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Deutsch aus englischer Sicht und das Denken mit Worten

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20.12.2002
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Deutsch aus englischer Sicht und das Denken mit Worten

Wenn man auf Deutsch schreibt muss man immer ganz genau hinschauen. Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung, Akkusativ, Dativ, der, die, das…
Ich habe ständig das Gefühl ich laufe auf wackeligem Boden. Ein falscher Schritt, eine kleine Unaufmerksamkeit, und schon fällt man durch.
Dabei ist Deutsch ja überhaupt keine zarte Sprache. Die berühmte Redensweise von alten Politikern wie Goebbels und Co. (Das deutsch Volk!!!!) kommt ja nicht von ungefähr. Die deutsche Sprache gibt geradezu Anstoß dazu. Habt ihr schon jemals eine Rede auf Englisch gehört, die mit derselben Intensität vorgetragen wurde? Von Churchill, Truman oder sonst wer? Nein, bestimmt nicht. Oder vielleicht auf Französisch?
Als ich angefangen habe Deutsch zu lernen, spürte ich noch diese krassen deutschen Laute, aber jetzt nicht mehr. Jetzt haben die Wörter Bedeutungen. Manche hören sich noch immer besser an wie andere, aber stets klebt eine Bedeutung an den Klang, die den Klang an sich unterdrückt. Einfach nur so, die Sprache horchen wie früher, das geht nicht mehr. So ein Wort wie „warum“ zum Beispiel. Das ist kein hartes deutsches Wort wie “ekelhaft”, aber es hört sich ziemlich krass an, wenn man es das erste Mal hört. Oder „Entschuldigung“. Da kam ich mir ziemlich verarscht vor, als man mir erklärte, dass dieses endlos langes und hässliches Wort nur „excuse me“ bzw. „sorry“ oder „apology“ bedeutet. Das Wort „Entschuldigung“ gefällt ja nicht einmal den Deutschen. Warum denn sonst sagt jetzt jeder Zweiter auf der Strasse “sorry”. Das war dann überhaupt der größte Schock für mich. Ich laufe gedankenversunken durch eine deutsche Fußgängerzone und pralle mit einem riesengroßen deutschen Kerl zusammen. Entschuldigung, meine ich sofort. Sorry, sagt er.
Deutsche sind ja allgemein für Fremdsprachen empfänglicher als andere Kulturen. Ein Englischsprachiger hat es wirklich schwer in Deutschland Deutsch zu lernen, weil er wirklich so gut wie keine Gelegenheit dazu bekommt, Deutsch zu sprechen. Wenn man nicht gerade mit besonders jungen oder alten Menschen zu tun hat, will jeder mit dir Englisch sprechen. Selbst dann, wenn du einbahnfrei Deutsch sprichst. Sie brauchen nur einen Akzent zu hören und los geht’s.
“Entschuldigung. Was kostet das hier?”
“That costs five euros.“
„Danke schön.“
„Your welcome.“
In Frankreich und in vielen anderen Ländern kotzen sie sich an wenn du ihre Sprache nicht sprichst. In Deutschland? Freude pur.
Okay, es gibt ja immer noch diese Rechten, die über Ausländer herziehen, die angeblich hierher kommen und Deutsch nicht lernen.
Also das halte ich für ein Gerücht! Ich kenne viele Türken, Jugos, Italiener und sonst was. Und die sprechen alle Deutsch. Vielleicht nicht erstaunlich gut, aber sie sprechen.
Und die Paar, die es nicht tun (meistens sind es ja alte), sind ja wirklich nicht das Problem in der deutschen Gesellschaft. Ich muss immer lachen wenn ich diese Deutschen sprechen höre:
“Also wenn ich in ein fremdes Land ziehen würde, würde ich sofort einen Sprachkurs buchen und die Sprache lernen.”
Ja toll, und dann? Dann sprichst du Spanisch wie ein Spanier oder was? Die Mehrzahl dieser Leute haben keine Ahnung wovon sie reden. Sie haben noch nie im Ausland gelebt und werden es auch nie. Das Problem für viele Ausländer, die hier herkommen ist ja auch, dass es bereits viele Gleichsprachige hier gibt mit den sie sich unterhalten können. Der Turke kann entspannt weiter Türkisch reden, der Italiener Italienisch...
Und trotzdem lernen die meisten Deutsch.
Ich werde oft gefragt was ich besser kann. Deutsch oder Englisch. Ich tendiere zu Englisch aber manchmal bin ich mir nicht ganz sicher. Ich könnte mich z.B. nie im Leben über Fußball auf Englisch unterhalten. Das wäre viel zu schwer. Für mich ist ein Elfmeter ein Elfmeter eben, und kein penalty oder sonst was. Wenn man Bruder Fußball schaut und es gibt einen Strafstoß, dann schreit er Elfmeter durch das Haus, oder vielleicht sogar „eleven meter" (was ja keinen Sinn macht), aber nie im Leben „penalty“. Dabei unterhalte ich mich nur auf Englisch mit meinem Bruder.
Ich werde auch gefragt auf welcher Sprache ich denn träumen würde, was mich zu der eigentlichen Thematik hinführt, die ich ansprechen wollte. Träumt man denn in Worte? Spricht man denn da? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es überhaupt ein einziges Mal so war.
Ich werde auch oft gefragt auf welcher Sprache ich denn denken würde. Ich bin da immer ganz baff. Auf welcher Sprache denke ich denn? Ich denke doch, oder nicht? Also, auf welcher Sprache? Im Moment denke ich wohl auf Deutsch, denn ich schreibe auf Deutsch. Nachher schreibe ich eine E-Mail nach England. Denke ich dann auf einmal auf einer völlig neuen Sprache, oder wie? Ich muss auf jeden Fall nicht umdenken oder übersetzten. Jeder, der fließend eine zweite Sprache spricht, weiß was ich meine. Es kommt einfach.
Aber ist Schreiben dasselbe wie Denken? Nein, denn auch jemand der nicht schreiben kann, denkt.
Die Frage ist dann letztendlich: denkt man in Worten überhaupt? Und wenn nicht, was unterscheidet uns dann von etwas, dass keine Worte beherrscht? Ein Tier zum Beispiel.
Ich habe oft darüber nachgedacht und ich glaube nicht, dass man in Worten denkt. Wenn ich Hunger habe, zum Kühlschrank laufe, die Tür aufmache und mir einen Sandwich mache, brauche ich kein einziges Wort dazu. Mir schießt weder das Wort Refrigerator (auch ein krasses Wort übrigens) noch Kühlschrank durch den Kopf. Wenn eine scharfe Frau an mir vorbeiläuft, geht mir nicht etwa „scharf“ oder „geil“ oder „hot“ oder sonst was durch den Sinn. Sie läuft vorbei, ich nehme sie zur Kenntnis, empfinde etwas oder auch nicht und das war’s. Nur wenn ich meine Gefühle später einen Zweiten oder Dritten mitteilen will, brauche ich Worte. Dann geht’s erst los. Sie war unglaublich, toll, wunderschön...
Ich glaube es wird nur dann von Worten Gebrauch gemacht, wenn man jemandem etwas mitteilen will. Wenn ich alleine bin und einfach so vor mich hindöse, kommen mir in der Regel keine Worte in den Sinn. Ich denke nicht auf Englisch und auch nicht auf Deutsch. Ich denke wie ein Tier wohl denkt, mit Emotionen und Bilder. Der Unterscheid zu einem Tier besteht darin, dass ich die Möglichkeit habe, meine Gedanken in Worte zu fassen. Deshalb kann auch ein Mensch, der sprachlich nicht besonders begabt ist, außerordentlich intelligent sein. Ein Handwerker kann wahrscheinlich nicht immer genau in Worten erklären, warum er dies oder jenes macht. Er schaut sich das Problem an, logische Prozesse laufen in seinem Hirn zusammen und er macht es einfach. Er braucht kein Wort dazu. Was denkt sich ein Tier wenn es aufsteht und zum Fressnapf läuft? Genau das Gleiche wie ich oder du. Da ist kein Unterschied.
Und so gibt es Autoren. Menschen die sich darin spezialisiert haben Gedachtes in Worte zu formulieren. Liebe, Freude, Hass... Dieselben Emotionen, seit Jahrtausenden, immer wieder aufs Neue.

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo JuJu,

mir hat deine Geschichte gefallen, dir Gedanken zu machen über das Deutsch. Nur einige Sachen haben mir nicht so gefallen, zum Beispiel Goebels, da hätte ich eher eine aktuelle Verirrung genommen, obwohl mir im Moment keine einfällt.
Und der vergleich mit dem Tier, ich denke der hinkt, schon bei der Aussage;

Was denkt sich ein Tier wenn es aufsteht und zum Fressnapf läuft? Genau das Gleiche wie ich oder du. Da ist kein Unterschied.
abgesehen heißt es, wie du und ich; also wenn ich aufstehe, laufe ich nicht zum Fressnapf sondern ins Bad und aus dem Fressnapf fresse ich auch nicht.
Ich esse vom Teller:D
Können Tiere überhaupt denken? Und wenn ja, wie willst du wissen was es dann denken tut.
Und in Träumen spricht man auch oder andere Personen, vieleicht ist es bei dir anders.
Mir hat deine Geschichte trotz der Einwände, die ich habe gefallen, weil sie zum Nachdenken anregt, jedenfalls mich.
Ps. heißt es nicht denken in Worten;Titel
lieben Gruß Weltflucht

 

Halloa

Ich hatte mir deine GEschichte schon in der Schule durch gelesen, aber keine Zeit darauf zu antworten. Lehrer und so.....;)

Ich finde, dass du ein sehr sehr interresantes Thema ansprichst. Ich hatte mir schon oft Gedanken darüber gemacht, wie es wohl wäre deutsch zu lernen. Nun interresiert mich natürlich: berichtest du aus eigener Erfahrung??

Ich hatte das Wort "Entschuldigung" und "warum" mehrmals laut hinternander wiederholt, aber ich konnte mich nicht in einen Nicht-Deutschbeherscher reinversetzten und somit war es auch nicht "krass" für mich.
Kann man das lernen.:)

Aber eines muss ich noch sagen:

Die Frage ist dann letztendlich: denkt man in Worten überhaupt? Und wenn nicht, was unterscheidet uns dann von etwas, dass keine Worte beherrscht? Ein Tier zum Beispiel.
Ich habe oft darüber nachgedacht und ich glaube nicht, dass man in Worten denkt. Wenn ich Hunger habe, zum Kühlschrank laufe, die Tür aufmache und mir einen Sandwich mache, brauche ich kein einziges Wort dazu. Mir schießt weder das Wort Refrigerator (auch ein krasses Wort übrigens) noch Kühlschrank durch den Kopf. Wenn eine scharfe Frau an mir vorbeiläuft, geht mir nicht etwa „scharf“ oder „geil“ oder „hot“ oder sonst was durch den Sinn. Sie läuft vorbei, ich nehme sie zur Kenntnis, empfinde etwas oder auch nicht und das war’s. Nur wenn ich meine Gefühle später einen Zweiten oder Dritten mitteilen will, brauche ich Worte. Dann geht’s erst los. Sie war unglaublich, toll, wunderschön...
Ich glaube es wird nur dann von Worten Gebrauch gemacht, wenn man jemandem etwas mitteilen will. Wenn ich alleine bin und einfach so vor mich hindöse, kommen mir in der Regel keine Worte in den Sinn.

Das ist interresant.
Du glaubst (bzw. der Erzähler), man denkt nicht in worten. Aber man kann doch auch in Worten denken, oder was sind dann Gedanken für dich.
Enspringen sich nicht auch dem Denkprozess.
Oder versteh ich da irgendwas nicht?

Ich finde deine (Geschichte) echt gut und sie regt zum denken an.
:schiel:
Werde sie mal meiner Familie vorlesen.

lg jim

 

Danke für die Kritik!

@Weltflucht:
da gebe ich dir Recht. Der Vergleich mit Goebbels ist vielleicht unglücklich gewählt, aber an ihm denke ich halt spontan immer wenn ich an eine krass betonte deutsche Rede denke.
Der Vergleich mit Tieren: Ich wollte nicht uns auf dem selben Level mit einem Tier stellen, aber in gewissen Situationen (Zum Kühlscharnk aufstehen und füttern), sehe in keinen großen Unterschied. In anderen natürlich schon. Ich wollte aber trotzdem die These aufstellen. Denkt man in Worten? Zumindest nicht in dem Maße in ich glaube ich weitgehend geglaubt wird.
Vielleicht formuliere ich noch den einen oder anderen Satz noch um, damit der Vergleich mit den Tieren nicht zu hart rüberkommt.

@Jimminie
Vielen dank für die Kritik!
Ich berichte schon aus eigener Erfahrung. Es ist jetzt knapp elf Jahre her, da habe ich angefangen deutsch zu lernen.
Man kann schon in Worten denken, aber ich glaube das ist eher ein sekundärer prozess. Du bist zu spät und du lässt dir schnell alles durch den Kopf gehen, was du deine Lehererin erzählen willst. Dann gehen dir schon Wörter durch den Kopf. Dann sprichst du aber bereits mit jemandem, jetzt in deiner Vorstellung. Auf dem dorthin geht dir alles mögliche andere durch den Kopf: wie du letzte Woche zu spät gekommen bist, dass du bereits zwei Eniträge hast, dass sie eventuell zu Hause bei dir anrufen... Aber sind diese Gedanken dann wirklich Worte? Oder geht es nicht viel zu schnell als dass du tatsächlich einen Satz daraus formulieren könnetest?
Ich glaube du triffst mit deiner Frage "was sind gedanken" schon den Kern der Sache. Das ist denke ich nicht so leicht zu erklären. Die gedanken von einem andren kannst du nur durch Worte folgen, (in geringerem maße mit Musik oder Bilder), man sollte aber nicht denken, dass Worte und Gedanken dasselbe sind. Worte sind nur die Übersetzung davon. So denke ich ;). Ich denke also nicht auf Englisch und auch nicht auf Deutsch. Ich übersetzte meine gedanken mal ins Englische und mal ins Deutsche. Es sind aber diesselben Gedanken. Ich kann doch nicht gespalten sein...
Was sind gedanken? Das gefällt mir... ich glaube fast ich muss meine Geschichte ausbauen.
Danke schön!

mfg,

JuJu

 

Hallo JuJu!

Interessante Gedanken, die Du da gesammelt und aufgeschrieben hast, aber Geschichte sehe ich darin keine. Es ist mehr ein Essay, oder vielleicht ein Diskussionsthema für den Kaffeekranz?
Zu einer Diskussion würde ich jedenfalls auch gern etwas beisteuern. Willst Du den Text aber zu einer Geschichte umbauen, wäre es schön, wenn Du das alles in eine Handlung einbauen bzw. damit verflechten könntest. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

So eine richtige Geschichte mit einer Handlung ist es ja nicht. Ein philosophischer Text eben. Das Ganze in eine Geschichte zu verflechten mit einer Handlung wäre interessant. Hättest du da Ideen? Womöglich ging da aber einiges verloren. So kann der gedankenstrang klar verfolgt werden. Der zweite teil stelle ich mir schwierig vor in eine gechichte einzubauen, aber der erste Teil, das mit dem Ausländer der deutsch lernt, das ginge bestimmt gut. man kann's ja versuchen...

Danke schön,

mfg,

Julian

 

So eine richtige Geschichte mit einer Handlung ist es ja nicht. Ein philosophischer Text eben.
Ja, aber da wir auf kurzgeschichten.de sind, sollen es natürlich philosophische Geschichten sein. ;)

Hättest du da Ideen?
Ich würde eine Handlung wählen, die die Gedanken im Protagonisten auslöst, das kann eine Aussage sein oder die Frage ist eben eines Morgens plötzlich da.
- Wie bist Du selbst denn auf die Frage gekommen?
Dann könnte er in seinem Leben auf die Suche gehen, sich in bestimmten Situationen selbst beobachten. Dafür würde ich auch bewußt Situationen wählen, die mit Gefühlen und Sinneseindrücken zusammenhängen. Ein bunter Marktstand voll mit Obst und Gemüse zum Beispiel - wie entscheidest Du Dich, brauchst Du dafür Worte? Spielt es eine Rolle, ob Du nur so einkaufst, was Dich anspricht, oder ob Du Zutaten für ein bestimmtes Rezept brauchst?

Ich glaube ja, daß rationale Überlegungen eher in Worten stattfinden, Gefühle aber erst in Worte übersetzt werden, wenn man sie jemandem mitteilen oder drüber nachdenken will.
Oder die Grundbedürfnisse, wie Hunger, Durst, etc., die ja schon da sind, wenn wir noch gar nicht sprechen können, funktionieren auch sicher ohne Worte. Ein Baby, das Durst hat, schreit - sieht es das Teefläschchen, hört es schon in freudiger Erwartung zu schreien auf, ohne daß es in Worten denken kann "Ah, das ist der Tee, der hilft gegen meinen Durst" - es weiß es aus der im Unterbewußtsein gespeicherten Erfahrung, weil Tee bisher immer gut gegen Durst war. Das Unterbewußtsein braucht keine Worte, das rationale Denken schon.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo JuJu,

ein Auszug aus unseren Spielregeln:

Was darf veröffentlicht werden, was nicht?
Gedichte, Romane, Romanausschnitte, Dramen, Drehbücher, reine Sachtexte, unfertige Geschichten usw. sind nicht erlaubt. Eine Diskussion darüber ist zwecklos, entsprechende Texte werden sofort gelöscht.

Ich muss deinen Text daher leider löschen, so gut er auch sein mag. Es ist nun mal, wie du selbst zugibst, keine (Kurz-)Geschichte. Und Essays sind hier nun mal nicht vorgesehen.

Damit die Kommentare hier noch von allen Interessierten gelesen werden können bleibt der Thread jedoch noch einige Tage gesperrt stehen und wird erst dann rausgenommen.

 
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