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Des Winzers bester Wein

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04.07.2017
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Des Winzers bester Wein

Zu Durlach lebte einst einer mit Ländereien mäßig begüterter Herr, der für den anstehenden Besuch eines recht angesehenen Fürsten den besten Wein aus seinen Reihen aufzutischen gedachte. Zu diesem Anlass ließ er den Verwalter seiner Besitztümer zu sich kommen und sprach zu ihm in etwa mit folgenden Worten: „Halte Ausschau nach dem besten Wein! Und wenn du diesen gefunden hast, dann bringe ihn zu mir und ich werde ihn reich belohnen!“. Und so zog der Verwalter des Herrn, der zweifelsohne als dessen Meier bezeichnet werden darf, in die sie umgebenden Ländereien hinaus. Wir wissen nicht genau, welche Gebiete dem Feudalherrn unterstanden. Sicher ist nur, dass er zu Durlach lebte. Demnach kann man vermuten, dass der Großteil der Güter im Gebiet des heutigen Karlsruher Landkreises gelegen haben muss. Eine genaue Datierung dieses Ereignisses ist leider Gottes auch nicht möglich. Ganz grob müssten wir uns in der Mitte des 12. Jahrhunderts befinden. Also zu einer Zeit, in der das salische Geschlecht bereits seine Macht abgegeben hatte und die ersten Staufer den Thron für sich in Anspruch genommen haben. Ob allerdings zu jener Zeit der erste Stauferkönig Konrad III. die Macht innehatte oder sogar schon sein Neffe Friedrich I. Barbarossa die Geschicke des Reiches lenkte, ist für uns nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit nachzuvollziehen. Unsicher ist auch, ob der hier angesprochene Herr, der jene Ländereien besaß nicht doch sogar zum alten Geschlecht der Grafen von Hohenberg gehörte. Doch auch hier lassen uns die Quellen im Stich.
Eines steht zweifellos und unbestreitbar fest: die Gegend, in der sich diese Begebenheit abgespielt hatte, gehörte zu den Gebieten im deutschen Reich, in denen für den Weinbau die geeignetsten Bedingungen vorherrschten. Das oberrheinische Klima ist nämlich vor allem für seine relativ warmen Temperaturen in den beiden wärmeren Jahreszeiten bekannt. Doch noch wichtiger für einen genussvollen Wein ist meines Erachtens das nicht allzu frostige Wetter in den kälteren Wintermonaten. Zugegeben, Schnee ist in jener Gegend nicht gerade Mangelware, doch muss auf der anderen Seite auch festgestellt werden, dass sich die Kälteperioden in Grenzen halten und ihre Aufenthalte nicht allzu lang und intensiv ausfallen. Jeder Weinkenner muss sich dessen bewusst sein: je milder der Winter, desto herzhafter der Wein!
Wir müssen davon ausgehen, dass die Konkurrenten mehr oder weniger mit denselben klimatischen Verhältnissen vorlieb zu nehmen hatten, selbst wenn der mäßige Großbauer tatsächlich Streugut vorzuweisen gehabt hätte. Demnach werden höchstwahrscheinlich eher andere Voraussetzungen entscheidend gewesen sein: angefangen von der Lage des Weinstocks – ob es sich beispielsweise auf der Süd- oder Nordseite befindet beziehungsweise welchen Winden er ausgesetzt ist – über das Setzen der Reben bis zur Bodenbearbeitung und der Weinlese, um mal eine kleine Auswahl genannt zu haben. Dem Meier blieb damit nichts anderes übrig als sich auf die Suche nach dem besten Winzer seines Zuständigkeitsbereichs zu machen. Akribisch notierte er dabei mithilfe eines angeblichen Weinkenners – ein trinkfester Pfarrer, der sich in seinen jungen Jahren mit Straßenraub durchgeschlagen hatte und als trostloser Schürzenjäger bekannt geworden war – alles, was er beobachtete. Sein allererstes Fazit fiel letztlich folgendermaßen aus: „wir zählen ganze drei Weinmacher, wovon zwei Jahr ein Jahr aus in trauter Nachbarschaft leben. Der dritte im Bunde ist gleichwohl ein Winzer, dem die Zeit der Jugend noch in all seinen vom Alter kaum gezeichneten Gliedern steckt.“ Dass der Meier seine Geringschätzung für den noch allzu jungen Winzer kaum zu verbergen beabsichtigte, steht hier zweifellos auf der Hand. Und von einer nicht näher spezifizierten Quelle wissen wir, dass der wehrte Pfarrer den Jüngling getrost beiseite zu schieben gedachte, um die beiden mit Weisheit und Tugend bestückten Herren nicht auch noch nachhaltig der Lächerlichkeit preiszugeben. Nach allem was uns bekannt ist, können wir sagen, dass einer dieser beiden Winzer Jakob hieß und ein dem Pfarrer nahestehender Jugendfreund war. Demnach liegt auch die Vermutung nahe, dass dieser von Anfang an als eine Art „Wein-Dealer“ für den allzu oft unflätig gerierenden Priester fungierte. Nicht mehr nachzuvollziehen sind hingegen die immerzu lautstark erhobenen Anschuldigungen einer Magd namens Gertrud, dass der „trinkfeste Pfarrer auf ketzerische Weise sein Bett mit der Gemahlin des auf alle Zeit in seiner Ehre gekränkten Jakob teile“. Vom anderen Winzer wissen wir dagegen rein gar nichts. Weder kennen wir seinen Namen noch den Familienstand. Demnach können wir uns über die wenigen, anekdotenhaft-überlieferten Erzählungen vom Leben des Winzers Jakob letzten Endes mehr als glücklich schätzen. Unter anderem sind wir über dessen Todesumstände unterrichtet, die mehr als tragisch waren und auf die wir an dieser Stelle nicht näher einzugehen brauchen.
Stattdessen werden wir uns in den nächsten Zeilen verstärkt dem jungen Winzer widmen, der für seine Zeit auf den klangvollen Namen Gottfried hörte und relativ früh seinen schwerkranken Vater auf den Feldern hatte ersetzen müssen. Von Anfang an hatte der Winzersohn ohne Murren sein vom Herrgott gewolltes Schicksal hingenommen und sich seiner neuen Aufgabe mit Leidenschaft und Herzblut hingegeben. Nicht nur, dass er die Arbeit seines Erzeugers so gut wie möglich fortzusetzen gedachte. Nein! Gottfried gab sich damit alles andere als zufrieden. Ja! Seine Experimentierfreude wurde dem einen oder anderen Zeitgenossen gar ein Dorn im Auge, sodass er teilweise in die Ketzer-Ecke geschubst wurde. Denn wenn die Gesellschaft des Mittelalters eines nicht ertragen konnte, dann waren das der Überheblichkeit anheimgefallene Freigeister, die das Altbewährte beiseite schoben, um sich neuen, unbekannten Ufern zu nähern. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Sicherlich, in der Regel erwartete man vom Menschen des Mittelalters, dass er bei seinen Leisten bleiben sollte. So verlangte es ja schließlich die Kirche und so fügten sich letztlich auch die Herden. In Wahrheit lässt sich diese auf einen Nenner gebrachte Formel jedoch nicht immer von vornherein bestätigen. Ja, das Althergebrachte war in der Zeit des Mittelalters zweifellos das Höchste aller Gefühle, dennoch dürfen wir die im Laufe jener fernen Zeit gemachten Fortschritte nicht gerade unterm Teppich kehren und den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten. Nicht vergessen dürfen wir, dass gerade die der Tradition verhafteten Mönche, die in ihren Kopier-Stuben die wichtigsten Schriften des Christentums für die Nachwelt bereiteten, die Urform des Buches erfunden hatten. Und was wäre das Leben des hoch- und vor allem des spätmittelalterlichen Bauers ohne die gewinnbringende Dreifelderwirtschaft, die einen Teil des zur Verfügung stehenden Bodens eine im regelmäßigem Wechsel kaum verzichtbare Erholung gewährte.
Doch was machte nun Gottfried aus? Schauen wir uns einfach mal an, wie der junge Winzer bei seiner Arbeit auf dem Weinberg vorging: Höchst auffällig ist in der Rückschau betrachtet der Umgang Gottfrieds mit der Reberziehung. Denn im Vergleich zu seinem Vater hatte er recht bald die Gewohnheit angenommen, Pfähle in den Boden zu schlagen – dies passierte alljährlich in den ersten Frühlingswochen – und an diesen die Weinreben zu befestigen. Zur kalten Jahreszeit entfernte Gottfried die mit viel Mühe und Arbeitskraft in den Boden gestampften Pfähle, damit er die Reben wieder in Bodennähe zuführen konnte. Damit die Reben vor Kälte und Frost geschützt waren, deckte sie der junge Winzer mit Erde ab, ungeachtet der Tatsache, dass sie dadurch der Fäulnisgefahr preisgegeben waren. Mit demselben Problem hatte auch der Vater zu kämpfen gehabt. Der Unterschied zwischen der Vorgehensweise der beiden machte sich allerdings in den wärmeren Monaten des Jahres bemerkbar: Gottfrieds Vater ließ die Reben nach alter römischer Sitte einfach auf dem Boden verweilen. Laut Experten-Meinung lag der Vorteil hierin an der effektiveren Nutzung der Sonnenwärme, die in den besagten Breitengraden ja nun nicht unbedingt Mangelware war. Im Grunde genommen ist eben diese Sonnenwärme auch heute noch verantwortlich für den Grad der Süße des Weins. Und je süßer der Wein, desto größer der Alkoholgehalt.
Abgesehen von der Reberziehung setzte Gottfried die von seinem Vater für gewöhnlich ausgeführten Arbeiten im Weingarten wie gehabt fort. Dazu gehörte insbesondere der in der Regel im März vorgenommene Rebschnitt, der mit einem dafür geschaffenen Messer durchgeführt wurde und zur Stärkung des Rebstocks gedacht war, und die mühevolle Bearbeitung des Bodens, die Gottfried alljährlich im Juni vornahm. So zumindest und nicht anders erfahren wir das aus der Feder des Meiers, der Gottfried auf dessen Weingut während eben jener Arbeit erstmalig zu Gesicht bekommen hatte. „Mit voller Zuversicht und der allein vom allmächtigen Vater verliehenen Arbeitskraft zog er unter der prallen Sonne des vierten Monats mit seinem Pflug durch den Garten seines und meines Herrn“. Lange Zeit hatte sich Gottfried gegen das Anliegen des Meiers gesträubt. Denn unter gar keinen Umständen wollte sich der Winzer dem Diktat dieses für ihn bis dahin fremden und völlig unbekannten Mannes beugen, der sich als Verwalter ihres gemeinsamen Herrn hatte zu erkennen gegeben. Letztlich ließ er sich nicht ohne Zutun seiner Nachbarn doch noch erweichen und bot dem emsigen Delegierten seinen edelsten Tropfen an. Zu mehreren standen sie da: Imker Johann, die Witwen Sara und Johanna und selbst der von allen respektierte Schneider und Brotbäcker Jakob, um nur eine kleine Zahl persönlich mal hervorgehoben zu haben. „Schon beim Einschenken des Weines stieg mir der wohlig-süßliche Geruch in die Nase. Den halbgefüllten Becher führte ich mit meiner rechten Hand zunächst an meine von den aufsteigenden Düften verzückten Nase und danach an meinen Mund, der den Saft fast schon lüstern aufsog. Überwältigt, schier maßlos und unbändig überwältigt war ich von diesem unvergleichlichen Aroma. Und ehe ich mich versah, erblickte ich meinen klerikalen Begleiter lachend und zappelnd mit ausgestreckten Beinen und einem schon deutlich von einer rötlichen Gesichtsfarbe gezeichnetem Gesicht auf der hölzernen Sitzbank!“
Den Preisrichtern blieb hiernach nichts anderes übrig als den jungen Gottfried zum besten Winzer des gesamten Güterkomplexes ihres Herrn zu küren und ihn auf den besagten Empfang des Fürsten mitzuschleppen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass es bis dahin der wohl wichtigste Tag im Leben Gottfrieds sein sollte. Und wie er sich dafür herausgeputzt hatte...! Wie bereits vom Pfarrer auf dem Weg dahin eingeschworen, ging Gottfried, nachdem der Gutsherr in Begleitung seiner selbstgefälligen Gemahlin den Saal seines ansehnlichen Herrschaftssitzes betreten hatte, vor diesem in die Knie und streckte ihm mit zu Boden gesenkten Kopf die Hände aus. Gefasst und wie selbstverständlich legte der aufrecht stehende Herr dessen ausgestreckten Hände in die seinen und bat ihn, nach einem für den Betrachter dieser Szene undeutlich zu vernehmenden Ausspruch, sich wieder zu erheben. Sobald sich Gottfried seinem Herrn nun auch physisch übergeben und untergeordnet hatte, zog fast schon wie von Geisterhand der schon seit langem erwartete Fürst mit seinem Geplänkel vor der stattlichen Residenz auf. Dasselbe Spiel wiederholte sich hierauf vor den beeindruckten und gleichzeitig schüchtern dreinblickenden Augen des Winzers, der mit ansehen musste, wie auf einmal sein eigener Herr die kurz zuvor von ihm eingenommene Position vor dem aufrecht stehenden Fürsten mit Würde und Ergebenheit einnahm.
Nach einem kurzen Gedankenaustausch der beiden Protagonisten, verzog sich die gesamte Gesellschaft in den festlich geschmückten Saal, wo der Wein für die Würdenträger vom Gesinde bereits eingeschenkt worden war. Und gemeinsam mit seinem Gastgeber nahm der von seiner Reise nach Flüssigkeit dürstende Fürst einen ordentlichen Schluck davon und ließ sich im Anschluss daran, mithilfe seines höchsten Beraters, den für das Getränk verantwortlichen Winzer zu sich rufen. Auf die Frage, wie um alles in der Welt dessen Wein so köstlich und einzigartig schmecke, entgegnete ihm der von Freude und Stolz erfüllte Gottfried folgende Worte: „Die Süße des Weins ist von den Strahlen der Sonne bedingt, die Anregung des Gaumens bewirkt der von den tiefen des Waldes geschöpfte Honig. Die erfrischende Wirkung des Gemüts stellt sich dagegen durch die aus dem eigenen Garten gezogene Minze ein!“.

 
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Hallo Francesco81,

und willkommen!
Schade, dachte ich, noch gar kein Kommentar. Und ich begann zu lesen, zunächst bis hierher:

Und so zog der Verwalter des Herrn, der zweifelsohne als dessen Meier bezeichnet werden darf, in die sie umgebenden Ländereien hinaus. Wir wissen nicht genau, welche Gebiete dem Feudalherrn unterstanden. Sicher ist nur, dass er zu Durlach lebte. Demnach kann man vermuten, dass der Großteil der Güter im Gebiet des heutigen Karlsruher Landkreises gelegen haben muss. Eine genaue Datierung dieses Ereignisses ist leider Gottes auch nicht möglich. Ganz grob müssten wir uns in der Mitte des 12. Jahrhunderts befinden. Also zu einer Zeit, in der das salische Geschlecht bereits seine Macht abgegeben hatte und die ersten Staufer den Thron für sich in Anspruch genommen haben. Ob allerdings zu jener Zeit der erste Stauferkönig Konrad III. die Macht innehatte oder sogar schon sein Neffe Friedrich I. Barbarossa die Geschicke des Reiches lenkte, ist für uns nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit nachzuvollziehen. Unsicher ist auch, ob der hier angesprochene Herr, der jene Ländereien besaß nicht doch sogar zum alten Geschlecht der Grafen von Hohenberg gehörte. Doch auch hier lassen uns die Quellen im Stich.
Es war schwierig, hier nicht abzubrechen und tapfer weiterzulesen. Denn was du - gar nicht so schlecht formuliert - machst, gehört meiner Meinung nach zur Vorarbeit einer Geschichte und nicht hinein. Und ist extrem langweilig, leider. Einen Abschnitt weiter geht es genauso:
Das oberrheinische Klima ist nämlich vor allem für seine relativ warmen Temperaturen in den beiden wärmeren Jahreszeiten bekannt. Doch noch wichtiger für einen genussvollen Wein ist meines Erachtens das nicht allzu frostige Wetter in den kälteren Wintermonaten. Zugegeben, Schnee ist in jener Gegend nicht gerade Mangelware, doch muss auf der anderen Seite auch festgestellt werden, dass sich die Kälteperioden in Grenzen halten und ihre Aufenthalte nicht allzu lang und intensiv ausfallen. Jeder Weinkenner muss sich dessen bewusst sein: je milder der Winter, desto herzhafter der Wein!
Wir müssen davon ausgehen, dass die Konkurrenten mehr oder weniger mit denselben klimatischen Verhältnissen vorlieb zu nehmen hatten, selbst wenn der mäßige Großbauer tatsächlich Streugut vorzuweisen gehabt hätte. Demnach werden höchstwahrscheinlich eher andere Voraussetzungen entscheidend gewesen sein: angefangen von der Lage des Weinstocks – ob es sich beispielsweise auf der Süd- oder Nordseite befindet beziehungsweise welchen Winden er ausgesetzt ist – über das Setzen der Reben bis zur Bodenbearbeitung und der Weinlese, um mal eine kleine Auswahl genannt zu haben.
Hier gebe ich wirklich auf: Ich möchte eine Geschichte lesen und keinen Vortrag. Wenn ich durch eine Story noch etwas dazulerne - wunderbar! Aber nicht so, nicht mittels eines knochentrockenen Exkurses. Sorry, wirklich, aber an dieser Stelle verabschiede ich mich.

Ich wünsche dir dennoch weiter viel Spaß am Schreiben,
vielleicht ist deine nächste Geschichte so, dass ich dranbleiben mag,

viele Grüße,

Eva

 

Vielen Dank für deinen Willkommensgruß und für den Kommentar, wirklich sehr lieb von dir :)

Im übrigen betrachte ich deine Erläuterungen nicht unbedingt als negative Kritik, sie sind sogar im Bezug auf die Erzählung relativ aufschlussreich und ich stimme dem, was du geschrieben hast, im Großen und Ganzen sogar zu. Nur möchte ich vielleicht an dieser Stelle, mit ein wenig mehr Tiefgang, noch ein paar entscheidende Worte hinzufügen:

Zunächst einmal stört es mich überhaupt nicht, wenn jemand solche Geschichten als zu trocken empfindet. Bekanntlich sagt ja der Franzose: "Chacun à son goût"

Ich denke, dass wenn jemand nicht gerne belehrt werden möchte, er nicht unbedingt solche Geschichten zu Ende lesen braucht. Es gibt ja Leute, die sich ja beispielsweise zur Entspannung, nach einem harten oder stressigen Arbeitstag, triviale Geschichten beziehungsweise Erzählungen zu Gemüte führen; und da ist auch nichts dagegen einzuwenden. Man hat ja im Alltag genug um die Ohren und da braucht man sich ja so harten Tobak nun wirklich nicht geben.
Andererseits gibt es aber auch Menschen, die mal gerne neue Sachen erfahren möchten; und für jene könnte diese Erzählung tatsächlich, aus welchen Gründen auch immer, von Interesse sein. Jede Schublade muss ja schließlich in einer an Vielfalt durchsetzten Welt bedient werden. Und diese Erzählung bedient nun einmal eine solche randständige Schublade. Es ist sicherlich keine derjenigen Geschichten, die von der Spannung lebt. Aber das soll sie auch nicht unbedingt; denn diese Erzählung hat eine andere Funktion, soll etwas völlig anderes als das, was eher triviale Geschichten ausmacht, hervorheben:
und zwar, der stinknormale Alltag im hochmittelalterlichen Europa, wie er sich vermutlich, das kann ja keiner so richtig genau sagen, abgespielt haben muss. Und wir wissen ja, wie stinklangweilig so ein Alltag auch mal sein kann. Es ist der Versuch, den meistens gehetzten und durchaus ungeduldigen Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, eine Epoche näherzubringen, von der sie in der Regel kaum Kenntnis haben.
Demnach liegt in solchen Fällen beim Leser die ultimative Entscheidungskraft: der Leser selbst muss in aller letzter Konsequenz entscheiden, ob er sich so etwas antun möchte. Und ich, ich biete die Plattform dafür, die ja nicht zwingend genutzt werden muss.

 

Lieber Francesco81,

verstehe mich nicht falsch, ich möchte keineswegs, dass du 'trivialer' schreibst.

Andererseits gibt es aber auch Menschen, die mal gerne neue Sachen erfahren möchten ...
zu denen ich gehöre :-).
Aber das soll sie auch nicht unbedingt; denn diese Erzählung hat eine andere Funktion, soll etwas völlig anderes als das, was eher triviale Geschichten ausmacht, hervorheben:
und zwar, der stinknormale Alltag im hochmittelalterlichen Europa, wie er sich vermutlich, das kann ja keiner so richtig genau sagen, abgespielt haben muss. Und wir wissen ja, wie stinklangweilig so ein Alltag auch mal sein kann. Es ist der Versuch, den meistens gehetzten und durchaus ungeduldigen Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, eine Epoche näherzubringen, von der sie in der Regel kaum Kenntnis haben.
Und genau das klappt in diese Weise eben nicht, du bringst dem Leser diese Epoche nicht dadurch näher, dass du erläuterst:
Ob allerdings zu jener Zeit der erste Stauferkönig Konrad III. die Macht innehatte oder sogar schon sein Neffe Friedrich I. Barbarossa die Geschicke des Reiches lenkte, ist für uns nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit nachzuvollziehen.
Denn was für eine Rolle spielt eine nicht zu beantwortende Frage für die geschilderte Suche? Es ist immer schwierig, wenn das eigene 'Baby' kritisiert wird, aber wenn du Leser gewinnen willst, die mit dir in eine andere Zeit abtauchen - auch und gerade anspruchsvolle Leser - musst du sie in diese Zeit entführen und nicht darüber dozieren. Neues und Interessantes lässt sich gerade dann am besten vermitteln.

Beste Grüße,

Eva

 
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Hallo Francesco81,

weil ich gerade über Deinen Beitrag stolpere, dem ich nur zustimmen kann. Jeder Leser ist anderes, hat eine andere Erwartungshaltung usw.

Aber ich habe nach dem ersten Absatz auch abgebrochen, weil Deine Informationen einfach nicht spannend verpackt sind, sodass sich Deine "Geschichte" sachbuchartig liest und zwar wie ein langweiliges Sachbuch, das nur darauf bedacht ist, Informationen zu vermitteln und nicht darauf, den Leser zu unterhalten.

Ich sehe die Kunst darin, vielleicht auch ein langweiliges Leben spannend zu erzählen, sodass der Leser unterhalten ist und nicht darin, ein langweiliges Leben langweilig zu erzählen, sodass sich der Leser langweilt.

Eine Möglichkeit wäre vielleicht, sich von Anfang an auf eine Person zu konzentrieren und aus deren Sicht den Alltag im Hochmittelalter zu erzählen. Das kann dann auch packend und spannend sein, weil man sich als Leser besser mit einer fiktiven Person als mit Fakten identifizieren kann.

Im Übrigen empfinde ich die Erzählsprache auch als mühsam:

Zu Durlach lebte einst einer mit Ländereien mäßig begüterter Herr, der für den anstehenden Besuch eines recht angesehenen Fürsten den besten Wein aus seinen Reihen aufzutischen gedachte. Zu diesem Anlass ließ er den Verwalter seiner Besitztümer zu sich kommen und sprach zu ihm in etwa mit folgenden Worten: „Halte Ausschau nach dem besten Wein! Und wenn du diesen gefunden hast, dann bringe ihn zu mir und ich werde ihn reich belohnen!“.

Solche Sätze gebe ich von mir, wenn ich mich über jemanden lustig machen möchte, aber in einer Kurzgeschichte ruft das nur Stirnrunzeln bei mir hervor.

Die Frage für mich ist, was Du mit dieser Erzählsprache erreichen möchtest? Die damalige Atmosphäre darstellen? Ich glaube, dass dafür die Sprache selbst nur bedingt geeignet ist. Wenn ich historische Romane lese, was zugegebenermaßen eher selten der Fall ist, dann interessieren mich historische Details über Machtgefüge, Kleidung, Essen, wie die Leute gewohnt haben, Berufe, Aufstiegschancen, Konsequenzen bei Vergehen, wieviel Freiheit oder Unfreiheit man hatte, Bräuche, etc. Die damalige Sprechweise interessiert mich mit am wenigsten, denn die Bedeutung von Wörtern hat sich teilweise dramatisch im Laufe der Zeit geändert, sodass durch Verwenden der Originalsprache womöglich eine völlig falsche Bedeutung beim Leser ankommt (man nehme nur das Wort "geil").

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Francesco81,

mag ja sein, dass du den Tonfall deiner Geschichte gewählt hast, weil du den Leser damit in eine andere Zeit führen wolltest, den historischen Unterschied zeigen wolltest. Die Gefahr besteht eines derart übertriebenen Stils besteht aber, glaube ich, darin, dass du an der Überfläche bleibst und die Figuren an Leben verlieren. Zumal ja auch klar ist, dass der Text ohnehin von einem Autor des 21.Jahrhunderst geschrieben ist, dem es keinesfalls gelingen wird, den historischen Tonfall zu erzeugen. Ich meine, dass es besser ist, eine vergangene Welt mit Bildern sichtbar zu machen und dazu eine Sprache zu verwenden, die sich an der Moderne orientiert, bestenfalls einige historische Elemente enthält.

Inhaltlich erschließt sich mir dein Ziel nicht ganz. Was willst du erreichen? Mir beweisen, zeigen, wie Reben damals erzogen wurden, wer sich vor wem verbeugt hat und warum? Das allein reicht nicht? Viel interessanter fände ich es, über das Heil der Fürsten zu erzählen, über das mittelalterliche Denken, in dem die Dinge miteinander verbunden waren, Gott lenkte, den Regen und die Süße der Trauben brachte: Nur ein paar Gedanken; Willkommen bei den Wortkriegern! Ich hoffe du nutzt die Seite und die Anregungen, die du hier bekommst und arbeitest an deinen Texten.

Textstellen:

Zu Durlach lebte einst einer mit Ländereien mäßig begüterter Herr,
und wo in Durlach? das ist mir ein zu abgehobener Beginn.

Eines steht zweifellos und unbestreitbar fest: die Gegend, in der sich diese Begebenheit abgespielt hatte, gehörte zu den Gebieten im deutschen Reich, in denen für den Weinbau die geeignetsten Bedingungen vorherrschten.
ist es wirklich so, dass es bei Karlsruhe guten Wein gibt? Nie davon gehört und kann bestimmt mit dem Rheingau nicht konkurrieren.

Doch noch wichtiger für einen genussvollen Wein ist meines Erachtens das nicht allzu frostige Wetter in den kälteren Wintermonaten.
Binsenweisheit, Frost zerstört den Ertrag.

der Meier seine Geringschätzung für den noch allzu jungen Winzer kaum zu verbergen beabsichtigte, steht hier zweifellos auf der Hand.
liegt auf der Hand...

dass der wehrte Pfarrer
werte

Ja, das Althergebrachte war in der Zeit des Mittelalters zweifellos das Höchste aller Gefühle, dennoch dürfen wir die im Laufe jener fernen Zeit gemachten Fortschritte nicht gerade unterm Teppich kehren und den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten.
was ist das Altehergebrachte? Und: ist das nicht immer so?

„Schon beim Einschenken des Weines stieg mir der wohlig-süßliche Geruch in die Nase. Den halbgefüllten Becher führte ich mit meiner rechten Hand zunächst an meine von den aufsteigenden Düften verzückten Nase und danach an meinen Mund,
oh je, das klingt sehr künstlich, und: verzückte Nase

Die Süße des Weins ist von den Strahlen der Sonne bedingt, die Anregung des Gaumens bewirkt der von den tiefen des Waldes geschöpfte Honig.
der Satz stimmt grammatikalisch nicht.

Die erfrischende Wirkung des Gemüts stellt sich dagegen durch die aus dem eigenen Garten gezogene Minze ein!“.
Minze in den Wein? Echt?

viele Grüße
Isegrims

 

Hi Francesco81,

eigentlich mache ich gerade etwas anderes, aber gleichzeitig gammele ich so ein bisschen auf dieser Seite herum und bin an deinem Text hängengeblieben. Ich will damit sagen: Erwarte nicht viel, ich kann es gerade nur kurz machen. Mir sind aber so ein paar Kleinigkeiten (mit Bezug zur in den Kommentaren begonnen Diskussion) aufgefallen, die wollte ich mal eben loswerden.

Die Sprache wirkt auf mich wie eine Märchensprache. Das muss nicht verkehrt sein, aber ich ich habe den Eindruck, du möchtest kein Märchen erzählen. Mittelalterlich wirkt sie auf mich jedenfalls nicht. Zumindest die mittelalterlichen Texte, die ich kenne, drücken sich weit knapper und zielstrebiger aus. Mittelalterlich wirkt eine Szenerie ja nicht dadurch, dass man sie, sagen wir mal überspitzt, in Zuckerwatte packt. Das Märchenhafte kann man natürlich wiederum, wenn man die Neigung denn hat, mit dem Mittelalterlichen verbinden. Das wäre nur sicherlich nicht im Sinne eines authentischen Näherbringens.

Und zu deinem Einwand passt denn auch:

die Gegend, in der sich diese Begebenheit abgespielt hatte, gehörte zu den Gebieten im deutschen Reich, in denen für den Weinbau die geeignetsten Bedingungen vorherrschten.
Damit hast du den Leser doch wohl fett in die Neuzeit hineinkatapultiert. Was soll das um 1200 sein: das deutsche Reich? Davon abgesehen wird Durlach auch damals vermutlich kaum mit den Weinregionen südlich des Brenners mitgehalten haben können.

Übrigens schaffen sicher auch solche Sätze:

Nach allem was uns bekannt ist
eher zeitliche Distanz als Nähe.

Demnach können wir uns über die wenigen, anekdotenhaft-überlieferten Erzählungen vom Leben des Winzers Jakob letzten Endes mehr als glücklich schätzen. Unter anderem sind wir über dessen Todesumstände unterrichtet, die mehr als tragisch waren und auf die wir an dieser Stelle nicht näher einzugehen brauchen.
Was ist denn da passiert? Erst freue ich mich darauf, eine Anekdote erzählt zu bekommen, die mir zeigt, warum wir uns über ihren Besitz glücklich schätzen dürfen - nein: sogar mehr als glücklich -, und dann würgst du das schon gleich wieder ab?

Denn wenn die Gesellschaft des Mittelalters eines nicht ertragen konnte, dann waren das der Überheblichkeit anheimgefallene Freigeister, die das Altbewährte beiseite schoben, um sich neuen, unbekannten Ufern zu nähern.
Jetzt kommt's stark darauf an, worauf hier das Gewicht liegt. Überhebliche Leute mag niemand, sie nicht ertragen zu können ist vielleicht trotzdem etwas überspitzt ausgedrückt, aber das wäre noch akzeptabel. Freigeister hat das hohe Mittelalter dagegen sehr gut ertragen, viel besser jedenfalls, als man es sich heute so gerne erzählt. So platt in die abgedroschene Kerbe zu hauen muss ich jemandem, der sich auf die Fahnen schreibt, mir diese Zeit näher bringen zu wollen, ja schon fast übelnehmen. Also, nicht persönlich natürlich, nur so unter Kumpels :naughty:

Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Ok, du nimmst das ein Stück weit zurück. Trotzdem: Die halbe Wahrheit ist immer noch geprahlt.

Ja, das Althergebrachte war in der Zeit des Mittelalters zweifellos das Höchste aller Gefühle
Puh, was soll man da noch sagen?!

Nicht vergessen dürfen wir, dass gerade die der Tradition verhafteten Mönche, die in ihren Kopier-Stuben die wichtigsten Schriften des Christentums für die Nachwelt bereiteten, die Urform des Buches erfunden hatten.
Lieber Francesco, die Mönche waren die Speerspitze der Bildung, ohne die würden wir jetzt nicht hier sitzen und uns so klug unterhalten. Die Urform des Buches! Es ist zum Haare raufen, welchen Fortschritt und welche Neugierde du den guten Menschen von damals gerade noch zugestehst! Und nicht einmal das stimmt ja bei näherem Hinsehen ...

Und je süßer der Wein, desto größer der Alkoholgehalt.
Ich bin kein Winzer, aber das kann nicht stimmen. Traubensaft ganz ohne Alkohol ist am süßesten. Ach so, du meinst, je süßer der Saft, desto größer am Ende der (maximale) Alkoholgehalt! Ja, das klingt plausibel.

Soweit mal. Ich wollte gar nicht so viel schreiben, aber dann hab ich erst gesehen, wie kühl du das Mittelalter entsorgst, und da hat mich der Gerechtigkeitstrieb gepackt und hat mich für die Verteidigung dieser Epoche mit ihren umwälzenden Neuerungen, Errungenschaften und denkerischen Extremabenteuern eingespannt.

Doch was machte nun Gottfried aus?
Über das Wesen einer Sache nachzudenken ist ja wirklich eine Beschäftigung, die dem hohen Mittelalter gut zu Gesicht steht. Aber haben wir auf die Frage eigentlich eine Antwort bekommen?

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
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Ich habe das Gefühl, dass der Text völlig falsch verstanden wurde.
Der Text ist so geschrieben, dass ein Erzähler aus der heutigen Zeit, durch intensive Quellenkunde (und das ist nun einmal so, weil ich mich schon seit Jahren mit dem Mittelalter beschäftige, und zwar mit den lateinischen Originaltexten und nicht mit späteren, erst in der Neuzeit und in den letzten Jahrhunderten verfassten Schriften darüber, die eher ein verzerrtes Bild propagieren), und durch das Vorfinden eines Dokuments, das von diesem Ereignis berichtet und leider nicht vollständig erhalten ist, versucht, diese Erzählung zu Papier zu bringen und sie in einen zeitlichen und geographischen Kontext einzuordnen.
Ein Märchen möchte der Erzähler sicherlich nicht erzählen, nur lässt er sich vom Sprachniveau, die er von Märchen und von Heldenerzählungen kennt, vollends einnehmen, sodass er dann einen doch etwas gewöhnungsbedürftigen Sprachstil an den Tag legt.
Ich möchte hier klarstellen, dass alles sehr gut recherchiert ist.
Eines der Vorwürfe ist ja, wie kann der Erzähler nur behaupten, dass die Durlacher Gegend eines der besten Weingebiete des Reiches war. Nun, es ist bekannt, dass der Ufgau, die Gegend, in der diese Erzählung spielt, schon immer ein Weinbaugebiet war und klimatisch betrachtet die besten Bedingugen dafür vorweist. Mein Gott, dass der Erzähler den Versuch unternimmt, für die Gegend über die er schreibt, die besten Werbung machen zu wollen, kann ihm doch keiner verübeln. Diese Kritik ist in meinen Augen sehr kleinkrämerisch.
Noch ein Kritikpunkt war, dass der Erzähler anscheinend nicht erkennt, dass die Mönche die Speerspitze der Gesellschaft waren in Bezug auf die Bildung. Wenn man ganz nah beim Text bleibt, dann stellt man fest, dass der Erzähler gerade die Mönche doch hervorhebt: und zwar sagt doch der Erzähler, dass die Mönche in den Kopier-Stuben die wichtigsten Schriften für die Nachwelt festgehalten haben. Das spricht doch gerade für das Mönchtum. Denn ohne das Mönchtum wären wir niemals so weit gekommen, verstehe nicht, was hier die Kritik soll. Stören fand man anscheinend auch, die Urform des Buches. Damit meint der Erzähler, dass das Buch in seiner jetzigen Form, eine Sammlung von Schriften, die von 2 Buchdeckel umgeben sind, im Mittelalter erfunden wurde, und zwar im Kloster. Davor hat es sowas nicht gegeben. Man hatte Schriftrollen aus Papyrus oder Pergament, die sehr schwer zu lesen waren und man hat auf Stein, Marmor, usw. geschrieben, aber das Buch an sich , gab es noch nicht. Das ist im übrigen Basiswissen über das Mittelalter. Und hier frage ich mich, inwiefern hier das Mittelalter schlecht dargestellt wird.
Zudem wurde vorgeworfen, dass der Erzähler verkennt, dass es auch im Mittelalter Freigeister gegeben habe und ein weiterer Einwand war, dass ja das Althergebrachte doch immer seinen Wert hat, auch heute noch. Das wird auch wieder zu engstirnig betrachtet. Die Gesellschaft des Mittelalter hat so funktioniert, dass man Neuerungen als Teufelswerke betrachtete. Wehe jemand hätte sich daran gemacht, Neuerungen einzuführen. Im Vordergrund stand Gott, Christus, der für die Menschen am Kreuz gestorben ist. Demnach musste man sich der Tradition verpflichten. Aber, das bedeutet noch lange nicht, dass es keine Neuentwicklungen gegeben, das keine Fortschritte in Gang gesetzt wurden. Sie wurden allerdings nur verpackt, sie wurden als Reformen, als Wiederherstellung althergebrachtem maskiert. Z.b. war es nicht so einfach ein Königreich neu zu begründen. Als die Normannen das Königreich Sizilien begründeten, holten sie ganz plötzlich eine "Legende" hervor, die von einem sizilischen König sprach (das ist jetzt wirklich nur eins von vielen, vielen Beispielen aus jener Zeit). Oder denken wir doch an Galileo Galilei, der seine Theorie, dass die Welt sich dreht, vor Gericht zurücknehmen musste. Nur, erfolgreich waren diese konservative Haltung, die immer wieder an den Tag gelegt wurde keinesfalls. Letzten Endes setzten sich viele Neuerungen, im Laufe der Zeit, erfolgreich durch. Denken wir doch an die Dreifelderwirtschaft, an die Gesetzgebung, die von den Normannen und den Staufern auf Vordermann gebracht wurde.
Und ganz nebenbei: im Grunde genommen, zeigt ja der Sieg des Gottfrieds bei diesem "Weinwettbewerb", dass Neuerungen sehr wohl auch honoriert wurden, ansonsten hätte er ja nicht gewinnen dürfen.
Ganz Allgemein freue ich mich aber, dass sich einige tatsächlich dazu aufgerafft haben, meinen Text zu kommentieren. Nur finde ich, dass er etwas zu eng betrachtet wird. Es ist schön und gut, dass man solche Texte mit Skepsis liest, allerdings sind die Vorwürfe, die vorgebracht wurden, für einen Mediävisten kaum haltbar und ich konnte sie nicht so stehen lassen. Man muss ja Bedenken, dass die Erzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, deswegen habe ich ja jetzt so einen langen Kommentar schreiben müssen, wenn ich das alles in die Geschichte eingepackt hätte, wäre sie noch langweiliger als sie ohnehin schon ist :)
Für die Bemerkungen zu den Rechtschreibfehlern bedanke ich mich übrigens auch. Dagegen kann ich mich leider nicht verteidigen :)

PS: Die Geschichte habe ich schon vor längerer Zeit geschrieben und sie war eigentlich für ein Schreibwettbewerb zum Thema "Wein" gedacht; und sie durfte nur 4 Seiten lang sein. Ich fand den Text auch nicht so toll und hab mir dann die Tage so gedacht, ihn einfach hier mal zu posten, damit ich Anregungen bekomme, ihn einigermaßen effektiv verändern zu können, zumal ich gelesen habe, dass an Kritik nicht gespart wird. Ich bin wirklich sehr offen für Kritik und es war ja auch so gedacht, hätte den Text ja ansonsten nicht hier reingestellt, aber so ein paar Kritikpunkte fand ich dann doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen.

 

Hi Francesco81,

... das sind keine Vorwürfe sondern Tipps.
Ob es dich beim Schreiben weiterbringt, wenn du dich fast ausschließlich auf 'Verteidigung' deines Textes (für die du sicher Argumente hast) konzentrierst?

Ciao,

Eva

 
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Lieber Francesco81,

ich weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung ist, wenn ich mich jetzt nochmal zu Wort melde. Eigentlich habe ich alles gesagt, und es kann nun leicht zu einem ermüdenden Spektakel werden, wenn ich dir meine unveränderte Position ein weiteres Mal erläutere, du mir darauf die deine usw.

Du hast aber eine relativ lange Antwort geschrieben, in der u.a. ich mich angesprochen fühlen muss, und wenn nun ich an deiner Stelle wäre, dann hätte ich es wahrscheinlich schon gerne, wenn ich darauf im Gegenzug salbst wieder eine Reaktion bekäme. Und sei es nur, um zu wissen, ob die gegebenen Erklärungen den Widersacher überzeugen konnte.

Ich hab es schon vorweggenommen: Sie konnten es nicht.

Woran liegt das? Womöglich habe ich dich hier und da falsch verstanden, beispielsweise hier:

Es ist der Versuch, den meistens gehetzten und durchaus ungeduldigen Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, eine Epoche näherzubringen
Ich habe diese Absicht mit deinem Stil in Verbindung gebracht, du wolltest es aber wohl auf den Inhalt bezogen wissen. Und natürlich kann es gelingen, dem Leser eine Epoche näher zu bringen, auch wenn der Stil dabei nicht das gewählte Instrument ist.

Ich finde aber nach wie vor in der Umsetzung eine Sache wirklich ungünstig: Du schreibst über ein Ereignis, das den Weinbau betrifft, das ist für sich genommen ja keine schlechte Wahl. Dein Winzer findet eine punktuelle, aber gewitzte und effektive Neuerung. Das ist nicht uninteressant. Nun wird aber im Hintergrund ein ganz großer Bogen aufgespannt: Die Menschen und die Gesellschaft im Mittelalter und wie sie zu beurteilen seien. Und dadurch kommt der Text in meiner Wahrnehmung ins Schlingern.

Ich will es mal von dieser Seite aufziehen: Inwiefern ist dieser großräumige Hintergrund dem Text förderlich?

Seine Experimentierfreude wurde dem einen oder anderen Zeitgenossen gar ein Dorn im Auge, sodass er teilweise in die Ketzer-Ecke geschubst wurde.
Ich lese das so: Der Hintergrund dient dazu, den Protagonisten herauszuheben.
Du könntest den Mann nun allerdings stattdessen so von seiner Gesellschaft absetzen, dass du zeigst, wie im ganz konkreten Fall - aus welchen Gründen und von wem - der gute Gottfried in diese Ecke geschubst wurde (und weiter: wie er darauf reagiert hat, ob er in echter Gefahr war, ob ihm andere Leute geholfen haben usw.). Dadurch würde - meine ich - die Geschichte gewinnen.
Durch die allgemeine Aussage:
Denn wenn die Gesellschaft des Mittelalters eines nicht ertragen konnte (usw.)
verliert sie. Zum einen, weil ganz häufig in einer Geschichte die Erzählung konkreter Ereignisse das Hererzählen von allgemeinen Sachverhalten aussticht. Zum anderen, weil du dich mit der an dieser Stelle kompromisslosen Formulierung ohne Not angreifbar machst. Solche kategorischen Aussagen sind, wie du wenig später gerne einräumst, fast immer irgendwo falsch, und du hast dann die Mühe, das Bild wieder halbwegs gerade zu rücken. Im Dienst dieser Geschichte müsstest du dich gar nicht so sehr exponieren. Wenn der Leser Gottfried als einen Neuerer umgeben von Traditionen erkennen soll, dann zeig ihn mir doch so in seinem Lebensumfeld. Die Botschaft wird ganz sicher ankommen, und ganz ohne dass du mich erst darauf einschwörst, die Menschen im Mittelalter als eine unterm Stich ziemlich behäbige Truppe sehen zu sollen.

Die historische Auseinandersetzung im engeren Sinn treiben wir an diesem Ort lieber nicht zu weit, es soll ja um den Text gehen. Ich möchte nur ganz kurz dafür werben, dass du meine Rede von denkerischen Extremabenteuern nicht als bloße polemische Übertreibung abschüttelst. Wenn wir annehmen, sie sei mit Bedacht eingesetzt, dann wirst du verstehen, dass ich mit dem freundlichen Zugeständnis, es sei doch immerhin fleißig abgeschrieben worden, nicht zufrieden sein kann. (Galileo Galilei ist ein schlechter Gewährsmann, das ist, wie wir beide wissen, eine andere Zeit.)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Francesco81,

ich finde es gut, dass du deinen Text hier einstellst und dich mit der Kritik auseinandersetzt. Das ist nicht immer einfach. Aber es ermöglicht uns, neue Sichtweisen kennenzulernen und zu erfahren, wie unsere Texte auf andere Leser wirken. Ich bin auch ziemlich neu hier. Will sagen, ich kenne das.

Ein Märchen möchte der Erzähler sicherlich nicht erzählen, nur lässt er sich vom Sprachniveau, die er von Märchen und von Heldenerzählungen kennt, vollends einnehmen, sodass er dann einen doch etwas gewöhnungsbedürftigen Sprachstil an den Tag legt.

Meinst du den Erzähler oder meinst du den Autor (also dich selbst, fransceco81)?
Das ist ja ein Zweiergespann. Und der Autor kann sich, glaube ich, nicht damit herausreden, dass sein Erzähler halt nun mal einen gewöhnungsbedürftigen Sprachstil pflegt. So einfach kommst du als Autor nicht davon.

Ich kann dich beruhigen, die Autorin Anne argumentiert auch häufig mal bei ihrem Erstling, dass ihre Ich-Erzählerin Jana nun mal so spricht. Diese Argumentationsweise ist mir vertraut. Aber sie greift zu kurz.

Wenn ich erdbeerschorsch richtig verstehe (und bitte korrigiere mich, wenn nötig), geht es hier nicht um die geschichtlichen Inhalte, sondern um das berühmte "Show, don't tell". Das ist so eine Art Schreibgrundsatz. Das heißt, du sollst nicht einfach etwas behaupten (soundso war die beste Weinbaugegend), sondern du sollst es zeigen, du beschreibst es so, dass der Leser es selbst entdeckt. Das bereitet dem modernen Leser mehr Freude, es im Text selbst herauszufinden, statt einfach Behauptungen zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Das so umzuschreiben, macht ziemlich viel Arbeit. Aber danach liest es sich besser. Ich habe in meinen Erstling zum Beispiel mehr Dialog eingebaut, an Stellen, an denen ich vorher nur Beschreibungen hatte.

Hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

LG, Anne

 

Herzeclich willekomen allhie, lieber Francesco81,

mir gefällt die von Dir gewählte Sprache - bis auf wenige Ausnahmen - durchaus vom mutmaßenden Ton bis hin zum parodierenden zeugnishaften Ton. Freilich, das Verb "verwalten" gibt es schon im 12. Jh. (wahrscheinlich aus dem mnd. vorwelden/-walden übernommen), da hatten die zu Durlach einen kleinen Vorsprung im Wissen um die ältere Bedeutung des Meiers, den wir nur noch als Hausnamen in diversen Schreibweisen, historischer Hausmeierei und als Bürgermeister in einer Brudersprache und im militärischen Rang kennen. Gleichzeitig ist da aber auch ein Hauch biblischen Tones

Und so zog der Verwalter des Herrn, ...
und dann die parodierende Formel eines ordentlichen Zeugnisses
..., ist für uns nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit nachzuvollziehen
Freilich, einen "deal" gab's seinerzeit nicht und somit auch keinen
Wein-Dealer...
, womit die Historik buchstäblich auf eine Sandbank der Moderne läuft, eingedenk dessen, dass ein historisierender Text nur eine Annäherung an Vergangenes sein kann. So reduziert sich dann mein Anfangsverdacht, es könnte eine kleine "historische" Erzählung sein, dahin, dass es eher ein Parodie auf unsere eigene, schwatzhafte Zeit ist. Das eigenwilligste ist dann auch die seltsame Art, die wörtl. Rede zu beschließen
Und wenn du diesen gefunden hast, dann bringe ihn zu mir und ich werde ihn reich belohnen!“. // ... durch den Garten seines und meines Herrn“. // Die erfrischende Wirkung des Gemüts stellt sich dagegen durch die aus dem eigenen Garten gezogene Minze ein!“.
(Punkt einfangen und ggf., sofern kein anderes Satzzeichen dort steht, vor die auslaufenden Gänsefüßchen setzen

Ab und an hapert's mit der Kommasetzung

Unsicher ist auch, ob der hier angesprochene Herr, der jene Ländereien besaß[,] nicht doch sogar ...
(Ende des Relativsatzes!) Ähnlich hier, nur eben der Anfang ...
... von der Lage des Weinstocks – ob es sich beispielsweise auf der Süd- oder Nordseite befindet beziehungsweise[,] welchen Winden er ausgesetzt ist – über das Setzen der Reben ...

Hier nun gibts zwo Gründe zum Komma: Die vergleichende Konjunktion leitet einen vollständigen Satz ein, dessen Infinitigruppe zudem noch von einem Substantiv abhängt. Zwei Gründe, ein Komma zu setzen
Dem Meier blieb damit nichts anderes übrig[,] als sich auf die Suche nach dem besten Winzer seines Zuständigkeitsbereichs zu machen.

Aber dann geschehen zwo bedenkenswerte Ereignisse: Hier wird das Verb "wehren" mit dem Adjektiv "wert" verwechselt
Und von einer nicht näher spezifizierten Quelle wissen wir, dass der we[...]rte Pfarrer den Jüngling getrost beiseite zu schieben gedachte, um ...
und hier schnappt die Fälle-Falle zu
... dennoch dürfen wir die im Laufe jener fernen Zeit gemachten Fortschritte nicht gerade unter[n] Teppich kehren ...
Nach allem[,] was uns bekannt ist, können wir sagen, dass einer ...
... wie er sich dafür herausgeputzt hatte[...]...!

Was ich mir gut vorstellen kann, was gelingen könnte nach einiger Übung, wäre der Schelmenroman - und wär's nur ein Romänchen (der kurzen Form halber).

Bis dahin zunächst ein schönes Wochenende vom

Friedel (Schreibweise bei Walther "vridel")

 

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