Mitglied
- Beitritt
- 21.06.2016
- Beiträge
- 21
Des Ritters Gesetz
Im Jahre des Herrn 1203: Die Christenheit ist dem Aufruf gefolgt die östlichen Lande unter dem Zeichen des Kreuzes zu erobern und war damit teilweise erfolgreich. Während die Heiden sich anderswo noch erheben, ist es dem Landvogt Conrad der Strebende gelungen die Aufgabe seiner Herren erfolgreich zu erfüllen. Seine Burg besteht in dem unwirklichen Land aus dunklen Wäldern und Mooren. Jene, die sich in seinem Glanz sonnen, lieben ihn, denn er ist gütig und gnädig, doch ebenso ehrgeizig und dem Denken der Zukunft zugewandt…
Er hätte anders entschieden. Doch die Kirche, die Münder des Herrn in dieser Welt, wollte es so. Also nickte Conrad der Strebende dem Henker zu, der die Axt auf den Verbrecher niedersausen ließ. Sein Hieb war gut: Anders als sonst war der Mann sofort tot. Die Menge vor dem Schafott seufzte gar enttäuscht.
„Ein gnädiger Tod für einen Heiden“, murmelte Conrad dem Abt Gilsfried, der an seiner Seite stand, zu. Man sah oft wie die Beiden einander musterten wie sie es auch jetzt taten: wie zwei Vögel, welche gemeinsam ihre Beute bereits in Visier genommen hatten; manchmal auch wie zwei Wölfe, die entscheiden sollten, wohin das Rudel als nächstes aufbrach.
„Eure Gnade wirkt in seinen Tod“, erwiderte der Abt erhaben. „Nicht nur die Gnade unseres Herren, selbst für ihn, sondern auch Eure. Ihr seid gütig zu den Leuten hier, und dafür verehrt man Euch. Aber wie Ihr seht, gibt es noch immer Heiden, die nicht wahrhaben wollen, dass Christus gesiegt hat. Habt Ihr Eure Burgmannen bereits bestimmt?“
„Noch nicht. Überlasst das Waffenhandwerk und die Verteidigung mir. Ich werde mich darum kümmern.“
„Natürlich! Aber ich bin verwundert: Ihr kämpft so gerne. Liegt’s daran, dass Ihr am liebsten allein streitet, mein Herr?“
Der Abt sprach wie immer sehr gewählt und nie schneidend. Aber es lagen Spitzen darin, welche Conrad durchschaute. Er musste sich mit dem Klosterführer arrangieren, doch auch seine Geduld kannte Grenzen. Dass auch Gilsfried nur um die Lage ihres Dorfes besorgt war, galt ihm als Entschuldigung. In gewisser Weise hatte er Recht: Obwohl ein Großteil der Länder befriedet waren, anderswo gar ganze Städte errichtet wurden, gab es noch immer Gegenden, in denen die Heiden sich erhoben. Die Christianisierung war im Maße friedlich verlaufen und hatte nie diese großartigen Geschichten der Heere aus dem Süden, auf dem Weg ins Heilige Land, produziert. Doch es gab jene, die sich widersetzten. Bisher hatte Conrad sie alle abgehalten. Alle.
„Ich werde mich meinen Aufgaben widmen“, sprach der Ritter nach längerem Sinnieren. „Und Ihr solltet das auch. Betet mit diesen Menschen, Abt. Sie sind eine wilde Herde.“
Gilsfried schmunzelte nur und verschwand mit einer Verbeugung von der Bank, hier am Rande des kleinen Platzes, der oft Markt und selten zum richten fungierte. Conrad blickte noch einmal über die Menge, die nach dem Kopf des Enthaupteten gierte und sich dann dem Bier und dem Festessen hingab, ehe auch er sich abwandte und den entgegensetzten Weg antrat.
Die Burg hatte den Namen Dunkelauge erhalten seit sie vor bald 60 Jahren errichtet wurde und mit ihren hohen Türmen eine beachtliche Größe erreicht hatte. Im Kreuzzug gegen die Wenden wurde sie notwendig, um die unwirtlichen Wälder im Auge zu halten, welche das Land weitflächig umgaben. Dort verbargen sich die Finstersten und Wildesten der Heiden. Aufgrund ihres Nutzens wurde sie immer weiter ausgebaut. Siedler kamen und begannen hier Fuß zu fassen. Bereits Conrads Vater hatte das Land für Gott und Kaiser verwaltet, der ebenso Ritter war, wie auch schon dessen Vater. Und weil sie alle wie rechte Christen gewirtschaftet hatten, sowie große Tugenden besaßen, konnte Conrad auf eine eindrucksvolle Basis bauen, die weiter wuchs, und ihm einen weiteren Aufstieg ermöglichen würde. An dies erinnerte er sich immer wieder, so hieß es, wenn er an den Höfen vorbei ging und sie mit mildem, christlichen Blick inspizierte. Mit 33 Sommern war er in seinem besten Alter; hatte viele Schlachten geschlagen und die Heiden bekämpft, gute Narben davongetragen, und war gar weit in den Westen gereist, um am Grab Albrechts des Bären für all das hier zu beten.
Allein, dieser Landvogt wollte mehr. Und damit meinten sie nicht sein Streben nach einem kaiserlichen Amt, Gold, oder Titeln. Manche behaupteten es sei sein persönliches Verlangen der größte christlichste Krieger zu sein – dies sei der Grund warum er bisher weder Weib noch Kinder hatte. Andere, vorsichtigere Naturen, gerade jene, die auf der Burg waren und in seinem schweigsamen Gefolge ausritten, um die Grenzen der Flure zu sichern, munkelten er sei gar zu freundlich zu den Heiden und von ihren Kriegertugenden mehr vereinnahmt als dem Glauben an den Erlöser. Er wollte frei sein, ein freier Geist – was immer das bedeutete! Daher hatte er diesen Namen: Der Strebende. Er strebte – wonach genau, das wusste niemand, und vielleicht nicht einmal er selbst.
Hoch oben auf der Burg, blickte der Ritter gen Westen. Gegenüber seinen Untergebenen sprach er: „Es wird düsteres Wetter aufziehen – eigenartig! Nach einem Gewitter sah es nicht aus.“
„Auch die Luft wird frischer, mein Herr“, sprach Johann, ein Knecht, der in seiner Gunst stand, und womöglich einer der Wenigen, die ihn wirklich etwas genauer kannten.
„Der Abt drängt mich die Schutztruppe zu organisieren“, sprach Conrad nachdenklich, das Thema wechselnd. „Allerdings hat das Moor Vorrang. Wir müssen es trockenlegen. Und wir müssen mehr Holz schlagen.“
„Wünscht Ihr, dass ich dies veranlasse und Burschen zusammenrufe?“
„Ja, Johann. Sag, dass es mein Befehl ist!“
Das Wort Conrads hatte großes Gewicht, nicht nur weil es Recht der Lehen so forderte. Man folgte ihm, denn viele der Siedler hatten schlechtere Herren gehabt. Die Trockenlegung des Moors würden ihnen zu gute kommen und Dunkelauge, diese Burg mit dem sonderbaren Namen, zu weiterer Blüte verhelfen. Das Land am Wald musste nur nutzbar werden. Bisher war die Arbeit noch nicht weit fortgeschritten, aber mit dieser Anordnung stand fest, dass es bald soweit sein sollte.
Am nächsten Tag fand in der Frühe der Gottesdienst statt. Das Läuten der Kirchenglocke war besetzt. Sie lag am Rand des Klostergeländes und war vielen ein Grenzstein für den schwelenden Konflikt der beiden Wortführer Conrad und Gilsfried. Bei der Sonntagspredigt ließen sie sich davon nichts anmerken. Der Abt erzählte und verwob seine Worte mit der Geschichte der Frau Lots, die zu einer Salzsäule erstarrte. Er sagte Gott könne noch immer schrecklich sein, wenn es nötig war. Nur den Christen würde Liebe zuteil werden, aber nicht jene, die ihn infrage stellen. Deshalb brauchte es christliche Krieger, jene, die das Wort Gottes verteidigten. Es sei eine unbedingt nötige Aufgabe! Zwar hoffe auch er, dass der Frieden mit allen sei, sagte der Abt. Doch die Taten der Ungläubigen seien nie vergessen. Für ihn war die Unternehmung im Osten nicht unbedingt erfolgreich gewesen. Man sagte diese Gedanken dem Papst nach. Die Worte Christi hatten nicht genug Verbreitung gefunden. Es bestand immer noch die Gefahr, dass das Dunkle aus den Wäldern käme.
Conrad lauschte mit ernster Miene. Kaum einer wusste diesen Blick zu durchdringen und darin zu lesen. Als die Messe beendet war, ließ er seine Männer am Tor warten und trat auf Gilsfried zu.
„Heute wird’s die Pflicht der Bauern sein im Moor zu arbeiten“, sprach er und gab großzügig in die Kollekte, die in den Händen des Gottesmannes ruhten. „Ich würde es begrüßen, wenn Ihr bei der nächsten Predigt darüber ein Wort verliert und die Wichtigkeit der Arbeit betont.“
„Das Moor und das Land“, erwiderte Gilsfried säuselnd. Ein gewisser Blick. Doch dann nickte er lediglich.
Sie beobachteten einander länger. Conrad sah zurück zu seinen Leuten, die am Tor weilten und über den gerade einsetzenden Regen sprachen – zum Glück nieselte es nur leicht.
„Ihr scheint weiterhin etwas auf dem Herzen zu haben, mein Herr“, stellte Gilsfried fest. „Die Beichte kann euer Herz erleichtern, wenn Ihr dies wünscht“, fügte er ohne zu Drängen an.
„Gott prüft mich, glaube ich“, entgegnete Conrad daraufhin und musterte ihn mit festem Blick. „Er prüft, ob ich geduldig sein kann und Schafe zu führen weiß wie Ihr es mit ihren Seelen tut, Gilsfried. In meinem Herzen drängt die Frage, ob ich hier richtig aufgehoben bin.“
Der Abt schmunzelte. „Sucht Ihr darob also eher die Seite des Markgrafen oder gar höherer Männer?“
Doch Conrad blieb ernst und schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht.“ Er seufzte schwerlich und blickte hinaus. „Gestern schien die Sonne prall, heute scheint es regnen zu wollen. Das Wetter wechselt heftig. So geht es mir mit meiner Seele. Was glaubt Ihr erwartet Gott von mir?“
„Dass Ihr in seinem Namen handelt und dabei das Ziel nicht aus den Augen verliert.“
„Was ist mein Ziel?“
„Die Heiden zu bekämpfen – auf welche Weise Ihr es eben vermeint. Doch denkt daran uns zu schützen!“
„Anderswo kämpfen die Heiden nicht mehr. Sie sind friedlich. Und waren die drei Könige, die unserem jungen Herren Geschenke brachten, nicht ebenso Heiden? Keine Christen?“
Seine letzten Worte ignorierend, trat Gilsfried näher und sprach eindringlich: „Und könnt Ihr sicher sein, dass es hier genauso sein wird? So bleiben wird? Sie verkriechen sich in den Wäldern. Die Heiden, diese Heiden hier, sind anders. Sie sind finsterer, Vogt! Denkt daran! Wollt Ihr denn nicht eure Waffe schwingen?“
Daraufhin lächelte Conrad traurig, dass es selbst den Abt stutzig machen musste. „Ja. Ebendies bedrückt mich. Aber ein großer Krieger, ist man nicht nur durch die Waffe. Ich weiß, dass etwas fehlt – neben dem Glauben, neben der Güte. Aber was es ist, das suche ich noch.“
„Ihr müsst beten“, gab Gilsfried zurück, fast etwas schnaubend. „Ihr müsst viel beten und euch dem Gesetz Gottes unterwerfen.“
„Ja. Doch nun gilt es am Moor zu arbeiten.“
Damit ging er, und die versammelten Männer dicht hinter ihm. Gilsfried stand noch lange in der Mitte der Holzkirche, die einmal fast Feuer gefangen hatte.
Noch vor dem Mittag hatte Conrad der Strebende zwanzig Männer versammelt und begann mit der Aushebung des Gebietes, trotz des stärker werdenden Regens. Er bestand darauf und konnte eisern sein. Erste Umgrabungen erfolgten, aber da Conrad anscheinend wenig von diesen Arbeiten verstand, überließ er die Aufsicht dem Knecht Johann. Er selbst zog sich lange auf die Burg zurück, und tat sicherlich das, was Gilsfried ihm nahegelegt hatte.
Dann allerdings hatte sich wie aus dem Nichts eine große Panik gebildet. Man konnte die erschrockenen Rufe der Männer selbst hoch auf dem Turm hören in dessen einsame Kammer sich Conrad begeben hatte. Als er nicht herbei kam, ging Johann zu ihm und öffnete behutsam die schwere Tür. Betend, aber mit geöffneten Augen, saß Conrad vor dem Fenster, zusammengesunken wie ein schwerer Stein.
„Herr, uns Gnade Gott!“, sprach Johann zitternd.
„Was hast du, Knecht?“
„Habt Eure Ohren es nicht vernommen, Herr?“
Conrad erhob sich schwerfällig, worauf sein Leder knarzte. Er strich seinen imposanten Umhang gerade, aber es wirkte, als sei es ihm lästig. „Ich habe etwas gehört, ja. War es wichtig?“
Johanns Gesicht war bleich. Er nickte zögerlich. Auch Conrad erkannte dies. „Was war los?“ fragte er.
„Drei der Männer haben etwas gesehen“, sprach er nervös – und wurde doch sogleich unterbrochen als draußen weitere Schreie ertönten.
„Was haben sie gesehen?“ knurrte Conrad ungeduldig. „Heiden?“
„Ja, Herr! Sie sagen dort war ein Weib – ein Geisterweib! Sie hätten es gesehen, dort zwischen den Bäumen, mit ihren teuflischen Augen!“
„Hast du’s gesehen?“
Johann schüttelte den Kopf.
Die Angst vor den Heiden ging um. Und wenn sie den Strebenden auch liebten: Die Angst vor dem Fremden konnte er ihnen nie ganz nehmen. Sie ritten immer wieder aus, und alle wollten sich mit dem Blut der Feinde beweisen – auch ihr Anführer. Doch nie brachten sie einen Toten mit. Manchmal glaubte er es gäbe gar keine Heiden dort.
Conrad beschloss hart durchzugreifen. Weil sich die drei besagten Männer nicht beruhigen wollten und er sie fliehend vorfand, ließ er sie mit einem Stock verprügeln und in den Kerker der Burg werfen. Dann wies er die Knechte an Pferde zu satteln. Mit vieren seiner insgesamt achtköpfigen kampferprobten Recken versammelte er sich vor der angsterfüllten Menge, die Gilsfried mit seinen Mönchen zu beruhigen trachtete.
Alle sahen zu ihm, als er begann: „In diesen Wäldern gibt es womöglich keine Heiden mehr“, verkündete er aus seinem Sattel heraus unumwunden. „Denn ließen sie sonst eine einzelne Frau zurück? Wären sie wirklich so feige ein Weib für sich kämpfen zu lassen? Man sagt, die Heiden sind so. Sie sind wild, sie leben mit der Gefahr und den Wölfen im Einklang. Ich werde euch beweisen, dass sie uns keine Angst einjagen können. Vertraut mir!“
„Werdet Ihr endlich ihr Blut bringen?“, rief einer aus der Menge, Siegfried, ein bärbeißiger Müller.
„Ja, ich werde Blut bringen!“, versprach Conrad mit lauter Kehle – und zog sein Pferd an den Zügeln, um es gen Wald abzuwenden.
Was sie dort wirklich erlebten, konnte man nicht sagen. Die Leute befürchteten das Schlimmste und während andere für ihre Sicherheit beteten, wetteten Abgebrühte wie ein Schäfer oder der Hufschmied darauf wer den Tod fand. Keiner setzte auf den Vogt, aber genug auf seine Männer, jene also, die durchgriffen, wenn es nötig war und darum verhasst waren.
Tatsächlich aber kamen alle von ihnen unbeschadet zurück. Keiner war verletzt, und keiner wirkte, als hätte er dem Bösen in die Augen gesehen. Beim Umtrunk am Abend sprach Wendel, der Maßvollste aus Conrads Truppe und angeblich einer, der selbst Heiden in seiner Blutlinie hatte und deswegen etwas von den Wäldern hier verstand, lediglich von manch nachdenklichen und lang anhaltenden Blicken, die Conrad auswarf. Manchmal habe dieser angehalten und etwas am Boden untersucht – mögliche Spuren, so meinte er. Aber ergeben habe sich nichts.
Es sollte in der nächsten Zeit jedenfalls zu einigem Gerede kommen, welches nur der Beginn für eine viel finstere Zeit in Dunkelauge war. An diesem Abend noch, hatte sich Conrad auf seine Burg begeben und verlangte nicht gestört zu werden. Nur die Diener sahen ihn, die ihm Essen und Wein brachten und die Felle vor den Fenstern putzten. Conrad sprach oft mit sich selbst, wenn er Fragen stellte wie: „Hat Gott dem Menschen nicht seinen freien Willen gegeben, damit er sein eigenes Gesetz mache?“ Damit ihm niemand Häresie unterstellen konnte, fügte immer hinzu: „Im Namen Christi?“ Oder er fragte: „Warum verlangt es mich zu kämpfen, wenn doch der Frieden herrschen soll? Warum verlangt es uns alle zu kämpfen? Warum ist die Herde so zäh?“ Er soll auch an diesem Abend mit seinen Schwertern geübt haben, mehr noch aber mit dem zackenhaften Morgenstern, der seine favorisierte Waffe war, und gar nicht zu seiner stillen Seele passte.
Dann wurde es Nacht. War es ein Traum? Ging er wie verzaubert? Hoch oben auf dem Turm hüllte sich die Nacht in Schatten und Formen, welche nur die dunkle Macht des Teufels herbeiführen konnte. Dort oben, wo nur die Vögel im Himmel Gott näher sein sollten, kam aus der Finsternis eine Gestalt. Conrad stand in seinem Nachthemd bekleidet, der Morgenstern in der Hand. Doch der Arm war gesunken und er mochte in Trance sein, so wie er dem lauschte, was sich dort aus der Finsternis offenbarte.
„Wer bist du? Was bist du?“, fragte er in die Dunkelheit, in einer Mischung aus Mut und Ehrfurcht gleichermaßen.
Es offenbarte sich eine Frau, eine Frau mit brünettem Haar und gekleidet in braune Leinen. Sie war älter, keine Jungfrau, doch trotzdem schön geblieben. Amulette hingen um ihren Hals und ihre Finger, mit langen, dreckigen Nägeln, waren ineinander gefaltet, als hätte sie die Geduld des demütigsten Asketen.
„Ich bin Maira, Strebender“, hauchte sie. „Ich bin die, die du gesucht hast.“
Unwirklich schüttelte Conrad den Kopf. „Also existierst du wahrhaftig?“
Sie lächelte verschmitzt. „Wahrhaftig!“
Langsam begann sie sich ihm zu näheren. Conrad erhob seine Waffe unmissverständlich, was das Weib innehalten, ja, fauchen ließ. Plötzlich änderte sich ihr Wesen und sie musterte ihn wie eine Füchsin.
„So willst du also handeln? Mich erschlagen?“
Der Ritter erwiderte mit der Hand am Kreuz: „Wenn du eine Hexe und Hure des Teufels bist, dann ist es meine Pflicht dich zu töten! Und dann tue ich es, Weib; dann zerschlage ich dir dein Gesicht und reiße dir deine Brüste ab!“
Manche vermeinten in dieser Nacht das schrecklichste, furchterregendste Lachen hoch oben von dem windigen Turm zu hören. Und es begann just zu regnen, als sie finster gegenüber dem Herren der Burg verkündete, dabei vor ihm kreisend wie ein hungriger Wolf: „Versuch es! Versuch mich zu erschlagen und leide in ewiger Verdammnis – eine Verdammnis des Abgrundes, von der du nicht zu träumen vermagst! Willst du einen Schwarzalb wecken? Oh, ich vermag einen der Abscheulichsten dieser Kreaturen zu rufen, die ihr so sehr fürchtet – ihr Christen! Ihr seid mir eine gute Beute!“
Abermals lachte sie aus den Tiefen ihres dunklen Herzens. Auch Conrad mochte zittern. Er umklammerte seine Waffe fest und hielt sie genau im Blick. Er überlegte, was zu tun sei.
Doch dann wurde ihr Ton anders – versöhnlicher, jedoch nicht minder gefährlich: „Aber ist es nicht so, dass du gar nicht mein Feind bist? Diese Bauern, diese Niederen: die kann ich erschrecken. Aber nicht dich, oh furchtloser Ritter! Wir wissen Beide, dass du noch suchst und dass du glänzen willst, noch mehr als du jetzt schon tust!“
„Du weißt nicht wovon mein Herz lebt“, knurrte Conrad, doch wankend, unsicher.
„Ach nein? Weiß ich das nicht?“ Sie lachte. „Strebender! Du bist ein Krieger in der Sonne Jesus Christus, aber was du doch willst, ist deine eigene Sonne zu finden!“
Conrad stand versteinert da. Er wusste kein Wort darauf zu entgegnen. Es war ein unheilvolles Omen.
„Merke dir diese Worte, denn du weißt, dass ich Recht habe – und Recht behalten werde“, fuhr sie fort. „Suche mich morgen im Wald – doch komm allein! Dann werde ich dir zu deinem wahren Ruhm verhelfen – deiner Sonne!“
Nachdem diese Worte gesprochen waren, war auch das Weib verschwunden. Conrad, der noch zwei Minuten dort gestanden hatte, rannte plötzlich hinüber zur Burgzinne, spähte in alle Himmelsrichtungen, und wurde doch nur vom strömenden Regen durchnässt. Mit dem Morgenstern schlug er in die Luft, doch sie war nicht unsichtbar – sondern einfach verschwunden!
Er würde sie nicht sofort suchen gehen. Stattdessen hatte sich der Ritter zurückgezogen. Einige hatten von den Seltsamkeiten gehört. Sie begannen nun sich selbst mit Bleianhängern vor der Dunkelheit zu schützen, so wie es alter Volksglaube war. Niemand wagte es über die Vorkommnisse zu sprechen, und man musste auch anerkennen, dass es des Abtes Bemühungen zu verdanken waren eine Unruhe niederzudrücken. „Doch ich werde mit dem Vogt sprechen“, verkündete Gilsfried feierlich und ernst. „Ich werde sehen, was diesen Rittersmann plagt!“
Aber es regnete, und der weise Krieger Wendel, der unter den Leuten verkehrte, wurde murmeln gehört: „Für diesen Mann bringt unser Herr Conrad nur noch weiteren Regen. Er will doch nur, dass er geht und der Kaiser uns einen frommeren Mann schickt, der die Rechte der Kirche zu wahren weiß! So ist es doch!“
Niemand konnte sagen, ob Gilsfried derart überlegte, oder wirklich nur helfen wollte. Tatsache war aber, dass er, ebenso wie alle Anderen, an der Burg abgewiesen wurde. Einzig der Knecht Johann begab sich in die Nähe seines Meisters – selbst die Krieger Conrads bekamen ihn nicht zu Gesicht und zogen deshalb selbstständig, unschlüssig, um die Hügel und Felder der Burg, immer mit Augen auf den Wald gerichtet. Die Arbeiten am Moor kamen zum erliegen – und auch hier waren die Dinge nicht eindeutig: War das Arbeiten einfach unmöglich? Strafte Gott? Oder war dieses Dorf verflucht? Der Regen fiel wie in der Sintflut zu Noahs Zeiten.
Der Herr Conrad war allerdings nicht untätig geblieben. Er betete viel. Er las, war klug und gebildet. So wie er sich auf seinen Glauben verließ, hielt er es mit dem Verstand. Der Durst nach Wissen ließ ihm keine Ruhe. Vielleicht am zweiten Tag nach den grausigen Lauten vom Turm, begab er sich hinab in das Verlies der Burg. Noch immer waren hier die drei Störenfriede – die drei Ängstlichen – eingesperrt.
„Habt ihr sie gesehen?“ fragte Conrad sie alle nacheinander. Aufmerksam musterte er jedes Zucken ihres Körpers.
Sie zitterten noch immer. Einer hauchte: „Ja, Herr, ich habe sie gesehen. Ihre Augen hatten kein Weiß, sondern nur die schwärzeste Finsternis! Sie vermochte es zwischen den Bäumen zu verschwinden und die Luft um uns herum schwindelig zu machen. Sie fürchtet das Kreuz nicht, denn- denn sie flüsterte uns zu, dass sie einen Weg finden würde all das Heilige zu umgehen, was wir hier aufgebaut haben!“
„Wie sah sie aus?“
„Ah! Versehen war sie mit braunem Haar; älter, aber wunderschön, doch mit den Fingern eines Dämons! Sie wollte sein wie ein ganz normales Weib, Herr, aber in ihr, da schwelte das Böse!“
Conrad nickte und schnitt ihnen allesamt die Kehlen durch. Sie blieben in ihren Zellen liegen.
Ein weiterer Tag verging, und dann zeigte sich der Vogt wieder vor seinen Schutzbefohlenen; jenen, denen er seinen Eid geschworen hatte, ihr Leben zu wahren. Aber die Rede zur Lage, die sie erwartet hatten, blieb aus. Wie so oft war er schweigsam, aber dieses Mal beunruhigte es sie. Stattdessen sprach er nur zu seinen Leuten: „Sattelt mein Pferd! Ich werde in den Wald gehen. Allein. Ihr hütet die Burg und das Dorf. Denkt an meinen Ritterseid und erfüllt ihn, als sei es der eure! Wendel, du hast das Kommando bis dahin.“
Dieser fragte erstaunt: „Aber warum gerade ich, Herr?“
„Weil du noch etwas Natur neben unserem Erlöser in dir hast“, erwiderte Conrad und wandte sich ab.
Im finsteren Wald: Es war kein guter Weg in ihn hinein, bei dem Regen, der zwar ab und an sein Treiben einstellen musste, doch die Sonne nie ganz gewinnen ließ. Das Tier des Ritters wurde unruhig und er musste absteigen, um es an den Zügeln zu führen auf den finsteren Pfaden zu führen. Je tiefer Mensch und Pferd vorandrangen, umso mehr schien diese Einheit, dieses wahre Bild des Ritters, nicht mehr zu bestehen. Das Pferd wieherte furchtsam, doch Conrad zischte und mauschelte, fauchte es an. „Wo bist du, Hexe?“, murmelte er rastlos und unaufhörlich. „Wo bist du?“
Nachdem schon Stunden später keine Antwort ertönte, begann er fast wahnsinnig zu werden. Er schrie, fiel auf die Knie und rief: „Wo bist du?! Wo bist du?! Komm her und hilf mir! Zeig dich!“
Sicherlich war es eine Prüfung gewesen, denn erst jetzt trat sie aus dem Nichts des unheimlichen Waldes hervor, so, wie es auch die drei Bauern beschrieben hatten. Abermals lächelnd, voller Selbstsicherheit und unnahbar, trat sie auf ihn zu und bedeutete ihm aufzustehen.
„Bist du bereit dein Pferd zu schlachten, um Geheimnisse zu lernen, Strebender, die nur ich dir verheißen mag?“, fragte sie ihn bedeutsam.
Unwohl sah er zu seinem Begleiter. Musterte es länger, und erkannte, dass selbst dieser alte Gefährte keine Bedeutung für ihn hatte, wenn er seinem Ziel folgen wollte. Er nickte.
„So folge mir! Nimm meine Hand und weiche nicht!“
Er ergriff diese Hand und berührte jene Haut, die viel zu weich für jemanden war, der in diesen Wäldern lebte. In einer Kette aus Weib, Mann und Tier, zogen sie immer tiefer in die Wälder. Conrad vermeinte überall Geister und Kobolde zu sehen, genauso wie mit Äxten bewaffnete Heiden, die über ihn herfallen würden. Er glaubte bereits in eine Falle gelaufen zu sein. Doch wieder einmal überraschte sie ihn, als sie sich als vertrauensvoll erwies. Keines der Phantome attackierte sie.
Sie hielten schließlich vor einem seltsamen, dickwässrigen Teich. Der Ritter musste das noch unruhiger gewordene Pferd mit beiden Händen festhalten. „Ist dies hier dein Heim?“, fragte er trotz allem misstrauisch.
„Nein“, erwiderte sie, nun ruhig und mit großem Ernst. „Ich würde nicht so närrisch sein und dir dieses zeigen, Strebender. Nein! Dies hier ist ein Ort an dem du ihn anrufen kannst!“
„Pah! Von wem sprichst du? Dem Teufel?“
„Hüte dich! Christen sprechen vom Bösen, ihr sprecht von Dämonen! Aber glaubst du wirklich daran?“
Er zischte: „Ich glaube an meinen Erlöser! Du solltest es sein, die sich hütet, Weib!“
„Ja, du glaubst an ihn“, erwiderte sie ungerührt. „Aber daneben glaubst du noch an mehr. Vor allem an dich. Ja, und bist du nicht klug genug zu wissen, dass auch wir unsere Engel und Geister haben, Strebender?“
Sein Blick wich aus.
Sie fuhr fort: „Wenn du wirklich deine eigene Sonne finden willst, dann will es die geheimnisvolle Natur so, dass du gerade an ihrem dunkelsten Ort Blut von etwas gibst, das du schätzt. Dein Pferd.“
„Ein Edles“, ergänzte Conrad verstehend.
Kurz zeigte sich wieder Mairas unheilvolles Lächeln. Dann nickte das Weib.
Ob er es sagte, weil er sich selbst nicht eingestehen wollte in den Fängen einer Hexe zu sein? Er zückte sein Messer und verkündete: „Es geht hier nicht nur um mich. Ich will keine Feindschaft mit euch Heiden, egal wie gottlos ihr seid. Ich tue dies hier auch um meine Leute zu beschützen. Und um Wissen zu erlangen – die Geheimnisse dieses Waldes; auf dass ich mein eigenes Gesetz machen kann, vor mir selbst, und um in Ehre zu leben!“
Das Pferd wollte laufen. Es wehrte sich. Der Kampf wurde blutig. Conrad tötete es mühsam und unter Tränen.
Der Teich, in den der Leichnam fiel, färbte sich schwarz. Maira die Hexe war verschwunden. Conrad blickte nervös in alle Richtungen. Ein sonderbares Blubbern vor ihm. Er schaute in dieses unheilige Wasser. Was dort lauerte, was er dort sah, das bleibt unklar, und nur dem Ritter vorbehalten.
Conrad der Strebende war allein aus dem Wald zurückgekehrt, ohne Pferd und blutüberströmt, doch wohlbehalten. Wo sie erst jubelten und Gilsfried ein inniges Gespräch mit ihm suchte, machte sich bald Verstörung breit, denn der Vogt war ausgesprochen redselig. Er erklärte nicht genau, was dort im Wald passiert war, doch er lächelte und gab tatkräftige Pläne aus. Nun würde bald weiter gearbeitet werden! Das Wetter sollte besser werden!
Und so war es – weswegen vorerst niemand mehr Fragen stellte und sie also arbeiteten. Conrad überwachte dies alles. Nur wenn sich die Frauen untertänigst nach den drei Männern im Kerker erkundigten, wurde er schroff und scheuchte sie davon. Ja, er schien im Reinen zu sein; zu leben wie die Zeit selbst, die sich um Niemanden sorgt und doch um alles kümmert.
Die Dinge änderten sich; etwas änderte sich, schleichend. Des Nachts sah man Licht oben auf der Burg. Conrad war es, der eine Verwandlung durchmachte. Doch er blieb ein tugendhafter Mann. Auf dem Turm sprach er mit Maira, die in dieser Nacht zurückgekehrt war.
„Spürst du wie es wächst?“, fragte sie, so süßlich und gefährlich wie bei dem ersten Treffen, an dem eben diesem Ort.
„Die Macht, ja“, gab er zu. „Aber nicht nur diese. Ich spüre, dass ein Mann wie ich, der immer weiter emporstrebt, auch an seinen Aufgaben scheitern kann – es wäre egal! Heroisch muss man leben, das erkenne ich nun. Man darf nicht auf dieser Burg bleiben. Vielleicht gehe ich nach Westen und werde frei sagen, was ich denke, um dem Kaiser ein besserer Diener zu sein statt als Vogt in diesen Landen hier. Freilich bist du nicht gekommen, um dies zu erfahren, oder, Hexe? Maira? Weswegen bist du hier?“ Er wurde misstrauischer.
„Nichts ist ohne Preis, um ihn zu befriedigen. Es gibt Dinge, die höher sind als wir. Du hast nun dein eigenes Gesetz, was dich jedoch nicht von der Pflicht entbindet in der Welt des Anderen, jenseits all dessen hier, den Tribut zu entrichten.“
Conrads Miene verfinsterte sich. „Wovon sprichst du? Was weißt du?“
„Du hast weitere Opfer zu bringen, nicht nur ein lausiges Pferd. Bring mich in deine geheimste Kammer!“
Der Geheimraum, der Teil eines Ganges für den Notfall einer Belagerung war, war niemandem außer seinen Männern bekannt. Dies war nun der Ort, den Maira mit ihrer schwarzen Magie auflud, verfluchte und zu einem Altar der Finsternis errichtete. Conrad mochte es nicht sehen, oder er wollte es nicht sehen, wenn er noch Herr seiner Sinne war.
„Die drei Toten aus dem Keller!“, hauchte sie. „Bring sie mir!“
Wie wusste sie von ihnen? Aber er brachte sie ihr, egal wie groß sein Unbehagen war. Maira schändete die Leiber, indem sie sie mit unheiligen Symbolen beschmierte, dazu sang und summte, und Formeln sprach, die das Licht erlöschen ließen, und selbst die feuchten Gemäuer noch kälter machten. Dann trugen die Beiden, heiliger Mann und ketzerisches Weib, sie über den verborgenen Weg hinüber in den Wald.
„Was wird das hier? Was tue ich?“, fragte er verstört.
Sie legte ihm die Finger auf die Lippen; hauchte: „Auch wir beerdigen die Toten! Sie werden in seinem Namen wiederauferstehen! Glaube mir!“
Und vielleicht taten sie noch mehr, dort am Waldrand, viel zu nahe an unserem Dorf und der Burg. Die drei Toten würden nicht in heiliger Erde begraben sein.
Die Burg Dunkelauge begann ein Moor trockenzulegen, und alle schienen wenn nicht fröhlich, so doch zufrieden und beruhigt, doch die Zeit zog dahin, und unangenehme Fragen begannen erneut auf den Vogt einzuprasseln. Wenn sie nach den drei Toten fragten, wies er sie ab oder ließ die Frauen prügeln. Was er denn des Nachts im Lichte tue, munkelten andere, in der Hoffnung, doch noch etwas zu erfahren. Kein Wort kam heraus! Erst als sie sich alle an den Abt wandten, gab Conrad zu die Toten beerdigt zu haben: „Nicht hier, aber anderswo, wo sie gut liegen!“ Er verbat sich jede weitere Auskunft und verschwand, wie so oft.
Es war eine seltsame Situation. Während die Dorfbewohner nachts ihre Häuser umso strenger verriegelten und mit Blei am Körper schlafen gingen, war Conrad ein vergnügter Mann, ohne gleichsam zu einem Gierigen zu werden, wie man es anders wo von den Rittern aus anderen Gegenden und Landen hörte. Er lud Müller Siegfried und weitere mit ihren Familien zu einem Mahl ein. Gar soll er eine Magd umworben haben, voller Selbstbewusstsein, und doch mit dem besten Anstand, sie also nicht anrührend, oder anderweitig die Ehre beschmutzend. Bedächtig sprach er davon sich eine angemessene Frau nehmen zu wollen, das Spiel der Laute zu lernen, und oben auf dem Turm ein Lied zu Ehren des Erlösers zu schreiben – aber all das mit einer Ruhe und Disziplin, als das man ihn kaum für einen Wahnsinnigen halten konnte.
Insbesondere Gilsfried ließ sich davon weder beeindrucken noch abweisen. Insgeheim, so hieß es, plane er ein Schreiben an den Bischof zu verfassen. Dass er sich damit Zeit ließ, sei einzig der Grund Conrad der Ketzerei zu überführen. Die Männer standen hinter dem Vogt, denn er entlohnte sie gut. Doch Gilsfried würde standhaft bleiben – jeder wusste von seinem Ehrgeiz und Willen zur Macht.
Die Nächte waren es, die dem Abt Recht gaben. Wenn Conrad wieder für sich war und alles schlief, ging merkwürdiges vor. Manche waren sich sicher, dass er es war, der unter Sternenhimmel durch die Nacht ritt und mit einer Teufelsfratze im Gesicht in die Häuser spähte, dunkle Umtriebe vorbereitend.
Dann war plötzlich der Müller Siegfried verschwunden. Eine Suchaktion blieb aus, da es hieß er sei gen Westen gefahren. Aber als sich auch Tage später kein Zeichen von seiner Heimkehr einstellte, war das Dorf erneut unruhig. Den Vogt baten sie nicht um Hilfe, da ohnehin jeder glaubte er wäre in die Sache verstrickt. So beschloss Gilsfried zu handeln. Einer seiner Mönche, die drüben in der Burg manche Dienste taten und der Sorge um die Kapelle der Anlage bemüht waren, sollte für seinen Abt handeln. Er sollte sehen, welches Geheimnis Conrad den Strebenden umgab. Doch Gilsfried hätte wissen sollen welche Fuchsschläue sein Widersacher sein Eigen nannte. Der Mönch konnte ihm auch Tage später keine Informationen geben und wusste nur, zu aller Mönche Verwunderung zu sagen, dass die Kapelle eifrig benutzt und im besten Zustand war – Conrad blieb mit Gott. Indes war die schöne Magd, eben jene die Conrad umworben hatte, ebenfalls nicht mehr aufzufinden.
„Ich möchte dich für diese Aufgabe“, erklärte Gilsfried. „Du bist ihm nahe, denn er vertraut dir.“
Diese Worte sagte er dem Knecht Johann, der seinen Meister Conrad schlicht lange genug kannte und genauso viele Jahre an diesem Ort war wie auch schon sein Herr selbst. Sie standen vor dem Brunnen. Johann zerknautschte seinen Hut und blickte fort. „Vater, ich- ich kann nicht“, flüsterte er und sah sich um, als könne Conrad überall auftauchen.
„Du musst!“, erwiderte Gilsfried eindringlich. „Siehst du nicht, was für unheiliges Werk hier vor sich geht? Du siehst es, du spürst es, mehr noch als jeder Andere, denn du lebst auf dieser Burg dicht bei ihm! Johann, sag mir, was dort vor sich geht!“
In seiner Angst blieb der Knecht starr. Mehrmals schüttelte er den Kopf und klammerte sich mit aller Gewalt an das Stück Leder zwischen seinen Händen.
„Willst du denn noch mehr Leute verschwinden sehen?“, setzte Gilsfried nach. „Er muss den Verstand verloren haben und verhext worden sein, wenn es wirklich eine Heidenpriesterin aus dem Wald war, wie meine Schäfchen sagen! Soll sie denn alles kaputt machen was hier aufgebaut wurde? Johann, uns geht es gut! Uns geht es hier sehr gut! Wie kannst du nur-?“
„Ja, uns geht es gut!“, unterbrach der Knecht ihn aufregt. „Seht Ihr denn nicht wie auch das Wetter besser wurde? Wie weit wir mit dem Moor gekommen sind? Was- was soll daran falsch-?“
„Weil wir mit Hexenwerk nicht Gott betrügen dürfen, um ins die Arme des Teufels zu begeben!“, spie Gilsfried schon fast. Nach den anderen Bewohnern sah er gar nicht hin. Seine großen Augen kündeten von der Ernsthaftigkeit dieser Sache. Auch Johann wusste: Es ging um ihr aller Seelenheil – um die Todesfeuer der Hölle!
Johann ging an diesem Tag fort, wie ein störrischer Esel, aber Gilsfried war ein gewiefter Mann, der nicht locker ließ. Er bestellte Johann am nächsten Tag hinüber in die Kirche und erinnerte den Knecht an eine seiner Beichten. Gilsfried erinnerte ihn, dass er jederzeit, durch die Zwiesprache mit Gott, umentscheiden könne wie mit den Sünden zu verfahren sei.
„Aber mir geht es nicht darum dich zu martern, Johann“, meinte er schließlich. „Du hast gesündigt, aber wer sündigte nicht? Ich bin sicher: Niemals hast du so streng gesündigt wie dein Vogt und Lehensherr! Ich will dir eine Chance geben. Ich habe mir dies genau überlegt.“
Der Knecht, erkennend, dass er in der Hand des Gottesmannes lag, fragte zitternd und gefügig: „Was ist es, Herr?“
Gilsfried beugte sich vor und sprach eindringlich: „Du weißt einen Weg mich ungesehen in die Burg zu bringen und dort versteckt zu halten. Ich verlange also nicht von dir, dass du deinen Herrn für mich bespitzelst, wohl aber diesen Gefallen, damit ich die Sünden unseres Vogts mit eigenen Augen sehen kann.“
Wollte der Abt also nur seinen Feind besiegen oder war sein Herz wirklich rein, wenn er sich sorgte? Zumindest war er bis zum äußersten bereit. Johann sollte es Recht sein vom Schlachtfeld treten zu können, sodass er einwilligte.
Nach Sonnenuntergang wurde der Priester von dem wachhabenden Knecht in den Hof der Burg gelotst. Sie gingen über die Waffenkammer hindurch zur Wendeltreppe, die weit nach oben führte. Hier gab es Gemach und Schriftenzimmer des Conrad, doch eine Kammer, kaum größer als eine Nische, war als eine Art Lagerraum vorhanden. „Hier könnt Ihr weilen, mein Herr“, murmelte Johann.
Gilsfried nickte, nahm Johann aber am Arm. „Du zitterst. Du hast Angst. Was wird in dieser Nacht geschehen? Was tut er, Johann?“
Der Knecht würde auch jetzt nicht schwätzen. Er hauchte: „Bleibt geduldig und wartet! Ich werde dafür sorgen, dass euch niemand bemerkt. Die Schritte nach oben müsst Ihr selbst machen. Wartet, bis sie sein Gemach betreten hat…“
Damit wandte er sich ab, selbst fast wie ein Schatten aus der Totenwelt. Gilsfried aber war weniger ängstlich als verärgert. Doch obwohl er glaubt es handle sich nur um Hurerei, um Wollust, hielt er sein Kreuz fester – vier Stunden, denn so lange wartete er in der kühlen, feuchten Ecke.
Er begann nach oben zu schleichen, als er die Geräusche vernahm. Conrad war immer geschickt darin gewesen sich seine Aura zu verleihen und mysteriös zu wirken. Aber eine Frau konnte nichts entschuldigen, wenn er in Morde verwickelt war! Der Abt machte sich krumm an der Tür und spähte durch das Schlüsselloch. Sein Auge weitete sich, als er ein nacktes Weib mit grässlichen Händen sah, welches sich im Scheine des Feuers aus Fellen schälte und über den nackten Conrad fiel. Sie sündigten auf die übelste Weise, flüsterten gar das Schändlichste. Gilsfried versuchte so fest wie möglich zu lauschen. Sprachen sie dort nicht von den verschwundenen Leuten? Lachten sie nicht darüber wie die widerwärtigsten Teufel?
Letztlich mochte Gilsfried doch ein Mann von großer Ehre gewesen sein. Unertragbar war dem Hirten die Verhöhnung der Toten. Er riss die Tür auf und hielt sein Kreuz aufrecht gerichtet: „Verbrecher!“
Überrascht wurden die Liebenden von dem Anblick des Gottesmannes getroffen. Conrad sprach kein Wort, denn er hatte verstanden und erkannte, wenn er überrumpelt wurde.
Gilsfried aber sprach: „Du hast gesündigt, Ritter! Dafür werde ich dich brennen sehen!“
„Ich bin ein freierer Mann in dieser Welt geworden als ich es zuvor je war“, sprach Conrad ruhig und ging langsam auf den Abt zu. Seine Arme waren gehoben, er war unbewaffnet.
Maira aber, die sich nur an den Kamin gedrückt hatte, versuchte sich hinauszuschieben. Gilsfried rief: „Seht Ihr nicht? Sie hat euch verhext! Und nun betrügt sie Euch!“
Dies verwunderte auch Conrad. Er sah wie sie am Türrahmen stand. Sie starrte ihn nur an. Dann nickte sie, und nur er schien zu wissen, was dies bedeutete.
„Haltet sie auf!“, fauchte und spie Gilsfried. „Haltet sie auf!“
Der Abt wollte auf sie zulaufen, doch Conrad, hin- und hergerissen, stellte sich dem Gottesmann in den Weg.
Ein Handgemenge brach aus. Es ging alles blitzschnell, als die Wölfe nun ihre Gesichter zeigten. Der Abt schaffte es irgendwie Conrad zu Boden zu ringen. Er drückte ihn in Richtung des Kamins – und seine Hand gierte nach der Feuerstange! Gerade noch rechtzeitig vermachte der Ritter es ihm diese fortzuschlagen und sich auf die Beine zu begeben.
Beide standen sie wieder und sahen sich an. Gilsfried hielt sich die Nase und keuchte. „Das soll es also sein? Ihr befleckt einen Diener Gottes für eine Hexe?!“
Conrad sah ihn lange an, mit unheilvollem Blick. Noch immer nackt, griff er nach dem Morgenstern und trat auf Gilsfried zu. Der Priester schüttelte verstört den Kopf, wich zurück und rief: „Nein! Was tut ihr, was tut ihr?!“
„Ihr seid gut in dem was Ihr tut“, sprach Conrad ohne innezuhalten. „Wir sind jedoch nie Brüder geworden und werden es nie. Früher oder später muss einer von uns sterben. Und ich werde nicht brennen!“
In seiner Verzweiflung stürzte der Abt auf Conrad zu, wollte diesen abhalten und die Waffe entreißen – es war aussichtslos. Conrad warf ihn nieder und erstickte seine Schreie mit ganzen sieben Hieben, welche Gesicht und Brust des Abtes zu einer breiigen und blutigen Masse zerstörten.
Und damit, so ist man sich sicher, war das Schicksal von Dunkelauge endgültig besiegelt.
Conrad, egal ob er nun wieder bei Sinnen war oder noch immer seinem individuellen Gesetz folgte, ging nun schnell, aber methodisch vor. Zuerst sprach er ein kurzes Gebet, sagte: „Nichts wäre anders gekommen, Abt. Mag ich nun auch der größte Sünder sein, so hätte ich nicht anders gehandelt und hätte immer wieder nach größeren Höheren gestrebt.“ Dann verbarg er den Leichnam des Priesters, dem er Kleidung und Kreuz nahm. Schließlich versah er sich selbst mit seiner Lederkleidung, tauscht den Morgenstern für das leichte Schwert und eine Fackel, und schlich sich aus der Burg, um hinüber in den Wald zu laufen.
Er suchte Maira. Dieses Mal sprach er kein Wort; mochte gar wirklich mutiger, erfüllter und ruhender geworden sein, ganz gleich ob er gerade den Abt erschlagen hatte. Er vertraute auf Gott und sich selbst, zwei Teile desselben, um die Hexe zu finden.
„Halt!“, sprach er dem Schatten zu, als er die letzten Tierlaute hinter sich gelassen hatte und ihr in seelenloser Stille, nur begleitet vom Schein der Fackel und seiner Klinge in der Hand, gegenübersah.
Sie wandte sich um. Ein sonderbares Lächeln, kalt und traurig zugleich. „Du bist ein guter Mann, aber keiner der Besten – wenn es so etwas dann je gab“, säuselte sie.
„Bin ich also eine Bestie geworden, stattdessen?“, wollte er wissen.
„Was glaubst du, Conrad der Strebende?“
„Nein“, sagte er kopfschüttelnd. „Ich bin gereift, selbst wenn ich nicht weiß wie und unter welchen Zeichen.“
„Unter seinen!“, hauchte sie kündend. Sie wollte gar lachen, aber dieses erstickte freudlos. „Du hast von ihm profitiert und ihn genährt. Gibst du ihm auch noch den Abt? Auch dieser muss verschwinden.“
„Was dann? Ist der Spuk dann vorbei?“
„Werden sie einen neuen Mann schicken? Wird der Prior das Kloster führen? Wer weiß das schon! Du musst es herausfinden.“
Weil er ihr verfallen sein mochte, erschlug er sie auch dieses Mal nicht. Er kehrte um, sie folgte ihm bedächtig. In ihrem geheimen Raum wurde nun auch der tote Gilsfried entheiligt und verflucht. Als Conrad ansetzen wollte ihn einzuwickeln und zutragen, schüttelte sie den Kopf. „Nein. Hinauf mit ihm; auf den Turm!“
„Warum?“
„Du wirst es gleich sehen“, murmelte sie.
Die Männer lenkte er ab, sofern es noch sein musste. Dann, als er zu Maira zurückkehrte, erblickte er wie sie den Körper Gilsfrieds mit Erde umgeben und an einen Pfahl gebunden hatte. Sie bereitete ihn weiter vor, während sie unbekümmert und ohne zu Conrad zu sehen sprach: „Ihr Christen: seid ihr wirklich friedlich oder seid ihr grausam? Ich glaube, ihr seid Beides. Vor allem aber denkt ihr nicht selbst – dafür folgen sie ihrem Hirten, der, wie ich hörte und wie auch du mir sagtest, ein guter Hirte sei. Ob er mir verzeihen würde, wenn ich ebenfalls Christus folgte wie er? Nein, ich glaube nicht. Er hat auch meinem Geliebten nicht verziehen – meinem wahren Geliebten.“
„Wovon sprichst du?“, raunte Conrad in unheilvoller Vorahnung.
Kurz blickte sie zu ihm. „Ich habe dich gewählt, weil du wirklich etwas Besonderes bist. Du bist wahrer Christ und wahrer Heide zugleich. Ich habe dich gefügig gemacht, gar etwas verhext, aber wenn ich dies überhaupt tat, dann nur so wenig wie es nötig war.“
„Wovon sprichst du, Weib?!“, wiederholte und fauchte er, seine Klinge ziehend.
Sie lächelte wieder so seltsam freudlos. „Hast du schon so viele getötet, selbst in den letzten Wochen, dass du dich gar nicht erinnerst? Ach, Strebender! Jenen Mann, den du hast hängen lassen – für den du als Einziger wenigstens noch so etwas wie ein Funken Mitleid gezeigt hast, weil du dachtest es sei richtig dem Feinde zu verzeihen – er war mein wahrer Geliebter. Er war es, mit dem ich in diesen Wäldern lebte. Danach hatte ich nur noch meinen Alb des Todes. Und der, mein Strebender, soll dieses Dorf und diese Burg nun holen!“
Es waren ihre letzten Worte. Conrad, perplex, stieß mit dem Schwert vor, aber er konnte sie nicht treffen – sie war just weniger Meter neben ihm! Aber statt sich auf den Krieger zu stürzen, wandte sie sich dem Leichnam des toten Gilsfried zu. Eine letzte Hexerei war ihr Ziel, um über das Leben hinaus zu wirken. Ein zweites Mal entkam sie Conrad nicht, da nun seine Klinge sie tief in den Bauch traf. Doch ihre unheimliche Magie hatte sie vollendet.
Sie sank auf den Boden. Ein markerhellender Schrei, schrecklicher als alle anderen obskuren Geräusche dieser letzten Nächte, ging durch die Dunkelheit. Conrad weinte nicht um sie, nein, sondern hielt sich die Ohren zu und kam selbst erst wieder auf die Beine, als der Schrecken abgeklungen war.
Er spürte, dass etwas Ungeheuerliches geschehen war. Sein erstarrter Antlitz musterte die verdrehte, an den Pfahl gewundene Leiche des Abtes.
Doch dann vernahm er etwas hinter ihm – unter ihm! Conrad taumelte an die Zinnen und blickte vom Turm hinab in die Dunkelheit. Ein einziges Licht war im Dorf, das eines seiner Männer, vielleicht Wendel. Aber was war dort, dass vom Waldrand kam? Und was ließ selbst die nächtlichen Eulen plötzlich aus dem Wald in die höchsten Lüfte aufsteigen, als sich die Dunkelheit selbst zu bewegen begann?!
Conrad versuchte seinen Mann vom Turm aus anzurufen, um ihn zu warnen. Die Finsternis bewegte sich auf diesen zu, langsam, aber stetig. Der Kämpfer konnte ihn nicht hören und ging gar unachtsam voran. Sein Herr konnte nur zusehen.
Was er dann entdeckte, ließ ihn zitternd erneut auf die Knie gehen. So viel hatte er erlebt und erblickt! Er war von Maira in die dunklen Künste eingeführt worden. Aber dies dort überschritt alle Maße, alles göttliche Gesetz – denn nur Gott vermochte es die Toten auferstehen zu lassen! Doch es waren sie, die Toten aus dem Wald. Jene, die er mit Maira verscharrt hatte, begannen aus dem Dunklen zu schlurfen und über das Dorf herzufallen! Die Drei, denen er die Kehle durchgeschnitten hatte, fielen über seinen Fackelträger her und rissen diesen zu Boden, nur um ihn danach mit ihren puren Händen und Zähnen zu zerfleischen. Leichen, die marschierten wie die Lebenden!
Aus anderer Richtung näherten sich Gestalten, die er absolut nicht identifizieren konnte. Und noch tiefer aus dem Wald schienen noch mehr, wenn nicht gar Schlimmeres zu kommen! Das Grauen kam, die Wesen des Leibhaftigen! Des Albes dem Maira gedient hatte, ja, vielleicht der Leibhaftige selbst!
Conrad keuchte und stellte plötzlich fest, dass Gilsfried Leib aus Mund und Augen leuchtete, weiß, und doch unheilig. Der Tote war lebendig geworden wie die Anderen auch und wickelte sich selbst von dem Pfahl ab! Conrad, die Augen weit aufgerissen, suchte panisch nach seiner Waffe. Er kämpfte sich auf die Beine und hielt die Klinge, mit beiden Händen, und so fest er konnte.
In diesem Moment fielen all die Augenblicke zusammen, die es bedeuteten ein wahrer Ritter zu sein. Ich sah noch, dass Conrad es mit seinem Löwenmut, seiner Fuchsschläue und der Raubtierhaftigkeit des Wolfes schaffte den Untoten niederzuringen. Ich hörte noch, wie er zu laufen begann, um sich in eine Rüstung zu werfen, Schild zu nehmen, und seine vier verbleidenden Männer zu holen. Sein Plan war es die Burg zu verrammeln, zu sichern, um dort die Monster abzuwehren und sich dann ins Dorf durchzuschlagen und alle zu retten.
Da ich meine eigenen Überlegungen anstellten musste und nicht alles gesehen hatte, kann ich wirklich nicht sagen, ob er dies alles noch als ein Christenmensch tat. Ich kann auch nicht sagen, ob er die Schuld trägt, es die Hexe war, oder wir alle nur dem Bösen selbst Opfer wurden. Denn sicher war es die Macht dieses Schwarzalbes, so wie die Hexe Maira ihn genannt hatte. Er lebte und zerrte von finsteren Kräften vor denen uns nur Gott beschützen konnte. Aber ich frage mich, angesichts all dessen was ich gehört habe und was ich mir daraufhin zusammenreimte, ob wir diesen Alb je getroffen hätten, wenn wir selbst Heiden gewesen wären.
Es werden zu viele Lücken in dieser Geschichte bleiben, die ich euch erzählt habe. Ja, ich, Johann, bin es gewesen, der vieles beobachtet hat, aber weder so mutig noch so verschlagen wie Andere in Dunkelauge, allen voran wie mein Herr, gewesen sind. Nur beobachten und nachdenken konnte ich. Aber ich habe überlebt, und soweit ich weiß, bin ich der Einzige, der dies tat. Feige war ich, weil ich aus der Burg lief und den abscheulichen Kreaturen nur entkam, weil ich alles stehen und liegen ließ und rannte, soweit mich meine Füße nur tragen konnten.
Ich werde nun in diesem Kerker verrotten wie die armen Seelen, die meinen Herren Conrad damals warnen wollten so wie ich es nun Euch tue. Ich weiß nicht, was aus Dunkelauge geworden ist oder was mit dem Ort sein wird. Manche behaupten die Burg, und alles was dazugehöre, sein wie vom Erdboden verschwunden, hinabgezogen in den Schlund der Hölle, womit es eine Niederlage des Strebenden gewesen wäre. Ich weiß es nicht! Aber wahrlich, ich, der Feigling, ziehe den Kerker diesem Fluch der unendlichen Verdammnis vor, gleichwohl ich für sie alle unaufhörlich bete! Geht niemals an diesen Ort!
Was ich sah, war das Grauen – nur um eines Ritters persönliches Gesetz wegen, oder weil gerade dieses in all seiner Pracht fehlte? Dies werde ich mich bis in alle Ewigkeit fragen. Denn es ging nicht um die Hexe, bei alledem, nein, nein, sondern um den Menschen.