war verschwunden, nachdem sie sich noch einmal Gehör verschafft hatte. Er stand auf, ging zum Schrank. Entnahm eine alte Pappschachtel, öffnete sie. Fotos mit verblichenen Farben zeigten sich ihm, Fotos von längst verstorbenen lieben Menschen, und er war der einzige von ihnen, der sie noch anschauen konnte. Der Einzige... mit dem Betrachten der Bilder kam die Einsamkeit zurück, stärker als je zuvor. Mit gesenktem Kopf legte er die Schachtel zurück ins Fach und schloss den Schrank. Dann nahm er seinen Mantel und ging nach draußen in den Regen. Er hoffte, dass er hier von der Einsamkeit loskommen würde, aber die vielen Menschen steigerten das Empfinden nur noch. Denn sie kannten sich alle, doch niemand kannte ihn. Beachtete ihn. Wie hypnotisiert setzte er einen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt, Meter für Meter, bis er an die alte Holzbrücke kam, die in völliger Dunkelheit lag. Als er sich ihr näherte, gingen Lampen an, und je geringer die Entfernung wurde, desto mehr Licht umhüllte ihn. Ehrfürchtig blieb er stehen. Seit Urzeiten hatten die Menschen Respekt vor Brücken, und für ihn kam noch das Licht dazu, das seine Achtung vergrößerte. Wurden Lampen ausgeschaltet, hatte er immer das Gefühl, dass eine Sache beendet war. Alles hatte so etwas Unwiderrufliches, Tragisches. Wenn aber in der Dunkelheit Lichtstrahlen auftraten und schließlich immer heller wurden, so dass alles erleuchtet war, dann stand er vor einem Neubeginn, und die Brücke führte in den neuen Abschnitt seines Lebens - wenn er es denn wollte.

Wollte er? Den Schmerz hinter sich lassen und von vorn beginnen? Das bisherige Leben leugnen? Und die Erinnerungen vergessen? Wollte er das wirklich? Das Risiko, den letzten Halt zu verlieren, war groß. Sollte er es eingehen?

Nein. Es war nicht richtig. Damit würde er sie alle umbringen, sie die in seinen Gedanken doch weitergelebt hatten bis zum heutigen Tage.

Und mit einem Mal war das Überqueren der Brücke gar nicht mehr nötig, hatte er doch endlich einen Sinn gefunden. Er trug ein Erbe in die Zukunft. Er bewahrte sie vor der Vergessenheit.

Und mit einem Mal erwachte er aus seiner Trance, und er sah sich um. Und er sah, dass die anderen Leute um ihn herum doch nicht so abweisend waren, wie er gedacht hatte. Und er ging auf sie zu und die Einsamkeit verflog. Und aus dem Regen war Schnee geworden, und der Schnee leuchtete hell im Mondlicht. Und er sah es und war glücklich.

 

Hm... die beabsichtigte Moral zum Schluss gefällt mir.

Ich frage mich momentan nur, ob die melancholische Atmosphäre, die du zu schaffen beabsichtigt hast, ganz so offensichtlich rübergekommen ist.
Ich würde fast behaupten, dass sie so an mancher Stelle zu bemüht ist. Der Ablauf wird teils zu simpel vorgetragen, wie z.B. das Ansehen der Fotos. Die Beschreibung ließ mich lediglich Aufgähnen :shy: und hätte mich beinahe vollkommen vom Text abkommen lassen.
Ebenso die Fragen des "Nicht-Seins" und "Vergessens".

Doch irgendwie scheinst du gegen Ende aus dieser Quarantäne rausgekommen zu sein, denn sonst hätte mir der Schluss ganz und gar nicht gefallen...

 

Hallo Hendek,

Das mit der Quarantäne gefällt mir. Das könnte ich ja fast uminterpretieren in dem Sinne, dass mein Herauskommen aus der Quarantäne eine Art Darstellungsmittel ist, um den inneren Zustand des Protagonisten darzustellen... letztlich geht er am Ende auf die Leute zu und kommt damit auch aus SEINER Quarantäne heraus...

Was zu zur etwas gequälten Atomosphäre sagst... das weiß ich nicht. Tatsächlich gibt es Tage, da finde ich, dass es etwas "hohl" ist im Innern, oder wie eine starr vor sich hinblickende Puppe. Verstehst du was ich meine? An anderen Tagen jedoch finde ich die Geschichte recht atmosphärisch...

Mario

 

Mario D, hei
Die Story ist okay!
Hallo Mario, ich möchte mich ein wenig dem anschließen was Hendek schrieb.
Die Sätze wirken, vor allen Dingen im Mittelteil sehr steif, sehr einfach konzipiert.
Ein wenig zum gähnen.
Mir gefiel der Schluß auch nicht so gut, es klang so, daß plötzlich alles wunderbar ist, wie eine Erleuchtung, n wenig zu abgehoben.

Aber….und das meine ich ganz im Ernst, bin nicht so der beste Kritiker, muss ich noch n wenig üben.

Manchmal lese ich auch was, was da gar nicht steht.

Liebe grüsse Arche

 

Hallo Arche!

Nicht so der beste Kritiker? Aber reimen kannste ja! "Mario D, hei, Die Story ist okay!" *rappt*

Mit dem Schluss könntest du Recht haben, mir kommt er im Nachhinein, nach all den Jahren, die diese Geschichte in einer dunklen Ecke gelegen hat, auch etwas übertrieben vor.

Danke für's Lesen und die Kritik!

Mario

 

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